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Nr. 307 47. Jahrgang

Idol 1. Beilage des Vorwärts

Das neue Potsdamer   Krematorium.

Nach jahrzehntelangen Kämpfen der Anhänger der Feuerbestattungsidee in Potsdam   ist es endlich so weit: Potsdam   besitzt sein eigenes Krematorium. Gleich am Eingang des Neuen Friedhofes erhebt sich der schöne Bau inmitten alten, parkähnlichen Baumbestandes. Die klaren Linien seiner Architektur erinnern an eine morgen­ländische Kultstätte; die braune goldige Tönung hebt sich gut von dem bunten Flor der Blumen und gärt­nerischen Anlagen ab. Für Entrourf und Ausführung zeichnen Stadtbaurat Fischer und Architekt Groth. Entsprechend einfach dem' Aeußeren ist auch der Weiheraum gehalten, den man über eine hohe Frei­treppe betritt, sachlich und ernst, unter Vermeidung jedes Beimverks. Die schmalen, in die Längsseiten des Raumes eingeschnittenen Spitzbogenfenster ver­mitteln ein bläulich gedämpftes Licht, doch so, daß das Gefühl des Besuchers nicht allzu stark bedrückt wird. Eine Nische am Kopfende hinter der Auf­bahrungsstelle ist mit einem Mosaikbild geschmückt, das einen geflügelten aufsteigenden Genius darstellt. Zur musikalischen Umrahmung der Feiern dient ein Harmonium, das am Sonntag zur Feier der Eröffnung Don Prof. Wilhelm Kempff   gespielt wurde. Bürger­meister Rauscher erinnerte in der Eröffnungs­ansprache an die Pflicht einer guten Stadtverwaltung, still ihre Pflicht zu tun, ohne Aufsehen zu machen. Das Krematorium ist mit verhältnismäßig geringen Mitteln erbaut morden, die Anlage hat im ganzen etroa 250 000 Mk. gekostet. Eine Besichtigung der Verbrennungsstätten und der sonstigen Zweckräume gab den Eindruck einer gut durchkonstruierten An­lage, die noch Raum für einen zweiten Verbrennungs­ofen bietet. Leider verbietet eine Bestimmung in

Starter Reiseverkehr in Berlin  !

Aber der erwartete Umfang bisher nicht erreicht Der Berliner   Ferienreifeverfehr geftaltete fich am vorgeftrigen 2. Ferientag mleber sehr lebhaft. Es murder Don den Berliner  Fernbahnhöfen insgesamt 38 Bor- und Nachzuge, 11 Feriensonder züge und ein Gesellschaftsfonderzug abgelassen. Den von der Reichs­bahn gehegten Erwartungen entspricht der an und für sich starte Berkehr, aber noch nicht. Die einzelnen Züge waren gestern mit Ausnahme der Ferienfonderzüge, die 100prozentige Belegung auf wiesen zu 70 bis 80 Broz. besetzt. Den stärksten Berkehr hatte wieder der Anhalter Bahnhof   mit 9 Vor- und Nachzügen nach Frankfurt  , Basel  , Stuttgart  , Bayern   usw., 4 Ferienfonderzügen nach Bayern   und einem Gesellschaftsfonderzug nach Reutte  ( Tirol). Bon den übrigen Bahnhöfen gingen ab vom Stettiner Bahn­hof 8 Vor- und Nachzüge an die Ostsee  , 1 Feriensonderzug nach Warnemünde  ; vom Potsdamer Bahnhof zwei Vor- und Nachzüge nach Düsseldorf   und Harzburg  , zwei Ferienfonderzüge

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SINCLAIR LEWIS  

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DER ERWERB

Brandenburg die Anlage einer Urnenhalle, die von Architekt Groth in einer das Gelände flankierenden Wandelhalle in guter architektonischer Lösung Dor­gesehen worden roar.

nach Basal und ins Rheinland  ; npm 2ehrter Bahnhof zwei Borzüge nach Wittenberge   und Altona  , zwei Ferienfonderzüge nach Norddeich   und Westerland  ; pom Gorlizer Bahnhof drei Borzüge nach Hirschberg, ein Feriensonderzug ins Riefengebirge; pon der Stadtbahn Richtung Besten drei Borzüge nach Köln  , Rich tung Often 11 Bor- und Nachgüge nach Königsberg   und Breslau  und ein Ferienfonderzug nach Insterburg  .

Am Donnerstag hat sich der Bertehr auf den Berliner   Bahn­höfen im Laufe des Bormittags wiederum sehr lebhaft, zum Teil lebhafter als am Tage zuvor entwidelt. Es gingen 20 Ferienfonder züge von Berlin   ab, außerdem eine große Zahl von Bor- und Nach zügen. Einen einigermaßen zutreffenden vorläufigen Gesamtüber blid über den diesjährigen Ferienreiseverfehr wird man wahr­scheinlich erst nach Borliegen der Ziffern des 3. Juli erhalten. An­scheinend verteilt sich der Berkehr in diesem Jahre etwas, weil viele das Abfahrtsdatum um 1 oder 2 Toge hinausgeschoben haben, um nicht in allzu überfüllten Zügen die Erholungsreise antreten zu müssen.

höllische Lärm des Bürobetriebs, der zur Folter wurde. Um brei Uhr das Gefühl, daß man es bis fünf einfach nicht mehr aushalten tönnte. Keine Spur von Interesse für irgend etwas, das man schrieb. Dann die gesegnete Stunde der Erlösung; man streďte die steifen Beine und schlich stumpf und müde zur Untergrundbahn ein vollgepfropfter 3ug- und dann nach Hause, um die Mutter zu trösten, die den ganzen Tag

ROMAN   ber allein und verlaffen gewesen war. ROMAN  

Uebersetzt von Cl. Meitner. Meyer& Jessen, Vertrieb, München  .

Nicht als Priester oder Solbat oder Richter sucht die Nicht als Priester oder Soldat oder Richter sucht die heutige Jugend Chre zu erringen, sondern als Büromensch. Liebensmert und tapfer wie Riplings Dschungelreiter ordnet er seine Briefmappen, statt der Reihen seiner Soldaten. Der Rünstler spielt auf den Tasten der Schreibmaschine, nicht auf den Taften des Klaviers. Schilder statt der Schilde. Höfe von Kaufhäusern statt von Palästen das ist die Staffage des Dramas von heute. Nicht durch Wälder, in denen die 28ölfe hausen, noch durch bläulich dämmernde Schluchten, sondern durch Korridore und Aufzugschachte bewegen sich unsere heuti­gen Helden.

Und unsere Heldin ist nicht deshalb bedeutend, weil sie eine Amazone, sondern weil sie eine der Millionen weiblicher Büroarbeiterinnen ist; eine, die unsicher, aber unentmutigt, immer meiter banach forscht, was Frauen im Erwerb tun fönnten, um ihr von liebeleerer Routine erfülltes Dasein menschenwürdiger zu gestalten.

4.

Una verbrachte einen großen Teil ihrer Zeit damit, immer mieber einhundertmal, ameihundertmal, ein und die felbe Briefformel abzuschreiben; Berbebriefe, Reflamebriefe, Briefe, die so aussehen sollten, als wären fie viel zu persönlich gehalten, um etwa vervielfältigt worden zu sein. Sie hatte Listen von Automobil- Zubehörfabriken, von Schmierölfabri fanten, von Firmen, die sich mit dem Bertrieb von Augel lagern, Geschwindigkeitsmessern, Wagenfedern, Bergasern und Imprägnierungsmitteln für Regendächer befaßten. Manchmal wurde sie von der Redaktion requiriert, um Buschriften aus dem Leserkreis für den Seger lesbar abzu schreiben.

Das wa: Unas einförmiges Tagewert während dieser Monate. Nach dem Neuheitsreiz der ersten Wochen war es stimmte Persönlichkeiten sich allmählich von der großen Masse stets haargenau und unabänderlich das gleiche, nur daß be­abzuheben begannen.

Freitag, 4. Juli 1930

Warum Etatablehnung?

Die Stellungnahme der Sozialdemokraten. tiige Stadtverordnetenfraktion in der entscheiden­Ueber die Motive, aus denen heraus die sozialdemokras den Schlußabstimmung am Dienstag die vom Magistrat vor gefchlagene Steuerverteilung ablehnte, find die wider­sprechendsten Gerüchte im Umlauf. Der Zwed nachstehender Zeilen ist es, diese Stellungnahme zu begründen.

Bis zum 27. Juni gab es feine interfraktionellen Berhandlungen, die auch zwecklos gewesen wären, da für die Sozialdemokratie eine Erhöhung der Grundvermögenssteuer um 100 Broz. mit nachfolgender 4prozentiger Mieterhöhung unannehmbar mar, nachdem der Preußische Landtag   die Miete bereits mit Mirkung vom 1. Juni erhöht hatte. Die bürgerlichen Parteien andererseits sprachen davon, daß der Etat ohne Gewerbesteuererhöhung balanciert werden könne, so daß das gesamte Defizit, das unter Berücksichti gung aller im Laufe der Beratungen beschlossenen Veränderungen von 64,4 Millionen auf 49,2 Millionen M. gefunten ist, nach dem Willen der bürgerlichen Parteien fast ausschließlich durch Miet­erhöhungen gededt werden solle. Eine 4prozentige Mieterhöhung hätte allein etwa 44 Millionen M. gebraát. Bürgermeister Scholt hatte zweimal( gulegt am 27. Juni) die Führer der Sozialdemo fraten, der bürgerlichen Mitte und der Deutschnationalen zusammene berufen, ohne feinerseits Borschläge zu machen. Beide Male dauerte die Sigung nur wenige Minuten. In der zweiten erklärte der Deutschnationale Lüdide, daß seine Fraktion einstimmig beschlossen habe, den Etat abzulehnen, weil die Wünsche auf eine für die Deutschnationale Partei günstigere Dezernatsvera teilung im Magiftrat nicht berücksichtigt worden wären. Wie bereits berichtet, schlug der Magistrat am vergangenen Dienstag nach enda gültiger Feststellung des verringerten Defizits einen Steuer verteilungsschlüssel von 240 Broz. Grundvermögenssteuer gleich 1% Broz. Mieterhöhung gegen ursprünglich 4 Proz., dafür eine Gewerbesteuererhöhung um 110 Broz. und eine Lohnfummen steuererhöhung um 125 Broz. vor. Es bestand Einmütigkeit in der sozialdemokratischen Fraktion darüber, daß dieser Vorschlag diskutabel war, falls eine Mehrheit der Bürgerlichen ebenfalls zustimmen würde. In Konsequenz der bisher vom Genossen Flatou im Auftrage der Fraktion abgegebenen Erklärung hätte auch die fozialdemokratische Fraktion zugestimmt Zunächst um das Eingreifen des Oberpräsidenten zu verhüten und dann um den Schein zu vermeiden, als wolle die Fraktion sich vor der Berantwortung drücken. Da feine bürgerliche Fraktion Miene machte mitzugehen, beschloß die sozialdemokratische Frattion eben­falls abzulehnen und damit die Verantwortung denen zu überlaffen. die auf eine eigene Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung verzichten.

Groß Dachstuhlbrand in Friedenau  ...

Feuerwehrleute an Rauchbergiftung erfronti.

Jm Dachstuhl des Borderhauses Offenbachstr. 5 is Friedenau   bradh geftaru nachmittag vermutlich Infolge Selbst. entzündung Feuer aus, das sich in furzer Zeit zu einem Groß­feuer entwidelte.

Als die Feuerwehr zunächst mit drei Löschzugen an der Branb stelle erschien, brannte der Dachstuhl des Borderhauses in einer Aus­dehmmg von etwa 20 bis 25 Meter Länge lichterloh. Die Flammen hatten bereits auf den Dachstuhl des Seitenflügels überge griffen. Sengende Hige und starte Qualmentwicklung erschwerten den Löschangriff in starkem Maße. Die Löschtrupps mußten mit Eauerstoffapparaten ausgerüstet werden, da die Rauchmasser den oberen Teil des Wohnhauses völlig einhüllten. Als das Feuer immer bedrohlichere Formen annahm, mußten schließlich drei weitere Züge zur Hilfeleistung herangezogen werden. Aus fieber Schlauchleitungen wurden große Wassermengen in das Feuermeer

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An ihrem ersten Tag im Büro war ihr ein merkwürdiger junger Mann aufgefallen, der an ihrem Schreibtisch porbei­geschoffen fam, mit offenem Rod und halb zugeknöpfter ge musterter Weste und einer schieffigenden roten Krawatte unter einem meichen Umlegefragen. Er war auf den Büro­chef zugestürzt und hatte gefragt: Sagen Sie, sagen Sie mal Nat! Haben Sie diese Lofomobilbeschreibung schon für mich abtippen lassen? Was? Gott  , seid ihr langjam! Haben Sie vielleicht eine Zigarette?" Baffend ging er davon, schüttelte den Kopf und brummie: Schnedenbande, warr vielleicht ein Jahr älter- ein fchlanter junger Mann mit und warrhaftig!" Er schien ungefähr so alt zu sein wie una, einer Hornbrille, schwarzgeloctem Haar und dem Anflug eines schwarzen Schnurrbarts. Die Aermel hatte er bis z den Ellbogen hinaufgerollt, und der Kontrast der mattweißen Haut seiner dünnen Unterarme und der langen, dichten, Aus dem Nebel fremder Gesichter, aus der verschwomme- weichen, schwarzen Haare darauf verursachten Una ein heim­nen Menge von Menschen, die so selbstsicher und vielwissendlich- verschämtes leises Prideln. Er schien ihr weiblich und zwischen den Schreibtischreihen einherfiolzierten und grinften, herb- männlich zugleich. wenn Una ungeschickte Fragen stellte, löften sich einzelne Indi­viduen allmählich los und nahmen feste Gestalt an:

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Insbesondere die Persönlichkeit Walter Babsons.

5.

Fräulein Moynihan; die jüdische Stenotypistin mit den lachenden Lippen und glühenden Augen; die vier höher­gestellten Mädchen drüben in der Ede; die noch höhergestellte Erste"; und der Bürochef, der am wenigsten hochgestellt tat; die Telephonistin; der Laufbursche; Herr S. Herbert Roß   und feine Stüge"; der Chefredakteur; ein Automobilmagnat, deffen Beziehungen zu dem Blatt ein Rätsel blieben; der Eigentümer, ein höflicher, stiller Mann, der einen meist nur von der Seite ansah und als ftreng filzig galt.

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Andere mieder blieben für Una meiter unerfennbar, doch schien das Büro nach einem Monat fleiner und weniger furcht erregend geworden zu sein. Aus jedem Quadratmeter Boden fläche im Büro hätte man einen Roman machen tönnen: die Geschichte von der neurotischen Frau des Chefredakteurs; die Tragödie Chubby Hubbards, des blutjungen, blizdummen Redakteurs, der auf der Universität eine Fußballgröße ge­mesen war, später Autorennfahrer murde, und schließlich- eine verkommene Eristenz. Und tatsächlich lag ein ganzer Roman, eine stets von neuem erzählte Geschichte, in dem Klatsch der Mädchen über jeden einzelnen der Männer, vor denen fie so ergeben und bescheiden taten her Walter Bab jon war es, über den die Mödden am meisten au fhmagen fanden und an dem Una das größte Jnteresse zu nehmen

Listen und Briefe und Artikel, immer und immer wieder; und vor der Schreibmaschine figen, bis die Schulterblätter schmerzten und man zeitweilig die Augen schliegen mußte, weil| Die Buchstaben zu flimmern begannen. Den ganzen Tag der begann.

Total verrüdt", murmelte sie, womit sie anscheinend fidh und den nervösen jungen Mann zugleich meinte. Aber fie mußte sofort, daß sie ihn gerne noch einmal sehen würde.

Sie entdeckte bald, daß sein Erscheinen meist etwas fo Stürmisches an sich hatte; daß sein Name Balter Babson war; baß er einer der drei Redakteure war, die unter dem Chefredakteur arbeiteten; daß Stenotypistinnen und Lauf­burschen ihn abwechselnd bald verachteten meil er bummeln ging und von jedermann, der in Reichweite fam, Geld ent­lieh, bald anbeteten, weil er auf durchaus freundschaftlichem Fuß mit ihnen verkehrte. Er war gleichzeitig held, Clown, verlorener Sohn und Prediger der Anständigkeit. Es hieß abwechselnd, daß er Sozialist sei, Anarchist und Anhänger der Idee einer amerikanischen Monarchie. Man erzählte sich auch, daß er sogar mit dem Eigentümer frech gewesen und nur darum nicht entlassen worden sei, weil er der flotteste Arbeiter in der Redaktion und der fireste Mann war, Auto­mobilstatistiken in lebendige Neuigkeitsberichte zu verwandeln. Una bemerkte, daß er gerne herumstand und dem spöttischen S. Herbert Roß Borträge   zubellte: es sei doch die Hölle, hier zu arbeiten elende Bezahlung und gar fein Kamerad­fchaftsgeift; er wäre schon längst auf und davongegangen, menn er sich mit seinen literarischen Arbeiten durchsetzen. fönnte, aber da habe jp eine gemeine Clique von Schmtes ranten bei allen Zeitschriften und Verlegern die Innenseite. ( Forijegung folgt.)