Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Rr. 553

A 278

47.Jahrgang

öchentlich 85 Bf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einfchließlich 60 Bfg. Postzeitungs- und 72 Bfg. Poftbestellgebühren. Auslands­abonnement 6.-M. pro Monat. *

Der Borwärts" erscheint wochentag­lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme". Technit"," Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

.

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Mittwoch 26. November 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die ein paltige Ronpareillezeile 80 Pfennig. Reflame eile 5,- Reichs­mart. Kleine Anzeigen das ettge druckte Wort 25 Pfennig( zulässig zmei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt­geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Postscheckkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerufalemer Str. 65/66.

3,5 Millionen Arbeitslose. Bachfende Berwirrung.

Krise und Winter verschärfen die Lage.

Das Anwachsen der Arbeitslosigkeit im Reiche stand in der ersten Hälfte des November bereits im Zeichen des Winters. Die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeitslosen­versicherung ist um rund 100 000 auf 1 661 159 gestiegen, während in der gleichen Zeit des Vorjahres die Zunahme etwa 124 000 betrug. In der Krisenunterstützung mit 537 613 Unterstützten ist ein Mehr von 27 100 zu verzeichnen. Damit haben diese beiden Unterstützungseinrichtungen zusammen eine Belastung von 2 200 000 Personen erreicht. Wie erwartet, ist die Ueber­lagerung gegenüber dem Vorjahre zum ersten Male etwas zurüdgegangen; fie beläuft sich jetzt auf etwa 1 000 000 gegenüber rund 1 050 000 Anfang Oktober.

Die Zahl der verfügbaren Arbeitsuchenden bei den Arbeitsämtern ist um mehr als 230 000 angewachsen, und es wurden am 15. November rund 3 484 000 Arbeitslose gezählt. Der Zuwachs in der ersten Hälfte des Monats November betrug in den Saijonaußenberufen 9,9 Proz., in den übrigen Berufsgruppen 5,5 Proz. In der gleichen Zeit des Vorjahres war die absolute Ziffer der Zunahme etwa gleich groß, verteilte sich jedoch anders, da die Arbeitslosigkeit in den Saisonaußenberufen nahezu drei­malfo rasch zunahm wie in den übrigen Berufsgruppen.

3m ganzen läßt die Entwicklung den Schluß zu, daß nach dem hohen Stand, den die Arbeitslosigkeit in den Saisonaußenberufen schon während dieſes ganzen Jahres beibehalten hatte, nuumehr die weitere jahreszeitliche Berschlechterung in etwas milderen Formen, als fouft verläuft; dagegen ift. offenbar. die allgemeine Formen, als fouft verläuft; dagegen ist offenbar. die allgemeine wirtschaftliche Stagnation, die sich in den Zahlen der wirtschaftliche Stagnation, die sich in den Zahlen der übrigen Berufsgruppen ausprägt, noch unverändert geblieben.

wochen hatte das Landesarbeitsamt Brandenburg ( Berlin  , Brandenburg   und Grenzmark) einen Juftrom von 41 831 neuen Arbeitsuchenden zu verzeichnen. Mit fast 540 000 Arbeit fuchenden ist Mitte November bereits der höchste Stand der jonen überschriften. Gegenüber der gleichen Zeit des vorher. Arbeitslosigkeit im vergangenen Winter um 43 772 Per­gehenden Jahres liegt die Gesamtzahl der Arbeitsuchenden um 101,4 Prozent und die der männlichen Arbeitslosen sogar um rund 110 Prozent höher.

Auf Groß- Berlin entfallen allein 400 822 Arbeitsuchende, auf Brandenburg   rund 130 000 und auf die Grenzmart rund 9000 Personen. Von den Erwerbslojen entfallen 237 039 als Hauptunterstützungsempfänger und 91 033 als Krijenunterstützte auf die Arbeitslosenversicherung. Von den Berliner   Arbeitslosen wurden 240 047 Personen von der Versicherung unterstützt, so daß der städti­

fchen Wohlfahrtsfürsorge allein 160 800 Unterstützungsbedürftige zur Last fallen. Diese tatastrophalen Zahlen sprechen Bände für die zufähliche finanzielle Belastung der Kommune Berlin  . Der stärkste Zugang an neuen Erwerbslosen fand in der Be­richtszeit von den Außenberufen her statt. Besonders in der Landwirtschaft, dem Baugewerbe und den Baustoff­industrien waren Maffenentlassungen festzustellen. Auch in der Bekleidungsindustrie und der Konfettion wurden zahlreiche Arbeits­fräfte freigesetzt. Die Lage in der Metallindustrie hat sich nicht wesentlich geändert. Wohl war im allgemeinen Maschinenbau und auch in Teilen der Elektroindustrie eine leichte Beffe rung zu bemerken, doch wurde diese durch den weiter rück. industrie wieder ausgeglichen. Auch der Zuftrom von erwerbs. gängigen Beschäftigungsgrad in der Schwachstrom und Auto­lofen Angestellten hat unvermindert angehalten. Besonders start war der Andrang entlaffener Banfangestellten. Demgegenüber war der Bedarf an Bertaufspersonal im Hinblick auf das bevor

Nach dem Rechtsabmarsch der Wirtschaftspartei.

Die Wirtschaftspartei hat also das Regierungslager ver­lassen, und Herr Bredt hat aufgehört, Justizminister zu sein. Der Beschluß ist offiziell damit begründet worden, daß die Reichsregierung Brüning ihre Politik in An­lehnung an die Sozialdemokratie unter Preisgabe lebens­wichtiger Interessen des deutschen   Volkes und der deutschen  Wirtschaft durchzuführen versucht."

Diese Formulierung könnte Anlaß zu der Vermutung geben, daß die Regierung Brüning der Sozialdemokratie irgendwelche bedeutende Zugeständnisse gemacht hat. Dies ist jedoch nach unserer Unterrichtung feineswegs der Fall. Das Bemühen der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion nach wichtigen Verbesserungen des Regierungsprogramms braucht zwar noch nicht als gescheitert angesehen zu werden, hat aber bisher auch noch feinen abschließenden Erfolg erzielt.

ihr Ausscheiden aus der Regierung ist nur ein Vorwand. Die Der offiziell angegebene Grund der Wirtschaftspartei für ihr Ausscheiden aus der Regierung ist nur ein Vorwand. Die wirklichen Gründe sind nicht schwer zu erkennen.

In der Zeit ihrer Entstehung war die Wirtschaftspartei ein Vorläufer des Nationalsozialismus in der plumpsten De­magogie. Sie hatte auch großen Zulauf. Bei den letzten Wahlen aber teilte sie das Schicksal der anderen bürgerlichen Rechtsparteien, von den Nationalsozialisten aufgerieben und verschluckt zu werden. So wurde ihr das Ministerexperiment ihres Führers, des Marburger Professors Dr. Bredt, immer unheimlicher, und fenfungsaftion der Regierung einsetzte, die in den num gar die Preis­Kreisen der Handwerker und Kleinhändler die oppositionellen fenfungsaktion der Regierung einsetzte, die in den Stimmungen perschärfte, als die Gemeindegetränke steuer die Gastwirte in Bewegung brachte, mar fein Halten mehr. Die fleine Partei versuchte den Rettungssprung aus

als nun

400.000 Berliner   erwerbslos fehende Weihnachtsgeschäft verschwindend gering. Etwas aufnahme der Regierung in die Opposition.

Verschärfter Kritendruck auf dem Arbeitsmarkt. Auf dem Berliner   Arbeitsmartt ist jetzt die Krise mit voller Wucht hereingebrochen. In den beiden ersten November­

fähiger gestaltete sich der Arbeitsmarkt für technische Ange= stellte( Maschinenbau   und Elektroindustrie). Dagegen war die Bermittlung für at ademische Berufe ausgesprochen schlecht. Hier stieg die Zahl der Erwerbslosen   besonders bei Volkswirten, Apothekern und Zahnärzten.

Strafgericht in Oberkirchen.

Der Terror wird abgepfiffen.

Der Terror der Bilsudskisten in Zentral- und Ostpolen  , der Aufständischen in Ostoberschlesien hat seine Schuldigkeit getan: die Opposition und die nichtpolnischen Parteien sind dezimiert. Mächtige Empörung schreit auf. Englische und amerikanische   Blätter be richten eingehend über all die vichischen Taten der Soldatesta in Ostgalizien  . Das Deutsche Reich ruft den Völkerbundsrat an, sich um die vällige Außerachtlaffung des Minderheitenschutzes in Ost oberschlesien zu fümmern; schweres Antlagematerial geht nach Genf  und an alle Battmächte.

Da wird der Terror, wenigstens gegen die Nichtpolen, ab. gepfiffen. Der Gemeindevorsteher und der polnische Schul­leiter in Oberbirten sind ihres Amtes enthoben und unter Diszi plinarverfahren gestellt, strafversetzt, 3500 3loty find als erste Hilfe bewilligt, 13 Bersonen bisher verhaftet. Die Verbrechen langer Die Verbrechen langer Monate macht man damit nicht ungeschehen. Sicherheit für die Zukunft muß geschaffen werden. Wäre nicht, wenigstens für Ost­oberschlesien, die Schaffung einer internationalen Sicher heitsbehörde mit genügenden Bollzugskräften

durchaus angebracht? Der Völkerbund   ist verantwortlich für unterstellt hat!

Die Minderheitsvölker, die er einer nationalen Fremdherrschaft

Allparteiliche Protestbewegung.

Beuthen  , 25. November.

In Gleiwitz   und Ratibor   werden am Sonntag große Sundgebungen gegen die polnischen Ausschreitungen abgehalten. An der Gleiwizer Rundgebung werden sich, entsprechend einem einstimmigen Beschluß, die Fraktionsführer der Stadt­perordnetenversammlung, fämtliche politischen Parteilen und die Gemertschaften beteiligen.

Die Borgänge in Golaschowitz.

In Golaschomig hatten am Sonnabend Aufständische" die

Schließlich bildeten die Deutschen   einen Selbstschutztrupp, um die Schließlich bildeten die Deutschen   einen Selbstschußtrupp, um die Schule zu befreien. Polizei trat dazwischen, im Getümmel wurde ein Schule zu befreien. Polizei trat dazwischen, im Getümmel wurde ein Polizist er stochen. Darauf haben die Polen   bisher 30 Personen, darunter auch den Küster, verhaftet und zunächst im Keller des Polizeihauses gefangen gehalten. Aufständische stehen Bache  ! Der Pfarrer war mit dem Breslauer Kirchenpräsidenten bet Ca Schule in Golajchomik zu erbitten. londer, um Schuß für die deutsch  - evangelische Gemeinde und

England soll eingreifen.

London  , 25. November. ,, Der Manchester Guardian" beschäftigt sich in einem Leitarlifel mit der Frage der deutschen   Minderheit in Polen   und verlangt von England als unparteiische Macht eine Intervention beim Bolterbund. Es sei sicherlich an der Zeit, erklärt das Blatt, daß der Bölkerbund dem Fehlschlag der Minderheitsabkommen größere Aufmerksamkeit

schenke. Das Blatt hält es für fraglich, ob Deutschland   als eine der interessierten Barteien am geeignetsten sei, dieses Problem in Genf   anzuschneiden. Großbritanniens   Eingreifen als uninter essierte Macht würde befriedigende Resultate zeitigen. Es sei inter­effant in diesem Zusammenhang zu erfahren, daß die

englische Regierung von ihrem Botschafter in Polen   einen Be richt über die Lage in der Ukraine   verlangt

Repreffalien deutscher   Extremijten die Lage der deutsch.n habe. Abschließend bringt das Blatt die Ansicht zum Ausdrud, daß Minderheiten in Bolen nicht beifern würden. Im Gegenteil, wenn die deutsche Regierung wirklich eine anständige Behandlung heißsporne im Baume halten. der nationaler Minderheiten fordere, so müsse sie ihre eigenen

Staatsratsfih in Genf   erobert. Die Sozialdemokraten errangen bei den Ersagwahlen zur Regierung des Kantons Genf  wegen des angeblich zu machen Einflusses mit nur einem Bers ihren ersten Male einen Staatsraisjig. Da aber Bartei treter nicht in die Regierung gehen will, ist der gewählte Staats rat Staine fofort wieber zurüdgetreten.

Deutsch  - evangelische Schule belagert, so daß die Schultinder und ihre Lehrer stundenlang in Angst und Schrecken eingesperrt faßen. Den Rüfter und Organisten hatten bie Terroristen schmer mißhandelt.

Ob ihr dieser Sprung gelungen ist oder ob sie sich ver­Dientermaßen den Hals gebrochen hat, ist ziemlich gleich­gültig. Wichtiger ist die Frage der Rückwirkungen auf die parlamentarische Lage und auf die staatsrechtliche Entwick­lung der Deutschen Republik.

Mit dem Ausscheiden der 23 Wirtschaftsparteiler sind die Möglichkeiten einer Mehrheitsbildung noch nicht zerschlagen. Optimisten haben sogar ausgerechnet, daß die legten Abstimmungen im Reichstag auch dann noch für die Regierung ausgefallen wären, wenn die 23 statt mit der Mehrheit mit der Opposition gestimmt hätten. Bei jenen Abstimmungen hatte es sich jedoch nur darum gehandelt, der Ablehnung oppositioneller Anträge eine Ratastrophe zu ver­Regierung die weitere Eristenz zu ermöglichen und durch hüten. Jetzt aber sollen in der Zeit vom 3. Dezember bis Weihnachten die notwendigen Aenderungen an den Ar­titel- 48- Berordnungen vorgenommen und außerdem zahl­reiche Finanzgefehe verabschiedet werden, von denen einige als verfassungsändernd einer Zweidrittelmehrheit be­dürfen.

Die Regierung Brüning scheint damit zu rechnen, daß ihr im Fall eines Versagens des Reichstags wieder die Hilfe des Reichspräsidenten zur Verfügung stehen wird, daß sie also notfalls die Möglichkeit haben wird, nochmals Berordnungen zu erlassen, deren Aufhebung oder Aenderung Berordnungen zu erlassen, deren Aufhebung oder Aenderung war der Reichstag   beschließen fann, die aber zunächst ohne Reichstagsbeschluß in Kraft treten.

Auf der anderen Seite bemüht sich die Rechte, den Sturz der Regierung herbeizuführen. Sie nimmt an, daß in diesem Falle entweder die Macht sofort ihr zufallen oder aber ein Durcheinander entstehen wird, bei dem sie gleichfalls an die Spige zu kommen hofft.

Eine Rechtsregierung als Diktaturregierung oder eine Rechtsregierung als Mehrheitsregierung mit dem Zentrum oder aber die Regierung Brüning, die, wenn es geht, parla­mentarisch regiert, wenn es aber nicht geht, mit einem irgend­mie ufurpierten Verordnungsrecht- diese Möglichkeiten fcheinen zur Zeit die allein gegebenen!

Eine weiter links stehende Regierung ist faum möglich, nicht nur, weil der Reichspräsident fie nicht will, sondern auch, meil eine Mehrheit, die die Führung der Sozialdemo tratie anerkennt, in diesem Reichstag nicht vorhanden ist. Wenn heute vielen die Regierung Brüning als das mahr­fcheinlich fleinfte der zur Zeit möglichen lebel erscheint, so ist das eine Folge des verrüdten Wahlergebniffes Dom 14. September, bas die Sozialdemokratie ge­1 schwächt, die Mittelparteien, mit Ausnahme des Zentrums,