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Beilage

obalgary Ostrogo Der Abrno

Sonnabend, 7. Februar 1931

Shalausgabe des Vorwärts

BERLINER

HAFENI

Als vor Jahrtausenden die Eiszeit zu Ende ging und die schme!| Neukölln wurde 1913 der Osthafen zenden Gletschermassen sich über die Norddeutsche Tiefebene   ergossen, Schutt und Geröll mit sich führend, als die Moränen sich bildeten und weit ausgedehnte Täler entstanden, in denen Seen, Flußläufe und Sümpfe zurückblieben, da entstand neben anderen auch jene große Niederung, die sich aus Polen   über den Obrabruch, Spree  - und Hanelgebiet bis zur Elbe erstrect und von den Geologen als das Berliner   Tal" bezeichnet wird.

eröffnet. Der Großschiffahr.sweg Ber lin- Stettin brachte eine direkte Berbin­dung zur Ostsee  , der Spree.Oder. RanaI wurde ausgebaut; 1914 er= folgte der erste Spatenstich zum West­hafen Der Bau dieser größten und modernsten aller Berliner   Hafenanlagen Der Fischreichtum der Gewässer verlodte in den späteren Zeiten wurde durch den Krieg verzögert, und die Menschen, sich im Luchland anzusiedeln; und wenn auch noch nichts erst im Jahre 1923 fonnten zwei Becken darauf hinwies, daß in der Gegend zwischen Oder und Elbe   dereinst dem Verkehr übergeben werden. eine Weltstadt entstehen sollte, so waren doch einer aufstrebenden wenig bekannt ist diese neue, etwas ab­Sieblung alle natürlichen Vorbedingungen gegeben, sich zum gelegene Berkehrszentrale bei Blogen­Binnenhafen mit weit verzweigtem Wasserverkehr zu entfee, wo grüne Natur und neuzeitliche wickeln: Dicht bei den großen Strömen gelegen, die den Zugang zu Nord- und Ostsee   bedeuteten, Seen und Flußläufe von unerschöpf. lichem Wasserreichtum, leicht beweglicher Boden, wie geschaffen zum Bau von Kanälen und Häsen.

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Charlottenburger   Hafen

Ihre Entstehung verbantte die Stadt Berlin   allerdings gerade dem Zandwege. Bir missen aus der geschichtlichen For. schung, daß in früheren Jahrhunderten der heutige Mühlen. damm( Molendamm) die einzige Möglichkeit bot, durch das fumpfige Gebiet der Spree von Süden her nach der Ostsee   zu ge­langen. Die Wichtigkeit dieser Handelsstraße ließ aus den Fischer­dörfern Berlin   und Cölln eine befestigte Stadt entstehen; das Waffer der Spree wurde in die Schußgräben geleitet. So entstand der Kupfergraben, der dann zum Verbindungskanal aus­gebaut wurde, da die Spree durch den Molendamm für die Schiff­fahrt gesperrt war. Hier liefen noch bis Mitte des 19. Jahr­hunderts die turfürstlichen resp. föniglichen, zulegt städtischen Mühlen. Im Kupfergraben entstand im 15. Jahrhundert die erste Schleuse. Das Spreebeden ami Mühlendamm, in die Befestigung der Stadt einbezogen, diente als Hafen, der alte Inselspeicher an der Fischerstraße ist vielen noch in Erinnerung. Nach der Kanalisie rung ber Spree im 17. Jahrhundert suchte man Berbindung nach dem Often. Der Friedrich Wilhelm Kanal wurde gebaut, nachdem der erste Finomfanal im Dreißigjährigen Kriege zerstört worden war. Im 18. Jahrhundert entstanden der Finowfanal und Bromberger Kanal, jo daß die Schiffe bis zur Weichfel fahren fonnten; der Blauer Kanal schuf eine fürzere Berbin dung zur Elbe  . So waren wichtige Verbindungen geschaffen; der Berliner   Wasserverfehr erlebte um 1800 eine ungeahnte Blüte; aber nur für furze Zeit, die Napoleonischen Kriege machten ihr ein schnelles Ende.

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b

Erst die Erfindung des Dampfschiffes leitete eine neue Epoche ein, die Schleppzüge traten in Funktion, größere Schiffahrts­gesellschaften bildeten sich. Neue Kanäle und Häfen wurden gebaut. Die wichtigste Anlage war die des Spandauer Schiffahrts kanals in den Jahren 1840 bis 1850; gleichzeitig entstanden Nord- und Humboldthafen. Auch der Landwehr- und Quisenstädtische Kanal mit dem Engelbecken stammen aus dieser Zeit. Ein bedeutender Fortschritt war auch der Bau der Schleuse am Mühlendamm, die den Durchgangsverkehr auf der Spree gestattete. Die Jahre nach 1870, die Gründerzeit, mit der ungeheuren Nachfrage nach Baumaterial für die emporschießende Stadt setzten jede Blanke in Bewegung. Von Rathenow   und Freien­ walde  , aus der Sächsischen   Schweiz   und von Bolen famen die Schiffe beladen an. Große Ladestraßen wurden in Berlin   und Char. lottenburg angelegt, die Kaiseite ausgebaut, die alten Dreh- und Hebe­brüden machten Steinbrüden Blah. Der Urbanhafen und der Seliomtanal murden geschaffen. Das Jahr 1906 bedeutete einen Höhepunti für den Berliner   Wasserverkehr. Mit dem Rüd­gang der Bautätigkeit von da ab ging auch die Schiffchrt zurück, zu mal die Eisenbahn als schärferer Konkurrent auftrat. Trotz allem brachten die beiden lezten Jahrzehnte noch wichtige Reuanlagen im Berliner   Hafengebiet. Neben fleineren Häfen in Tegel  , Spandau  ,

Nur

Westhafen

schönemeide, Tegel   und Siemensstadt  . Die Berliner   Mörtelwerte beispielsweise besigen das ganze iftliche Ufer der Spree   am aften Charlottenburger   Hafen, dort, wo Landwehrkanal, Berbindungskanal und Fluß sich vereinigen. In Berlin   selbst liegen an der Spree   wohl noch einige Mühlen und Fabriken, aber der Hauptwasserverkehr liegt außerhalb der Stadt. Die legten Jahrzehnte haben alles geändert. West und Osthafen sind die Pole geworden, in denen sich der Schiffahrtsverkehr tonzentriert. Die alten Häfen wie Nordhafen, Humboldthafen usw. liegen halb verödet da, mur etwas Bau- und Brennmaterial wird noch abgefeßt. Am Urbanhafen liegt der größte Teil der Ladeinsel brach und dient den Möwen als Brutstätte, die dort in gewaltigen Schwärmen Luft und Wasser bevölkern. Wir haben gesehen, wie in den letzten Jahren der Luisenstädtische Kanal   zugeschüttet wurde und hörten gar von Pro jeften, nach benen der Bandwehrkanal, dieses volkstümliche Wasser­Straßenidyll, dem Auto- oder Bahnverkehr geopfert werden sollte.

Technit, buntes Bolfsleben und groß­zügiger Verkehr zusammenstoßen. Bon Alleen und Brüden bietet fich ein Bild auf die belebten Wasserflächen, die Beden des Best. hafens öffnen fich in mächtiger Perspektive. Unser Bild zeigt das größte der drei Hafenbeden. Es hat eine Länge von 683 Meter. Insgesamt steht eine Railänge von 3500 Meter' zur Verfügung. Die Beckenbreite beträgt überall 55 Meter, so daß zwei schwere Elbtähne non 8 Meter Breite an den Kaimauern liegen und zwei weitere fich gleichzeitig dazwischen bewegen fönnen. Hundert Schiffe Don je 600 Tonnen Rauminhalt fönnen hier abgefertigt werden. An sämtlichen Rais liegen je zwei Ufergleife, über denen sich die Portalkrane, zirka 40 an der Zahl, aufbauen. Für die Kohlenverladung sind mehrere Ladebrüden vorhanden. Außer Zoll­und Getreidespeicher   bestehen 13 große Ladehallen. Durch diesen Hafen ist ein ganz neues Biertel erschlossen worden mit großer wirtschaftlicher Zukunft. Mancherlei Gelände liegt hier noch brach. Schon vor dem Kriege wat die neue Martthalle, die Berlin  doch so dringend braucht, in nächster Nähe zwischen Ringbahn und Verbindungskanal projettiert worden, aber die Ausführung steht noch immer aus. Hier wäre doch eine Möglichkeit gegeben, der Arbeitslosigkeit zu steuern, zumal die Anlage durchaus rentabel ist,| in eine unbestimmte Zukunft will die Tiefbauverwaltung der Stadt besonders hier mit Basseranschluß. Der Osthafen ist im Gegensatz zum Westhafen nur etwa ein Drittel so groß und hat mehr den Cha. rafter einer großen Ladestraße.

Wie werden nun die Hafenanlagen bewirtschaftet, d. h. mer forgt für rasches Löschen und Verladen, Lagerung und Trans. port der Güter? Wie in anderen Städten lag dies alles früher

Urbanhafen

auch in Berlin   in den Händen von Privatfpediteuren. Dieser offenbaren 3ersplitterung wurde ein Ende gemacht, als die Stadt sich entschloß, den ganzen Aufgabenfompler in eigene Regie zu nehmen. So wurde im Jahre 1923 die Behala( Berliner  Hafen- und Lagerhaus A.-G.) gegründet. Der 3wed war, in Form einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft aus dem Hafen einen selb­ständigen Verwaltungstörper zu machen, der Hafenbetrieb, Lagerung und Spedition vereinigte und wirtschaftlich produttiv gestaltete. Unter fachkundiger Führung hat die Behala dieje Aufgabe glänzend gelöst. Vor allem hat sie die technischen Einrichtungen vervollkommnet und speziell den Westhafen weiter ausgebaut; dabei wurde besonders die Tatsache berücksichtigt, daß die Berliner   Häfen teine ilmschlag. häfen sind wie Samburg oder Ruhrort  , sondern daß hier die Güter gleich dem Verbraucher zugeführt werden. Im Laufe von vier Jahren ist es der Gesellschaft gelungen, trop mancherlei Schwierig feiten ein rentables System in die Hafenwirtschaft zu bringen. Mit Stolz fann die Stadt Berlin   feststellen, daß ihre Säfen nicht, wie es bei anderen Städten der Fall ist, noch Zuschüsse brauchen, sondern fogar einen lle berid) u B abmerfen.

Trotz dieser günstigen Sachgage wird man erstaunt sein, daß nur 30 Broz des Berliner   Güterverfehrs über die Behala gehen. 70 Braz. der auf dem Wasser verkehrenden Güter werden von privaten Speichereien sowie von Betrieben mit eigenen Häfen und Umschlageinrichtungen aufgenommen Bor allem find in dieser Beziehung die städtischen Werte für Gas- und dieser Beziehung die städtischen Werte für Gas- und efettrizitätserzeugung Selbstversorger geworden Die großen industriellen Werke sind in die Außenbezirle gezogen und haben eigene Bahn- und Basseranschlüsse, so in Ober- und Nieder­

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Weitere größere Beränderungen im Berliner   Wasserverkehr stehen noch bevor. Besonders aftuell ist jetzt die Frage des II m. baus der Mühlendammschleuse. In weiter Boraussicht

die Schleuse gleich für das 1000 Tonnen Schiff um bauen, das einmal später neben dem 600- Tonnen- Schiff die Stadt passieren foll. Auf diese Weise tönnte eima die weitfälische Kohle durch den Mittellandlanal gleich nach der Oberspree gebracht werden; obgleich es doch viel näher liegt, die oberschlesische Kohle dort zu ver wenden. Die Aussichten über die Durchführbarkeit und Rentabilität dieses Projetis find geeilt. Niemand würde es bedauern, wenn das Gebäude der Städtischen Spartasse, die zu einer Zeit schlimmster Berwirrung in Architektur und Silfragen entstanden ist und ein Musterbeispiel für die Romantit und den Anachronis mus ber Gründerzeit bildet, verschwände.

Aber wie schade wäre es, wenn das Ephraim Palais  dieses prachtvolle Dentmal aus der Barockzeit, der neuen Schieuse zum Opfer fallen müßte. Gerade durch den Abbruch der Spartasse tönnte das Palais erst recht zur Geltung fommen, da die ganze Wasserseite bisher dem Blick des Beschauers eigentlich ent zogen war.

Bon anderer Seite find Vorschläge gemacht worden, Stauung und Schleuse überhaupt zu entfernen, Ost- und Westhafen als Kopfstationen auszubauen, den Durchgangsverkehr durch dea Teltowkanal zu leiten, den 2ast tahn also ganz aus der Spree   im Stadtgebiet zu verbannen. Dafür sollte nach dem Muster von Paris   und London   Personenverkehr auf dem Wasser stattfinden, kleine Dampfer luftig spreeauf und ab fahren. Schon lange vor dem Kriege hatte sich die Hochbauverwaltung bemüht, die innere Stadt   nach der Spree   hin mehr zu öffnen; man hatte ferstraßen projettiert, an Stelle der alten Hinterhäuser

Nordhafen

und häßlichen Fabritbauten sollten neue Straßenfronen entstehen. Wie schön tönnten diese Borschläge mit dem der Personen. fchiffahrt vereinigt werden. Promenaden, Kais mit Ruder bootanlegestellen, Alleen tönnten geschaffen werden; auf dem Plaz des Inselspeichers fönnte ein großes Gartenrestaurant seinen Be trieb entfalten. Die ganze innere Stadt könnte eine Auferstehung erleben; das wäre eine erfreuliche und rentable Lösung.

Text und Zeichnungen von Hugo G. Müller.