ilorherl Jacques: 3)üS
In einer mitteldeutschen ProvinzstM sollte ich ein Telegramm aufgeben und ging zur Post. Es war ein Augusttag und Sonntag. vormittag und in dem Amt war nur ein Schalter geöffnet. An diesem Schalter stand eine Schlange von Menschen, denen ich mich einordnen mußte. Der Beamte, dem man durch das Fenster hin- durch auf die Stirn sah, schien nicht bei sonntäglicher Laune zu sein, denn er trug aus vielstelligen Listen Zahlen in«in Register ein und tat, als sähe er uns nicht. Was stellte aber der alte, kleine mtb etwas schmutzige Mann an, der am Schreibpult des Amtes stand? Cr schrieb ein Formular nach den', anderen, schob ein zerknülltes weg und nahm ein neues anderes, biß die Spitze des Federkiels zu einem Pinsel und schluchzte dazwischen einmal aus, als ob er eine hölzerne Kugel aus den Lungen heraufatmen müßte. Rund um ihn breitete sich«ine Flut von beschriebenen und zerballten Telegraphensormularen aus, eine wahre Papierschlacht, und der kleine grauhaarige Alte setzt« sein merkwürdiges und unverständliches Werk fort. Das ging so weit, daß der Hausknecht, der mit einem Formular inmitten des Rudels der Wartenden als Erster vergebens am Schalter gestanden hatte, zaghast an die Scheibe pochte. Der Be- amte fuhr hinter einem dicken Journal auf. wie aus einer anderen Welt heraus, und raste mit dem Schiebefenster in die Höhe. Statt sein Telegramm auszugeben, zeigte der Knecht aus den sonderbaren Alten und sagte:„Er l)ot schon wenigstens dreißig Depeschen so zerknüllt." Der Beamte bemerkte kurz angebunden: „Es steht nicht in meinen Instruktionen, ihm das zu verbieten." Das Fenster schnob wieder zu, wie ein griesgrämiges Maul, da? sin- mal heftig gegähnt hat. der Beamte, der Knecht, dos Rudel der mit den Depeschenformularen in der Hand Wartenden, der ganze Raum siel wieder in die trag« Erstarrung, die von dem leeren Sonntag- vormittagsplatz vor den Fenstern und aus der breiigen Föhnschwüle des heißen Augusttazes hereinströmte Rur der grauhaarige Alte schrieb mitten in dem verschlafenen Brüten fieberhast neue Formulare, lehnte sich tief nieder, zerbiß den Federkiel und fraß ihn immer weiter auf. las und schluchzte da- zwischen einmal hart auf, wie ein Tier, das«inen Fußtritt bekam. knüllte dos Formular zusammen und schob es weg. Seine Hand bebte sofort über einem neuen. Sie bedeckte es langsam mit steifen Zeichen, immer nur eine Reihe, die von den Wartenden mit döstger Neugier als eine unordentliche, ausgerechte Kette von verschmierten Tintenklecksen angesehen wurde. Der Hausknecht gab seine Bor» zugsstelle auf, die bisher freilich illusorisch gewesen, weil der Beamte immer noch hinter seinem großen Buch sah und den Telegramm- draht seinem Zweck entzog. Er nähert« sich behutsam dem Alten, als ob er ihn ertappen wollt«. Aber der merkte die Neugier. Er schob seinen breiten Buckel weit über das Pult und rundete ihn wie das Schild einer Schildkröte abwehrend vor dem Fremden über das Gelzeimnis seiner Schreiberei. Aengstlich raffte er die zer- knüllten Formulare zusammen und schichtete sie in einem Hausen auf, der wie ein Wall das Formular umgab, das er eben beschrieb. Ich trat nun. von Ungeduld und Aerger gegen den anmaßenden Beamten gedrängt, ans Schalterfenster und klopfte tatkräftig an das Glas. Das ichnob auf. eine Hand riß mein Formular fort. Das aus- rappelnde Fenster zog den Hausknecht mit einem Sprung wieder an seine Borzugsstelle am Schalter zurück. Es entstand eine Be- wegung in der Schar der Wartenden. Mein Borgehen hatte miß- billigende Bemerkunien hervowerusen, di« ieils gegen den Beamten, teils gegen mich- gerichtet waren, well ich die. ganze. Rech «. über- ganzen hatte. Sl�er es hatte den ErfderH". daß der Beamte sich nun seinem Amt, dem Publikum und dem Weltverkehr übergab, was er ohne' Grazie tob. Darüber vergaß man den Alten. Der hatte mit einem Plötz- lichen Entschluß da, letzte Formular, das er gerade beschrieben, vom Pult gezogen. Heimlich und scheu hatte er sich erst mitten in die Weng« hineingezwängt, hatte aber gleich wester nach vorn gedrängt und stand plötzlich neben mir, dessen Telegramm noch nicht er- ledigt war.
Der Hausknecht war jetzt zu sehen, wie er am Pult Blatt um Blatt der zusammengeknüllten Formulare glattstrich und sich das| Geheimnis des Alten anzueignen versuchte. Ich selber war nun abgefertigt und der Alte reichte, statt des Telegramms, dem Beamten ein Fünfmartstück hin. Er zeigte sich derart aufgeregt, daß er sein Formular, das er vor dem Hausknecht mit seinem Körper gedeckt hatte, offen hinlegte und es aller Blicke und Neugier auslieferte. Ich las darauf: Geschwister Zaberle, Saargemünd . Kommt gleich. Mutter hat sich--- Dann folgten mehrere Striche, schreckhaft hingesetzt, und richteten sich jedesmal, von Tintenspritzern umgeben, aus der Waagerechten verzweifelt halb auf. Die anderen lachten über die ruhelose Hast, mit der der Alte, statt des Formulars dem Beamten das Fünfmarkstück hingeschoben hatte, als dessen plötzliches Gesicht in dem Loch ihn wie«ine ver- hängnisvolle Macht vor die entsetzliche Entscheidung stellte. Denn der Alle muhte doch seinen Kindern das furchtbare Geheimnis mit- teilen, ohne es der entweihenden Fremdheit des Telegraphenamtes preiszugeben. Er hatte fein Hirn zermahlen lassen von seinen gepeitschten Gedanken, um die Form zu finden, durch die er dies DoppeUe erreichen könnte. So hatte er Formular über Formular beschrieben und war zum Schluß auf die Fassung zurückgekommen, auf die er zuerst gefallen war, auf die einfache, schwerfällige Fasiung, in der sein Leid menschlich zu erkennen stand, wie eine nackte Seele, die kein Wort mehr zu sagen braucht, um sich zu verraten. Der Beamte griff rasch und ungeduldig über das Fünfmarkstück hinweg zu dem Papier. Er riß es aus der schmutzigen Hand zu sich hinein. Dabei knitterte das Papier ein wenig mit einem leise seufzenden Laut. Der Beamte legte es vor sich und schlug es mit knallenden Schlägen des Handrückens glatt. Der Alte erschrak. Mit fiebrigen Augen folgte er dem Gebaren des Beamten, Der schaute streng auf dos Papier. Indem er mit der Spitze des Bleistifts die Worte zählte, setzte er unter jedes einen kleinen Haken. Dann geriet er an die Striche. Nun machte er bedenklich Hall. Er hob den Kopf und sagte: „Was wollen Sie denn damst? Was sollen diese Striche?" Der Alte stammelte verwirrt: er brachte den Satz nicht zu- sammen. Er wollte doch nichts oerraten. Er stotterte etwas von: .. sich denken... Doch unerbittlich strich der Beamte mit seinem Bleisttst durch die Strickte und sagte: „Ich bin nicht hier, um mir dabei etwas denken zu können. sondern um zu telegraphieren." Er schob das Blatt wieder hinaus, warf das Fünfmarkstück darauf und befahl: der nächste! Der arme alte Mann trat gebückt durch die Menge der Wartenden zurück und ging wie«in Blinder an das Pull. Der Hausknecht faltete noch immer Formulare aus- einander. Aber das sah der Alle nicht. Er nahm den halb aus- gegessenen Federkiel und stellte die Spitze aufs Formular. Es kam ihm vor. als ob er an einem surchtbaren Angelhaken sestgedissen säße: wie sollte er es beginnen, das schreckliche Geheimnis seinen Kindern mstzuteilen, wo er sich nicht darüber eins werden konnte. es dem andern dort hinter dem Fenster auszuliefern. Schließlich legte er sich über das Pult. Das trockene stoßende Schluchzen kam wieder. Er überließ sich ihm und begann zu weinen. Mit kleinen harten Schlägen sielen die Tränen und beide.» floß auf« Formular nieder und löste die schwerfällig sich grad hallenden Buchstaben in die Schattenzeichrnrngen von verrinnenden Bäumen. Tieren und Blumen auf. Dann erhob sich der Alle und ging gebückt und gemartert aus dem Amt hinaus auf den prall glühenden Platz. Das letzte For, mular blieb auf dem Pult liegen und lieh die zerflossenen Tinten- runen seines harten Leids Fremden, die jetzt kamen und es fanden, unverständlich in den trägen Raum leuchten.
Randolph Edgenorlh:
3£ollywood, die Siadi der Qigolos
Unlängst sagte bei.�Henry"«ine ausländifch« Schauspielertn zu wir: ,Lch wünsche mir nichts anderes, als--- wann ich einmal alt sein werde, in Hollywood oder Pasadena leben zu können. Denn jede Dame hier zwischen vierzig und siebzig ist von einem schicken jungen Mann begleitet."— Wohlgemerkt: die von vierzig aufwärts, denn die jüngeren steht man— und seien sie auch noch so hübsch— bei den Tanztees sehr oft allein, denn Hollywood ist«m Grund« eine männerarme Stadt. Aber in Hollywood und seiner Umgebung gibt es ein« Meng, reicher, romantffcker Damen ungewißen Mters. und die Boulevards sind trvtz der Männerarmut erfüllt von beschäftigungslosen und geldbedürftigen jungen Herren. Für den Fremden ist es ein ungc» wohntcr Anblick, in den öffentlichen Lokalen diese jungen Herrchen mit ihren.unotller-" und„rnaicken aunts* tanzen zu sehen,«äh- read die hübsche we.bliche Jugend miteinander tanzt, da sie nicht engagiert wird.— All' den Boulevards sieht man fast nur Lwcus- nutos. die von jungen Herren, neben denen überreife Damen sitzen. chauffiert werden. Wir sind in Hollywood , der Stadt der profeffi t- nellea„boy triencks", dem idealen Iaqdarund der„Gigs" Die Hollywoodcr„Gigs" stehen, im Gegensatz zu ihren Pariser Stammvätern, nicht in Abhängigkeit von irgendwelchen Tanzlakalen. Sie sind selbständig,„arbeiten" aus eigene Rechnung. Ihre Arbeits« Methode ist sehr einfach. S:e zeigen sich in den svequentierten Lo- kalen und das andere macht sich schon von selbst. Selbstverständlich sind diese„Gigs" all« ehemalige Filmstar- osgiranten. Junge Männer aus allen Wellteilen, die noch Hollywood kamen, um di« Nachfolge Rudolph Valentinas anzutreten und die nach einigen Mcnaten Hungern? einsehen mußten, daß das doch nicht ganz so einlach ist, wi.' sie sich's in Ehikagv. New Park. Paris oder Berlin vorgestellt hatten. In den Casting Offices der verschie- denen Filmgesellschaften treiben sich Agenten der„Gig-Börse" her- um.— Jawohl, so etwas gibt es in Hollywood. — Und es fällt ihnen nicht schwer, den gut aussehenden jungen Leuten zu beweisen. daß es närrisch sei, tagelang auf die„große Chance" eines Sieben» Dollar-Derdienstes zu warten, wenn man heute abend schon im „Montmartre " soupieren und in einem eleganten Auburn ,ach Hause fahren könne... Die„Gig-Börse" oersorgt die reichen reisen Damen von Holly- wood mit Kavalieren— für alle Anlässe, für alle Tageszeiten. Die Gigolc-Dörfe befindet sich in einem kleinen Cafe am Hollywwd Boulevard. Sie.stagi" natürlich erst am späten Nachmittag, aber doch zeitig genug, um etwaige Bestellungen für?ive-o-c,ocßs noch csfektuieren zu können. Der Gig-Agent sitzt auf einem Barstuhl, um die Heerscharen besser überselten.vi können. Er trägt den steifen Hut ttef in den Nacken gesetzt, hat stets eine dicke Zigarre mi Mund.
Er heißt„Davsy" und soll einmal ein begabter Eltarakterspisler gewesen sein. An kleinen Marmortischen sitzt die„greifbare" Ware". Einige Dutzend gut angezogener junger Männer, die ihren Ice-ckrink schlürfen und sich gelangweill die glänzond polierten Fingernägel betrachten. Wenige sind über dreißig. Nur einer scheint aller, wegen de» schneeweißen Haare», das ihn sehr interessant erscheinen läßt. Es sst ein ehemaliger österreichischer Offizier, Hocharistokrat, der aber merkwürdigerweise nur unter einem Pseudonym als Rvbby Smith auftritt. Davey blättert in Aufzeichnungen.„Mrz Angela Dughbride sucht für Premiere morgen Begleiter mit anschließe:chem Souper." „Der Graf" Ist der richtige Mann. Er hat einige Monate bei Gold- wyn'gearbeitet und kennt eine Menge Star». Er hat eine unnach- ahrnlich lässige Art, zu grüßen und einen Gegengruß der Berühmten zu erzwingen. Das gerade ist es, was Mrs. Angela wünscht. Der Graf wird für diesen einen Abend— natürlich exklusive des Soupers — fünfzig Dollar erhalten. So hat es Davey bestimmt. der lein« zehn Prozent erhält loon Mrs. Angela natürlich und nachher). Die Gigs erhalten ihre Jobs" spesenfrei. Ja. einige be- sonders„Gangbare" erholten von Davey sogar Kreditbrief für den Schneider und sogar„Handgeld", wenn sie zu Zimperlich sind, sich das Geld für die Begleichung der Zeche von der Dame diskret zustecken zu lassen.— Davey blättert weiter in seinen Aufzeichnungen.-sechs Uhr bei„Henry": Der Russe setzt sich an den refer- vierten Ecktisch und wartet.„Der Russe" nickt. Er ist natürlich ein Großsürst wie alle emigrierten Russen in Hollywood . Sicher ist er aber ein Gardeoffizier gewesen, und er ist ganz besonders geschätzt, weil er fähig ist, seiner Dame eine Eifersuchtsszene zu machen, wenn sie in seiner Gesellschaft kokettiert(gegen erhöhtes Honorar natür- lich). Der Russe hat nur«inen Fehler— er sauft. Er säuft sinnlos, wenn man ihn läßt, und dann schlägt er seine Dame(auch ohne Extragratifikation). Deshalb ist er doch nicht so brauchbar, wie es bei seinen sonstigen Fähigkeiten anzunehmen wäre. Emer noch dem anderen bekommt von Davey einen Auftrag und entfernt sich lässig. Ethelbert wird heute mtt Mrs. I soupieren. Das ist eine ganz große Sackt«, aber Ethelbert ist auch ein„Gipstar". Ethelbert kam vor zwei Jahren nach 5)ollywood. um die große Film- karriere zu machen. Da er gut aussah, bekam er auch wirtlich bald eine Hauptrolle als„leading man* eines bekannten Stars. Dann ging es aber wieder langsamer und Cihelbert verlor die Geduld. Bei ihm häuften sich die schriftlichen Einladungen allerer reicher Damen. Blumen bekam er und Krawattennadeln. Cr sah bald ein daß es viel gescheiter ist, sich von Damen beschenken und ausführen zu lassen, als wieder wollten- oder monatelang zu warten. Denn Ethelbert spielt natürlich nur mehr Hauptrollen. So wurde er ein
Gigolostar, um den sich die Damen rissen. Sein„Gesellschaft- kokender" ist schon für Wochen hinaus mit Daten angefüllt, und, nur ganz selten erscheint er bei Daveit. Dann muß es aber auch wirk- lich. eine ganz große Sache sein...„Rollo" ist ein ähnlicher Fall. Auch er ist heute als Gig prominent, da er es als Filmstar nicht rasch genug werden konnte. Rollo hätte schon zweimal ganz aus- gezeichnet heiraten können, aber er hat abgelehnt. Gegen zweihundert junge Männer dürsten bei Davey„organi- sierl" fem. Zweihundert fimge Leute, Aristokraten, Schauspieler. Ossiziere. Kellner, Deutsche, Franzosen . Mexikaner. Zweihundert elegante, gesunde junge Leute, die davon leben, sich von Damen zwischen vierzig und siebzig aushalten zu lassen. Es ist natürlich ein„Saisongeschäft". Geht zwei, drei Jahre, dann muß der Gig wieder in die Casting Offices schleichen, wenn er es nicht verstanden hat, sich an eine Dame zu„hängen". Manchen gelingt es zwar, den Weg zum Film wieder zurückzufinden. Ntanche der heute prominenten Stars kommen aus den Kreisen der .Hollywooder Gigs. Ricardo Eortez etwa, ehe er sich sein klangvolle- spanisches Pseudonym zulegte, als Jak« Kvantz eine Akquisstion Daveys oder Rudolf Valentina, der ebenfalls als Gig begann. Solange es unternehmungslustige ältere Damen in Hollywood gibt, wird dieser florierende Industriezweig nicht verschwinden. Der Himmel weiß, daß die Damen alt genug sind, um zu wissen, daß es nicht ihre Jugend und Schönheit ist, d>« die jungen Leute anzieht. Man darf ihnen aber nicht böse sein. Sie haben eine bittere „soziale Frage" in Hollywood auf ihre Weise gelöst.
Sng: Chinejin aus der Spree Durch Naturereignisse und das Anwachsen der eigenen Art ge- nötigt, haben im Verlause der Erdgeschichte Tiere sich genau so auf die Wanderschaft begeben müssen wie die Menschen. Die Menschen schufen Staaten, und die Tiere änderten auf ihre Weise das Land- fchastsbild. Um den Grund und Boden aber steht noch heute Menjch und Tier im Kampf. Da zertrampelt in Indien eine Eiefantenherde Reisfelder, da dultüt man in Deutschlands rationiertem Walde keinen hohlen Baum und nimmt den Höhlenbrütern die Wohnungsmög- lichkeit. Zu all dem Suchen nach Obdach- und Nahrungsvorkommen. welche EinwaiÄerungen und Abwanderungen aus sich heraus be- gründen, kommt die Einschleppung von Tieren. Zur Zeit haben wir gerade einen eigenartigen Fall: denn eine Chinesin nimmt Wohnung in Deutschland . Es ist die Wollhand- trabbe, die ihren Namen— was sonst durchaus nicht immer bei Tieren der Fall ist— voll und ganz zu Recht trägt. Sie hat Woll- polster an ihren ständen. In China ist sie ziemlich verbreitet. Sie lebt dort sowohl in Meeren wie in Brack- und Süßwasser. Da sie wohlschmeckend ist, wird sie gerne gegessen. Doch wie kommt diese Krabbe nach Deutschland ? Das ist eins Frage, die bislang noch nicht geklärt ist und vielleicht auch nie gc- Närt werden wird. Einige Wissenschaftler meinen, sie. ist mit dem Schiffsbewuchs in deutsche Gewässer gekommen. Wenn man Schisse- böden sieht, die gerade einer Reinigung unterzogen werden, ist man erstaunt über die vielen Lebewesen, die sich dort angesammelt haben. Jedoch weisen wieder andere Wissenschaftler daraus hin, daß die Krabbe wohl kaum der Strömung des jährenden Schisses stand- gehalten hätte. Wie würde sie sich von China bis hier haben fest- halten können? Darum wird angenommen, daß womöglich ein Schiffer die Tiere mitgebracht hat, der zur Zeit der Inflation Deutschland erreichte. Gewohnt in Dollar zu rechnen, bot man ihm. nach seiner Meinung., ja gut. wie gar kein Geld sür seine Sehens- «ürdiakeiten. und er warf die sanderbaren Krabben kurz entschlossen Über Bord. Die Wollhandkrabben traten darauf durch Deutichlands Gewässer ihre Wege an. Di« ersten Krabben fing man 1922 vec Fintenwärder an der Elbe . Sie gerieten Berufsfischern in die Netze. die den eigenartigen Fang sofort meldeten. Bon diesem Jahre an wandert nachweisbar die Wollhandkrabbe und bevölkert immer mehr Gewässer. Inzwischen hat sie sich angesiedelt in der Elbe, der Weser , der Jade, der Ems, der Havel und den Havelseen. Anfang 1939 fing man sie bereits im Tegeler See , und gegenwärtig zieht man sie in Berlin aus der Spree . Bei Anglern und Amatcurfischcrn, denen die Bewohner der Spree genau bekannt sind, ruft der Fang Verwunderung hervor. Sie laufen dann oft ins Berliner Aquarium, haben die Krabbe in ein großes Taschentuch gebunden und jagen aufgereget:„Ach. sehen Sie doch bitte einmal her, wir dachten, die Krabbe säße voll Schlamm, oberste hat Handschuhe an." Die kleine Berlinerin kommt dann in ein für Publikumsaugen unsichtbares Eingewöhnungsbecken und wartet dort, bis an sie die Reihe kommt, wegen ihrer„Handschuhe" zur Schau gestellt zu werden. Die erstaunten Spreefischer aber führt man vor ein Becker des Aquariums, zeigt ihnen große, prächtige Wollhandkrabben und erklärt ihnen zugleich, daß sie eine Chinesin aus der Spree gezogen haben. ----• i inerkreürdige SiorcJietmesier in fiiarokko Marokko ist. wie fast alle mohammedanischen Länder, reichlich, fast überreichlich mit Störchen gesegnet. Die südliche Landeshauptstadt Marrakcsch z. B. birgt deren«ine Unmeng«, und geradezu tolle Verhältnisse herrschten, als Dr. Flocricke zur Erforschung der Bogcl- well um die Jahrhundertwende in Marokko war und sich in Alcazar zwischen Tanger und Fez aushielt Das Städtchen zählte sicher mehr rotbeinige als menschlich« Bewohner. Zur Nestanlage be- nutzten die Störche bald Agavonhecken, bald Baulichkeiten, und besonders bevorzugt werden von ihnen die Kuppeln der zahlreichen Heiligsngräber und Badehäuser, denn die flachen Dächer dienen sa zumeist als Erholungsplatz für die Frauen. Schon mancher wird sich gewundert haben, daß die Storchennester auf den Zwiebel- förmigen glatten Kuppeln festen Hall finden, ohne schon beim Bau abzurutschen. Dazu berichtet nun Georg v. Tschudi in seinem Buche „Aus 34 Iahren Luftfahrt", daß er den Bau eines solchen Storchen - nestes genau verfolgte und dabei hinter das Geheimnis der Lang- beiner gekommen ist. In der Mitte dieser Kuppeln steht ein vergoldeter Knopf, und die Storchennester werden aus dem halbkugel- förmig gebauten Dach so angelegt, daß der Knopf in die Nestseite eingemauert wird. Nun beobachtete n Tschudi mit dem Fernrohr, daß zunächst einmal der paarungslustige Storch längere Zeit feine Nachtruhe auf dem goldenen Knopf hielt, in dessen Nähe sich dann alsbald prowbcranzenähnliche weiße Gebilde zeigten, natürlich die Ausscheidungen des Vogels. Nun fing dieser an, fleißig Knüppel beizutragen und sie fest auf denü Dach zu zementieren, also rings um den Knopf herum einen Rost zu bauen. Planmäßig änderte er immer die Front feiner Schlofftellung, um feinen Klebstoff gleich- mäßig zu verbreiten. Die Ausscheidungen haben die Eigenschaft, trotz der marokkanischen Hitze mehrere Tage zähflüssig und klebrig zu bleiben, bieten also dem Nestmaterial einen festen Halt, so daß es nicht abrutschen kann. So wird Schicht an Schicht gefügt, und in kürzester Frist wird«in N«st fertig, das jedem Sturm standhält. Aus flachen Dächern oder Kaktushecken gelangt dieses Klebverfohren nicht zur Anwendung.— Wenn die Störche das mit dem söge- nannten Instinkt sortiggebrad)t haben, dann alle Achtung vor diesem Instinkt, � � �.