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48.Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Freitag
27. März 1931
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In gewaltiger Trauerkundgebung hat gestern das schaffende Berlin unserem Parteivorsitzenden Hermann Müller die letzte Ehre erwiesen. Viele Zehntausende folgten seinem Sarge, Hunderttausende grüßten ihn von beiden Seiten des Trauerweges. Die Trauer der Sozialdemokratie ist die Traner des Volkes. Ein ergreifender Abschied- aber auch ein erhebendes Treuegelöbnis!
der Betriebe und Berwaltungen der Stadt Berlin , den Präsidenten des Reichsfinanzhofes, die Dänische Sozialdemokratie, die Reichs gewerkschaft Deutscher Kommunalbeamten, die sozialdemokratische Mittelstandes, Magistrat und Stadtverordnete von Berlin , den AfAFraktion des preußischen Staatsrates, die Reichspartei des deutschen Bund, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer , Sozialdemofratie und Reichsbanner von Schleswig- Holstein , die Deutsche Sportbehörde für Leichtathletik, die Gewerkschaftsmitglieder der Firma Utstein A.-G., die Sozialdemokratische Partei Bremen , den Zentralverband der Hotel-, Restaurant- und Caféangestellten.
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von der deutschen Sozialdemokratie der Tschechoslowakischen Repu blit, Minister a. D. Vandervelde Belgien und BliegenHolland. Ueber den Menschen, die in dem engen, mit schwarzeme der Dank an den Toten und das Gelöbnis, nicht nachzulaffen im Tuch ringsum geschmückten Hofe stehen, sind zwei große Gedanken: Eifer und im Kampf für den Sozialismus, so wie uns Eifer und Kampf der Tote vorgelebt hat. Zu Häupten des Sarges steht das Banner der deutschen Sozialdemokratie. Zehn Reichsbannerkameraden erweisen die letzte Ehrenwache in dem Hause, in dem Hermann Müller sein Bestes gegeben und fast ein Menschenleben lang gewirkt hat. Die Ouvertüre zu Coriolan von Beethoven, vom Berliner Sinfonieorchester unter der Leitung von Generalmusifdirektor Dr. Runwald meisterhaft vorgetragen, leitet die Feier ein. Dann folgt Uthmanns schlichtes und um so mehr das Herz ergreifende Du fernes Land", das der portreffliche ArbeiterMännerchor Fichte Georginia zu Gehör bringt.
Ein Tag des Abschieds und ein Tag der Hoff-| Berband der Nahrungsmittel- und Getränkearbeiter, die Belegschaft| van Roosbroet. Belgien , Bürgermeister Seit Wien , Taub nung! Hunderttausende von Berlinern gaben am Donnerstag dem Sozialdemokraten Hermann Müller Franken das Trauergeleit oder bildeten für ihn in endlosen Reihen Spalier durch viele Straßen viele viele Stunden lang! Reihen Spalier durch viele Straßen viele viele Stunden lang! Eine Kundgebung der Trauer um einen Führer, der kein Blender war; zugleich eine Massenfund gebung des politischen Wollens, wie sie ein drucksvoller faum gedacht werden konnte. Was der stumme Trauerzug der Zehntausende an seinem Sarge schon die Tage vorher gezeigt hatte, das vollendete dieser Abschiedszug vom Borwärts"-Hause durch die endlosen Straßen bis zum Krematorium im Wedding: die sozialdemokratischen Maffen fühlen sich untereinander und mit ihren gewählten Führern schicksalsverbunden. Je höher sie die Flut politischer Hehe umbrandet, desto fefter rüden sie zusammen zu einer unüberwindlichen Mauer! Der Wille politisch zu handeln, fand in diesem stillen Massenzug einen überwältigend starten Ausdruc.
Was Hermann Müller , dieser Mann ohne Sinn für äußere Aufmachung, aber mit dem ungeheuren Willen zum Wirken und zur Arbeit, der deutschen Arbeiter. klasse und der sozialistischen Internationale gewesen ist, das wurde in vielen Aufsätzen und in mancher Rede zum Ausdruck gebracht. Was er als Staatsmann bedeutete, hat schon die Gegenwart begriffen, wird aber in viel stärkerem Maße durch die Geschichte gewertet werden.
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An diesem Trauertag des Boltes von Groß Berlin aber zeigte sich mit ergreifender Wucht, wie start das Bewußtsein des Verlustes in die breiten Schichten drang. Hermann Müller war, folange er lebte, nicht eigentlich ein populärer Redner, der Massen begeistern und hinreißen tann. Selten hat er in Berlin in Massenversammlungen gesprochen. Sein Name wohl, aber nicht seine Person war den Massen bekannt, von denen nur verhältnismäßig wenige ihn näher kennen gelernt hatten.
Aber die erschütternde Kundgebung parteigenössischer Treue und starken sozialistischen Gemeinfinns, die in diesen Trauertagen fich impulsiv zum Lichte drängen, zeigte mehr als ein liebevolles Gedenken an einen verschiedenen Freund. Sie war ein flammendes Be tenntnis zum Kampfe für den Staat, den er mitgebildet, den er mitgeleitet und für den er Haß und Verleumdung ertragen hat. Sie war ein Bekenntnis zur Demokratie und zum Sozialismus, denen Hermann Müller während seines politischen Lebens mit Treue und Aufopferung diente.
So war dieser Tag des Abschieds zugleich ein Tag der Hoffnung und des Gelöbnisses: Der von uns ging, foll weiterleben in unserer gemeinsamen Arbeit für das schaffende Volt, das aus Not und Grauen der Gegenwart sich durchkämpft zu neuen und schöneren Formen gesellschaftlichen Seins!
Totenfeier im Parteihaus.
Im ersten Hof des Hauses der Sozialdemokratischen Bartei in der Lindenstraße sammeln sich gegen 16 Uhr Freunde und Mitkämpfer aus dem In- und Ausland um den Katafalt, auf dem der Sarg mit der leiblichen Hülle unseres Hermann Müller steht. Den ganzen Vormittag hatte der Zustrom der Besucher nicht aufgehört, und immer neue Deputationen erschienen, um legten Blumengruß dem Dahingeschiedenen zu widmen. Es geht nicht an, alle Kranzspenden anzuführen, die Zahl ist zu groß. Wir möchten erwähnen: den Zentralvorstand der Zimmererverbandes, den Berband sozialer Baubetriebe, den Bezirk Niederrhein der Sozialdemofratie, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands , die Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Hepu blit, den Metallarbeiterverband, die Arbeitsgemeinschaft der Kinder freunde, die sozialdemokratische Stadtverordnetenfrattion Berlin , den
Als die Feier auf dem Hofe des Parteihauses begann, war dieser dicht gefüllt. Neben den Führern der deutschen Sozialdemokratie und den Parteigenossen aus den Betrieben fah man die Bertreter der Sozialistischen Arbeiterinternationale Friedrich Adler , geon Blum Frankreich, Senator Haberman von der tschechi schen Sozialdemokratie, Altbundeskanzler Renner Desterreich.
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Die Abschiedsworte.
Meine Kraft reicht sicher nicht aus, die feines Menschen ist dazu imftande, der Stimmung meiner Auftraggeber den rechten Ausdruck zu geben. Denn es ist das Millionenheer der Arbeiter, die in der Sozialdemokratischen Partei sich zusammen. geschlossen haben, die Millionen, die in den freien Gewerkschaften, haben, die der förperlichen Ertüchtigung Dienenden, die in der den Angestellten- und Beamtenorganisationen sich zusammengefunden Bentralfommission für Arbeitersport und Körperpflege und den zahlreichen ihr angefchloffenen Verbänden tätig sind, es sind die Maffen in den Konsumgenoffenschaften des Zentralverbandes deutscher Ronfumvereine. Sie alle trauern mit uns um ihn, der mit all feiner Kraft daran gearbeitet hat, den Sozialismus zu jener weltumspan nenden Bewegung zu machen, die machtvoll und kraftvoll ihre Wurzeln in das Erdreich aller Länder hineingetrieben hat. Sie trauern um ihn, der für die Freiheit seines Volkes und seiner Klasse warb, durch glüht von jener wahrhaft großen Liebe zur Freiheit, die allein ihm die Kraft gab zu der gewaltigen Arbeit der letzten Monate, als schon der Tob die Hand ihm auf die Schulter legte.
Ich denke daran, wie Hermann Müller es war, der unmittelbar nach dem Kriege 1919 in Bern auf der ersten Internationalen Sozialiftenkonferenz neue Bande zu knüpfen suchte zwischen den deutschen Gozialisten und den Sozialisten der anderen Länder, von denen wir im Kriege getrennt waren.
Das erste und das letzte für Hermann Müller war, Brücken zu bauen für sein Bolt und für die Menschheit.
Der Tag von Bersailles, den er in seinem Buch den schwersten Tag seines Lebens nennt, hat ihm Schmähungen und Feindseligkeit ein. getragen und doch ist das, was man ihm zum größten Vorwurf gemacht hat, heute schon vor der Geschichte gerechtfertigt. Denn die unterschrift unter den Versailler Vertrag war die Grundlage für den Beginn der nationalen Befreiung, ist die Grundlage für die Befreiung der Rheinlande geworden. Biele, die einst seine Gegner waren, find den Weg gegangen, den Hermann Müller als erster gegangen ist.
Immer hat er die Verteidigung der Demokratie als der Grund
lage des proletarischen Klassentampfes geführt. Ich denke an die
Tage der Butsche und des Bürgerkrieges, ich denke an die schwere Periode des Zusammenbruches unserer Währung. Ich denke an jene Zeit, da unter der Führung Hermann Müllers die Partei und die Gewerkschaft durch die ökonomische Waffe der Verweigerung der Arbeitskraft die Gelüfte militärischer Machthaber niedergeworfen hat und ich denke daran, wie er durch das Vertrauen des Volkes zum zweitenmal Reichskanzler geworden, in Genf in Vertretung des erkrankten Stresemann die Rheinlandräumuna im Verfolg der Politik gefordert hat, die er in Versailles mit der Unterzeichnung des
Die Arbeit für die Freiheit war die Kraftquelle feines Lebens und ihn verlieren wir in einer Zeit, in der wir ihn am stärksten brauchten, den Mann mit einem Kämpferherzen, wie es wenige gibt und der im Kampfe wuchs und immer größer wurde. Dieses Haus, in dem wir uns heute versammelt haben, ist der Beuge seiner Arbeit gewesen. Es trägt wie er die Narben all der Kämpfe in den Jahren der Vergangenheit. Hermann Müller war tifers. Er hat in den letzten zwölf Jahren fast immer nur dort zu der Träger der schwersten und undankbarsten Aufgaben eines Poli- Vertrages begonnen hatte. 3e, unermüdlich, stark und rein im stehen und dort die Verantwortung zu tragen gehabt für fremde Sünden ,, was bloß einer fonnte, der weiß, wofür er kämpft, in dem der Glaube an die große Sache helleuchtend brannte. In Hermann Müller , diefem so nüchtern scheinenden Realpolitiker, war und loderte wirkliche Begeisterung.
Sein Lebensweg liegt flar vor uns, wie er im Rahmen der Partei sich erfüllt hat. 25 Jahre hat er dem Parteivorstand angehört, nachdem er 1906 durch August Bebel an die Seite von ihm und von den Alten aus der Heroenzeit der Partei berufen wurde. Mit Bebel zufammen arbeitete er noch sieben Jahre bis 1913, als Bebel die Augen schloß. Mit Ebert, mit Scheidemann und anderen hat er die deutsche Arbeiterbewegung weitergeführt, als Bebel, der Typ des deutschen Klassenfämpfers, nicht mehr war Von ihm haben die Jüngeren gelernt, die Partei zu führen und zu leiten. Ich denke daran, wie Hermann Müller im Juli 1914 in jener hiftorischen Stunde, als der Krieg auszubrechen drohte. vom Parteivorstand berufen wurde, nach Paris zu eilen, um nach Möglichkeit im Sinne von Jean Jaurès zu verhüten, was schon unvermeidlich war Ohne Bögern ging er dorthin und jetzt ist ein Zeuge in dem Belgier Hendrik de Man aufgetreten und hat alle die nationalistischen Lügen zerstört, bie um Hermann Müllers Arbeit in Paris gewoben worden sind.
Wollen und Können, von unbestechlicher Ehrlichkeit gegen Freund und Feind, litt er wie kaum ein anderer dennoch unter der Verrohung des politischen Kampfes unserer Tage. Die heutige Zeit fordert von den Führern der sozialistischen Demokratie anderes als von den führenden Männern der Heroenzeit mit ihren glänzenden Kämpfen in früheren Jahrzehnten. Von diesen Opfern dachte er und denken wir darum nicht geringer.
Schwer ist es auch, die Verantwortung zu fragen, nicht nur für die Partei und für die Arbeiterklasse, sondern auch für den demofratischen Staat. Er hat sich dieser Verantwortung nie entzogen und weil er fie im Intereffe des Ganzen verteidigte, deshalb wurde er mit den gehäffigsten Angriffen und Verleumdungen verfolgt.
Da züngelte jener Haß auf der vor nichts Halt macht, der auf tausend Schleichwegen ins Innere der Seele dringt und dort wühlt und zerstört. Ihn hat diese seelische Zermürbung nicht erreicht, er hat sie siegreich überwunden und das Ziel des Fortschrittes im Auge trogig weitergefämpft mit dem Willen zum Siege. Diesen Kampf und diesen Siegeswillen hat er auf die Massen übertragen, das ist die größte Leistung, die ein ehrlicher, aufrechter Führer der Arbeiterbewegung vollbringen tann und Hermann Müller hat diese Leistung vollbracht. Millionen von Deutschen war er der rechte Führer, ihnen ist sein Rame zum Programm geworden. Es war das Programm