Ein Mitstreiter Bebels. Sem Andenken Lgnoz Zadels. Von Eduard Bernstein . Vorgestern wurde von Sozialisten Berlins ein Mann von nicht gewöhnlicher Begabung nach einer jener Stätten geleitet, von denen es keine Rückkehr ins Leben gibt. Jgnaz Z a d e k, als Mensch nicht weniger bedeutend wie als Mann der Wissenschaft, war denen, die ihn liebten, durch tödliche Erkrankung eines inneren Organs ge- raubt worden. Sein Tod bedeutet« und bedeutet noch für uns einen ungemein bedrückenden Verlust. Wir hatten ihn allesamt im höchsten Grade als den Mann unsere» besonderen Vertrauens geschätzt. Wir wuhten, über welche ungewöhnliche Fülle von Wissen er gebot, aber wir wußten zugleich, wie frei er in Ausübung'seines Berufes von selbst der geringsten Anwandlung von Beiseitesetzung kritischer Erwägungen war. In ihm steckte nichts von Pedanteric, aber er empfand doch zu warm, um Fragen des Wohls von Patienten anders als mit der größten Gewissenhaftigkeit zu behandeln. Und unmöglich war es ihm, bei' Erörterung sozialer oder sozialpoliti- scher Probleme Rücksichten außer acht zu lassen, welche die im so- zioldemokratischen Programm niedergelegten Grundsätze vorschrieben. Schon in jungen Iahren der Sozialdemokratie beigetreten, war und blieb Ignaz Zadel sein ganzes Leben lang«ozialdemokrat mit Leib und Seele. Es ist nicht nur einmal geschehen, daß in kriti- schen Situationen der Partei Ignaz für sie bedingungslos seine Existenz aufs Spiel setzte. Ich darf daran erinnern, daß, als um 1878 das Bismarcksche Ausnahmegesetz über die Sozialdemokratie geschaffen und mit größter Rücksichtslosigkeit in die Praxis um- gesetzt wurde. Ignaz Zadel mit einer Energie und Selbstlosigkeit wie kein zweiter daran gearbeitet hat, die Partei vor der Zer- setzung in unorganisierte Gruppen mangelhast aus- gebildeter Elemente zu bewahren. Auch nachher gehörte er konsequent jenen Mitgliedern der Partei an, die es sich zur Ausgabe machten, in gewissen Zeiträumen unter der Hand zu dem Zweck zusammenzukommen, im geheimen die Wiederherstellung der Orga- nisation der Partei zu betreiben. Zu diesem Zweck hat er denn auch versucht, mit August Bebel in engeren persönlichen Ver- kehr zu kommen, und selbstverständlich habe ich seine entsprechenden Schritte damals freudigst unterstützt und kann mit Genugtuung feststellen, daß er von Bebel nur die größte Ermutigung und Förde- rung seines Werkes erfahren hat. Nicht nur Rücksichten auf das persönliche Verdienst um die Partei lassen es angezeigt erscheinen, diese wertvolle Betätigung Ignaz Zadels dem Gedächtnis der später Gekommenen zu über- liefern, es liegt im lebhaftesten Interesse der Partei selbst, daß diese Handlungen unvergessen bleiben und von den Nachgekommenen als leuchtendes Vorbild gewürdigt und nachgeahmt werden.
Arbeiisbeschaffung in Preußen. Bau und Erhaltung von Kleinbahnen. Wie der Amtliche Preußifche Pressedienst mitteilt, hat das preußisch« Staatsministerium dem preußischen Staatsrat den Eni- wurf eines Gesetzes über die Bereitstellung von Mitteln zur weiteren Förderung des Baues und zur Erhaltung von Kleinbahnen zur gutachtlichen Aeußerung zugeleitet Durch das Gesetz wird das Staatsministerium ermächtigt, zur wei- teren Förderung des Baue, und zur Erhaltung von Kleinbohnen 1.5 Millionen Mark zu verwenden. Aus diesem Fonds s glleu vorzugswelse notleidenden Kleinbahnen, bei denen der pre»- W« Staat bereits als Geldgeber oder Gesellschafter. beteiligt ist, zur Durchführung der zur Erhaltung der Betriedsfähigkeit erfordec» lichen Maßnahmen, insbesondere zur Instandsetzung de» Bahnkörpers oder zur Beschaffung von Betriebsmoterial lLo- komotiven, Wagen) Beihilfen unter der Boraussetzung gewährt werden, daß die übrigen Geldgeber oder Gesellschafter miichesten» gleich hohe Beträge zusichern, lieber die Verwendung dieses Fonds soll dem Landtag Rechenschaft abgelegt werden. Das Gesetz sieht eine ErmächtigungfürdenFinanzminister vor, die bewilligten Mittel im Wege des Kredits zu beschaffen. In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf wird ausgeführt, daß die durch Gesetz vom 17. Juli ISZS zur weiteren Förderung des Baue« und zur Erhaltung von Kleinbahnen bereitgestellten Mittel von 1,5 Millionen Mark nahezu aufgebraucht sind: über einen kleinen Rest ist bereit» verfügt worden. Der Bedarf für die weiterhin an- gemeldeten Anträge beziffert sich auf über 1<Z Millionen Mark. Bei der gespannten Finanzlage de» preußischen Staates ist e» nur möglich, zur Wiederauffüllung des Fonds einen kleineren Betrag, und zwar ebenfalls wieder 1.5 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen. Für die Verwendung dieser Mittel wird nach Lage der wache im wesentlichen nur«in« Erneuerung von Kleinbahn- st r e ck« n in Frage kommen, wobei in erster Linie aufdenOsten und auf die Verhütung van Stillegungen unbedingt verkehrs- notwendiger Kleinbahnen Bedacht zu nehmen sein wird. Schwere Llnruhen in Sevilla . Telephoiyentrale in Brand gesteckt. Madrid . 22. Juli. (Eigenbericht.) In der Umgebung von Sevilla kam es in der Nacht zum Mitt- wpch wiederholt zu Ausschreitungen von Syndikalisten. In Eorta del Rio verhindert« die Zivilgarde«inen Sturm auf da, in Brand gesteckte Telephongebäude. Drei Personen wur» den getötet, zahlreiche schwer verletzt. In Do« Hermanas wurden etwa 20 Personen, in Earmona 15 Personen verwundet. In Utrera wurde«in deutscher Kominunist verhaftet. Sevilla . 22. Iu/i. Zwischen Synditalisben, die sich auf Terrassen und Ballonen in der Stadt aufgestellt hatten, und Gendarmerie- und Polizeimann- schaften kam es zweimal zu einem Feuergesecht. Zwei Personen wurden dabei getötet und acht verletzt. Die Syndikalisten nahmen ihr« Verwundeten mit sich fort. Etwa 50 Personen wurden ver- «in« Maschinengewehrabteilung stellt« die Ordnung wie»
h«r.
Oer wackere Helfer.
Der Potsdamer Polizeipräsident teilt uns berichtigend mit: i» Nr. SS« de«.Vorwärts' vom 20. Juli 1SS1 unter der »erschrift„Reichswehr schützt Nazi»* bezüglich eine« gewissen in c Schlägerei verwickeltin P-penfuß au» Potsdam ausge- rochen« Behauptung:„Vor ungefähr einem halben Jahre erhielt wegen nationalsozialistischer Betätigung durch den Potsdamer chupokommandeur den Lauipaß.....!' ist unzutreffend. Zutreffend ist bielmehr, daß Papensuß am 1. Septemder 1930 ich einer Gesamtdienstzeit von nur 11 Monaten als Polizei wacht- eist«? an» dem Dienst« der Potsdamer Schutzpolizei au« Gründen. e auf«tvem gänzlich anderen Gebiet Segen, entlasten ward« ist.'
,Hurro, es geht weiter— es schiebt einer von hinten?
Die Reichsbank muß handeln. Wirtschastslähmung— Kredite sind nötig— Mehr Zahlungsmittel und Diskonterhöhung.
Durch die Auswirkung der Bantfeiertagc und die ungenügenden Bankauszahlungen wird die Wirtschaft allmählich in l e b e n s- gefährlicher Weise gelähmt. Die Ursache liegt in den ungenügenden Krediten, die die Reichsbant zur Verfügung stellt. Das Loch, das die Abziehung der Auslandskredite und Devisen gerissen hat, muß ausgefüllt werden. DieReichsbantleitung beweist auch jetzt wenig Entschlußkraft. Di«„Frank- furter Zeitung' veröffentlicht unter den Ueberschrist„Die düro- kratisch« Reichsbank. Wie lange wird sie noch zögern', folgenden scharfen öffentlichen Appell an die Reichsbantleitung: „Die Hoffnung, daß in London ein Kredit zustande kommt, be- steht noch fort. Offenbar hat jedoch die Aussicht auf diesen Kredit die Aktionskraft der Reichebank erneut gelähmt. Denn stc zögert immer noch, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die— mit oder ahne Kredit unerläßlich geworden sind und keinen Aufschub mehr dulden, wenn nicht ungezählte Zusammenbrüche in ganz kurzer Zeit eintreten sollen. Schon tauchen neue Notgeldprojekte aus.(Provinz Schleswig-Holstein ), und das alte Rentenmarkpwjekt wirb«>n Land- Wirtschaftskammern angesichts der herrschenden Geldnot wieder neu aufgewärmt. Will die Roichsbank auf die Führung verzichtend' Di« Notenbank ist mit ihrer Diskonterhöhung am 15. Juli a u f halbem Wege stehen geblieben. Sie hat zwar den Diskont — einstweilen in ungenügendem Umfange— herausgesetzt, sie hat aber ihre Kontingcntierungspolitik bisher kaum ge- lockert und weigert sich, diejenige Erhöhung des Geldumlaufs vor» zunehmen, die notwendig ist, um alsbald den vollen Zahlung?- und Kreditoerkehr wieder herzustellen Man beHilst sich mit Halb- und Viertelbankseiertagen, aber selbst der beschränkte Zahlungsverkehr erweist sich von Tag zu Tag als schwieriger durchführbar, weil d i« Reichsbank sich als Krcditquelle versagt. Neuerdings hat es den Zlisschein, als ob nach den früheren ver- fehlten währungepolitischen Bedenken und nach dem überängstlichen Festhalten an der Normaldeckung, das die Reichsbank anfangs an der ausreichenden Diskontierung hinderte, nunmehr das in diesem Moment für eine Notenbank nebensächliche Bedenken in den Border- grund getreten ist, ob auereiehende Sicherheit für die von der Reichs- dank z» gewährenden Kredite zu beschaffen ist. Die Reichsbank scheint sich bei der Hereinnähme von Wechseln, d>« die erforderlichen Unterschriften tragen, noch Nebensichcrhciten in Gestalt reichsbanklombordfähigcr Wertpapiere stellen zu lassen und damit die Banken wichtiger Kreditunterlagen zu berauben, die die Banken für
andere Zwecke dringend benötigen. Hier scheint das Sicherung»- Prinzip in der Tat auf die Spitze getrieben zu sein. Die Reichsbank vergißt offenbar(offenbar wie vor einer Woche bei ihrer Bshand- lung des Falles Danatbank ), daß alle Sicherheiten, die sie heute be- sitzt, ihr wenig nütze», wenn nicht so schnell wie möglich der gesamte Zahlungsverkehr wieder in Gang gebracht wird. Vom Mittwoch, dem 22. Juli ab kann bei Wechseln, deren Fällig- kcitstag zwischen dem 11. und dem 18. Juli 1031 liegt, wieder P r o t c st erhoben werden. Fast scheint man befürchten zu müssen, daß die Reichsbank die in ihrem Bestände befindlichen fälligen Wechsel tatsächlich zu Protest gehen lassen will. In einigen Fällen mag die Erfüllung der Wechselverbindlichkeit möglich fein. In anderen ist sie angesichts der herrschenden Zahlungsbeschränkungcn und Zahlungsstockungcii bestimmt unmöglich. Das Gestrüpp von Not- Verordnungsbestimmungen, in das sich Reichsbank und Regierung verfangen hoben, wird von ihnen in der wirtschaftlichen Tragweit« vssenbar nicht voll übersehen. Zahlreiche Unternehmungen, die ihre Waren nicht bezahlt bekommen, ober ihre eigenen Verbindlichkeiten -füllen ingssön? droh ey in Schwierigkeiten zu' geraten, In Bank, und Industriekreisen ist die Einsicht in diese Zu- sommenhange in den letzten Togen zusehends gewachsen. Mir hören von vielen Seiten..., daß man eine scharfe Diskontoerteuerung unter Aufhebung der Zohlungsbefchränkung nicht nur für das ge- ringere Uebel, sondern für den einzig möglichen Ausweg halt. Warum zögert die Reichsbank? Soll ein bißchen mehr Silbergeld da» Loch stopfen? Jahrhundertealte Erfahrung lehrt, wie Notenbanken sich in Zeiten wie den jetzigen oerhalten müssen. Die Bank von Japan , die vor gar nicht longer Zeit«ine ähnliche Krise überwinden mußte, rechnet es sich noch heute zur Ehre an, daß sie damals unter be- liebiger Befriedigung des Zahlungsmittel- bedarf» und ohne Rücksicht ous'fiskalische Sicher- h e i t, b e d ü r f n i s s e die Krise überwinden half. Andere Leute meinen, daß die alten Regeln der Notenbonkpolitik, deren tieferer Sinn ihnen meist verborgen bleibt, in heutiger Zeit nicht mehr an- wendbar seien. Sie sind anwendbor. Es gibt, ob nun der Aus- landskrcdit zustande kommt oder nicht, nur eine Möglichkeit, um — ohne jede Gefährdung der Währung— die jetzige für die Wirt- schaft höchst gefahrvolle Zahlungsstockung zu überwinden." Die„Frankfurter Zeitung " schließt mit drei scharfenForde- r u n g e n: Schluß mit den Bankenmorationcn, sofortige Ausgab« weiterer Kredite und Zahlungsmittel, gleichzeitig und entscheidend: Erhöhung des Reichsbankdiskonts.
Das„abhängige" Oesterreich . Oer Rechtskampf um die Zollunion. Den Haag. 22. Juli. (Eigenbericht.) Bar dem Haager internationalen Gerichtshof erklärte im Verfahren über die Zollunion der österreichische Vertreter Professor Dr. Kaufmann, daß die französische Auffassung, wonach der Vertrag von St. Germain die Unabhängigkeit Oesterreichs auf der Grundlage von 1910 garantiere, nicht gerechtfertigt sei. Oester- reich würde dadurch jeder Bewegungsfreiheit beraubt und in die Position eines Staate» zweiten Ranges gebracht werden. Praktisch liefe dies auf die Vernichtung de» Begriffes der Unob- hängigkeit hinaus. Im übrigen habe Oesterreich kein« anderen Verpflichtungen übernommen als die, welche in Artikel 88 des Vertrages von St. Germain niedergelegt seien, Die französische Regierung hat dem Gerichtshof eine Denk- schrift von 52 Seiten übermittelt. In der nachzuweisen ver- sucht wird, daß die Zollunion im Widerspruch zu Artikel 88 des Vertrages von St. Gcrmoin stehe.
Volkshochschule und Arbeiierschafi. Di« noch immer umstritten« Frage de» Verhältnisse» der Ar- beiterschaft zu den Abendvolkshochschulen wird in dar Juli-Numm« der„Sozialistischen Bildung" in einem Artikel von K. Adam»„Volkshochschule und sozialistisch« Bildmigsarbeit" einer«ingahenden Prüfung unterzogen. Er schildert den Verlauf der vor kurzem in Bad Grund stattgefundenen Tagung für Ar- beiterbildung und teilt die Beschlüsse mit, die die versaminelten so- zialistischen Voltshochschullehrer und Arbeiterbildner zur Frage der Volkshochschulen angenommen haben. Weitere» wichtige» Material für die sozialistisch« Bildungsarbeit enthält der Aussatz von K.
> 5) c i l b u t„Neue Formen proletarischer Festkultur", in dem ein- gehend über die vom Reichsausschuß abgehaltene Arbeitswoche in Leipzig berichtet wird. Im Hinblick auf den Internationalen Kon- greß in Wien ist der Aufsatz von O. Friedlaendcr„Fünf Jahre Sozialistische Studenten-Jnternationale" von aktuellem In- teresse. Die Vortragsdisposition von I. Albert„Der Reichs- freiherr vom Stein" bringt Material für die diesjährige Ver- fassungsfeier, die bekanntlich im Zeichen Steins abgehalten werden soll. Auch die Beilage„B ü ch e r w a r t e" bringt hierzu ein- schlägigcs Material. Aus der Beilage„Sozialistische Erziehung" sei vor allem auf den Aufsatz von W. G. Oschilewski„Kunsterziehung und schöpferische Gestaltungskräfte des Kindes" hingewiesen, in dem viel interessantes Material verarbeitet ist. Die monatlich erscheinende„S o z i a l i st i s ch e Bildung" mit ihren Beilagen„B ü ch e r w a r t e" und„S o z i a l i st i s ch e Erziehung" ist zum Preis von 1,50 Mark für ein Vierteljahr durch die Post, die Buchhandlung Dietz, Lindenstraße 2, sowie durch alle„Vorwärts"-Spedition«n zu beziehen. Einzelnummern kosten 76 Pfennig. Die englisch -russischen Schuldrnverhondlunoen haben, wie Unter- staotssekretär Dalton vom Foreign Office in Vertretung de? Außen- Ministers Henderson im Unterhaus mitteilte, bisher nur sehr ge- ring» Fortschritte gemocht. Die Arbeiten seien über da« Studium eine« bloßen Austausche» von Informationen und Anregungen nicht hinausgekommen. Auf den Gouverneur von Bombay. Sir John Hotfan, wurde bei der Besichtigung eine» Kvllegs in Puna ein Revoloerattentat verübt. Ein Student feuerte aus geringer Entfernung zwei Schüsse auf den Gouverneur ob, der jedoch unverletzt davonkam. Der Stu- dent wurde überwältigt, eh« er weiter« Schüsse abgeben konnte. In seinem Besitz wurd«, noch zwei geladen« Revolver gefunden.