„Was jammert Lhr, Ihr lieben evangelischen Bausparer, daß wir Euer Erspartes vergeudet haben? Stehet doch geschrieben: Ihr sollt nicht Schätze sammeln, die der �ost frißt und die Motten nagen!" Demokratisierung der Wirtschast. Fritz Naphtali vor den Betriebssunktionaren.
In einer Konserenz der sozialdemokratischen Betriebs- funkt ionäre sprach gestern in den Musikevsälen Genosse Fritz Naphtali tfbcr die wirtschaftliche und finanzielle Loge Deutschlands . Naphtali wies einleitend nach, daß die schweren Kraditerschütte- rungen der letzten Wochen die deutsche Krise aus dem allgemeinen AusammeNhang der Weltwirtschastskrise herausgerissen und einen Kriseichcrd ganz besonders schwerer Art auigetan hotten. Die Ursachen, die zu der Katastrophe im Juli geführt haben, sind ver- schiedener Art. Wesentlich mitgewirkt hat die Tatsach«, dah in Deutschland , als einem Lande des Kapitalbedarfs, die g e f ii h r- lichen kurzfristigen Kredite auf Kosten der ungefähr- lichen langfristigen Kredite bei weitem überwogen. Diese für die Gesamtwirtschast schwerwiegende Totsache ist im wesentsichen auf hie Politik, de» früheren Reichshankpräfidentey. JS.chK ch t.jutiM« zufuhren, dessen Politik aus schärfste Drosielunz langsristtger An- leihen fiir öffentliche Wirtschast«ingestellt war. Wie leicht politisch« Moment« auf d!« Kreditwirtschaft eines Landes einwirken, liehen bereits die Vorgänge im Frühjahr 1929 anläßlich der Poriser?)oung>Verhandlungen erkennen. Eine mächtige Delle der polltischen Beunruhigung seht« dann unmittelbar nach den Septembcrwahlen ein. die damals bis zum November 1gZ0 durch Sreditobruse und Kapitalflucht die Reichs- dank etwa anderthalb Milliarde« Gold und Devisen tostet«. Innen- und außenpolitische Maßnahmen haben auch bei den Arediterschütterungen, deren Folgen zur Zeit noch nicht überwunden sind, wesentlich mitgespielt. Ganz besonders hat die Notoerordnung der Reichsregierung vom 5. Juni, die einen Sturm der Entrüstung im ganzen Lande hervorrief, starke politische Beunruhigung außerhalb Deutschlands hervorgerufen. In diese Tag« platzte der Zusammenbruch der Oesterreichischcn Kreditanstalt , die für Deutschöstcrreich annähernd die gleiche Bedeutung Hot wie fiir die deutsche Wirtschaft die vier größten Bonken zusammengenommen. Der verheerende Eindruck dieses Zusammenbruchs im Ausland« wirkte unmittelbar auf Deutschland zurück. Der einmal in Fluß ge- kominene Run des ausländischen Kapitals aus Deutschland heraus ließ sich bei dem aufgekommenen Mißtrauen nun nicht mehr aufhalten, auch nicht, als der choover-Plan im Augenblick seiner Erklärung eine gewisse Beruhigung schuf. Im Gegenteil verstärkte sich die Flucht des kurzstistig angelegten ausländischen Kapitals durch die Zusammenbrüche groß« deutsch « Unternehmungen in einem derartigen Maße, daß die führenden deutschen Banken in ernsteste Schwierigkeiten gerieten, die schließlich ihren Ausdruck in der Zahlungseinstellung der Danatbank fanden. Daß es über» Haupt bis zur Zahlungseinstellung gekommen ist, stellt zweifellos ein schweres Verschulden der anderen Großbanken dar. die jede Solidarität und jeden wirtschaftlichen Weitblick vermissen ließen. Man muß sich darüber klar sein, daß der jetzige ISprozentige Diskont- satz, den die Reichsbank zum Schutz gegen Kreditmißbrouch festgesetzt Hot, eine sehr schwere Belastung bedeutet, denn dieser Dis»
kont heißt, daß die Wirtschaft zum mindesten 17 bis 18 Proz. Zinsen zahlen muß. Es ist damit zu rechnen, daß Zusammenbrüche und demzufolge zahlreiche Entlassungen In den nächsten Wochen eintreten werden. Es ist ober notwendig, die Folgen der Krediterschütterung ganz klar zu erkennen. Nur so wird man den Attentaten, die jetzt schon wieder von Unternehmerkreiscn gegen Löhne und Sozialleistungen vorbereitet werden, den notwendigen organisatorischen Widerstand entgegeirsetzen können. Schwerste Kämpfe stehen bevor. Auch das Ringen zwischen privater und öffentlicher Wirtschaft ist wieder in vollstem Gange. Dies zeigte besonders die unerhörte Bevorzugung d«r Privatbonken gegenüber den Sporkasien, für die erst jetzt nach langem Ringt« dis Zahlungsfreigobe für dis nächste Woche an- gekündigt' tpl Wir"sind damit einverstanden, daß der Staat dt« Banken stützt und«inen Zusammenbruch verhindert. Die Wirtschaft im großen kann heute niemals mehr Privatsache einig« Generaldirektoren sein, denn es hängen die Existenz« von Hunderttausenden daran. Man muß aber die Konsequenz aus der staatlichen Hilfsaktion ziehen, und die alte Unternehmerphrose„Wer da? Risiko trägt, muß auch die wirtschaftliche Führung haben" unter ollen Ilmständen heut« gegen das Privat Unternehmertum anwenden. Daher der scharfe Kampf der Sozioldemokroti« und Gewerkschaften um die Reichskontrolle bei den Banken, Monopolen und Trusts. Dos nächst erreichbare Ziel muß die Bankenkontroll« und damit die planmäßige Lenkung des Kapitalstroms in der Wirtschaft sein. Diese öffentliche Kontrolle ist noch kein Allheilmittel, ober st« kann wesentliche Stützpfeiler für eine Demokratisierung der Wirtschaft abgeben. Tornows Wort von Leipzig „Erbe und Arzt des Kapitalismus " findet jetzt seine Bestätigimg. Es gilt die private Wirtschaft Schritt für Schritt einer entschlossenen öffentliche»Leitung zu unter- stellen und neue Formen zu schassen, um aus der kapitalistischen Wirtschast ohne die Zwischenstufen des völligen Zusammenbruchs in eine öffentliche sozialistische Wirtschaft hinüberzukammen. Das aber sind ärztliche Maßnahmen. Das Unglück der gegenwärtigen Situation ist, daß im Augenblick der schwersten Kämpfe die Arbeiter- schaft durch die Spaltung in ihrer Aktionskrast gehemmt wird, und daß die Kommunisten in dieser Zeit nicht anderes zu tun haben, als mit den schärfsten Klassenfeinden der Arbeiterschaft zusammen- zugehen. Es gilt., den Kampf mit der größten Leidenschaft für die, Tagesziele um Löhne und soziale Errungenschaften, wie um die meitge st eckten Ziele d« Staatskontrolle zu führen, und olle Kampfziele find mit dem einen großen Ziel zu»«binden, daß diejenigen da» Ruder in die Hand nehmen, die in der Wirtschaft da» wahre Risiko zu tragen hoben, und dieses Risiko tragen die breiten Massen und der Staat.(Lebhaft« Beifall.) Darauf begann die Diskussion, die bei Redaktionsschluß noch anhielt.
Dr. Oiein'ch und das Variete. Wie der ReichSfinattMinister und Vizekanzler Politik macht. „Das Organ der B ar i c te w e l t", offizielles Foch- blatt und Zentralblatt des gesamten Vergnügungsgewerbes, gibt in großer Aufmachung«in« Unterredung wieder, die der Reichs- finanzminister am Sonntag mit Vertretern des Reichskartells des selbständigen Mittelstandes und Vertretern des Vergnügungsgewcrbes hatte. Wir erfahren aus dem Bericht des offiziellen Verbandsorgans, an dessen Zuverlässigkeit zu zweifeln wir keinen Grund hoben, daß der Reichsfinanzminister bei dieser Gelegenheit in überraschend billiger und auch unfairer Weise Angriffe gegen die Kommunen richtete. Nach dem Bericht hat Dr. Dietrich erklärt,„daß seiner Meinung noch die Kommunen sowohl ohne Vergnügungssteuer als ohne Ge- meindegettänkesteuer auskommen könnten, wenn sie sich der Spar- samkeit mehr als bisher befleißigen würden! Es ist nicht uninter- essant, zu erfahren, daß nach Meinung des Reichssinanzministers die Kommunen, die infolge der großen Steuerapsfäll«, der steigenden Wohlfahrtslasten in diesem Jahr— trotz rücksichtslosester Einschränkungen und Abbaumaßnahmen— auf Steuerqucllen in Höhe von rund 150 Millionen Mark im Jahr verzichten sollen. Dabei handelt es sich um Steuern, die wie die Gemeindegetränkesteuer, den Kam- munen vom Reich auferlegt wurden und zu deren voller Aus- fchöpfung sie gezwungen sind. Für die Stadt Berlin hatte der Reichsfinanzminister ein besonderes Trapezkunststück auf Lager.„Wenn die Stadt Berlin beispielsweise ihr Budget nur um 20 Proz. sparsamer gestaltet hätte, so brauchte sie keine Getränke- und Vergnügungssteuer zu erheben". Die Stadt Berlin kann allerdings mit einem Schlag ihr Budget um fast 20 Proz. sparsamer gestalten, wenn sie z. B. keine Wohlfahrts- Unterstützung mehr zahlen würde. Vergnügungssteuer und Gemeinde- getränkesteuer dürften allerdings bestenfalls dazu ausreichen, die Aufwendungen für Wohlfahrtserwerbsloss der Stadt Berlin von 5 auf 6 Wochen zu decken. Hier ist wohl dem Herrn Rcichsfinanz- minister oder dem bcrichtcrstattenden Berbandsdirektor des Ver- gnügungsgewerbes mindestens ein Irrtum unterlaufen. Wir erfahren ferner, daß der Minister die Betätigung der öffentlichen Hand als einen Krebsschaden bezeichnete, hören serner mit Erstaunen, daß der Berliner Oberbürgermeister S a h m bei seinem Amtsantritt ihm versprochen habe, die ettva 120 Gesellschaften der Stadt Berlin ihrer Auflösung entgcgen- zuführen, aber sein Versprechen nicht gehalten habe und daß Dr. Dietrich in Zukunft sein Augenmerk auf die Kredit- und Pump- Wirtschaft der Gemeinden richten werde u. a. m. Trotz der hohen Stellung des Herrn Dr. Dietrich ist es über- flüssig, uns in diesen ernsten Tagen mit derartig haltlosen und ungerechtfertigten Angriffen auseinanderzusetzen. Herrn Dr. Dietrichs Vorgehen trägt feine Kritik in sich selbst.
Nationalbolschewismus in Neinkultur. Kommumfiifche Partei als Kriegstreiber. Di« kommunistische Propaganda verbreitet unter dem Titel „Erwachendes Volk" ein« Broschüre, die zur Agitation unter den Nationalisten bestimmt ist. Diese Broschüre enthält Brief« des Leot- nants Scheringer, der seinerzeit wegen nationalsozialistischen Hochverrats zu Festung verurteilt wurde und sich dann der Kommu- nisttschen Partei angeschlossen hat. Mit Hilfe dieser Briese versucht die Kmrmrunistische Partei Proselyten bei den Nationalisten zu machen. Si« läßt sich durch Scheringer vorstellen als«cht e K ri« g sp arte i, die nichts dringender wünscht als den Krieggegen Frankreich . So schreibt Scheringer in einem seiner Briefe an einen Generalleutnant a. D.: „Es gilt die revolutionären Kräfte des Volkes zu sammeln, die Armee der Arbeiter. Bauern und Soldaten zu formieren und den Befrei- ungskrieg über die Trümmer der Weimarer Republik nach Weste« zu tragen." In einem Brief an ein junges Mädchen heißt es weiter: „Der gewaltsame Weg führt allerdings über den Bürger- krieg, denn es werden sich immer Landsknechte finden, die dos bestehend« System, ohne desien Sturz wir nicht frei werden können, mit der Waffe in der Hand verteidigen. Unsere Aufgabe muß zunächst darin bestehen, mit aller Energie die Frage in den Vordergrund zu stellen:„Kann ein ehrlicher Deutscher es verantworten, auf seine Volksgenossen zu schießen, wenn diese den revolutionären Krieg über die Trümmer des herrschenden System» gegen die kapital! st ischenWe st mächte tragen?" Schließlich in einem Brief an einen zur zweiten Torpcdohalb- flottille Swinemünde gehörenden Oberleutnant zu See:„Rein militärisch ist ein Krieg gegen die West mächte nur im Bund« mit der Sowjetunion zu führen. Da sich in der KPD. immer mehr aktive Massen des Proletariats und des Mittel- standes sammeln, da hier eindeuttg gegen das kapitalistische System für die Revolutionierung und Bewaffnung der Arbeiterschaft und für den revolutionären Krieg gegen die West- mächt« gekämpft wird, da serner die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion in diesem Kampf sichergestellt ist, habe ich mich ent- schlössen, den Roten die Hand zu bieten." Das ist der echte Nationalbolschewismus! Dis Kommunisten zeigen sich mit dieser Propaganda als gewissenlose Ehauoinisten und Kriegshetzer, die den rechtsradikalen Kriegsparteisn um nichts nachstehen. Sie bemühen sich ebenso wie die Chauvinisten von rechts, Stimmung für einen kommenden Weltkrieg im Volke zu schaffen und eine überaus gefährliche Kriegspsychose zu erzeugen._
Das Nachspiel. Hrteil im Geesthachter Kommumstenprazeh. Hamborg . I. August. In dem seit dem 1«. Juli in Hamburg verhandelten Prozeß wegen der schweren polttischen Zusammenstoße zwischen Kommu- nisten und Polizei anläßlich einer nationalsozialistischen Versomm- jung in Geesthacht am 26. Januar, die zwei Todesopfer und mehrere Aerletzte forderten, wurde am Mittwoch dos Urteil»erkündet. 1� Angeklagte wurden freigesprochen, sechs Angeklagte wegen Beteiligung an einem Raushandel in Tateinheit mit Land- friedensbruch zu sechs bzw. sieben Monaten Gefängnis verurteilt, ferner 13 Angeklagte ebenfalls wegen Beteiligung an einem Roufhondel. aber in Tateinheit mit Landfriedensbruch und Aufruhr zu sieben M» zwölf Monaten Gefängnis. Zwei Angeklagt« erhielten wegen Waffenbesitze» noch eine Zusatz- strafe. Der Antrag des Anzeklogten Webersen auf Erstattung der Vsrteidigungskosten wurde abgelehnt. Das Gericht war der U-ber- zeuguvz. daß e» sich bei den Vorgongen um einen planmäßig vorbereiteten Angriff gehandelt hat.
vor de« Haag« Gerichtshof wurden die Plädoyers wegen der dsutsch-dsterreichischen Zollunion abgeschlossen. Dia Erstattung des Gutachtens an de» Völkerbundsrat erfolgt in einigen Woche».
In Köln wirb nicht mehr gebaut. Städtische Vckvten eingestellt. Der Kölner Oberbürgermeister hat mit sofortiger Wirkung ange- ordnet, daß alle Bauten und baulichen Arbeiten der Stadt Köln , soweit sie nicht zu den laufenden Unterhaltsarbeiten gehören, sofort einzustellen sind. Von der Anordnung werden insbesondere betroffen oll« Hochbauarbeiten, einig« Schulen, die Universität. Strahenbauten, Kanalbauten und gärtnerisch« Anlagen. lluwetterkatastrophe in Nußland. Im Tschitchatschewskibezirk in Rittelrußland richtet« ein folgen. schweres Unwetter schweren Schaden an. Ein in dos Unwetter- gebiet entsandter Regierungsausschuß stellte fest, daß bei dem Un- wetter 58 Personen getötet worden find.
24 Haus« wurden vom Wirbelsturin völlig zerstört. Ueber 1ZÖ0 Menschen sind obdachlos geworden, viel Vieh ist umgekommen. Sehr groß ist auch der Schaden in den Wäldern. Di«! Obdachlosen sind vorläufig in Kasernen untergebracht worden.
Ludendorss»„Volkswarle" verboten. Die in München er- scheinende, von Ludendorss herausgegebene„Bolkswarte" wurde am Mittwoch wegen eines Artikels, der sich mit Reparotiansfrag«» be- schästigt, von der Polizeidirektion München bis einschließlich ZH. Au- gUst diese» Jahres verboten. Sprygue bei Hindenburg . Der Reichspräsident empfing die Heiden ausländischen Sochoerstandizen Professor Sprague (ameritanischer Berater der Bank of England ) und den Bankier Wallenberg (Schweden ), welche die Reichsregierung in der letzten Zeit mtt ihrem Rat unterstützt haben, in einer längeren Aufcientz.