Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 373 A 188

48.Jahrgang

Böchentlich) 85 Bt., monatlich 3,60 m im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bf. Boftzeitungs- und 72 Bf. Poftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,-M. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drucksachen porto 5,- M

*

Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme. Technit" Blid in die Büchermelt Jugend- Borwärts" u Stadtbeilage

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Mittwoch

12. August 1931

Groß- Berlin 10 Pf.

Auswärts 15 Pf.

Die etnipalt Nonpareillezeile 80 1. Reflamezeile 5,- R. Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. Guläffig zwei fettgebrudte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Bf. Familien. anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht bez Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernspr.: Dönhoff  ( A 7) 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Postscheckkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str.   65/66.

Verfassungstag- Volkstag!

Riesenfundgebung des Reichsbanners.- Staatshoheit über Wirtschaft!

Die Verfassungsfeier des Reichsbanners| anstrengten, aber gleichwohl dienstfreudigen Berliner   Schußpolizei. Schwarz Rot Gold, die gestern abend im Lustgarten Die Feier beginnt. Sie erhält eine besondere Weihe durch den stattfand, bot einen erhebenden Anblid. Zehntausende waren Bortrag der Grauen Kolonne", die vom Trommler- und Pfeifer­aufmarschiert. Es war das Bolt von Berlin  . Arbeiter, forps Jagiella, von der Signalhörnergruppe der Reichsbannerkapelle und dem Männerchor Fichte- Georginia durchgeführt wird. Ma Angestellte, Beamte, die Frauen mit Jungen und Mädels an Barthels hinreißende Verse, die von uns heute morgen veröffentlicht der Hand, waren zur Stelle. Es fehlten die Generale mit wurden, sind von Wilhelm Knöchel   in eine Musik gesetzt worden, die ordenbedeckter Brust, die Feldwebel in Stahlhelmuniform, es verdient, ein Mars- und Kampflied des Reichs= die Prinzen vom Hohenzollernhaus, und es fehlten auch jene, banners zu werden. die den Namen Proletarier schänden und aus dem Hinterhalt pflichttreue Polizeibeamte der Republik   niederknallen. Das schaffende Bolt beherrschte den Luftgarten.

Mit Begeisterung begrüßt, ergreift das Wort

tomme.

Reichstagspräsident Paul Löbe  :

Nachher aber, wenn es ans Sterben geht, dann werden sie es anderen überlassen.

|

aber wollen, daß der Staat die Hoheit über die Birt schaft zu allen Zeiten ausübt, aud) menn die Wirtschaft floriert. ( Erneuter, lebhafter Beifall.)

Reichsbannerfameraden seid nie mutíos geworden. Als eine Macht­ergreifung durch die äußerste Rechte drohte, da wackelten anderen die Herzen. Ihr aber bliebt

Das sind unsere Wünsche an diesem Verfassungstage. Thr

die Avantgarde der Republik  .

Ich habe den besonderen Auftrag, euch, Kameraden, den Gruß und den Dank des preußischen Ministerpräsidenten Braun zu über­mitteln.( Stürmischer Jubel.) Wir werden weiter Seite an Seite stehen, und wir wandeln ein altes Preußenwort ab, wenn wir sagen:

,, Sei's trüber Tag, sei's heitrer Sonnenschein: Stets wollen wir der Republik   uns weihn."

Als dann Löbe das Frei Heil auf die deutsche Republik aus­brachte, stimmten die Zehntausende begeistert ein. Gemeinsam ward die republikanische Hymne Einigkeit und Recht und Freiheit" ge= fungen. Die Kundgebung im Luftgarten war zu Ende.

Fackelzug zum Reichstag.

Das Hoch war verklungen, die Maffen fehten sich in Bewegung, der große Fadelzug durch die Bruntstraßen des Kaiserreichs Tausende säumten die Streaße Unter den Linden  , Tausende mar­schierten mit in Schritt und Tritt der republikanischen Kampflieder.

Nur mit Mühe schob sich die Spige des Zuges über die Schloßbrüde, durch die Straße Unter den Linden  . Die Fackelschlange zeigte an: hier marschiert das Reichsbanner. Aber der unendlich lange Zug

Es war die anfeuernde, hochgemute Rede des Reichstags- Republik mit politischer Genugtuung und wirtschaftlicher Sorge. Der In diesem Jahre begehen wir den Geburtstag der deutschen  präsidenten Paul Löbe  , die, immer wieder von stürmi- Anschlag der Volksfeinde auf die preußische Re­schem Beifall unterbrochen, im Mittelpunkt der großen repu publik ist durch die Republikaner   abgeschlagen worden. Aber blikanischen Kundgebung stand. Als Löbe die zum Volks- Sorge erfüllt uns, weil keine Anzeichen zur Ueberwindung der entscheid verbündeten Hakenkreuzler und Kommunisten wirtschaftlichen Krise bisher bemerkt worden sind. Bei geißelte, fand er stürmische Zustimmung, die sich steigerte, bem Anschlag auf die preußische Republik haben sich seltsame Brüderpaare zusammengefunden: Hugenberg ging mit Thälmann  als er der tiefen Sehnsucht der weitesten Bolfskreise nach Arm in Arm, Hitler mit Remmele, Dingelden mit Stöcker( Heiter­einer Aenderung unserer sozialen und wirtschaftlichen Ver- feit). In einem waren sich alle einig: in dem Haß gegen den hältnisse Ausdruck gab. Die Ereignisse, die wir gerade auch freien Volksstaat. Ueberall mo die Radikalen rechts oder links re­in den letzten Monaten durchlebten, haben ihm ein besonderes gieren, gibt es feine Boltsrechte. Die Rechtsradikalen können sich Recht gegeben, diese Forderungen aufzustellen. Sein drin- rühmen, Erzberger und Rathenau  , Rosa Luxemburg   zum Gebäude des deutschen   Volkes, zum Reichstag, begann. und Liebknecht ermordet zu haben. Die anderen sind es, ermordet find gendes Berlangen, daß der Staat das Recht erhält und bedenen zahlreiche Reichsbannerkameraden und die Polizeibeamten, wahrt, die Wirtschaft zu kontrollieren, fand deshalb die deren Tod wir in diesen Wochen beklagen müssen, durch Mord er­besonders lebhafte Zustimmung der Volksmassen, weil die legen find. Hitler   hat zu Thälmann   gesagt, sein Kopf werde letzten Wochen bewiesen haben, daß die individualistisch- tapi- rollen. Thälmann   sagt über Hitler  , daß er an den Galgen talistische Wirtschaft sich selbst zu kontrollieren unfähig ist. So stand die Ansprache Löbes allerdings in Gegensatz zu der Rede, die der Vizekanzler Dietrich bei der Verfassungs­feier im Reichstag gehalten hat. Löbe   sprach mit aller Deut. lichkeit aus, daß mit einem abgewirtschafteten Manchesterliberalismus heute keine Gesundung mehr zu erreichen ist. Dietrich sprach von dem Kampf zwischen zwei Systemen, zwischen Kapitalismus   und Bolschewismus. Er hält am Kapitalismus   fest in einem Augenblick, in dem der Privatkapitalismus gezwungen ist, an die Tür des Staates zu flopfen und zu betteln. Löbe formulierte dem gegenüber die Forderungen eines aufbauenden So­zialismus mit erfreulicher Deutlichkeit. Er verlangte, daß für die Wirtschaft das, was sie heute aus Not zubilligen muß, Dauerzustand wird. Er verlangte die Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat, und zwar nicht nur, wenn die Wirtschaft in Not ist, sondern auch dann, wenn sie floriert. Damit allerdings hat er einem Wunsche der weitesten Schichten des deutschen   Volkes hörbaren Ausdruck gegeben.

Im Lustgarten.

Wer um 18% Uhr zur Verfassungsfeier des Reichs. banners im Lustgarten wollte, stieß bereits auf verstopfte Straßen. Die Reichsbannerkolonnen waren aufmarschiert, das Publikum strömte herbei, Männer, Frauen und Kinder. Schon um 19 Uhr war der weite Platz im Lust­garten beinahe gefüllt. Das Orchester des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold konzertiert unermüdlich. Immer mehr Massen strömten herbei und füllten den weiten Platz. Um 19 Uhr, als sich von allen Seiten her die Reichs­bannerkolonnen eingefunden haben, sieht man bis her­über zum Alten Museum  , Kopf an Kopf, auf allen ver­fügbaren Plätzen eine einzige dichtgeballte Masse. Die Fahnen marschieren auf, stürmisch begrüßt.

Da tommunistische Störungen beabsichtigt sein sollen, überwachen Bolizeipräsident Grzesinsti und Polizeivizepräsident Dr. Weiß persönlich den vom Major Heinrich geleiteten Sicherheitsdienst, der in den letzten Tagen und Wochen hart mitgenommenen und über­

Freitag,

So tat es Hitler   beim Butſch in München  , und die kommunistischen  Führer fliehen wie Hölz nach Moskau  . Die Kommunisten sprechen von der Schaffung einer revolutionären Situation". Ich habe diese revolutionäre Situation vor acht Tagen in Budapest   ge­sehen. Bela Khun ist in Mostau, aber in den 3uchthäusern sigen die verführen Arbeiter, Deutschland   erleben. Die kommunistischen   Führer wurden mit echten soweit sie nicht erschossen wurden. Ein gleiches würde man in oder falschen Pässen jenseits der Grenze sein. Wir haben die Genug tuung, daß der Anschlag auf Preußen abgewehrt ist. Aber

wir müssen zur Offensive übergehen.

( Stürmischer, anhaltender Beifall.) Zwei Forderungen sind es, die uns bewegen. Die eine ist, daß die sozialen Ten­denzen bestehen und ausgebaut werden. Das andere ist das Verlangen nach einer Politik, deren Ziel die Verständigung der Nationen ist. Wir sind verlacht worden, als wir diese Forderung schon vor zehn Jahren stellten. Aber jeder verantwort liche Staatsmann hat diesen Weg gehen müssen. Das war so von Scheidemann   über Erzberger  , Rathenau  , Strese mann, Brüning bis zu den Deutschnationalen. Es gibt feinen anderen Weg.( Neuer Beifall.) Heute haben wir das Kabinett der Frontsoldaten", der Führer einer Scharfschüßenabteilung

ist Reichskanzler, der Batterieführer ist Außenminister, und so geht Eisernen Kreuze Erster und Zweiter Klaffe, aber es weiter bis zu dem jungen Schiffsleutnant. Sie tragen die

gleichwohl waren sie froh, in Paris   mit den französischen  Staatsmännern verhandeln zu können, und sie sind glücklich darüber, daß in England Männer wie Macdonald und Hender­fon regieren, die als Vertreter der Arbeiterpartei die Idee der Verständigung mit Herz und Geist verfechten. ( Erneute Zustimmung.) Zehn Jahre hat man uns den Vorwurf des Landesverrats gemacht. Das hat sich aber später an jedem vollzogen, der zur Verantwortung kam.

Bum zweiten Punkte verlangen wir zur Schaffung einer wahren Bottsgemeinschaft, daß die Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat durchgeführt wird. Wenn die Wirtschaft faniert, dann hat sie den Staat vergessen. Immer ruft die Land­durch den Staat saniert werden will, dann ruft sie ihn. Ist sie dann wirtschaft: Staat hilf uns! Das gleiche macht die Industrie. und seit etlichen Wochen hören wir denselben Ruf von den Ban ten. Die Wirtschaft tennt den Staat, wenn sie versagt hat. Wir

sagte mehr: Hier marschiert das arbeitende Volk von Berlin  , das vor der Republik   steht, bereit, sie gegen jeden Angriff zu schüßen. Am Ehrenmal, das den Toten des Weltkrieges geweiht ist, hielten die Kolonnen. Schon am Nachmittag hatte die Bauteilung des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold an der Stätte des Gedentens einen Kranz niedergelegt. Jegt verharrten die Kolonnen der Republikaner   in ehrfürchtigem Schweigen und boten ihren Gruß und ihre Dankbarkeit denen, die nicht mehr sind, die als Opfer des Völkermordens den Tod fanden.

Weiter bewegte sich der riesige Zug, während in den Quer­durch das einst der Kaiser und König fuhr, um den Platz der straßen sich die Menschen staffelten. Durch das Brandenburger Tor  , Republik  , vorbei am Reichstag.

Die große Verfassungskundgebung der Berliner   Republikaner war damit beendet.

Gruß über den Ozean.

Verfassungsfeier im Rundfunt.

Das Mikrophon der Berliner   Funkstunde trug die Vision des Fadelzuges, der die festliche Menge zwischen Brandenburger Tor  und Siegessäule   durchzog, den Rundfunkhörern ins Zimmer. Plötz­lich riß der Bericht ab. Ein neues Bild stieg auf: die deutsche Kolonie in New Yort feiert mit ihren amerikanischen Freunden den zwölften Geburtstag der deutschen   Verfassungl.

"

Die Töne des Deutschlandsliedes", die vor wenigen Minuten aus dem deutschen   Reichstag zu den Hörern drangen, erklingen nun wieder; über den Ozean hinweg grüßen sie die Heimat. Verse, Wagners sehnsüchtiges Lied Träume" folgen; dann spricht der deutsche Generalkonsul in New York, Dr. Kiep. Er erinnert an das wirtschaftliche Ringen Deutschlands   nach dem verlorenen Kriege, an seine unermüdliche Arbeit, die es ihm allein ermöglichte, die Reparationslasten zu tragen. Als der ausländische Kredit, der die Arbeit in Deutschland   angekurbelt hatte, zurückfloß, mußte auch der deutsche   Motor zu stocken beginnen. Doch da heute in der Welt die

nationalbegrenzte Wirtschaft fast aufgehört hat, da kein Staat mehr als Einzelwesen dasteht, sondern mit allen Staaten in

Schicksalsgemeinschaft lebt, muß das Bestreben aller Länder dahin­gehen, Deutschlands   Wirtschaft wieder in geordnete Bahnen zu lenten; die Stügungsaktion Ameritas war der Anfang dazu. So kann Deutschland   trotz der harten Zeit, durch die es hindurch muß, vertrauensvoll in die Zukunft blicken.

beteiligte, führten zu dem gemeinsamen Schlußgefang der Versamm­Musikdarbietungen, an denen sich auch Walther Kirchhoff lung, die mit der deutschen Nationalhymne begonnen hatte und die nun in die amerikanische   austlang.

20 Uhr: Kundgebung im Sportpalast  

Redner: Karl Severing  Otto Wels