Gefängnisstrafen gegen Nazisturm 33. Drohbrief an den Staatsanwalt.
wir uns auch keine Kartoffeln zu kaufen. Milch und Butter haben wir ebenfalls aus unserer Wirtschaft, wir sagen immer, die Kuh- milch geht durch den Hals, das heißt, wenn wir unseren Kühen ein Hutes Futter geben, dann haben wir auch viel Milch. Und wie Sie draußen auf dem Hof sehen, da laufen unsere Hühner herum, so daß wir uns auch keine Eier zu kaufen brauchen. Ebenso kaufen wir keinen Kaffee, wir brennen uns den Roggen allein. Natürlich haben wir auch alles Obst, Aepfel, Birnen, Pflaumen und Beeren, olles Gemüse und so gut wie alle Küchenkräuter. Unseren Fleisch- bedarf vermögen wir allerdings nur zu 40 Prozent aus der eigenen Wirtschaft zu decken. Sie machen ein erstauntes Gesicht, aber wie- viel Fleisch haben wir schon von dem einen Schwein, das wir in jedem Jahr für unseren eigenen Bedarf schlachten, da haben wir die beiden Schinken, dann den Speck und das Pökelfleisch, da haben wir die Blutwurst, die muß in vier Wochen aufgegessen werden, sonst wird sie schlecht. Schließlich haben wir von dem einen Schwein noch 3l> Pfund Schlackwurst, sonst aber keine Koteletts und so etwas, denn die Koteletts werden von den Knochen abgetrennt und kommen in die Schlackwurst. Wir müssen also rund 60 Prozent unseres Fleischbedarfs kaufen. Allerdings schränkt man sich bei den schlechten Zeiten ein und ißt nur noch dreimal in der Woche Fleisch. Soweit können wir eine selbstgenügsame Wirtschaft treiben. Aber dann müssen wir Salz kaufen, Gewürze und ähnliches. Wenn wir von den Nahrungsmitteln absehen, dann müssen wir uns natürlich auch Kleidung kaufen, auf dem Acker wachsen leider keine Hosen, die Geräte für die Wirtschaft, und dann müssen wir, wie gesagt, Geld für das Pferd zurücklegen. Das ist immer eine Ausgabe, man bekommt wohl schon einen alten Gaul für 150 Mark, aber wenn man einen Sechsjährigen haben will, dann muß man doch 600 Mark auf den Tisch legen." -r Nachher trifft man noch einmal den Hausierer, er ächzte mit seinem schweren Wäschekorb durch den Sonnenbrand.„Wollen nachsehen", sagte er,„ob die Bauern nach der guten Ernte jetzt mehr kaufen. Quälen muß man sich ja weidlich auf seine alten Tage. Es ist nur gut, daß ich das Schleppen gewohnt bin, weil ich früher Steinträgsr mar. Herr, das waren schöne Zeiten, 1,80 Mark habe ich da die Stunde verdient."
Günstige Ausverkaufsbilanz. Gestern war der letzte Tag. Der vierzehnlägige Sommer-Ausverkauf fand mit dem gestrigen Tage, bei einzelnen Geschäften schon am Freitag, sein Ende. Das übereinstimmende Urteil aller größeren Firmen ist. daß der dies- jährige Ausverkauf trotz der Wirtschaftskrise der beste seit vielen Iahren war. Aeußcrlich dokunrentieren die Kaufhäuser durch das Entfernen der Reklame den Schluß der billigen Tage, die in der Tat dieses Mal diesen Namen verdienen, denn die Preise waren bei manchen Ar- titeln wirklich stark gesenkt. Der Ausverkauf stand teilweise noch immer unter den Nachwirkungen der Katastrophentage, während die bekanntlich ganz besonders ängstlichen Leute ihre gesamten Er- sparnisse in Sachwerten, vor allem in Möbeln, anlegten. Das Geld saß lockerer als im Vorjahr. Trotzdem beschränkten sich die Käufe auf absolute Bedarfsartikel, was beweist, welch unge- heurer Warenhunger bei uns vorhanden ist. Nur entspricht das Be- dürfnis nicht dem Kapital, über das die einzelnen verfügen. All- gemein wird gesteigerter Umsatz gemeldet. Die Umsotzzisfern liegen Geschäften 10 Proz., ja 15 Pro,;, über den vor- jährigen. In den ersten Tagen wurde in Anbetracht der wieder «insetzenden Hitze Sommerkkeidung gefragt. Badetrrkots, Bade- mäntel und Badeschuhe fanden ihre Liebhaber. Wie bei allen Aus- Verkäufen hatten Trikotagen, Strümpfe und Pullover guten Absatz. Die Bäumwoll- und Seidenlager wurden in verschiedenen Geschäften fast völlig geräumt. Auch der S ch u h h a n d e l kam aus seine Rechnung. Besonders in Herrenschuhcn kann man auf ein aus- g«zeichnetes Geschäft zurückblicken. Auch in Damenschuhen wurden große Umsätze getätigt. Nach Opanken stand man vielfach Schlange, wie einst in den Kriegsjahren nach Butter. Ueber die Mengenzifftrn kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man erfährt, daß in ' einem Spezialgeschäft während des Ausverkaufs 300 000 Paar Schuhe verkauft wurden. Ganz wider Erwarten zog sich das gute Geschäft über die Dauer des Ausverkaufs hin, während in früheren
Im Prozeß gegen den nationalsozialistischen Sturmtrupp 33. dessen Mitglieder in der Silvesternacht zwei Kommunisten überfallen und niedergeschlagen hallen. wurde gestern das Urteil verkündet. Der ISjährige Elektriker- lehrling Gerhard A e u b e r t wird wegen versuchten Totschlages in Tateinheit mit Raufhandel zu vier Iahren. der Schmiedegeselle Hermann Friede wegen gesährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Raushandel zu einem Jahr und sechs Monaten, der Konditor Kurt Becker und der Kaufmann Erich Pint wegen gefährlicher Körper- Verletzung in Tateinheil mit Raushandel zu je einem Zahre Gefängnis verurteilt. Der Hauptangeklagte Hahn hatte sich der Verhandlung durch Flucht entzogen. Da das deutsche Recht eine Bestrafung in ccunu- mätiam(in Abwesenheit) nicht kennt, mußte das Verfahren gegen ihn abgetrennt werden. Im wesentlichen entsprechen die Strafen dem Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft, der in seinem Plädoyer mit Schärfe das Treiben der Radikalen geißelte. Staatsanwaltschaftsrat Stehnig hatte in seiner beachtenswerten An» klagerede ausgeführt, daß Taten dieser Art mit dazu beigetragen haben, Deutschland an den Rand des Abgrundes zu bringen. Er sagte wörtlich:„Das politische Rowdytum hat in er- schreckendem Maße überhand genommen." Die politischen Rowdys haben diese berechtigte Kennzeichnung durch den Vertreter der Staats- anwaltschaft nicht ohne Antwort gelassen. Staatsanwaltschastsrat Stehnig erhielt am Tage des Urteils einen mit der Schreibmaschine geschriebenen Drohbrief, in dem es hieß, daß er einen Denkzettel erhalten werde, so daß ihm die Lust vergehen müsse, weiter Anpöbeleien gegenüber den Rationalsozialisten wie in diesem Prozeß zu wagen. Es ist selbstverständlich, daß dieser Lümmel nicht den Mut ge-
Jahren eigentlich nur die ersten Tage richtige Kaustage waren. Diese Erscheinung ist daraus zurückzusühren, daß die Beamten und Ange- stellten nicht von vornherein über ihre Gehälter verfügen konnten.
Verhaftung in der Bankräuberaffäre. Vier der Miftäierschast dringend Verdächtige. Im Lause des gestrigen Tages verhastete die Kriminalpolizei nach einer längeren Durchsuchungsakti�n in der B a h n st r a ß e vier Leute, die in dem dringenden verdacht der Mittäter- j ch a f t an dem Bankraub in der Innsbrucker Straße stehen. Soweit die bisherigen Ermittlungen ergeben haben, handelt es sich bei einem der Verhasteten um einen der Kriminalpolizei seit langem bekannten Bankräuber, der schwer vorbestraft ist. Zn seinem Besitze fand man auch Aufzeichnungen, die darauf schließen lassen, daß der Betreffende über den Bankraub eingehend orientiert war. wenn er nicht sogar mit der Urheber ist. Eine aktive Mittäterschaft scheint bei diesem Verhafteten allerdings nicht vorzu- liegen. Die Bande, die hier am Werk war, scheint ihre Schlupf- winket in der Gegend der Grunewald - und Hauptstraße zu haben.
Die Politik mit dem Farbiops. Voruntersuchung gegen fünf Kommunisten beantragt. In der Na ch t z u m 9. A u g u st, an dem die Hauptleute Anlauf und Lenk auf dem Bülowplatz hinterrücks erschossen wurden, war in der Hagenauer Straße ein Schriftsatz mit weißer Farbe angepinselt worden:„Für einen erschossenen Arbeiter fallen zwei Schupooffiziere. Rotfront nimmt Rache. RFB. lebt!" Die Staatsanwaltschaft Berlin hat gegen die fünf Personen, die diese Inschrift angebracht haben, Antrag auf Voruntersuchung unter der Anschuldigung gestellt, durch
habt hat, seinen Namen zu nennen, sondern als echter Nazifeigling anonym schrieb. Im Brief heißt es weiter, daß für Menschen dieses Schlages, die das Dritte Reich verhöhnen, schon gründlich ge- sorgt sei. Hitlers Wort vom Köpferollen kommt in Erinnerung, und auch dieser Brief jetzt die„Legalität" der Nazis in ein beson, deres Licht. Der Brief schließt mit den Worten:„Rache, Rache, Sie Ochsen- knecht und Schmarotzer!" Ueberaus bezeichnend ist eins Zusammenstellung, die Landge- richtsdirektor R a m b k e in seiner Urteilsbegründung über die bluii- gen Ueberfälle der SA. 33 gab, die sich innerhalb weniger Monate ereigneten und die ihren Ausgang sämtlich vom Sturmlokal Hebbel st raße 20 genommen haben. Hier die Aufstellung: Am 22. November 1930: Nazi-Uebersall auf den E d e n p a l a st. 1 Schwerverletzter, drei leichter Verletzte. Am 1. Januar der Ueber- sall auf die Brüder R i e m e n s ch n e i d e r : zwei Schwerverletzte; am 27. Januar ein dritter Nazi-Uebersall. hier konnten die Täter nicht ermittelt werden. Schon zwei Tag- später, am 29. Januar, ein neuer Mordüberfall, Resultat: 1 Toter, mehrere Schwerverletzte.(Fall Markowski). Am 1. Februar ein weiterer Mordanschlag mit dem übrigens in dem zur Anklage stehenden Falle freigesprochenen Schlächters Foyer als Täter. Re- sultat: 1 Toter, 1 Schwerverletzter, 2 leichter Verletzte. Die fürchterliche Blulbilanz: zwei Tote, vier Schwerverletzte. vier leichter Verletzte. Das ist das Gesicht des Sturmes 33 der RSDAP . Die Polizei sollte dem Mörderlokal Hebbelstraße 20 allergrößte Aufmerksamkeit widmen und auch vor strengsten Maßnahmen nicht zurückschrecken!
öffentlichen Anschlag von Schriften zum Morde aufgefordert zu haben. Eine Erklärung der Kommunisten. Das Sekretariat des Zentralkomitees der Kommu- nistischenParteiDeutfchlands bestreitet in einer längeren Erklärung, daß auf Grund von Adressenmaterial, das man im Karl- Liebknecht-Haus gefunden habe, die Ausdeckung eines Was- f e n l a g e r s erfolgt fei. Irgendein Zusammenhang zwischen den Beschlagnahmungen im Karl-Liebknecht-Haus und den Waffensunden der Polizei bestehe nicht. Mit dem Eisenbahnattentat von Jüterbog habe die KPD . nicht das mindeste zu tun. Bei diesem Anschlag habe sich unter den Fohrgästen eines der verunglückten Eisenbahn- roaggons der kommunistische Reichstagsabgeordnete Wilhelm Koehnen befunden, der sich auch an den Rettungsarbeiten bis zum Eintreffen des Hilfszuges aktiv betätigt habe.(Die von der kommunistischen Zenttale bestrittenen Dinge sind der Oeftentlichkeit nur durch eine gewisse Sensationspresse bekanntgegeben worden.)
Zwei Personen durch Aichschlag verletzt. Bei dem Gewitter, das gestern über Berlin niederging, wurden auf der Müggelheimer Chaussee zwei Personen, und zwar der 19jährige Klempner Erich Schramm und der 21jährige Arbeiter Herbert R o b i n g aus Niederschöneweide , Brllckenstr. 22, vom Blitz getroffen und dem Köpenicker Krankenhaus zugeleitet. Fernsprech-Schucllverkehr mit Hennigsdorf . Am 26. August wird aus Anlaß der Einführung des Selbst- anschlußbetriebs in Hennigsdorf (Osthavelland) auch der Fernsprech- Schnellverkehr zwischen Berlin und Hennigsdorf aufgenommen. Von diesem Zeitpunkt an sind Gespräche von Berlin nach Hennigsdorf nicht mehr beim Fernamt Berlin a n z u m e l d e n. Die an eine Vermittlungsstelle mit Handbetrieb
111 � „Sie haben recht, der Paul muß uns gleich was holen gehen. Ah, Fräulein Rosolf", grüßt er untertänig. „Ich habe ein paar wichtige Gänge für den Chef zu er- ledigen und werde wohl nicht mehr zurückkommen." Vilma eilt an ihm vorbei zur Tür. „Jetzt ist die Lust rein", murmelt Franz Ziege vor sich hin und stolziert ins Schreibmaschinenzimmer. Fräulein Hinzelmann hat sich schnell in aller Eile ein paar Blumen besorgen lassen. Als Bürochef Ziege eintritt, bewaffnet sie sich mit dem Strauß.„Herr Ziege, auch meinen herzlichsten Glückwunschi" Fräulein Hinzelmann wollte eigentlich„Grawlation" sagen, aber in der Aufregung ver- gaß sie es. „Aber... aber..." Bürochef Ziege ist ganz gerührt über soviel Anhänglichkeit. Frau Caspar! sagt ebenfalls ihr Sprüchlein her. „Na Kinder, denn kommt man alle zu mir herein, wir wollen'n bißchen seiern." Der Laufbursche wird nach Likör geschickt. „Und'n paar Kuchen bringen Se auch mit. Hixr ist Geld." Bürochef Ziege entnimmt der Brieftasche einen Zehn- markschein. „... Und die Post?" erinnert Fräulein Hinzelmann und möchte sich für ihre eigene Dummheit ohrfeigen. „Lassen Se man bis morgen. Morgen ist auch noch'n Tag!" wirkt Bürochef Ziege gönnerhaft ab. Er ist auf dem Gipfel des Glücks. Chef und Versicherungsgesellschaft haben gratuliert. Außerdem ist kein Aergernis entstanden. Wie leicht hätten die zarten Blüten falsch aufgefaßt werden können. Und das beste: der Chef ist fort und kommt heute nicht mehr! „Na denn man zu!" nickt Fräulein Hin�elmann zu Frau Cafpari hinüber, die über die Einladung nicht besonders er- freut ist. Gerade heute, wo es so aussah, als ob zeitig Schluß gemacht werden sollte, muß dieser„Meckerer" Geburtstag haben und feiern. Als ob sie nicht genug zu Haufe zu tun
hätte. Aber sich ausschließen, geht nicht an. Sie folgt also gehorsam dem Bürochef in die Buchhaltung. Auf dem Schreibtisch Zieges sind die Blumen von Maufchund, Mayer u. Co. feierlich arrangiert. Da sie jetzt offiziellen Charakter tragen, weist Ziege mit stolzer Gebärde darauf hin. „Fabelhaft!" schreit Fräulein Hinzelmonn los, als ob sie sie zum erstenmal erblickt. Schnell wird dem Schreibtisch mit mehreren Bogen weißen Durchschlagpapiers ein festliches Gepräge gegeben. Alles was an Gläsern, Tassen und Tellern aufzutreiben ist, steht bereit. Die Feier kann beginnen. Bürochef Ziege er- innert sich, daß bei derartigen festlichen Gelegenheiten eine kleine Rede stets am Platze ist. Er räuspert sich also:„Da wir hier nun mal alle beisammen sind..." Er hat die Anrede vergessen. Eine Anrede muß aber sein, also beginnt er noch einmal, indem er alle Anwesenden: den Prokuristen Christians, den ersten Buchhalter Mende, den zweiten Buchhalter Krüger, die Stenotypistin Lotte Heinzel- mann, die Kontoristin Cafpari und den Laufburschen Paul der Reihe nach fixiert:„Liebe Kollegen und Kolleginnen!" Der Fehler, die Herren zuerst genannt zu haben, ist leider nicht wieder gutzumachen und bringt Herrn Ziege, der außerhalb des Bllrolebens ein höflicher Mann fein will, in Verlegenheit. Er strafft sich aber gleich wieder.„Da wir hier nun mal alle beisammen sind..." Hilflos sieht er zu dem Prokuristen Christians hin, der diesen Blick als eine Aufforderung bewertet. „Prost!" sagt Christians kurz entschlossen und hebt sein Wasserglas, das bis zur Hälfte mit Curacao gefüllt ist. „Na, denn: Prost!" Ziege weiß dem rettenden Engel wenig Dank. Gerade jetzt fällt ihm eine schöne Redewendung ein.„Wie schon Herr Prokurist Christians eben ganz richtig bemerkt hat, wir müssen alle an einem Strang ziehen. Denn seht mal, wir sind alle Angestellte, wir leben alle von unserer Hände Arbeit..." Aus! Aber wie kann man eine Rede halten, wenn man sich nicht vorher mit etwas Alkohol ange- feuert hat. Bürochef Franz Ziege leert also sein Glas und blickt dann erleichtert um sich. „Schmeckt wunderbar", beeilt sich Fräulein Hinzelmann festzustellen und hält ihr Glas von neuem zum Füllen hin. Buchhalter Mende, der eigentlich Guttempler ist, kichert vor sich hin. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen...!" äußert sich Pürochef Ziege noch einmal männlich,«Aber� meine
Damen, Sie werden doch etwas für Süßigkeiten übrig haben." Er offeriert der Stenotypistin Hinzelmann das Papp- tablett mit dem Kuchen. „Bitte weiterreichen!" „Ich mag gern so was mit viel Creme!" � „Sehr liebenswürdig!" Buchhalter Krüger hält auf guten Ton. Von neuem werden die Gläser gefüllt. Paul muß noch einmal nach Kognak laufen. Die Stimmung steigt. Man ist vereinigt in dem beglückenden Bewußtsein, an einem Strang zu ziehen. „Denn Außenseiter haben hier nichts zu suchen..." rülpst Herr Ziege und betrachtet mit zwinkenden Aeuglein den runden Busen des Fräulein Hinzelmann.„Wir find alle..." Weiter kommt er nicht. „Verzeihung, daß ich störe. Ist Herr Silvester noch an- wesend?" Herr Ziege ist durch die unerwartete Anrede so verwirrt, daß er seine Gedanken sammeln muß. Da der Herr vor ihm, der unangemeldet eingetreten ist, wie ein Amerikaner aus- sieht, antwortet er prompt und mit betont ostpreußischem Akzent:„No. Sir!" „Wir hatten uns verabredet. Darf ich erfahren, wo er ist? Ich heiße Manfred Grumacher." „Jesses, der Tannhäuser", quietscht Fräulein Hinzelmann. „Der Herr Kammersänger", verbessert sie sich schnell. Den hatte sie sich anders vorgestellt. So mit lockigem Haar und bleicher Stirn, so romantisch unglücklich. Vor ihr steht aber ein Herr, der in jedem Büro leben könnte. Nicht einmal elegant angezogen ist er, und eine Hornbrille trägt er auch. Frau Marie Caspari beugt sich tief über ihren Kuchen. „Herr Kammersänger, welche Ehre!" drängt sich jetzt Herr Ziege vor.„Ihr Herr Schwager ist auf die Börse ge- fahren, und wir veranstalten hier in der Mittagszeit eine kleine Feier. Ich bin heute achtundvierzig Jahre alt ge- worden." Herr Ziege bemüht sich, einen würdigen Eindruck zu machen und sehr streng zu blicken, wie es sich für sein Alter und seinen Beruf paßt.„Ich bin nämlich der Büro- Vorsteher Ziege. Verzeihung, daß ich mich nicht sofort vor- gestellt habe." Der Schwager vergißt auch alles, denkt Manfred.„Dann grawliere ich herzlich." Er reicht Herrn Ziege die Hand, die dieser sehr lange und männlich schüttelt. (Fortsetzung folgt.)'