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Die Geburt der Schallplatte.

Die Attraktion der Großen Deutschen   Funk- Ausstellung.

Den magnetischen Anziehungspunkt für alle Besucher der Welt gibt, denn er ist aus Wachs. Wie altertumsgraue Runen Funk- Ausstellung bildet die Halle VI. Hier wird die Her- schreibt die Nadel des Aufnahmeapparates ihre Zeichen auf die Wachsplatte. stellung der Schallplatte von A- Z im Betrieb vorgeführt. So wäre das Original der Schallplatte geboren, aber es ist noch Abertausende von Besuchern defilieren täglich an dieser Schall- weich wie Butter. Also wird das Wachs von einer feinen Silber­plattenfabrit en miniature vorbei. Und die meisten sagen:" 2lch, schicht überzogen, und dann muß das Original baden gehen, ich habe mir das ganz anders vorgestellt!" Da ist nämlich nichts 24 Stunden lang in einem himmelblauen Bad, das man ein gal­von Hartgummi zu sehen, den alle für den Rohstoff der Schall- vanisches nennt, bis Silber und Wachs von Kupfer überzogen platte halten, vielmehr sehen wir ungetüme Säcke, die eine weite find. Diese Kupferschicht ist jetzt die Originalmatrize, Bater" ge­Reise hinter sich haben. In diesen Säcken befindet sich Schellad, nannt und bildet das negative Bild der Wachsaufnahme. Darauf ein in Indien   gewonnenes Harz  , das wiederum der Saft von beginnt das galvanische Bad von neuem, und es entsteht ein Positiv, Bäumen ist, der durch Insektenstiche aus der Rinde der Bäume die Mutter, aber noch immer nicht kann die Mutter" in die quoll. Vor diesen Bergen von Schellackblättchen ſizen zwei junge Blattenpresserei, eist wird sie noch auf eine Drehbank gespannt und Mädchen und prüfen noch einmal die braune Masse, daß ja kein allerlei mit ihr aufgestellt, denn sonst wäre es zu einfach, so daß Fremdkörper in diesen teuersten Bestandteil der Schallplatte mit jeder geschickte Bastler sich in Zukunft seine Schallplatten selbst her­durchschlüpft. Und zu dem Schellack gesellen sich noch Schwerspat, Schiefermehl, Baumwollflocken und pechschwarze Farbe, alles fällt in eine Mühle, wo es fein pulverisiert wieder herausrieselt.

Diese fein gemahlene und gemischte Pulvermasse wird dann einem Walzwerk zugeführt, wo zwei rotierende, erhitzte Stahl­walzen aus dem Pulver einen dicken, zähen Teig bereiten, den ein Kalander zu Platten formt, die den hochtrabenden Namen Bis­fuits" haben, aber wie Asphalt aussehen, den noch kochend die Erd­arbeiter auf den Fahrdamm schmieren. Schließlich dürfen die Platten erfalten und wandern in die Plattenpresserei, wo sie warten müssen, bis man sie braucht.

Denn inzwischen beginnt die Aufnahme, bei der jeder zu sehen kann, denn die in der Halle VI aufgebaute Schallplatten­fabrik enthüllt willig jedes ihrer Geheimnisse. Und wem das alles noch nicht genügt, der kann die Arbeiter fragen, die geben gern noch weitere Auskunft. Also in dem schallisolierten Aufnahmeraum steht ein einfaches Mikrophon, vor dem kann gesungen, gesprochen oder musiziert werden, dem Mikrophon entgeht nichts. In einem zweiten

Raum steht die Aufnahmeapparatur, die erst mal die von dem Mikrophon erzeugten elektrischen Schwingungen verstärkt, und dann ist ein kleiner, dicker, brauner Mühlstein da. Der dreht sich iuftig im Kreise, aber es ist der weicheste Mühlstein, den es auf der weiten

Der Orfan raft.

Zahlreiche Todesopfer des Sturms an der Atlantikküste. Paris  , 25. Auguft.

Der Sturm an der atlantischen Küste Frankreichs   hat in den letzten 24 Stunden 19 Todes opfer gefordert. Eine Flottille von 300 Fischerbooten wurde an der Küste der Bretagne   vom Sturm überrascht, a cht Mann ertranten. Am Strande von Torquay wurden vier Touristen, als sie das aufgepeitschte Meer betrachteten, von einer Sturzwelle erfaßt und ins Meer geschleudert. Sie famen in den Wellen um. Ein fleiner Schleppdampfer, der ein Fahrzeug in den Hafen von Rochelle einschleppen wollte, jant plök­lich, wobei sieben Mann der Besatzung ertranfen.

Dachstuhlbrand am Plan: Ufer.

Nach einstündiger Arbeit gelöscht.

300

stellen könnte.

Jetzt kommen die Biskuits" wieder an die Reihe. Sie werden auf elektrisch geheizten Tischen erwärmt und wieder weich gemacht, kommen in die Preßform und machen nun ihre erste Bekanntschaft mit der Muttermatrize. Wum- zisch, wum- zisch, wum- zisch", arve tet ohne eines Menschen Hand die automatische Plattenpresse. In diesem einen Arbeitsgang werden die Platten- Etiketten gleich mit ein­gepreßt, und so fleißig ist der Preßapparat, daß er 100 Schallplatten in der Stunde herstellt.

Und wie am Anfang bei den Schellacksäckchen zwei junge Mäd­chen saßen und den Grundstoff prüften, sizzen auch am Ende der interessanten Fabrikation zwei junge Mädchen, die nehmen jede der sauber geschliffenen und polierten Schallplatten und prüfen sie noch einmal. Wird eigentlich jede Platte noch einmal durchgespielt, ehe fie zum Verkauf kommt?" erkundigt man sich. Aber nein", lachen die Prüferinnen ,,, dann hätten wir ja viel zu tun, wir sehen nach, ob Blasen oder Risse auf der Platte sind, denn was eine gute Schallplatte ist, das haben wir im Blick. Wir sind doch geübte

"

Prüferinnen."

Nun haben wir die 8. Deutsche Funk- Ausstellung, von der eine Sonderabteilung die" Phono- Schau" ist. Aber eben diese Phono­Schau ist zum Clou der Funk- Ausstellung geworden.

Unglück auf dem Duisburger Bahnhof.

Schwerverletzter Postfchaffner gestorben.

Der bei dem Eisenbahnunglück im Duisburger Hauptbahnhof schwer verletzte Postschaffner Kanis aus Köln- Merheim   ist heute morgen gegen 3 Uhr im Krankenhaus seinen Ber­lehungen erlegen. Zu dem Eisenbahnunglück teilt die Reichsbahndirektion Essen mit:

Schafft Dauerkleingärten!

Eine Protestversammlung der Laubenkolonisten in Neukölln.

In der Unionsbrauerei, Hasenheide, fand eine Protestversamma lung gegen die Verschleppung des Ortsgesetzes über Dauerkleine gärten statt, die der Reichsverband der Kleingartenvereine, Bea zirksverband Neukölln- Treptow, einberufen hatte.

Der Referent des Verbandes, Korch, sprach vor den zahlreich erschienenen Kleingärtnern über den Kampf der Kleingartenvera bände um die Schaffung von Dauerfleingartenland. Alle Forderungen und Bitten an den Magistrat seien bisher ergebnislos verlaufen. Die Kleingärtner schweben mit den augenblicklichen furzen Bachtverträgen in dauernder Gefahr, von ihren Grundstücken verwiesen zu werden, die sie in jahrelanger schwerster Art zu einem Erholungsort für sich und ihre Familien gemacht hätten. Für ihren ungeheuren Aufwand an Geld und Mühe verlangten die Klein­gärtner eine Garantie in Form langwährender Pachtverträge. Auch bei Geländen, die außerhalb Berlins   liegen, habe sich der Magistrat nicht entschließen können, diese Gebiete als Dauerklein­gartengelände zu erklären. Das Berliner   Stadtparlament habe bereits seine Zustimmung zur Schaffung von Reichsheim­stätten Gartengebieten und Dauerfleingärten abgegeben. eigentliche Verkündung des Ortsgesetzes habe jedoch bisher auf sich warten lassen. Trotz aller Versprechungen habe der Magistrat nichts zur Beschleunigung der Verkündung unternommen. Der Referent forderte einen mindestens 28jährigen Pachtvertrag, soweit es sich bei dem vorhandenen Laubengelände um Eigentum der Stadt Berlin  handelt. Der Redner ging soweit, zu sagen, daß die Kleingärtner als Protest die jährlichen Bachtzahlungen verweigern müßten, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Nach den Ausführungen des Referenten teilte ein Vertreter des Bezirksamts Neu= fölln mit, daß er selbst die Schaffung von Dauertleingärten sehna lichst herbeiwünsche. Stadtrat Genosse 5 eßschold sprad) als Bertreter der sozialdemokratischen Fraktion den versammelten Klein­gärtnern die allergrößte Sympathie und Unterstützungsbereitschaft

aus.

Die

Die Verzögerung der Ausweisung des Dauertleingarten­gesetzes sei ein Skandal. Die sozialdemokratische Fraktion werde dafür eintreten, daß die Kleingärtner 30jährige Pachtverträge er­halten. Zum Schluß der Kundgebung legte der Vorstand des Ber­

bandes den versammelten Kleingärtnern eine entsprechende Reso lution vor, die einstimmig angenommen wurde.

Ende der 100: Mart: Ausreise: Gebühr. Dauer vom 22. Juli bis 26. August.

Die 100- Marf- Gebühr, die für Auslandsreisen gezahlt werden mußte, tommt mit dem morgigen Tag in Wegfall. Schon heute läßt sich auf dem dazu besonders eingerichteten Büro im Berliner  Polizei- Präsidium kein Reisender mehr sehen. Montag, den 24. August, wurden nur noch vier Personen abgefertigt. Insa gesamt wurden auf diesem Spezialbüro 10 195 Personen vorstellig, um ins Ausland zu reisen. 9031 Personen mußten von der 100- Mark- Gebühr befreit werden, da sie entweder erkrankte Ange­

Am 24. August um 21.47 Uhr ist der im Gleis 2 einfahrende Gilzug 56 auf zwei im Gleis stehende Post wagen aufgehörige im ehemaligen deutschen Gebiet aufsuchten, Geschäftsreisen fahren. Ein Postwagen wurde schwer und die Lokomotive von Zug 56 leicht beschädigt. Der Postschaffner Johann Kanis aus Köln- Merheim   wurde schwer verletzt( inzwischen gestorben), Bost­schaffner Manke aus Oberhausen   leicht verletzt. Bierzehn Reisende haben sich als leicht verlegt gemeldet. Die Ver­legungen scheinen aber leichter Natur zu sein, da der Arzt äußere Wunden nicht feststellen fonnte. Die Schuldfrage ift noch nicht geflärt, Sämtliche Reisenden haben ihre Fahrt fortgesetzt.

Fahrplanänderung Berlin  - Ungermünde. Wie die Reichsbahn direktion Stettin mitteilt, werden auf der Strecke nach Anger­münde der Sonntags verfehrende Vorzug 599, ab Stettiner Bahn hof 5,43 Uhr, und der Sonnabends verkehrende erste Vor­597, ab Stettiner Bahnhof 15,55 Uhr, nur noch bei Bedarf ge­fahren werden.

Ein Dachstuhlbrand brach gestern nachmittag in dem Hause Planufer 42 Ecke Bärwaldstraße aus. Das Fener hatte etwa 50 Quadratmeter des Dachstuhls und mehrere Bodenverschläge ergriffen und konnte von der Feuerwehr in etwa einstündiger Tätigkeit eingetreist und gelöscht werden. Die Löschzug arbeiten gestalteten sich zuerst dadurch sehr schwierig, daß das Treppenhaus völlig verqualmt war und der Rauch in einem glasüberdachten Lichthef nicht abziehen konnte. Die Feuer­wehrleute mußten aus diesem Grunde das Glasdach zerstören, und erst dann konnten die Löschtrupps sich erfolgreich an die Bekämpfung

der Flammen machen.

WENN DER KURSFALL

13]

ROMAN  

VON

Faly Scherret

ge=

Wer weiß, was aus dem aus dem strebsamen Schüler worden ist. Er wollte Jura studieren. Also wird er irgend als Landrat thronen oder als Amtsgerichtsrat ver­schimmeln. Abends geht er zum Stammtisch der Honoratioren und treibt vaterländische Politik, schlägt sechsmal in der Woche siegreich die Franzosen  , die immerhin nette Leute sind. In zwei Wochen singt Manfred bei ihnen in der Großen Oper den Tristan und den Siegmund, und bis dahin wird er mit einem Freunde Schottland   bewundern, in die Seen spucken, an deren Ufern Walter Scott   dichtete. Morgen früh verläßt er die Heimat und fährt über Berlin   zu den Angelsachsen. Die Heimat? Zwölf Jahre hat er sie nicht gesehen, und sie sagt ihm nichts mehr. Eine langweilige Stadt mit langweiligen

Leuten.

Jetzt steht er vor einem zweistöckigen Haus, um das ein fleiner, gepflegter Garten den Eindruck der Wohlhabenheit

erwecken will.

Die Treppen haben durch allzuhäufiges, energisches Reis nigen die Farbe verloren. Das Haus riecht nach Seife, Bratenfett und kleinen Kindern, die sich noch intensiv mit

Windeln beschäftigen. Das üppige Weib mit dem karmosin­roten Mantel auf dem Flurfenster ist allmählich verblaßt, und der Putz der Wände zeigt bedenkliche Risse.

In der zweiten Etage steht auf einer schmalen Visiten farte unter dem blizenden Klingelzug schlicht und einfach: Mar Caspari. Manfred hört hinter der Tür energisch mirt­schaften und die Stimme eines Kindes, das allerlei wichtige Dinge erzählt.

Manfred läutet. Die Kinderstimme lacht fröhlich auf, und es nähern sich Schritte, sehr männliche Schritte. Ein Baß dröhnt: Bummi, das wird die Mama sein."

11

In der geöffneten Tür erscheint ein breiter, glattrafierter Mann in Hemdsärmeln und blauer Küchenschürze. Als er den fremden Herrn erblickt, tastet er verwirrt nach der Schürze, an der sich ein Knäblein auf alle Fälle klammert.

neben Kollektionen von Kunstwerken der durch den Brand des Mün­In den Räumen der Deutschen Kunstgemeinschaft im Schloß ist chener Glaspalastes geschädigten Künstler eine Sonderaus­stellung von Willi Jaeckel  , Helmut Krommer   und Erich Waste zu sehen.

im Interesse der deutschen Wirtschaft zu machen hatten oder unter die Ausnahme fielen, die durch die Ausführungsbestimmungen festa gelegt waren. Wie wirkungslos eigentlich die Notverordnung war, beweisen am besten die Zahlen. Von je 10 Ausreisenden mußte 9 Personen die Gebühr erlassen werden. 1164 Reisende zahlten im Berliner   Polizeipräsidium die 100- Mark- Gebühr, so daß 116 400 Mark eingenommen wurden. Es besteht kein Zweifel, daß wäh rend der Sperrzeit nur ein Bruchteil der Auslandsreisenden die not­verordneten Gebühren zahlte, denn es hatte schließlich bald der Dümmste heraus, wie man die Verordnung umgehen konnte. Die Touristenvereine haben während der Sperre einen geradezu über­wältigenden Zustrom an neuen Mitgliedern aufzuweisen. Mitglieder der verschiedenen Vereine konnten bekanntlich frei die Grenzen passieren. Die Regierungsstellen waren durchaus im Bilde, denn es wurde erst in den letzten Tagen weiterverordnet, daß die Touristena vereine ihre Eintrittspreise erhöhen bzw. ihre Mitglieder gleich unt den Jahresbeitrag zu erleichtern hatten. Wie gerade die reisende Arbeiterbevölkerung von der sinnlosen Verordnung getroffen wurde, beweist der Ausfall mehrerer Reisen, die der Reichsausschus für sozialistische Bildungsarbeit organisiert hat.

Guten Tag, Mar! Behalte ruhig deine Schürze um."| sich auf einen gichtbrüchigen Rohrstuhl und schlägt die Beine Manfred streckt die Hand aus, die der andere in der Auf- übereinander. regung übersieht.

,, Du...?" stottert er.

Der kleine Herr, der an der Schürze hing, stellt sich schützend vor den Vater. Manfred streichelt den dunklen Kopf. Ich tue deinem Papa doch nichts, du Heldenzwerg. Wir find alte Freunde, mußt du wissen." Darauf wendet er fich an Mar: Was staunste denn?"

fragt noch einmal: Du besuchst mich? Du hast mich nicht ver­Du besuchst mich?" Mar tann sich nicht fassen. Er geffen?"

beehre auch meine Verwandten nicht mit Briefen. Ich mag ,, Ach, du meinst, weil ich niemals geschrieben habe. Ich eben nicht schreiben. Aber bitte, ich möchte endlich eintreten, sonst lasse ich die Flaschen fallen, und das wäre schade!"

Sie sitzen im Wohnzimmer an einem schmalen Fenster. Da feine Kelche vorhanden sind, trinken sie den ungekühlten Sekt aus Wassergläsern. Bummi hockt auf dem Fußboden und studiert mit höchstem Interesse den fremden Herrn. Das Bimmer ist farg möbliert. Die Möbel erscheinen etwas alters­schwach, nur das Klavier macht einen besseren Eindruck.

Eiterbeule öffnen.

Manfred hat soeben geschildert, wie er Marie traf. Aller­dings unterdrückte er die Details, überhaupt retuschierte er alle Schatten weg. Das Wiedersehen erhielt in seiner Dar­stellung einen freundlichen, frühlingshaften Charakter. Es trug gewissermaßen Weinlaub im Haar. Manfred will jetzt die iterum fingst du nicht mehr?" Er ist aufgestanden, an das Klavier getreten und schlägt die ersten Tafte des Holländermonologs an. ,, Erinnerst du dich noch, wie du dir im dritten Aft damals in Danzig   aus Temperamentsüber­Schwang den Bart abrissest? Ich versäumte vor Lachen meinen Einsatz.

Mar Caspari blickt den Freund drohend an. ,, Barum ich nicht singe? Mich will feiner haben! Als Dortmund   die Oper abbaute, mar Schluß. Die Agenten stopften mich mit Versprechungen. Ein paarmal sang ich noch im Rundfunk. Dann war es aus! Du hast Glüd ge­habt, nichts weiter als Glück." Den letzten Sah brüllt er mit Stentorstimme, die für die Gewitterarie des Lysiart aus­reichen würde. Stefan- Bummi tlebt inzwischen unangefochten Papierhäuschen.

Manfred bleibt beherrscht, geradezu eisgekühlt. Er setzt

Vielleicht hast du recht. Sicherlich begünstigte mich das Glück. Aber das war es nicht allein. Nein, nein, ich will von der Stimme gar nicht reden." Er entkorkt die zweite Flasche. Ich bin eben Diplomat gewesen, machte in Logen und in politischen Parteien, denn ich wollte steigen. Der Ruhm reizte mich weniger als das Geld. Ich wollte reich werden, und ich spekulierte richtig. Mein Tenor notiert augenblicklich hoch auf der Börse." Sein Gesicht verzerrt sich zu einer grinsen­den Grimasse. ,, Ach, die ganze Kunst! Mir ist wichtiger, daß ich mit Aktien richtig liege. Im letzten Winter schloß ich in Chikago zwischen dem zweiten und dritten Tristan- Akt sogar ich habe gut verdient dabei." Manitoba  - Weizen ab. Irgendeiner war Pleite gegangen, und

Mar Caspari nagt am kleinen Finger seiner rechten Hand. Ist das dein Ernst?" lauert er. Da sitzt vor ihm der Mann, der mit Glücksgütern gesegnet ist, dessen Stimme zu den herrlichsten der Welt zählt, der Mann, der keine Sorgen kennt und der ganz in seiner Kunst aufgehen könnte, und dieser Mann tut sie mit einer verächtlichen Geste ab und spricht von Börse, Diplomatie und Konjunktur."

Manfred hat den Zwed seines Besuches vergessen. Eine lang unterdrückte Wut, ein Haß auf Gott   und die Welt, der sonst hinter der Korrektheit des Weltmannes schlummert, durchbricht die kühl reservierte Haltung.

,, Du hättest dich in Dortmund  , wo du erst warst, hinter irgendeine Clique flemmen, einer Frau Stadtrat oder Frau in Familien einladen und haft blöden Gänsen etwas vor­Fleischermeister hofieren sollen. Warum ließest du dich nicht gegrölt. Wotans Abschied im Salon bei Pieseckes oder so ähnlich. Es gibt einen berühmten jüdischen Kapellmeister, der ist katholisch geworden, um sich durchzusetzen. Bei der Pro­zeffion ist er feierlich mitgelatscht. Kirzen hat er in de Händ!" Manfred macht eine illustrierende Geste. ,, So was muß man den Idioten vormachen, denn Jdioten sind sie alle, auch wenn sie Konten von Millionen Dollars ihr eigen nennen. Pfui Deibel!" Er gießt ein Glas herunter und lacht. Frag' mich doch, warum ich Sänger geworden bin! Sollte ich mich vielleicht wie mein Bater als außerordentlicher Professor mein Leben lang durch­hungern? Wenn ich schon gezwungen mar, mich zu demütigen, dann wenigstens dort, wo es sich lohnte. Man muß seine Ware so teuer wie möglich verkaufen, sonst ist man reif für's Irrenhaus oder ein unrettbarer Romantifer wie du, was wohl auf eins herauskommt." Fortjehung folgt)