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Tschechoslowakischer Wahltag. Sozialdemokraten gewinnen, Kommunisten verlieren, Faschisten beerben das Bürgertum. Prag  , 28. September.  (Eigenbericht.) Etwa 70 Proz. der Gemeinden der Tschechoslowakei   wählten om gestrigen Sonntag ihre Parlamente neu. Eine ganze Reihe großer Städte, wie Brünn  , Troppau  , Olmütz  , Pilsen  , Reichenberg  und Teplitz   wählten nicht. Für die deutsche Sozialdemo- k r a t i e waren diese Wahlen das erste Votum seit-ihrem Eintritt in die Staatsregierung. Die deutsche Sozialdemokratie hat nach der bisher möglichen Ucbersicht einen Stimmenzuwachs gegenüber der Parlamentswahl 1929 bis auf einige Gebiete, be­sonders West- und Nordböhmens, wo sich die Wirtschaftskrise stark gegen uns auswirkte, erhalten. Gegenüber den Gemeindewahlen 1927 dürfte sich ein erheblicher Gewinn an Stimmen und Mandaten ergeben. Die tschechische Sozialdemokratie meldet einen durchschnittlichen Stimmenzuwachs von 1 v Proz. gegenüber der Parlamentswahl. Die chakenkreuzler haben in vielen Städten und Gemeinden die Stimmen und Mandate der Deutschnationalen geerbt. Bei den Ko m m u n i st e n blieb im deutschen   wie im tschechischen Gebiet der erwartete Ausschwung aus. Die zweite deutsche Regierungspartei, die Londbündler, haben kleine Verluste erlitten, ebenso die Christlichsozialen im allgemeinen ihre Position behauptet. Im tschechischen bürgerlichen Lager scheint eine wesentliche Verschiebung nicht eingetreten zu sein. In Prag   ist die Mandatezahl der tschechischen Sozialdemokraten von 12 auf 14 gestiegen, die deutsche Sozialdemorkatie, die in Prag   mit den tschechi- schen Genossen gemeinsam vorging, erlangte zum erstenmal seit 192Z ein Mandat, während das deutsche Bürgertum eines von seinen vier Mandaten verlor, die Kommunisten aber von 17 auf 13 Man- date zurückgingen und die tschechischen Nationalsozialen(Benesch- Parteis von 26 auf 23. Die Nationaldemokraten(Kramersch) sind mit 17 gegen 13 Mandaten die zweitstärkste Partei in Prag   ge- worden. Der eigentliche Sieger im Prager   Wahlkampf ist der wegen Korruption im Anklagezustand befindliche Faschist und ehemalige Minister Stribrny, der zusammen mit der Gruppe des abgesetzten und degradierten Generals G a j d a von 4 aus 12 Mandate anwuchs. Die deutschen Sozialdemokraten haben ganz besonders auf dem Lande gut abgeschnitten und ver- zeichnen einen ausgesprochenen Wahlerfolg in Mähren   und Schlesien  .
Aiieniai in Nanking. Außenminister Wang schwer verletzt. Nanking, 28. September. Studenten, die mit der Stellungnahme des Völkerbundes in der mandschurischen Frag« unzusrieden sind, überfielen den Außenminister Wang in seinem Arbeitszimmer, brachten ihm am Kopf und am Körper schwere Verletzungen bei und hätten ihn möglicher- weise getötet, wenn ihm nicht das Personal des Ministeriums zu Hilfe gekommen wäre. Dos Leben des Ministers ist durch die Ver- lctzungen gefährdet. Die Studenten waren nach einer Kundgebung zum Ministerium gezogen. Dort zerbrachen sie alle Möbel und Fensterscheiben und forderten schließlich den Minister auf, das Ministerium zu ver- lassen. Wang erklärte, er bleibe auf seinem Posten, und wenn es ihm das Lebe» koste. Danach stürzten sich die Studenten äns den Minister und verletzte» ihn schwer. Neuere Auskünste über das Befinden Wangs   sowie über seinen Aufenthalt waren bisher nicht zu erlangen. Japans   Kriegsminister droht dem Völkerbund. Tokio  , 28. Scpteinber. Der japanische   Kriegsminister erklärte Pressevertretern, daß die japanische   Armee trotz dem Beschluß des Völkerbundes in China  verbleibe. Wenn der Völkerbund   weiter in die chinesisch­japanischen Interessen eingreife, so werde die japanische   Regierung gezwungen sein, die Forderungen der japanischen Oefsentlichkeit, aus dem Völkerbund auszutreten, in die Wirklichkeit umzusetzen.
Nationalsozialistischer Parteitag. Auf der Gautagung der Hitler- Jugend   wurde mitgeteilt, daß der nationalsozialistische Parteitag am 18. Oktober unter Leitung Adolf Hitlers   in Braunschweig   statt- finden werde. ZNünchmeyer zu Gefängnis verurteilt. Die Große Straskammer Kassel   verurteilte als Berufungsinstanz den nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten Münchmeyer wegen Vergehens gegen das Rcpublikschutzgesetz zu drei Monaten Gefängnis. Mil- derndc Umstände wurden dem Angeklagten»ersagt, da er schon mehrfach wegen Vergehens gegen das Republikschutzgesetz bestraft'st. Die kommunistischeHamburger volkszeilung" beschlagnahmt. Die Sonuabend-Ausgobe der kommunistischenHamburger Volks- zeitung" wurde auf Veranlassung der politischen Polizei beschlag- nahmt.
25 Lahre Rose-Theater NeflroysTalisman" als Kestaufführung
Vor fünfundzwanzig Jahren übernahm Bernhard Rose  das Nationalcheatcr in der Großen Frankfurter Straße. Die Bühne war 1877 von Dr. Grünfeld, einem jungen Theaterfanatiker, ge- gründet und mit einer Aufführung desKönig Lear" erössnet worden. Sie hieß damals Ostend-Theater. Es stand über dem Unternehmen im abgelegenen Berliner   Osten kein glücklicher Stern. Die Direktionen wechselten schnell. Man experimentierte mit allerlei. Klassiker, moderne Dramen und Possenmanufaktur wechselten mit- einander ab, je nach Wunsch und Konjunkturglauben des jeweiligen Leiters. Im Jahre 1890 spielte hier Josef Kainz  , dem die großen Bühnen wegen seines Kontraktbruches verschlossen waren. Das vornehme Berlin   fuhr nach dem Osten, um ihn als Franz Moor oder Hamlet zu bewundern. Ein Jahr später wurde Kainz   Mitglied des Deutschen Theaters, das LÄrronge leitete. Erst Bernhard Rose   gelang es, aus der Bühne ein Volkstheater zu machen und ein Stammpublikum heranzubilden. Er verteilte richtig die Akzente, indem er sich nicht auf ein Genre beschränkte, sondern neben Posse und Lustspiel den Klassikern einen großen Platz im Repertoire einräumte. Auch die moderne Dramatik wurde ge- pflegt. DietzenschmiKtsKleine Sklavin" erlebte hier die Urauf- führung, und Dramen von Gerhart Hauptmann   standen ebenfalls im Spielplan. Nach dem Tode Bernhard Roses im Juni 1927 traten seine Söhne Hans, Paul und Willi an seine Stelle und leiteten das Theater im Sinne des Verstorbenen weiter, Verbundenheit mit der Tradition und Aufgeschlossensein dem Neuen gegenüber, ohne aber zu experimentieren, ist der Generalnenner ihrer Leistung. Daß sie für ihr Theater recht behalten, zeigt der Erfolg. Der Erfolg des Rofe-Theaters auch in der Krisenzcit! Dies war der Refrain der Reden, die der Festvorstellung vorausgingen. Es sprachen Dr. Behl, Minister Dr. Leers, Dr. Martin Zickel und Intendant Ernst Legal   als Vertreter der Thcaterabteilung des Polizeipräsidiums, des Deutschen Bühnenvercins  , des Verbandes Berliner   Bühnenleiter und der preußischen Staatstheater. Erfolg! Der ist vorhanden. Die Abonncntenziffer steigt und andere Theater wissen nicht, was mit ihnen in den nächsten Monaten geschehen wird. Woher dieser Erfolg? Das Rose-Theater, das weder Star- Wirtschaft noch hohe Preise kennt, rückt in seinen künstlerischen Leistungen immer mehr in den Vordergrund. Der einzelne Künstler tritt nicht aus dem Rahmen heraus. Ensemblespiel, gutes, gepflegtes Ensemblespiel wird geboten. Im Szenischen stehen die Darbietun-
gen auf hohem Niveau, aber garantieren diese Dinge allein d«n Erfolg? Als Festvorstellung gab man NestroysDer Talie- m a n". Und dieser Vorgang ist fast symbolisch. Nestroy  , der Lachende, der amüsant Spottende, der nicht verletzt, sondern trotz rnancher Schärfe immer noch versöhnlich zu lächeln versteht.Schön ist die Welt" bleibt sein Leitmotiv, und es bleibt auch das Leit- motiv des Rosetheaters. Nestroys Satire wendet sich gegen die Ge- sellschast um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, und vieles gilt noch heute, weil es über den zeitgebundenen Rahmen hinaus All- gemeinmenschlichcs trifft. Warum ist Titus Feuerfuchs verdammt, als Verfehmter durch das Leben zu pilgern? Weil er rote Haare hat, und rote Haare nicht beliebt waren. Peter Schlemihl irrt bei Chamisso als Ausgestoßener durch die Welt, weil ihm sein Schatten abhanden gekommen ist. Ein Schatten oder rotes Haar, eine Kleinig- keit also, zeichnet den Menschen. So dumm ist die Welt! Aber die Welt wird darum auch betrogen, und das glückliche Ende weist darauf hin, daß zum Pessimismus kein Grund vorhanden ist. Ende gut, alles gut! Der Schluß versöhnt, überbrückt die Gegensätze. Für einen Menschen scheint die soziale Frage gelöst zu sein. Aber die Wirk- lichkeit sieht anders aus. Entsteht nicht schon ein Bruch, wenn zu der Gesellschaftsszene Zeichnungen von Daumicr als Lichtbild er- scheinen? Ertönt nicht plötzlich ein wilder Haß, wo Nestroy   nur raunzt? Nestroy   erscheint heute als eine umfriedete Welt, trotz gut pointierter, literarischer Bosheiten, die jetzt ihre Spitze verloren haben, die belanglos geworden sind, und das Rose-Theater ist eine umfriedete Welt. Die Probleme, die Nöte des Tages dringen nicht auf seine Bühne. Mit feinem Griff sucht man das aus, das Wert hat und doch nicht verletzt.Schön ist die Welt!" Und diese Welt ist wirtlich schön in der Inszenierung Paul Roses. Er erhebt das Spiel ins Tänzerische, ins Beschwingte, er umkleidet es mit der Musik eines Lortzing, Strauß, Millöckcr und Waldteufel. Der Kapellmeister Max Schmidt, der das musikalische Mosaik zusammenstellt, entfaltet blühenden Witz in der Untermalung des Orchesters. Es ist ein heiterer, unbeschwerter Abend. Das Ensemble der Traute, Hanz uno Wille Rose, der Gerti Serskia, Beatric Haager, Mikulski und Wilde spielt mit Hingabe. Die Bühnenbilder zeigen starken dekorativen Sinn.?. Seh.
Yvonne Georg: und Harald Kreuzberg. Eröffnung der Tanzsaifon in der Volksbühne. Das bühnensichcre Tänzcrpaar Fvonne Georgi und Harald Kreuzberg eröffnete die neue Tanzsaison der Volksbühne. Die Vor- führungen, die sie boten, haben sich bereits erfolgreich bewährt. Jede Geste ist zu sauberster Präzision durchgearbeitet, jeder Tanz befreit von aller technischen Hemmung. Die tänzerische Routine kann der Zuschauer nicht mehr bewundern, denn sie wird ihm gar nicht mehr bewußt/ Er steht nur dem Tanz als Kunstschöpfung gegenüber. So einheitlich wie in technischer Beziehung zeigt sich das Programm in künstlerischer allerdings nicht. Mancher Tanz beschränkt sich im wesentlichen auf die dekorative Oberfläche. Das ist sowohl bei Harald Kreuzberg, stärker allerdings noch bei Pvonne Georgi gerade bei den Darbietungen der Fall, die besondere Tiefenwirkung erstreben. Pvonne Georgi bietet künstlerische Höchstleistungen, wenn sie der heiteren Sentimentalität ihres Ichs Ausdruck gewährt: als Seherin Kassandra  , die mit den Bildern einer drohenden Zukunft ringt, kann sie nur eine geschickt erdachte Tanzpantomime zeigen. Harald Kreuz- bergs effektvoller, wenn auch nicht sehr tieferKönigstanz" fand wieder beim Publikum lebhaften Beifall. Am stärksten von seinen Einzeltänzen wurden jedoch mit Recht dieDrei Stücke im spanischen Stil" bejubelt, kleine Meisterwerke von spielerischer Anmut. Ausgezeichnet waren fast alle Duette. Es ist, als ob erst im gemeinsamen Tanz die beiden Künstler ihren persönlichen Stil klar erkennen. Die Formen gewinnen an Eindringlichkeit, der Tanz an künstlerischer Rundung.Variationen",Romantischer Tanz", Pavane  " undBäuerlicher Tanz" waren die Höhepunkte der Matinee. Trude E. Schulz. Maria Leriha als Tosca  . Festaufführung in der Etaatsoper. Eine Sensation für das Opernpublikum Berlins  : Frau I e r i tz a, die in Wien  , Poris, New Park gleicherweise Gefeierte, zum ersten Mole in unserer Staatsoper, als Tosca  , in einer ihrer berühmtesten Rollen! Sic hatte es nicht leicht, den überaus hochgespannten Er- Wartungen gerecht zu werden. Sie ist eine große Sängerin: zweifellos aber eine noch viel größere Schauspielerin: ein seltenes Zusammentreffen zweier derartiger Begabungen, ein Glück sür die Oper, die sonst meist(wenigstens in deutschen Landen) auf kostümierte Haubenstöcke angewiesen ist. Es ist herrlich, eine Frau über die
Bühne fegen zu sehen, die so souverän die Szene beherrscht, die keine Einsätze braucht, unabhängig ist von den beschwörend erhobenen Händen des Kapellmeisters und ebenso gut mit dem Rücken zum Publikum singen kann, die aus leidenschaftlichem Spiel Oper im ursprünglichen, im italienischen Sinn erstehen zu lassen vermag. Den zweiten Akt, in dem auch Helge Roswaenge   als Cavnradossi und Carl A r m st e r als Scarpia ganz auf der Höhe waren(nachdem der erste etwas konventionell verlaufen war), den zweiten Akt kamt man sich gar nicht bewegter denken, als mit dieser Tosca  , die in nllen Schattierungen der Verzweiflung raste. Freilich, hinreißenden Höhepunkten folgten weit schwächere Episoden, die große Ko- mödiantin spielte zuweilen zuviel Komödie, aus gutem Theater wurde manchmal böse Theatralik. Auch ihrer Stimme, ihres pompösen, prächtigen Organs, wurde man nicht restlos froh: Weichheit, Schmiegsamkeit, Ausgeglichenheit der Register sind nicht ihre Stärke; auch die strahlendsten hohen Töne vermögen nicht immer alles andere zu kompensieren. So ungleichmäßig und widerspruchsvoll, so wenig aus einem Guß die Gesamtleistung war, sie war groß: freilich nicht groß genug, um alle Kritik verstummen zu lassen. Die van Leo Blech   geleitete Aufführung fand zugunsten der Wohlfahrts- kasse des Vereins Berliner   Presse statt. A. W. Die Volkshochschule   Brünn   weiht ihr neues Haus ein. Die Brünner deutsche Volkshochschule   eröffnete om 28. September im Anschluß an den gesamtstaatlichen Kongreß der Volkshochschulen in der Tschechoslowakei   ihr neues Haus. Die unter Leitung von Dr. 5) u g o Iltis stehende Volkshochschule   Brünn   wurde im Jahre 1921 gegründet und hat sich als ein wichtiges Kulturzentrum für die Deutschen   Brünns erwiesen. Brünn   hat zirka 239 099 Einwohner. davon 69 999, also ungefähr ein Viertel, Deutsche. In den zehn Iahren seit die Volkshochschule   besteht, waren mehr als 1 2999 verschiedene Personen ihre Schüler. Das neue schöne 5?aus ist fünf Stock hoch, hat einen prächtigen Vortragssaal mit modernen Lichtbilderapparaten, sechs kleinere Räume für Arbeits- gemeinschaften und Vorträge, eine Bücherei, ein Lesezimmer und einen herrlichen Turnsaal. Die Erbauung des Hauses wurde vor allem durch die Opserwilligkeit der deutschen Bevölkerung Brünns ermöglicht, �abcr auch durch die Unterstützung der Untcrrichtsbchörde. Die Volksstöchschule Brünn   gibt auch eine ZeitschriftLicht ins Volk" heraus. Professor Einstein svricht zum Beste» des Vereins Jugendheim Char- lottcnburg Dienstag, 19.39 Uhr, im Haniaä-Hause(Dahlem  ) überAmü­santes aus der Physi l".