Einzelbild herunterladen
 
max asaraiei: An der KeZNN sßeinikiiste
Der Bernstein   ist ein Millionen Jahre alter Harz nnd wird in der Hauptsache im Tagebau bei Palmnicken   und Kraxtepellen im Samland   gefördert. Die letzte Station vor dem einzigen Bernstein  - bergwerk der Well heißt Sorgenau, aber die ganze Bernsteintüste müßte eigentlich Sorgenau heißen. Dieser steile ostpreußische Küsten- streifen ist wie kaum ein anderes Gebiet mit dem Auf und Ab der Wellwirtschaft verbunden. Bernstein  , dieser uralte Halbedelstein, wurde schon in der frühen Steinzell zu Schmuckstücken verarbeitet. Man weiß, daß er im allen Griechenland   und Rom   ein begehrter Modeartikel war. Ja, man glaubt sogar, die alten Handelsstraßen rekonstruieren zu können, die vom Mittelmeer   über Wien   nach der Weichsel   und weiter an die Bernsteinküste geführt haben sollen. Heute hat es der Reifende bequemer als der antike Kaufmann. In knappen zwei Stunden führt die Bahn von Königsberg   nach Palmnicken  . Dos Bergwerk ist eine große Ueberrafchung und kopiert in seiner technischen Anlage irgendein Braunkohlenbergwerk im Geiseltal oder bei Senstenberg. Vierzig Meter hoch ist die Decke aller Ablagerungen, die über der berühmtenBlauen Erde" liegt, der sechs bis sieben Meter starken graugrün schimmernden Tonschicht, in der die Bernsteinbrocken lagern. In einein Kubikmeter Blaue Erde lagerii gewöhnlich zwei Kilogramm Bernstein  . In drei Etagen wird nun das gewaltige Deckgebirge bewegt und versetzt, bis sich der Kettenbagger am schrägen Rand der Blauen Erde aufbaut und seine Eimer kopfüber in die Tiefe schickt. In der schrägen Wand rieselt Wasser. Bernstein   ist nicht zu sehen. Nur die große bewegliche Baggermaschine ist zu sehen und die Kette der fressenden Eimer, die sich in die bereitstehenden Wagen entleeren. Wir stehen am Grund der Blauen Erde, über zehn Mater unter dem Meeresspiegel. Wir stehen auf einem Grund, der sich vor fünf oder zehn Millionen Jahren gebildet hat. Oben am Rand der riesigen langhingestreckten Grube lärmen die Stare, die an der sam- ländischen Küste zwitschernd nach Süden ziehen. Der Bernstein   geht noch weiter als die Zugvögel. Jetzt fährt er mit den elektrischen Wagen nach der Blauerdewäsche am Steilufer der Ostsee  . In der Wäscherei kippen die Wagen ihre Ladungen aus große Roste. Ueber die Roste schießen dicke Wasserstrahlen, lösen die Blaue Erde auf und stürzen als trübe Ströme in die Tiefe. Sie führen den Bernstein   mit, der dann in verschiedenen Abteilungen ausgc- sondert wird. Dann kommt er in große, rotierende Trommeln und wird nach bestimmten Größen sortiert. Im Jahre 1923 wurden 464 236 Kilo Bernstein   im Tagbau ge- mannen und nur S1 689 Kilo von den Bernsteinfischern oder Strand- läufern eingebracht. Bernstein   ist monopolisiert und darf nicht in den freien Handel kommen. Um das sogenannteBernstetnregal" geistern aus alten Zeiten blutige Sagen und Geschichten. Dasäst- preußische Gold" ist genau so von Blut und Tränen umspült wie das andere Gold unserer Erde. Bernstein   ist ein wichtiger Industrieartikel geworden. Rund achtzig Progent aller Funde wird zu Bernsteinöl, Bernsteinsäure und Bernsteinkolophon verarbeitet. Im Winter, wenn das Bergwerk in Palmnicken   eingefroren ist, geht die Schmelzarbeit los. Da rauchen und stinken die Oesen und Kessel, da rollen die Fässer, und die Berg- leute, die wenigsten haben mit der Förderung zu tun, verwandeln sich in Fabrikarbeiter. Der klare, reine Bernstein   geht nach Königs- berg in die Manufaktur und vcrwandell sich in Kette, Brosche, Amulett,.Zigarrenspitze oder Schnitzerei. Wir verlassen das Bergwerk, die Stare lärmen immer noch, und gehen zur See hinunter. Herbstlich verlassen liegt der breite Strand uoe.uns. Die Wellen schlagen und branden. Sie haben an der Blauen Erde", die well in die See hinaus geht, genagt, und schleu- dcrN kleine Bernsteinbrocken an den Strand. AN besonders günstigen Tagen kommen die Fischer und holen mit großen Käschern Bernstein- geröll auß den Brandungswellen. Steil und einsam zicht sich die
schöne Küste nach dem Norden, um dann mll scharfem Knick ostwärts zu biegen. Und bei Cranz   beginnt die schöne, hundert Kilometer lange Kurische Nehrung  . Am nächsten Tag fahren wir mit dem Auto über Cranz   auf der Kurischen Nehrung nach dem Fischerdorf Sarkau. Wir haben den dichten Wald hinter uns, in dem kleinen Nest hängen die Flundern paarweise über Stangen. Sie sind weißbäuchig, flach und rostbraun, werden getrocknet und dann am offenen Feuer geräuchert. Hinter Sarkau, wir sehen dort zum erstenmal das Hast, versickert die Ueppig- keit des Waldes. Nadelholz besiegt das Laubholz, und dann steigen die ersten weihen, langh i nau sschwe ifenden Dünen auf. Kein Mensch ist zu sehen auf der Fahrt nach Rossllten, doch ein Mensch ist zu sehen, ein Wanderbursche, der durch die todeinsame und melancholische Landschaft trottet. Das Auto springt durch tiefe Löcher. Immer neue Dünen steigen aus und schweifen selbstvergessen gegen den klaren Himmel. Dann verdichtet sich wieder der Wald, die Erde wird frucht- bar. Wiesen und Weiden sehen wir und dann die ersten Häuser von Rossitten  . Rossitten   stt durch seine Vogelwarte berühmt geworden. Im Hasen liegen viel« Fischerboote, die an den hohen Masten Schnitzwerk und die bunten Wimpel ihrer Dörfer zeigen. Jedes Fischerdorf hat seine besondere Fahne und Farbe. Mit einem Fischer segeln wir nach dem Segelfliegerlager hinüber. Grandios ragen die gewaltigen Dünen aufwärts. Die dunklen Streifen vor uns, das ist schon die Grenze, das ist das Memelland  , ist schon Litauen  . Die Dörfer am Haff sind arme Dörfer. In den versumpsten Siedlungen der zer- faserten Memelmündung herrscht große Not. Die Dörfer an der Nehrung können sich ein wenig im Licht der sommerlichen Fremden- industrie sonnen. Auch in Rossitten   sitzt ein offizieller Bernfteineinkäufer der Manufaktur. Die Bernsteinverarbeitung sehen wir am anderen Tag in der Königsberger Fabrik. Die Fertigwaren können in drei Hauptgruppen eingeteill werden: in Raucherarrikel, in kunstgewerb- liche Schmuck- und Gebrauchsgegenstände und in den Andachtsbedapf. Rund drei Viertel des Bernsteins   gehen ins Ausland. Nach Arabien  , Persien   und Mesopotamien  (zahlbar mit Scheck auf London  ) gehen die mohammedanischen Rosenkränze. Indien   und Afrika   verlangt nach knollig geformten Korallen. Sie dienen nicht nur als Schmuck, find gleichzeitig Vermögensanlage. Die Fellachen in Aegypten   tragen lang«, schwere Kellen als Brautschmuck. Die Baumwolle sinkt im Preis, der Fellache hat wenig Geld. Im Orient sind Austtände oder Valutastürze: an der Bernsteinküste ist das ganz genau zu spüren. Zerrüttung der australischen Wäh- rung heißt verminderter Export. Unruhen in Südamerika   bedeuten überfüllte Lager in Palmnicken   und Königsberg  . Die Bergarbeiter in dem schönen Dorf im Samland   arbeiten nur vier Tage in der Woche. Sie kennen die Gesetze der Weltwirstchaft. Zum Schluß besuchen wir noch die ausgezeichnete Bernstein- sammlung der Königsberger Universität  . Wir sehen die verschiedenen Urformen des berühmten Urweltharzes, die Bernsteintropfen in Birnensorm bis zur vollendeten Kugel. Wir sehen die Zapfen, Schlaufen und mächtigen Stücke, durch deren rauhe Rinden goldener Glanz bricht. Wir sehen die vielen Feuer und Farben der vielen Arten und bewundern dann die großartigen Einschlüsse. Wir sehen ausgestorbene Fliegen, Mücken, Käfer, Blattläuse, Schmetterling«, WanzeN, Zirpen, Heuschrecken und Libellen. Wir sehen und be- wundern Blüten, Blätter und Zweige und die kleine Eidechse, die vor fünf oder zehn Millionen Jahren im Bernsteinwald lebt« und in das flüssig« Harz  , eingeschlossen.. wurde.. Wir.starren, auf die ge- schnitzte Figur, die ein Mensch aus der jüngeren Steinzeit gemacht hat und stehen schließlich wieder wie am Grund einer Blauen Erde: Millionen Jähre zurück, ein Mensch von heute, aber verbunden und brüderlich allen Geschöpfen von damals.
o.s. Heinrich: S)lc verhinderte Schachtel
Es wird so oft von Burgfrieden gesprochen. Besonders heute. Aber er beschränkt sich auf Leute, die sich zum Entflammen ihres Tabaks brennende Zigarren borgen, oder auf solche, die am Bahn- dämm stehen und hinauf nach Zugfenstern winken und umgekehrt. Das sind so Reste verlorener Nächstenliebe, die sich bis in unsere Tage als Kuriosa erhalten haben. Doch es gibt noch einen dritten Fall, bei dem das Solidaritätsgefühl der Zweifüßler jäh empor- flammt. Nämlich folgenden: In einer Ausstellung von Einschlägigem steht irgendwo unter Nichteinschlägigem ein 10-Pfennig-Automat. Pfefferminztabletten, Mandelstangen, Schokolade, gemischte Bon- Kons, gebrannte Mandeln verkünden die Aufschriften. Wer kann da widerstehen? Ich nicht. Ich bevorzug« gebrannte Mandeln, der Zähne wegen, zücke die Geldkatze und lasse ein Zehnpfennigstück in den SpaltGebrannte Mandeln" fallen. Ich höre, wie es durch die metallenen Eingeweide des Automaten rollt, bis es schließlich stecken bleibt. Jetzt naht der große Augenblick: Griff langsam ziehen! Ich ziehe langsam... ganz heraus. Eine unheimliche Stille antwortet. Der Griff federt zurück. Ich ziehe abermals. Ohne Erfolg. In unserer wohlgeordneten Welt hat das zweimalig« Ziehen Verdacht erregt. Ein Herr mit früher sehr geschätztem Schnurrbart bleibt stehen, äugt, tritt herzu, fragt unerschrocken:Na, funktioniert wohl nicht? Müssen mal kloppen. So..." Er klopft oder haut(wie man will) mit einer Vizefeldwebel- faust gegen die obere Hälfte des Apparats, der sanft ins Schwanken gerät. Er horcht, haut nochmal, zuckt die Achseln. Aber er geht nicht weiter, nein, das tut er nicht: das wäre feige. Er bleibt, denn er weiß: hier entwickelt sich etwas Großartiges. Das dumpfe Dröhnen, das zwar den Automaten keineswegs zur Herausgabe der mir legitim zustehenden gebrannten Mandeln veranlässen kann, er- füllt einen anderen Zweck: es lockt in Scharen Leute herbei. Jeder zieht nun an dem Griff, klopft und richtet eingehende Fragen an mich: Ob ich nicht aus Versehen ein falsches Geldstück hineingeworfen hätte? Ob es vielleicht noch nichtganz unten" gewesen wäre, als ich zog? Ob etwa die Rubrik gebrannte Mandeln ihres Inhalts bar sei? Eine Dame widerspricht: sie habe kurz zuvor eine Schachtel ge- brannter Mandeln aus demselben Automaten erhalten: überdies sähe man hinter der Glasscheibe deuttich, daß das Fach nicht aus- verkauft sei Zum Beweise zieht sie eine gebrannte Mandel aus der Hülle und zerbeißt sie mit kräftigen, w«nn auch falsch«« Zähnen. Ein langer Herr, schwarzumrändertes Monokel, entschieden Aristokrat, schiebt seine Zeitung in die Tasche, entnimmt, ohne ein Wort zu verlieren, seinem Portemonnaie ein Zehnxfennigstück und steckt es unter Totenstille in den Schlitz   mit der AufschristGe- brannte Mandeln". Dann putzt er sich das Monokel, klemmt es wieder ins linke Auge und zieht mit ruhiger, sicherer. Gebärde an dem Griff. Der Automat verweigert wiederum die Abgabe. Ich atme auf, denn im Hintergrunde der Versammlung sind schon Vermutungen aufgetaucht, ich hätte gar kein Geld hinein- gesteckt. Die Leute, die das äußern, fallen der allgemeinen Verach-
tung anheim und werden politisch je nach dem Standpunkt des Urteilenden in die extremen Parteien eingereiht. Nun stehen schon drei Mann in der vordersten Front: der Schnurrbartherr, der Aristokrat und ich. Ein Zurückweichen hätte die hinter uns aufgestellten Bataillone der Interessierten beleidigt. Wir müssen siegen oder sterben. Es bleibt kein anderer Weg übrig. Zudem stecken im Bauche des eigensinnigen Apparates nun bereits zwanzig Pfennig. Eine tteusorgende Hausfrau rechnet aus, was man alles für zwanzig Pfennig kaufen könne. Zwei Mädchen sind der Ansicht, man solle überhaupt kein Geld in Automaten stecken ein Vorurteil, dem ein Monteur heftig widerspricht. Der Aristokrat sieht stumm und einsam wie eine Tanne über niederen Fichten, und der Schnurrbärtige donnert mit beiden Fäusten immer heftiger gegen die Verschalung des jeltsamett Mechanismus. Ich erzähle inzwischen zum sechsten Male den Hergang. Alle Zuhörer sind auf unserer Seite und schimpfen, daß sich nirgends ein Angestellter der Auto- matensirma blicken lasse; an solchen verkehrsreichen Tagen, hier draußen im Ausstellungsgebäude..., ein Skandal! Es ist der gün- stigste Moment zur Gründung eines Vereins der durch nicht- funktionierende Automaten Geschädigten". Jetzt tritt aus dem Volkshaufen eine Frau wie soll ich sie beschreiben? einfach eine Frau. Sie geht an den Automaten her- an und zieht den Griff heraus. Gerade setzt der Monteur zu hei- strem Gelächter an, da geschieht das Wunder: die verhinderte Schachtel mit gebrannten Mandeln fällt herab. Die Frau zieht abermals Es klimpert,... ein Zehnpfennigstück springt hinterher. Staunen, Befriedigung, Jubel, Appell an die ausgleichende Ge- rechtigkeit, Sqirichworte und Aphorismen von Rabindranath Tagore  über Gottfried Keller   bis zu unbekannten Volksschriftstellern werden vernehmbar. Der Aristokrat Nimmt stumm das Geldstück zurück, lüftet unter einer formvollendeten Verbeugung den 5iut und schreitet durch die Gasse der Bewunderer! Er hat mitgesiegt. Einige klopfen an den Automaten; vielleicht... Der Schnurrbart hüpft über einen Wortschwall, der in der Be- teuerung gipfelt: Deutschland   müsse wieder hochkommen! Ich will jene Frau, die uns aus so verzweifelter Lage gerettet, die uns Be- schwerden und Kummer erspart, uns vor Prozessen bewahrt und die Ruhe des deutschen   Bürgers wiedergegeben hat, ich will die Automatenmadonna aus dem gebrannten Mandelhimmel durch eine Einladung zu einer Tasse Kaffee krönen.... ich finde sie nicht mehr. Die Sagenhafte bleibt verschwunden. Sie kam. zu erlösen, und kehrte unbemerkt, unbedankt ins Nirvana der großen Ausstellung zurück. Die Putea haben ihren Ursprung in Mexiko  , und Christoph Columbus   hat sie in Europa   eingeführt. Unsere Goldmünzen bestanden aus 96 Proz. Gold und 10 Proz. Kupfer; die Silbermünzen bestehen aus 50 Proz. Silber und 50 Proz. Kupfer.
rCuife SBaumann: Das Sirkmm Die Kinder, die kleine Barbara und das Sportmädchen Ruth, wären schuld daran, daß ich abends, als schon eine Welle die Musik herübergeschallt hatte, doch nach dem Turnplatz ging, wo der kleine Zirkus feine Manege mit weißrot gestreiften Zeltwänden aufgestellt hatte. Barbara wollte die Aeffchen sehen, Ruth dagegen ihre an Akrobatik grenzenden Turnkünfte mit den Leistungen der schönen Elli vergleichen. Die Kinder bekamen ihre Karten und gingen hinein. Ich konnte mich vorerst nicht entschließen, in der kühlen, nebligen Nacht stunden- lang zu sitzen, und trieb mich zwischen den Wagen herum. Wie es wohl den drei Aestchen gehen mochte, die heute mittag von den Kindern Nüsse erbettelt hatten? Auch der arme Schimpanse mit seinen langen Haaren fiel mir ein, der immer in einem winzigen Kasten sitzen mußte oh, Tierquälerei, elender, atembeklemmender Spuk, diese Tropentiere in unfern Nebelnächten und Regensommern! Ach, wie weit zurück und spurlos verschüttet ist jene Lebens- zone, in der das Fremde und von weit her Kommende zum Erlebnis wurde, wie heute der kleinen Barbara die Affen mit ihren zarten Runzelhändchen I Allzu nahe war mir das Spiel zwischen der kindi- schen Menschenroheit, die das Tier quälte, und dem hilflosen Ernst des Tiergeschöpfes. Drinnen im Zirkus brach die Musik ab. Der Akrobat stand, über den Wänden sichtbar, auf einem Brettchen, beinahe schon im dichten Laub der Kastanicnbäume, die den Platz umgaben. Ein kurzer Ruf; er sprang mit Rückwärtssalto ab, und die Musik setzte wieder ein. Ich blickte in die Wagen hinein. Jetzt, wo die Familienmütter an der Kasse saßen und das Personal in wechselnden Rollen bald als August, bald als Kraftmensch, Stallbursche, Herrenreiter, Par- terreakrobat zu tun hatte, waren die Wagen dunkel. Nur in einem einzigen brannte ein schwaches Licht. Ich spähte durch das Tür- fenster an der Schmalseite hinein. Das Bild, das ich sah, hätte einem Maler gefallen. Im Hintergrunde des Wagens beleuchtete eine Kerze, die auf einem Klapptischchen stand, zwei Mädch«n, die eine blond, die andere dunkel. Die Blonde, die der Kerze zunächst saß, löffelte aus einem Blechtöpfchen und grob geschnittenes Brot dazu. Das Licht traf ihr Gesicht von unten, so daß es aus vielen dunklen und hellen Ecken zusammengesetzt erschien. Die Dunkle saß seitlich, und das warme, rötlich« Licht der Kerzenflamme ließ das Gesicht und die blassen Glieder sanft und weich aufleuchten. Sie spielte mit ein paar bunten Astern, von denen sie zwei zum Schmuck für Kleid und Haar wählte. Jetzt schauerte sie ein wenig zusammen, lieh hohe, breite Lider über die Augen fallen und lehnt« sich zurück. Armes Zirkusmädchen, ob du heut« und morgen wohl satt zu essen hast? Bist du übermüdet? Hast du Sorgen? Dann stand sie auf. Das Gesicht leuchtete; die federnden Glieder bewegten sich spielend ein wenig; sie trat, trotzdem sie ein wenig geduckt gehen mußte, nur mit den Zehen auf, als sei sie beschwingt von innerer Musik. Ich schluckte mein billiges Mitleid schnell hin- unter, ging zur Kasse, setzte mich dann zu dem Sportmädchen Ruth und wartete, bis das schöne Mädchen auftrat. Inzwischen bog der Kraftmensch einen Eisenstab zu Hufeisen- form. Er stemmte ihn zwischen die Knie, drückte ihn über den Schenkelansatz, keuchte und knurrte, und dann hielt er den gebogenen Stab in den Händen.Die Herrfchaftsn mögen ihn besichtigender Muß an der Biegung noch warm sein", sagte der Kraftmensch. Ich aber, die ich mich schon damit abfinden mußte, nicht naiv bewundern zu können, geriet in Nachdenken: warum bewundert man es, wenn jemand einen Eisenstab biegt? Hat nicht der Mensch in der Mäfchine seine Kraft milliönenfach verstärkt? Vlelleickst sehen wir heute in den sportlichen Kraftleistungen mehr als nur die persönliche Ueberlegen- heit; wir nehmen mit unseren eigenen und mit der Bewunderung für fremd« körperliche Leistungen vielleicht teil an einer unbewußten Demonstration des Menschen und seiner unmittelbaren Kraft gegen- übet der Maschine mit ihrer endlosen, versklavenden Schraube, ge- nannt Leistungssteigerung. Oder was für einen Grund hat sonst der Mensch, mit Händen und Zähnen Eisen zu biegen? Während der Kraftmensch mit seinem Teller zum Sammeln für sich herumging, trat das schöne Mädchen zu seiner Nummer an. Das ist Elli", sagte Ruth. Das blasse Gesicht leuchtete wieder. Dann bogen und streckten sich volle, glatte Glieder, denen man die Kraft der Muskeln nicht ansah, mit einer Anmut, die die karte Dressur ganz vergessen ließ. Neunzehn ist sie. Sie hat mir's voriges Jahr gesagt, als sie mir selbst den Fersenhang beibrachte." Ruth strahlte. Neunzehn Jahre! Am leichten ZackeNröckchen eine lachsrote Aster. Sie wird vielleicht nachher, da sie vor dem Austreten nichts gegessen hat, aus dem Blechtopf aufgewärmten Kaffee löffeln und grobes Brot dazu essen. Ich aber werde das Angesicht nicht ver- gessen, das in der nebligen Nacht leuchtete und mir wie trunken erschien vor Freude und selbstvergessener Hingabe an ihr Können. SEwei Steinridi Qrünteld Anekdoten Ueber den kürzlich verstorbenen Musitprofcssor Heinrich Grün- feld kursierten schon vor 20 Jahren eine Reihe lustiger Anekdoten. Zwei davon seien der Vergessenheit entrissen. Der Komponist und Klaviervirtuose Eugen dÄlbert war sieben- mal verheiratet. Eine seiner Frauen wir wollen höflicherweise verschweigen: die wievielte zeichnete sich mehr durch innere Vorzüge aus. Bald nach Schließung dieser Ehe bot jemand in einer Gesellschaft Heinrich Grünfcld an, ihn der neuen Frau dÄlbert vor- zustellen. Grünfeld aber wapf nur einen kritischen Blick auf die Dame und winkte dann ab:Ich dächte, die überschlagen wir lieber!" e- Eines Morgens kommt Heinrich Grünfeld   betrübten Gesichtes in seine Stammweinstube in der Taubenstraße.Denkt euch nur, unser guter alter Petersen ist diese Nacht plötzlich gestorben!" Allge- meines Bedauern. Erinnerungen an den lieben Dahingeschiedenen werden ausgetauscht.' Plötzlich öffnet sich die Tür, und in ihr erscheint frisch und rosig der Totgesagte. Aller Blicke richten sich vorwurfsvoll auf Grünfeld:Wie tonnten Sie sagen, Petersen sei...?!" Aber Grünfeld legt nur geheimnisvoll den Finger an die Lippen und flüstert:Pst, nicht so laut! Er weeß es noch nicht!" Wasser In Kristall  . Das Vorkommen kleinster Wassertropfen oder Bläschen in Mineralien ist zwar sehr selten, immerhin aber schon beobachtet worden. So enchält zum Beispiel der Opal winzige Teilchen Wasser in seinem Inneren, doch wo immer man bisher Flüssigkeiten in Mineralien fand, waren es stets nur die aller- kleinsten Mengen. Vor kurzem wurde jedoch in den Bleiminen bei Rossi« im Staat New Pork ein schöner großer Kalkspatkristall ge- funden, in dessen mittleren Jnnenteil sich eine Höhlung befindet. die etwa«in Zwanzigstel Liter einer wasserhellen Flüssigkeit ent- hält. Diese Flüssigkeit, die zweifellos feit mindestens einer Million Jahre in dieser Höhlung eingeschlossen ist, besteht vermutlich aus Wasser, dem gelöste Mineralteilchen beigemischt sind. Das seltene Stück wurde sqsort von der Akademie für Naturwissenschaften in Philadelphia   erworben.