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Im Zeichen der F reiheitspf eile Verschärfter Wahlkampf Großkampftage in Stadt und Land
etwas weit auseinander. Wenn dieBammelecker" Straßenbahn fahren wollen, müssen sie entweder nach dem Freibad Grünau   oder nach Richtershorn gehen, jedes ein Fußweg von zwanzig Minuten. Sie halten deshalb bei der BVG. die Errichtung einer Haltestelle beantragt, ober die BVG. schrieb zurück, sie hätte jetzt kein Geld. Nun haben die Leute von der Bammelecke den Vorschlag des frei» willigen Arbeitsdienstes gemacht. So hat sogar der Verkehrsdezernent dieser modernen Nomaden seine Arbeit. Aber am 31. Iuii ist kein Ruhetag? Wie man sieht, haben' sich die Zeltstädter inzwischen überall häuslich eingerichtet. Manchmal ging ihr Annexionstrieb etwas weit, aber wenn alle Beteiligten einige Pflöcke zurücksteckten, fehlte es im großen und ganzen nicht am Entgegenkommen der beteiligten Amts» stellen. Hinter diesen Amtsstellen steht allerdings heute das republikanische Berlin   und das republikanische Preußen. Hätte die Reaktion das Wort, gäbe es heute diese Zelt- städte nicht. Das weiß jeder Zeltstädter. Nun vermeiden Männer und Frauen, wenn es irgend geht, politische Auseinandersetzungen. Sie sagen, aus dem Asphalt fließe schon genug Blut und am Müggel- sce möge ihnen das erspart bleiben. Das ist ein Standpunkt. Aber die politische Abstinan; dieser mehr als 30 000 Zeltstädter geht nicht so weit, daß man am 31. Juli, dem politisch entscheidendsten Tag seit 1919, vor seinem Zelt hocken bleibt und den Plötzen zusieht. Wahlrecht ist diesmal mehr denn je Wahlpflicht. Und da die Jnter- essen auch der Zelts�ädter am besten bei der Sozialdemokratie auf- gehoben sind, bleibt nur der Spitz am 31. Juli in der Zeltstadt. Alle wahlberechtigten aber gehen in ihr Wahllokal und stimmen für die Partei der Freiheit und der kulturellen Gleichberechtigung, die Sozialdemokratie, Liste 1.
Mörder vom Nazistamm. Hakenkreuzler aus Siemensstadt   verhastet. Dem vernehmungsrichler im Polizeipräsidium wurden gestern zwölf Rationalsoziali st en vorgeführt, die im Zusammen- hang mit dem blutigen lleberfall aus den kommunistischen   Demon- strationszug in Sie mens st adt, bei dem bekanntlich zwei Todesopfer zu beklagen waren, festgenommen worden waren. Der Richter erließ gegen den RSDAP.  -Angehörigen, den Zojährigen Kaufmann Paul herrmann aus Siemensstadl. Haftbefehl wegen Totschlags, schwerer Körperverletzung und schweren Landfriedensbruches, während die übrigen auf freien Fuß gefetzt wurden. Herrmann wird von Zeugen beschuldigt, daß er derjenige ge- wesen sei, der aus einem Gebüsch der Anlagen vor dem Per- waltungsgebäude der Siernens-Werke, wo man später einen Revolver und acht Patronenhülsen fand, die Schüsse auf den kommunistischen  Demonstrationszug abgegeben habe. Vorgestern haben wir die freche Lüge gegeißelt, durch die der nationalsozialistischeAngriff" die vielfache Blutschuld wegwischen wollte, die sich die Hitlerschen Braunhemden in Siemensstadt   auf- geladen haben. Di« Frechheit ging so weit, daß derAngriff" es wagte, die Schuld Kommunisten oder Reichsbannerleuten zuzu­schieben. Jetzt ist erwiesen, daß der M o r d s ch ü tz e ein Mit­glied der Na z i p a r t e i ist. Die beiden Toten und die sechs Verwundeten aus der Nonnendammallee fallen auf das schon schwer beladene Schuldkonto der Nationcüsozialisten, mögen sie noch so sehr lügen und abstreiten. Der nationalsozialistische Abgeordnete Goering   hat vorgestern im Sportpalast erklärt, daß er Hitler ersuchen würde, den Befehl sür die SA.  -Leute, keine Waffen zu tragen, aufzuheben. Dieser Beschl hat schon bisher nur auf dem Papier gestanden. Die furcht- bare Blutschuld beweist, daß er nicht befolgt wurde. Wird er auch noch parteiamtlich durch Hitler   ausgehoben, so werden die Banden der SA.   hienn geradezu eine Aufforderung zum Waffentragcn und zum W a f f e n g e b r a u ch sehen. Die Folgen eines solchen I Zustand«? sind unübersehbar. I
Je näher der 31. Juli rückt, desto schärfer wird der Wahlkamps um den kommenden Reichstag. Den Sonnabenden und Sonntagen kommt dabei die Bedeutung von Großkampftagen zu. An diesen Tagen werden alle Kräfte der Eisernen Front, teils in der Stadt, teils auf dem Lande, für den Sieg der Freiheit eingesetzt. Seit einigen Tagen sind auch die Berliner   Anschlagsäulen wieder völlig politisiert. Um der beispiellosen Lügenflut der Nationalsozialisten einen Damm entgegenzusetzen, hat die Sozialdemokratie auf die Plakatierung kurzer Wahlparolen vcr- zichtet und dafür an den belebtesten Plätzen der Reichshauptstadt Anschlagsäulen mit längeren Texten bekleben lassen, die prägnante Episoden aus der Geschichte der Deutschen Republik erläutern. Dieser politische Elementarunterricht ist notwendig, weil in diesem Monat »och der Jahrgang 1912 mit an die Wahlurnen tritt. Diese jungen Menschen, die erst 192K die Schule verlassen haben, könnten leicht die Opfer der nationalsozialistischen Demagogie werden. Es bleibt nicht aus, daß sich um diese Anschlagsäulen ständig Diskutierklubs bilden, bei denen wohl sehr heftig, aber meist wenig grundsätzlich debattiert wird. Die Nazis scheinen sich die Eroberung Berlins   etwas leichter vorgestellt zu haben. Jedenfalls ist ihr Aerger dermaßen groß, daß sie sich bereits S a l z s ä u r e s l a s ch e n in die Tasche steckten und am hermannplah damit die Transparente der Eisernen Front zerstörten.Für Arbeit und Freiheit!" steht auf diesem Transparent und die Männer und Frauen, die auf dem Hermannplatz stehen, meinen:Dafür sind die Nazis eben nicht, deshalb nehmen sie Salzsäure." Der besondere Aerger der Nazis gilt übrigens den drei Freiheitspfeilen der Eisernen Front. Das ist verständlich, denn wer nach Feierabend beispielsweise über den Kottbusser Damm oder die Jannowitzbrücke oder den Gesund- brunnen geht, der ist alle Augenblicke Zeuge erhobener Fäuste und rüstig schallt es durch die Arbeiterviertel:Freiheit!" Seit gestern abend haben die Berliner   Parteigenossen ihre zweite große Flugblattverbreitung hinter sich. Dies- mal wurden die riesigen Laubenkolonien an der Peripherie
Gefängnis für Genofsenfchastsbeirüger. Das Urteil im Prozeß Hoest. Räch einer verbandlungsdauer von 3 wonaten wurde von der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts I   unter Vorsitz von Landgerichtsdirektor Dr. Ritter das Urteil gegen dos Betrügerkonsortium Hoest und Genossen gefällt. Der sichWeinbergbesitzer" nennende G u st a v Hoest, der im Jahre 1925 dieL a n d h i l f e- G. m. b. H." und ein Jahr später dieB a u h i l f e- G. m. b. H." gegründet hatte, um Bau- sparkassengeschöfte zu tätigen und dann eine große Anzahl kleinerer Landwirte und Gewerbetreibenden, um insgesamt einige 100 000 Mark geschädigt hatte, wurde wegen sortgesetzter Untreue und Vergehen» gegen das Genossenschaftsgesetz zu 1 Jahr und 1 Monat Gefängnis und 2000 Mark Geld- strafe verurteilt. Das Vorstandsmitglied der im September 1928 in Konkurs geratenen ,,Landhilfe-G. m. b. H.", der Kaufmann Bruno Herrmann, wurde wegen Konkursvergeh'ens zu einer Geldstrafe von 1000 Mark,, das weitere Vorstandsmitglied Maschinen- meister Emst U s a d e l wegen sortgesetzten Betruges und Ver- gehens gegen das Gsnossenschaftsgefetz zu 4 Monaten G e- f ä n g n i s und 100 Mark Geldstrstase verurteilt. Das Aufstchts- ratsmitglied, Kaufmann Martin Zimmermann, erhielt wegen fortgesetzten Betruges und wegen Vergehens gegen das Genossenschaftegesetz 6 Monate Gefängnis und 300 Mark Geldstrafe, der Kaufmann Albert H e n t s ch e l, der in die ! Erpreffungsaffäre des Verlegers Dr. Ehrlich und des Chefredakteurs Dr. Spicker vomJndustriekurier" verwickelt ist und sich deshalb in
mit einbezogen und da man in der Laubenkolonie meist die Garten- tür aufklinken und das Flugblatt bis ins Haus bringen muß, hatten die Verteiler gestern mitunter einen zehn Kilometer langen Abend- spaziergang hinter sich Aber nicht nur aus die Abendstunden de- schränkt, sondern unausgesetzt von früh bis spät läuft die Agitation von Mund zu Mund. Nur ein Beispiel von lausenden: eine Mutter geht mit ihrem Kind über den Markt. Das Kind sieht die Kirschen an den Ständen und möchte gern welche haben. Die Mutter sagt, sie hätte sür Obst kein Geld mehr,«ofort fällt irgend jemand ein und sagt:Das habt ihr Hitlern zu verdanken. I e mehr Nazis im Reichstag, desto weniger Lohn gibt es." So wird jetzt von Tausenden ungenannter Freiheitskämpfer die Wahrheit unermüdlich ins Volk gehämmert. Da mögen sich die Nazis wie die Indianer kostümieren, die Tatfach« ihres Vvlksoerrats schaffen sie nicht mehr aus der Welt. Di« schwerste Arbeit jedoch haben wieder die Landpropa- gandakolonnen der Eisernen Front. Teilweise ist bereits die Mehrzahl der je 20 Mann starken Landpropagandatrupps schon seit Sonnabendvormittag auf ihren Ilb-Tonner-Lastwagen unterwegs. Diesmal werden die näher an Berlin   liegenden Land- kreis« mit Flugblättern beackert. Spät abends schließen sich in den kleinen Landstädtchen und Dörfern Kundgebungen der Eisernen Front an. So wurde in Wildau  , kurz vor Königswusterhausen  , am Freitag der Wahlkampf durch die Eiserne Front eröffnet. Man hatte in dem an sich schon recht großen Kasinosaal der Schwartzkopff-Werke eine Kundgebung arrangiert, aber die Beteiligung der Wikdauer Bevölkerung war so groß, daß nicht einmal mehr der Reichsbanner-Saalichutz, der doch bestimmt recht- zeitig antritt, in den Saal gelangen konnte, sondern mit denen, die keinen Einlaß mehr gefunden hatten, im Garten stehen mußte. In der kommenden Woche wird nun auch über Berlin   die Ver- sammlungswelle der Eisernen Front rollen und ebenso werden wieder unsere Lautsprecherautvs in die entlegensten Winkel der Stadt fahren und Anklage erheben gegen die Hitler-Barone.
Untersuchungshast befindet, wurde wegen Betruges zu 3 M o n a t e n Gefängnis verurteilt. Ebenfalls 3 Monate Gefängnis erhielt der Tischlermeister Paul Müller wegen fortgesetzter Untreue. Fünf weitere Angeklagten wurden freigesprochen.
Höhlenmensch als Frauensreund. Auf der Polizei wird er stumm. von der köpenicker Kriminalpolizei wurde ein Höhlenmensch aufgestöbert und festgenommen, der häufig Frauen und Mädchen. die eine bestimmte waldstelle passierten, belästigt hatte. Von Zeit zu Zeit war in einem bewaldeten Teil an der Spree  in Köpenick   ein total verwilderter Mann aufgefallen, der, sobald Frauen den Weg passierten, aus dem Gebüsch hervorsprang, die Frauen ansprach und ihnen obszöne Bilder zeigte. Es wurde eifrig nach dem sonderbaren Menschen geforscht, doch konnte man sein Versteck nicht entdecken. Gestern ging wieder eine Frau allein durch den Wald. In der Nähe einer etwa zehnjährigen, daher sehr dichten Schonung sprang ihr plötzlich der wilde Bursche entgegen. Die Frau alarmierte die Kriminalpolizei und es gelang jetzt, sein Versteck zu finden. Bei der Suche stieß man auf einen regelrechten Unter st and, aus dem man den Burschen herausholte. Er hatte sich da aus Zweigen und Laub eine Liegestatt hergerichtet, eine Feuerstelle war vorhanden und auch Kochgeschirr. Der Höhlenmensch markierte plötzlich den Stummen. Der Mann wurde»ach Berlin  gebracht. Die Kriminalpolizei ist damit beschäftigt, festzustellen, was den Burschen in die Wildnis getrieben hat.
0sk&r Aus. 58/ i&H ' Während noch der Blähhals seinen gelben Zettel zusam- menfaltet und sich den Schweiß von der Stirn wischt, steht Iohanes auf, der Kardinal von Ostia  , der an der Stelle des Papstes dem Konzilia vorsitzt, und sagt im Namen der Kardi- näle:Placet! Es gefallt uns so!" Nach ihm erheben sich die vier Präsidenten der Nationen und sagen ebenfalls: Placet! Es ist uns recht so!" Kaum ist das Stuhlrücken verklungen, so wird es toten- still im Münster  . Aller Augen rucken der Kirchenmitte zu, wo inmitten der Herren und Prälaten ein tischhohes Gerüst aufgeschlagen ist, auf dem Hus kniet, die Lippen in stillem Gebet bewegend, und wo neben ihm auf einem Block die priesterlichen Kleider liegen. So riesig der Jnnenraum des Münsters auch ist, jetzt, da die Tausend alle den Atem verhalten, kann man die Imme summen hören, die Hussens Kopf einige Male wie einen Heiligenschein umkreist, golden in der einfallenden Sonne leuchtend, und die dann seine betend zusammengepreßten Hände anfliegt, als ob die der Kelch einer Blume wären. Die Gesichter wenden sich erst ab von Hus, als Tritt um Tritt die Kanzelstiege knarrt, eine gelbe, ausgedörrte Greisen- Hand ruckweise das Geländer hochhüpft und gleich darauf aus der Höhe der Bischof von Lok» losdonnert, der offizielle Prediger des Konzils. Er hat seiner heutigen Predigt das Sauluswort aus dem sechsten Römerbrief untergelegt: Der Leib der Sünden soll zerstört werden! Oh. er versteht sein Handwerk, dieser alte, glatzköpfige� Italiener  . Er eifert gegen das Schisma und dessen Urheber so heftig, als gelte es, die Gegenpüpste dem Feuer zu überliefern, nicht Hus! Allerchriftlichster König", hier wendet sich der Kanzel» redner an Sigmund selber und krallt die Hände gegen ihn. als ob er ihn zu sich heranziehen wolle,auf ewige Zeiten wird von dir gerühmt werden, daß du die zerrissene Kirche wieder zusammengeheftet hast, daß du die alte Zwietracht fülltest, daß du die Wucherer bezwangest und daß du die Ketzer ausrottetest!..." Sigmund ist nicht groß entzückt davon, daß ihm der
Lodenser von der Kanzel aus gradwegs ins Gesicht redet und ihn in einem fort mit seinen gelben Fingern anpfeilt. Nicht daß die in so verschwenderischer Fülle ausgestreuten Lobsprüche Sigmund anekelten. Nein, die sind ja Latein und für mindestens die Hälfte der Versammelten unverständlich. Aber ihm sind all die neugierigen Blicke unbequem, die sich auf einmal vom Prediger und von Hus abkehrten uud die nun auf ihm und seinem Trhonstuhl ruhen. Sigmund steht sonst gern im Brennpunkt der Menge. Er braucht das Ge- sicht der Masse und fordert es oft geradezu heraus. In diesem Punkt ist er eitel wie Pfauen und Frauen. Heute dagegen wäre ihm wohler, wenn er unbeachtet bliebe. Szepter und Reichsapfel brennen ihm in den Händen; denn es sind nicht die echten Reichskleinodien, sondern die von dem Juden Goldschläger in rasender Hast zurechtgemachten Attrappen. Sigmund spürt durch die Handschuhe hindurch, wenn er nach- her den Reichsapfel dem Truchfeh zurückgibt und das Szepter dem Kämmerer, so wird ihm das noch feuchte Schaumgold die Hände bekleben! Wenn der Quatschkopf da oben doch auf- hören wollte! Nein, er macht im gleichen Ton weiter. In Sigmund steigt der grimmige Wunsch auf: für jede Kanzel- rede über eine Viertelstunde Dauer ebenso langes Eintunken in lauwarmes Bodenseewasser; für Lobsprüche aber, die man mit Fäustlingen greifen kann und die nicht mehr aufhören wollen, glattwegs Ersäufen in der Mitte des Sees! ... Darum spreche ich, zerstöre die Ketzerei und die Irr- lehren und besonders diesen halsstarrigen Keger hier, durch dessen Bosheit viele Orte der Welt ketzerisch verseucht sind und seinetwegen zum Teil gar zerstört..." Was aus Hus werden wird, weiß Sigmund; dazu braucht er von Kanzelseite her keine Aufmunterung mehr. Viel wichtiger wäre ihm, zu wissen, wie er den Juden Gold- schläger los werden wird. Er hat ihm für die schnelle und ge- schickte Arbeit einen Wunsch freigestellt. Und was hat der geriebene Hebräer alleruntertänigst begehrt?Majestät, gieß auf meine alten Tage Glanz in meinen Winkel und mache meinen Sohn Jakob zum Hofzahnarzt!" Das könnte den Gelbhütigen so passen! Einen Juden zum Hofzahnarzt! Daß sie ihm, dem allerchristlichsten König, wie ihn der lobende Lodenser eben genannt hat, nicht nur in die Tasche, sondern auch noch ins Maul hineinlangten! Nein, wenn schon Zähne gebrochen fein müssen, ist ihm ein christlicher Geißfuß lieber als ein jüdischer! Aber wie sich aus der Klemme winden?! Der Goldschläger hat doch sein königliches Wort! Ah pah, der Böhme da vorn hat es auch gehabt! Sigmund grübelt und grübelt. Eben als der glatzköpfige Eiferer auf der Kanzel zur letzten Bestürmung ausholt: . Es ist dies em herrliches Werk, o herrlicher Fürst,
welches zu vollbringen dir beschieden ist. Dir ist zugeteilt das Fürstentum der Gerechtigkeit. So treffe denn dein Gericht so große Feinde des Glaubens, damit dein Lob selbst von den Lippen der Säuglinge und der unmündigen Kinder tönt. Das wolle dir glücklich und feliglich oerleihen Jesus Christus, der da hochgelobt ist in Ewigkeit Amen."... ällt dem König die Lösung ein: Er wird den Jakob Sold- chläger in aller Form zum königlichen Hofzahnarzt ernennen. Sogar zum Leibzahnarzt. Heute noch soll das Bestallung?- dekret von der Kanzlei ausgestellt werden; der Eile wegen selbstverständlich zum dreifachen Gebührensatz! Aber die eine Bedingung wird es enthalten: Dieser Zahnarzt Jakob Gold- schläger soll sein Amt bei Hofe erst dann antreten, wenn ihm, dem König, die letzten Stumpen aus dem Munde gefault find. Sigmund fühlt mit der Zunge nach. Es sind noch acht Stück im ganzen, fünf im Unterkiefer, drei oben. Zwei davon wackeln schon. Immerhin, es wird noch ein paar Jahre dauern, bis er völlig zahnlos ist und dieser Jakob Gold- schläger als königlicher Hofzahnarzt praktizieren kann. Sig- mund freut sich bei diesery Gedanken, als hätte er den Teufel um eine arme Seele geprellt. Er kann kaum noch das Lachen verbeißen. Jörg Messt- bor, der ungarische Magnat, der mit dem Reichsschwert in der Hand neben dem König steht, grimmigen Gesichts, als hätt' er den Eingang zum Garten Eden zu bewachen, sieht das Zittern in Sigmunds Bart und lacht aus Anhänglich- keit mit. Bald lachen auch die Reichsfürsten. Sogar Herzog Heinrich von Bayern, des Reiches Marschall, den die Gicht- zehen plagen, verzieht sein Gesicht in grinsende Falten. Keiner kennt die Ursache. Doch das Lachen sitzt da in jedem Adels- gesicht wie ein Kobold, und läßt sich selbst im ernsten Münster  nicht mehr vertreiben. In der Sakristei aber steht der glatzköpfige Bischof von Lodi, linzt durch den Türspalt zu Sigmund hinüber und reibt sich zufrieden die gelben, ledrigen Hände. Es schadet nie, Freundchen, wenn man Lob dick auf- trägt, besonders nicht bei diesen deutschen   Zutappern, die jedes runde Stück für Münze nehmen. Schau mal, wie der König sich freut, sein Gesicht sieht aus, als ob es brännte! Hab ich meine Sache nicht fein gemacht, Freundchen?" Freundchen sagt nichts, obwohl er ein außergewöhnlich kluger Starmatz ist. Er fitzt auf der Ecke der Meßkleider- truhe und hält den Kopf schief. Diese Bewegung schaut er dem Syndikus Heinrich von Piron ab. der eben aufsteht und das Wort nimmt zu dem Antrag, man solle zunächst Hussens alte Prozeßakten ver« lesen.(Fortsetzung folgt.)