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ERSTE BEILAGE

Vorwärts

DONNERSTAG, 6. OKT. 1932

Urteil im Prozeß Weiß- Grzesinski

5 Monate Gefängnis für Krause, 3 Monate für Lippert

In dem Prozeß gegen die Angriff"- Redakteure Dr. Lippert und krause wegen Beleidigung des ehemaligen Polizeipräsiden­ten Grzesinski   und des ehemaligen Polizei­vizepräsidenten Dr. Weiß verurteilte die 5. Große Straffammer beim Landgericht I Dr. Lippert wegen übler Nachrede und Beleidigung auf Grund der strafverschärfenden Ehrenschutzbestimmungen der Notverordnung des Reichspräsidenten   vom 8. Dezember 1931 zu drei Monaten Ge­fängnis und den Redakteur krause zu fünf Monaten Gefängnis. Den Be­leidigten, Grzesinski   und Dr. Weiß, wurde die Publikationsbefugnis des Urteils im Vor­wärts", Berliner Tageblatt", Morgenpost", ,, Cotal- Anzeiger", der Germania  "" und im ,, Angriff" zugesprochen.

Landgerichtsdirektor Löschhorn sagte zur Begründung des Urteils ungefähr folgendes:

Die formale Beleidigung des Polizeivizepräsiden= ten Dr. Weiß erblickt das Gericht in Ausdrücken wie Bursche, Angeklagter, korrupter Jude. Für die Behauptungen tatsächlicher Natur erklärten die Angeklagten den Wahrheitsbeweis antreten zu wollen. Dieser Wahrheitsbeweis mar äußerst lückenhaft. Im Falle Krojanker fönne feine Rede davon sein, daß Dr. Weiß als Entgelt für eine angeblich von ihm begünstigte Konzession fich

als Entgelt eine Rivierareise habe bezahlen lassen. Die Behauptung, Dr. Weiß habe in Spielklubs verkehrt, von deren Gewinnen profitiert und sie deshalb unter seine Fittiche genommen, sei gleich­falls sehr schlecht bewiesen worden. Das Gericht ist zwar der Ansicht, daß der Theaterklub als Spielklub zu bezeichnen sei. Dr. Weiß ist aber aus diesem Klub bereits im Jahre 1925 aus­getreten, also noch bevor er Polizeivizepräsident wurde. Der Vorwurf, Dr. Weiß habe die ge­schlossenen Klubs aus nicht sachlichen Gründen unterschiedlich behandelt und auch in entsprechender Weise seine Beamten instruiert, ermangele jeden Beweises. Der dritte Beleidigungskompler ent­halte die Behauptung, Dr. Weiß habe sich bereits darauf gefaßt gemacht, ein Eril in Frankreich   zu suchen. Es lag darin der Vorwurf, daß sich Dr. Weiß eines Verbrechens bewußt sei und in Verlegung seiner Vizepräsidentenpflichten zu flüch­ten beabsichtigt habe. Auch dafür sei keine Spur eines Beweises erbracht worden.

Was die üble Nachrede in bezug auf den Polizeipräsidenten Grzesinski   betrifft, so ist der Borwurf, er halte seinen Beamtenkörper nicht sauber, als außerordentlich schwer zu bezeichnen.

Der§ 193, Wahrung berechtigter Interessen, sei,

500 Prozent Bürgersteuer

Berlin   zur Erhöhung gezwungen

In seiner gestrigen Sitzung hat der Berliner Magistrat beschlossen, der Stadt­verordnetenversammlung die Erhöhung der Bürgersteuer für 1933 auf 500 Proz., d. h. auf das Fünffache des einfachen Sates, vorzuschlagen. Diese Maßnahme wird damit begründet, daß durch die Not­verordnung des Reichspräsidenten   vom

to manis su

Für die Ohlauer!

Organisierte Hilfe den Angehörigen In kameradschaftlicher Unterstützung bemühen fich alle Republikaner   Ohlaus, den Angehörigen der von den schweren Sondergerichtsstrafen be­troffenen Kameraden in jeder Weise ihr Los zu erleichtern. Von den Mitgliedern des Reichs­banners, der Eisernen Front und der Arbeiter­wohlfahrt ist ein Komitee gebildet worden, das sich die dauernde Fürsorge für die Verurteilten und deren Angehörige zur Aufgabe gemacht hat.

Für die Angehörigen der verurteilten Mit­glieder des Reichsbanners und der Eisernen Front ist bereits vom Tage der Inhaftierung an gesorgt worden. Den schwer betroffenen Frauen der Kameraden Blech und Strulik wurde ein 14tägiger Aufenthalt im Mutterheim in Nieder­hermsdorf bei Waldenburg   ermöglicht. Die Kinder der Kameraden Strulik, Durniod, Vanin und Pfirschke konnten für vier Wochen im Er­holungsheim der Arbeiterwohlfahrt in Striegau  untergebracht werden.

28. September 1932 alle Gemeinden gezwungen sind, mindestens 500 Proz. der Bürgersteuer zu erheben. Da in der Neuregelung der Bürgersteuer der Zusatz für die Ehefrau fortfällt, ist eine so große Herabsetzung der Steuer herbei­geführt worden, daß von 1933 500 Proz. erhoben werden müssen.

Die Bürgersteuer ist für das Jahr 1933 durch Reichsverordnung neu geregelt worden. Die Steuer, die bisher in sechs Monatsraten er­hoben wurde, ist nunmehr auf eine Jahressteuer umgestellt und gelangt

ab 1. Januar 1933 in 12 Monatsraten zur Erhebung.

Männer Berlins  

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Das

Für die Ehefrau wurde zur Bürgersteuer bis­her ein Zuschlag von 50 Pro3. erhoben. Dieser Zuschlag fällt fort, so daß die Steuer für Ver­heiratete und Ledige in gleicher Höhe zur Er­hebung gelangt. Der einfache Sayz der Bürgersteuer beträgt wie bisher 6 M., also auf den Monat gerechnet, nicht wie in den ersten Monaten 1932, 1 M. bzw. 1.50 M. für Ver­heiratete, sondern für alle Steuerpflichtigen bis zu einem Einkommen von 4500 M. 0,50 M.

Im Haushaltsplan der Stadt Berlin   für 1932 war mit der Forterhebung der Bürgersteuer nach den bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen gerechnet und für die Monate Januar bis März bei einem Steuersatz von 300 Proz.. ein Auf­tommen von etwa 15 Millionen Mark erwartet worden. Würde derselbe Steuersaz, der im Jahre 1932 angewandt worden ist, weiterbestehen bleiben, dann betrüge das Aufkommen in den Monaten Januar/ März nicht 15, sondern etwa 5,4 Millionen Mark. Es würde also tassen- und etatsmäßig ein empfindlicher Ausfall eintreten, der bei der gegen­wärtig äußerst angespannten Lage der deutschen  Städte weder in Berlin   noch an anderen Orten ertragen werden könnte.

Durch Verordnung des Reichsministers für Finanzen vom 28. September 1932 ist nun­mehr bestimmt worden, daß alle Gemeinden, die die Reichshilfe für Wohlfahrtserwerbslose in Anspruch nehmen wollen, mindestens 500 Proz. der Bürgersteuer 1933 beschließen müffen.

Die Reichsregierung geht dabei von der Tatsache aus, daß durch die Neuordnung der Bürgersteuer eine so wesentliche Herabsetzung der bisher gelten­den Säße eingetreten ist.

Der verheiratete Steuerpflichtige hätte nach den bisher geltenden Bestimmungen monatlich 4,50 M. Bürgersteuer zu entrichten. Am 1. Januar 1933 wird er bei 500 Proz. Bürger­steuer nach den neuen Bestimmungen monatlich 2,50 M. zu zahlen haben. Der ledige Steuer­pflichtige hatte auf Grund der früheren gesetz­lichen Bestimmungen bei 300 Proz. Bürgersteuer monatlich 3 M. zu zahlen, in Zukunft monatlich 2,50 M., so daß auch seine monatliche Steuer­leistung herabgesetzt wird.

Als wesentlich ist noch zu berücksichtigen, daß auch die Einkommensgrenze, die die Bürgersteuer­pflicht auslöst, eine Veränderung erfahren hat. Die Steuerfreigrenze lag bisher einheitlich bei 500 M. Jahreseinkommen. Sie wird in Zukunft örtlich verschieden sein, und zwar deswegen, weil

den Angeklagten nicht zuzusprechen gewesen. Die Notverordnung sei anzuwenden gewesen, da somohl Präsident Grzesinski   als auch Dr. Weiß zur Zeit des Erscheinens der Artikel im öffentlichen Leben standen und auch heute noch stehen. Von einem entschuldbaren guten Glauben könne bei den An­geklagten keine Rede sein. Das Gericht betont mit aller Entschiedenheit, daß es auch ohne die an­gezogene Notverordnung des Reichspräsidenten  feine Möglichkeit geſehen hätte, auf niedrigere Strafe zu erkennen. Die Vorwürfe, die in den Artikeln gemacht wurden, sind derart schwer, und so mager begründet, sie sind so roh und so wenig sauber, nur geeignet, die öffentliche Meinung und die Deffentlichkeit gegen die Beleidigten aufzuheben, daß geringere Strafen überhaupt nicht in Frage famen. Zudem ist der Angeklagte Krause im Laufe von zehn Monaten nicht weniger als acht­mal, darunter viermal wegen übler Nachrede ver­urteilt worden.

Aeußerst bezeichnend für die Geistesverfassung der angeklagten Angriff"-Redakteure war ihr Verhalten während der Urteilsbegründung. Der eben erst 5 Monaten verurteilte Krause hatte immer seinem Kollegen Dr. Lippert etwas Amü­santes zuzuflüstern, so daß der Vorsitzende fich schließlich genötigt jah, beide Angeklagte zur Ordnung zu rufen...

als tünftige Freigrenze die Richtfäße der öffent­lichen Fürsorge Geltung haben sollen. Das be= deutet für Berlin   bei den gegenwärtigen Richt­sägen, daß die

Freigrenze für das Ehepaar mit zwei Kindern bei 612 m. liegt,

für das Ehepaar mit vier Kindern bei 924 m., also eine wesentliche Veränderung gegenüber dem bis­herigen Rechtszustande.

Opfer eines Wüstlings Frau niedergeschlagen und beraubt

Am Königsgraben in Marienfelde   wurde am Dienstagabend, wie erst jetzt bekannt wird, die 41 Jahre alte Frau W. aus der Dorfstraße in Marienfelde   das Opfer eines Wüstlings.

Frau W. hatte in später Stunde noch einige Besorgungen in der Nachbarschaft gemacht und auf dem Heimweg ging sie am Königsgraben einer ziemlich einsamen Gegend, entlang. In der Dunkelheit, so stellt Frau W. der Polizei den Ueberfall dar, sei plöglich ein Mann im Alter von 20 bis 30 Jahren über sie hergefallen. In dem fich entspinnenden Handgemenge habe sie der Täter am Hals gewürgt und ihr schwere Kraz­munden beigebracht. Halb bewußtlos habe sie der Wegelagerer dann auf das Acergelände geschleift und sich an ihr vergangen. Der Täter stahl der Ueberfallenen, nach ihrer Aussage, ein Porte­monnaie mit 70 M. Inhalt, eine goldene Hals­tette und einen Siegelring. Mit der Beute flüchtete der Wüstling und entkam. Frau W. hat erst gestern der Polizei von dem Ueberfall Kennt­nis gegeben. Sie erklärt das damit, daß sie am Abend des Ueberfalls zu erregt und verängstigt gewesen sei, um noch die Polizei aufsuchen zu können.

Saalschlacht!

Nazis gegen Hugenbergianer Die für gestern abend von den Deutsch­nationalen in verschiedenen Stadt­teilen einberufenen Versammlungen wur den zum größten Teil von nationalsozia­listischen Trupps gestört. Vielfach mußte die Polizei mit dem Gummiknüppel ein­greifen, um überhaupt erst die Durch­führung der Versammlungen zu ermög lichen.

Im Deutschen Hof" in der Luckauer Straße tam es zu einer regelrechten Sa al­

Freigresander

kommt

schlacht. Etwa 150 SA.- Leute waren er= schienen, die durch Gesang und lautes Brüllen den Redner unverständlich machten. Schließlich griff der Saalschutz" ein und es entspann sich eine wüste Schlägerei. Fünf National= sozialisten wurden von ihren Harzburger Freunden so übel zugerichtet, daß sie zur nächsten Rettungsstelle gebracht werden mußten. Die Polizei entfernte die übrigen Ruhestörer unter Anwendung des Gummiknüppels. Es erfolgte eine Reihe von Festnahmen.

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Aehnlich stürmisch" verliefen die Hugenberg­Versammlungen in den Union   Festsälen in der Greifswalder Straße und in den Hohenzollern  - Festsälen in der Ban= delstraße in Moabit  . Erst nach dem Ein­greifen der Polizei konnten die Versammlungen weitergeführt werden. Auch in diesen beiden Fällen wurden zahlreiche Hakenkreuzler fest­genommen.

Die Hugenberger haben dieses Gesindel selbst aufpäppeln helfen, jetzt haben sie den Salat.

Neuer Devisentrick

Sperrgewinne als Darlehen

In einem Schnellverfahren vor dem Amtsgericht Berlin- Mitte   war der Bankier R. beschuldigt, Wertpapiere aus ausländischem Besiz in Höhe von 1073 000 m. verkauft, zwar auf Sperrkonto ver­bucht, aber in Wirklichkeit dem flüchtig gewordenen Kaufmann Menken aus Düsseldorf   für die aus­ländischen Besizer ausgehändigt und diese Zahlun gen in seinen Büchern durch Scheinbuchungen über angebliche Darlehen verdeckt zu haben.

Die Effekten waren über einen gewissen Roß­händler aus Antwerpen   von acht verschiedenen Banken aus Amsterdam  , Scheveningen   und Ant­ werpen   an R. geliefert worden. Die Leute, die Darlehen erhalten haben sollten, waren zum Teil Erwerbslose, von denen einer 30 000 m., ein anderer 60 000 m. bekommen haben sollte. Auch der bekannte Kaufmann Hermann Weber  ( Sprit­weber) hatte ein Darlehen von 350 000 M. er­halten.

Der Angeklagte war in gewissem Umfange ge= ständig. Er gab an, daß der Holländer Roß­händler, mit dem er früher in Geschäftsverbindung gestanden hatte, ihn gebeten habe, für holländische und belgische Firmen deutsche Effekten zu ver­taufen. Das habe er auch getan und den Erlös ordnungsgemäß auf Sperrfonto gelegt. Bei den nächsten Geschäften habe ihn Roßhändler ver­anlaßt, 75 000 M. Darlehen an Menken zu geben. Als dann Roßhändler wieder Effekten lieferte, habe er sofort die Bedingung gestellt, daß in der ungefähren Höhe des Erlöses an verschiedene Personen Darlehen gezahlt würden.. Nunmehr habe er, der Angeklagte, erst Verdacht geschöpft und sich geweigert. Roßhändler und seine Hinter­männer hätten ihn nunmehr bedroht, daß er sich schon strafbar gemacht habe und daß sie, wenn er sich weiter weigere, die Schlinge zuziehen würden. Er sei daher ganz in der Hand des ausländischen Konsortiums gewesen. Man habe ihn in die Falle hineingelockt und dann erpreßt.

Staatsanwaltschaftsrat Dr. Jacobi erklärte, daß Roßhändler den deutschen   Behörden als großer Devisenschieber bekannt sei. Der Staatsanwalt beantragte ein Jahr sechs Monate Gefängnis.

Das Gericht verurteilte den Bankier wegen Vergehens gegen die Devisenverordnung zu einem Jahr sechs Monaten Gefängnis und 20 000 M. Geldstrafe oder hilfsweise weiteren 200 Tagen Gefängnis.

Notwendige Parlamentsreform

Das Kartell der Republikanischen Verbände Deutschlands   veranstaltet am Freitag, dem 14. Oktober, abends 8 Uhr, im Demokratischen Klubhaus, Berlin   W. 10, Viktoriastraße 24, einen Ausspracheabend, bei dem Oberregierungsrat Dr. Teipel über das Thema eraus aus dem Turm"( Vorschläge zur notwendigen Parlamentsreform) sprechen mird. Oberregierungs­rat Dr. Teipel gehört zu den berufenen Fach­kennern der Fragen über Wahlreform. Zu der im Anschluß an das Referat vorgesehenen Aussprache sind eine Reihe führender Politiker aus allen Lagern angemeldet. Die Veranstaltung ist auf ein­geladene Gäste beschränkt. Einladungen und Ein­trittskarten versendet die Geschäftsstelle des Kartells der Republikanischen Verbände Deutsch­ lands  , Berlin   NW.   40, Kronprinzenufer 19, Te­lephon A 2 Flora 5690.

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