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Preußens Kampf in Leipzig  

Auf Einladung der Gesellschaft Neue Blätter für den Sozialismus" sprach im dichtbesetzten Schinkelsaal der Hochschule für Politik Professor Hermann Heller  , der Vertreter der sozial­demokratischen Landtagsfraktion vor dem Staats­gerichtshof in Leipzig  .

Nach einleitenden Worten des Genossen Theodor Haubach   nahm Heller zum Thema Der Preußen­kampf vor dem Leipziger Staatsgerichtshof" das Wort. Drei grundsägliche Gesichtspunkte sind zu unterscheiden, der politische, der juristische und der militaristische. Die politische Grundlage des 20. Juli ist das Verlangen nach einer Restauration gegenüber 1918. Dem Zeitgeist entsprechend, will man diesem Wunsch eine demokratische Verbrämung geben. Papens Pläne sollten durch die Hitler- Bewegung demokratisch drapiert werden. Heller legte dann dar, wie sich in der Wertung des Politischen  , das heißt in der Ein­schäzung Hitlers   die Reichsregierung v. Papen  getäuscht habe. So griff sie zur Lösung vom 20. Juli, zum Staatsstreich. Das war weder eine politische noch eine juristische Lösung, sondern eine militaristische, sie schuf teine Machtlage, sondern nur eine Situation, die sogar durch das Urteil eines Gerichtshofes erschüttert werden fonnte. Man wollte die Staatsminister durch die Macht endgültig wegschicken, man sprach von Braun als vom ,, Ministerpräsidenten a. D.". Das war eine politisch und juristisch un­richtige Einschätzung, die sich für die eigene Macht gewiß nicht günstig auswirkte. Die Re­gierung v. Papen   steht heute da, wie am Abend des 19. Juli, nur hat sie einen starten Prestigeverlust зи verzeichnen. Mit Diffamierung sollte, das zeigte die Radiorede

Ein Vortrag von Dr. Heller

Papens vom 20. Juli deutlich, die Regierung Braun- Severing liquidiert werden. Die Be gründung des Urteils vom 25. Oktober sagt, daß von einer solchen Liquidierung feine Rede ist Der preußischen Regierung sind keinerlei Pflichtverlegungen vorzuwerfen. Diese Feststellung ist eine eindeutige Niederlage der Reichsregierung. Das gleiche trifft für den Teil der Urteilsbegründung zu, nach dem keine Ministerabsezung zulässig ist. Heute ist die preußische Regierung Braun im Amt. Eins aver möchte ich sagen;

Hut ab vor der seltenen richterlichen Zivil­tourage, die der Staatsgerichtshof bewiesen

hat, als er dieses Urteil fällte!

Der große politische Erfolg der Preußen= regierung ist darauf zurückzuführen, daß Preußen eine bessere juristische Sache vertrat als das Reich, und daß es die bessere Vertretung hatte. Das ist im wesentlichen ein Verdienst des preußischen Hauptvertreters, des Ministerialdirektors Brecht. Herr Gottheiner hat seinem Auftraggeber in feiner Weise genügt, als er sich zu persönlichen Verunglimpfungen Brauns und Severings verstieg.

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Als wir nach Leipzig   gingen, sagte man uns, das ist ja lächerlich und zwecklos! Wozu geht ihr hin? Jezt sagt man: Was ist denn erreicht? Mit Brecht das Recht, mit Bracht die Macht!"( Heiterheit.) Nun, daß die Reichsrats. stimmen bei der Regierung Braun verblieben, das ist als Schutz gegen Pläne des Kabinetts v. Papen gegen die Verfassung außerordentlich bedeutsam. Die Reichsregierung kann die Verfassung nicht

,, Gabriel Schillings Flucht"

Staatstheater

Jahrelang behielt Hauptmann das Stück im Bult. Dann, 1912, gab er es den Theaterdiref= toren preis. Nun, das Seelendrama vom Künstler, er soll von Cramptons und Michael Kramers Geschlecht sein, hat immer noch mehr belletristische als psychologische Werte.

Das heißt: die Liebhaberei des Dichters zielt auf Rebendinge, auf Landschaftsstimmung, auf Gespenstersymbole, auf absolute Verrechnung der ewigen Feindschaft, die sich zwischen den Künstler

Werner Krauẞ  ( Schilling) Elifabeth Bergner( Hanna).

und seinen Weiberanhang drängt. In dem Stück ringt der Maler um die zu schaffenden Dinge, und die Weiber möchten, daß er nur für ihre Launen schafft. Solche Kompliziertheit des Psychologischen verlangt langwierige novellistische Vorbereitung. Sonst wirft alles in der Plöglichkeit der theatra­lischen Explosion beängstigend banal. Und das ist der Hauptfehler des Stückes. Dazu kommt noch eine Symbolik, die ebenso hart am Selbst­verständlichen und deshalb Uebertriebenen vorbei­streift, und die nur oberflächlich flingt, anstatt in das Tiefste zu greifen. Gabriel Schilling macht den ersten Schritt auf die Bühne. Sofort hilft er dem Sargtischler, Bretter auf die Schultern zu laden. Man denkt: Ach so, hier wird bald einer sterben. Oder eine Sputbüste, gerettet vom gescheiterten Schiff, ist ständig sichtbar, und fie wird vom Leuchtturmfeuer gespensterhaft ange= glüht. Wieder denkt man: Ach so, hier werden bald allerhand Teufel umgehen. Doch die Haupt­mannsche Boreingenommenheit für solche fata­liftischen Zusammenhänge brachte auch wundervolle Dialoge hervor; Russisches, Tschechow  , Andrejew, hallt in das Unbemußte des Dichters.

Dieser Dialog zwischen dem Künstler, der unter­gehen muß, Gabriel Schilling, und dem anderen,

der ein Gesegneter ist, wird auseinandergeredet. Es ist nicht nur ein kluger Dialog, er ist auch vollkommen in der Fülle dessen, was der Dichter aus eigenem Erlebnis gibt. Krauß und Leibelt sprechen die 3miesprache. Sie find zwei Bühnensprecher, die sich von innen her ver­wandeln. Sie sind ganz Meister ihrer Mittel und feine Deflamation, sondern nur Natur hörbar. Solche Gespräche sind unvergänglich.

Aber die Gespräche mit den Frauen Schillings flingen nur wie Moralabhandlungen. Schuld­und Unschuldkonto der Adam- und Eva- Feindschaft mird buchhalterisch ausgeglichen. Das ist harte Literateninventur. Die Nuancen fehlen. Beim Hörer stellt sich die Abgeschlagenheit ein, auch die Ironie, die nur nicht vorzudringen magt, menn Strindbergische Gewaltsworte laut werden. Zu solcher Bergewaltigung war der Hauptmann dieser Zeit von 1906 wiederum nicht entschlossen genug. Der Regisseur Jeßner taucht ganz in diese Novellenstimmung ein, die der dramatischen nach­steht. Die Novellenstimmung fann erzeugt werden durch einen Schwall der Worte. Die Stimmung kann aus dem Malerischen auf der Bühne ent stehen. Soweit das möglich ist, hat der Bühnen­maler Schütte alles richtig besorgt. Dann wurden zu der Darstellung, die das Psychologische verkettet und langjam zerreißt, neben den Schau­spielern, die zahlreiche Naturen aus sich enthüllen können, auch die nur in sich begrenzten Virtuosen herangezogen. Krauß und Leibelt gingen am beweglichsten und buntesten zu Berk. Elisabeth Bergner   blieb nur in sich verkaspelt, sie war immer nur Type des russischen Vamps. Sie hatte immer nur alles überlegt und technisch parat, jedes Zucken des Gesichts, jedes Greifen und Spreizen der Vampyrfinger, jeden Schritt, jeden Schrei. Die Unzufriedenheit mit der glänzenden Virtuosin war stärker, als die Freude an der nur übergefchickt durchgeführten Leistung. Florath, Bildt, Frau Koppenhöfer, Frau Bard und Fräulein Moos gehorchten dem Regisseur viel gefügiger als seine allzu selbständige, als seine schon allzu geschlossene und deshalb nicht mehr zu erschließende Paradevirtuosin.

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Max Hochdorf  .

Shaws Komödie Pygmalion" fonnte am Donnerstag im Lessing Theater bereits das Jubiläum der 50. Aufführung begehen. Oskar Homolka   und Grete Mosheim   und die übrigen Darsteller waren in der besten Laune und frisch mie bei einer Premiere.

Schließung von Berliner   Museen. Das Rauch­Museum im Orangerie- Gebäude des Schlosses in Charlottenburg   wird am 1. November geschlossen, um Heizungskosten zu sparen. Auch die zeitweilige Schließung von weiteren Sammlungen oder ganzen Meseumsgebäuden für den Winter wird erwogen. Die staatlichen Museen haben an öffent­lichen Abgaben für Heizung, Beleuchtung uſm. mehr zu zahlen, als ihnen der Staat zur Ver­fügung stellt.

Die Gaffin Heinrich Schliemanns gestorben. Am Freitag starb in Athen   die Witme und die treue Helferin Heinrich Schliemanns, des deutschen  Archäologen, der durch seine Ausgrabungs­arbeiten in Troja   und Mykenä   weltberühmt ge= worden war.

ohne die preußische Staatsregierung ändern. Hierin stehen Preußen und Süddeutschland   zu= sammen. Man hat die Geschehnisse vom 20. Juli zu undramatisch genannt. In der Tat: Der 25. Oktober hat die Deffentlichkeit viel mehr auf­gerüttelt, als der 20. Juli. Die Reichsregierung steht vor der klaren Entscheidung: Mit Preußen, für die Reichsverfassung, oder gegen Preußen, gegen die Reichsverfassung. Wie die Situation sich verändert hat, zeigt das Wort Hugenbergs von den juristischen 3wirnsfäden, über die man nicht stolpern dürfe. Das zielt auf einen glatten Verfassungsbruch hin.

Es war ein glatter juristischer Sieg. Das zeigt die Entscheidung in der Frage der Beamten­ernennungen. Vor allem aber war es fein politischer Sieg. Ich warne vor der Meinung, daß man eine Verfassung allein mit Wahlzetteln und Gerichtsurteilen schaffen, erhalten oder ändern kann. Eins aber brachte das Leipziger   Urteil an gutem! Wir haben das Gefühl, daß es noch Recht in Deutschland   gibt. Die verzweifelte, allgemein vorherrschende Stimmung, daß die Zeiten des Rechtsstaates ja doch vorbei seien, ist gebrochen. Der Rechtsstaat hat gegen die Diktatur wieder eine Chance gewonnen. Wir stehen vor ganz großen Entscheidungen. Wir bedürfen, menn wir eine soziale Umgestaltung wollen, der Garantien des Rechtsstaates und der Demokratie. Das zeigt auch ein Blick in die Zuchthäuser und Gefängnisse. Die Befreiung der Arbeiterklasse wird demokratisch sein oder sie wird nicht sein. Das Urteil gibt neuen Mut zum Rechtsstaat und es gibt neues Leben dem Ruf, der nicht sterben, sondern leben wird, so lange es Menschen gibt: Freiheit!( Stürmischer Beifall.)

Despot, teils um die Verbindung mit seiner Schwester zu verhindern, teils auch aus Rachsucht und Laune, seinen einstigen Günstling so tief fallen ließ. Freilich hat das Opfer dieser Ka=" binettsjustiz viel später den ersten Band seiner fulturgeschichtlich sehr interessanten Memoiren den Manen des eben gestorbenen Königs gewidmet. Aber was will das schon heißen? Der Trend war von der Gunst der Großen abhängig und mußte noch gute Mine zu dem bösen Spiel machen. Der König, den Theodor Loos   verkörpert, ist von anderer Art als der von Gebühr. Man spürt etwas Dämonisches und Böses in ihm. Im übrigen springt der Film mit den geschichtlichen Vorgängen ziemlich frei um, übertreibt die Rolle Trends, die er am österreichischen und russischen Hofe gespielt hat und gibt nur die sensationellen Seiten dieses Abenteurerlebens in sehr lockerem Gefüge. Die wertvollen Zeitdokumente, die man aus Trends Memoiren hätte gewinnen können, find vernachlässigt. Aber immerhin, der Zuschauer friegt einen schönen Begriff davon, was für eine Gerechtigkeit in Preußen herrschte und mit welcher Grausamkeit selbst ehemals fönigliche Günstlinge gemartert wurden. In den vielen bunten Bildern vom Hofleben in Potsdam  , Wien   und Petersburg sind eine Reihe guter Darsteller aufgeboten: Hans Stüme gibt den Trend mit einer tragischen Note, ungefähr in der Art, wie er sich selber in seinen Memoiren darzustellen liebt. Dorothea Wieck   ist die wirklich reizende und auch im Alter noch verklärte Prinzessin Amalie. Sonst noch zu nennen sind Anton Pointner   als der Better Trend, der wirklich wilde Pandur, und Paul Hörbiger   als Präsident des österreichischen Gerichtshofes ein Kabinettsstüd. D.

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Waldmenschen"

Ein Russenfilm

Seitdem der Tonfilm seinen Siegeszug ange­treten hat, sind die Russenfilme aus den Kino­theatern verschwunden. Die Kamera" aber, die ein anspruchsvolles, kulturwilliges Stamm­publikum hat, kann es selbst heute noch wagen, mit der verspäteten Berliner   Uraufführung eines

Auch ein Fridericus- Film ftummen Ruffenfilms herauszukommen.

, Trenck" im Atrium

Die Beweihräucherung des Tyrannen von Potsdam  , die patriotische Ausschlachtung seiner Kriege ist den Nuznießern dieser Materie all­mählich doch über geworden. Das Verdienst des neuen Films ist es, den vielberufenen Friedrich einmal von einer anderen Seite zu zeigen. Das abenteuerliche Leben des Freiherrn von der Trend gibt den Stoff dazu. Elf Jahre war der junge, lebenstolle Offizier in den Kasematten von Magde­ burg   eingeferfert, mit 60 Pfund schweren Ketten angeschmiedet. Was war sein Verbrechen? Er war der Geliebte der Prinzessin Amalie, der jüngsten und schönsten Schwester Friedrichs, ge­wesen. Dafür und weil er von seiner ersten Festungshaft ausgerückt war, mußte er büßen. Die borussischen Historiker haben es zwar so hinzustellen versucht, als ob diefer Leutnant ein Hochverräter gewesen sei, weil er mit seinem Better in österreichischen Diensten forrespondiert hatte. Aber viel wahrscheinlicher ist, daß der

Wenn man von Wladivostok landeinwärts fährt, tommt man in ewige Wälder. Uner­gründlich, unerforscht, geographisch der russischen Sowjetrepublik gehörend. Sowjetrecht hingegen gilt dort nicht. In dieser grünen Unendlichkeit leben die Waldmenschen", ein aussterbendes Bolt, das sich in einer Anzahl von 800 noch rein erhalten hat. Sie, die in Jurten aus Baum­rinde wohnen, find Jäger und Fischer mit streng geteilten Arbeitsgebieten zwischen Mann und Frau. Das Land ist müdenreich und deshalb find schon die Kinder an die Pfeife gewöhnt. An Haustieren kennt man nur Hunde, die mit Fischen gefüttert werden. Fische sind auch die Haupt­nährung der Menschen. Wir sind Zeugen einer gefährlich- grausamen Bärenjagd; denn Meister Bez, der Nahrungssuche und Spieltrieb zugleich oblag, wird mit dem Speer erlegt. Es steht hier also, wie in ,, altromantischen" Zeiten, der Mann gegen den Bär. Der Bärentopf wird mit großem Behagen verzehrt, doch dürfen Frauen bei diesem Festgelage nicht zugegen sein. Sie dürfen über­haupt kein Bärenfleisch genießen.

e. b.

Alte und neue Kammermusik

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Rostal-, Roth-, Kolisch- Quartett

Kammermusikkonzert haben wir uns an den Namen, an den Begriff nicht so gewöhnt, als wäre er durchaus nicht sonderbar und gegensätzlich in sich selbst? Offenbart sich in ihm nicht bereits das veränderte Wesen dieser musikalischen Gattung und ihre Entfernung von ihrem ursprünglichen Ausgangspunkt, von ihrem eigentlichen Sinn? Denn Kammermusik, das ist oder war viel­mehr einst Sache des Hauses, des kleinsten Kreises, des Selbstmusizierens vor allem; Konzert da­gegen eine Angelegenheit festlicher Säle, großen Publikums und der Vorführung durch ausgesuchte Spezialisten. Selbstmusizieren aber ist etwas grundsäglich anderes als Konzerte hören, ist Musik­machen und-hören in einem. Der Mitspielende ist ins Werden des Werks als wichtiger Faktor ein­geschaltet, er begreift es von innen her aus seiner Struttur im Konzert dagegen tritt das Werk dem Hörer als geschlossener Organismus gegen­über, auf den er feinerlei Einfluß hat. Damit es mirte, beffer, mächtiger wirfe, wird es dekorativ, pompös, theaterhaft; erhält es etwas von der Scheinhaftigkeit der Bühne, die des Abends, der Publikums- und Aufführungsspannung bedarf, um all dem Schein die tiefere Wahrheit des Seins zu entlocken.

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Das ursprüngliche Prinzip der Kammermusik ist einem Prozeß zum Opfer gefallen, der die ganze geistige Welt des 19. Jahrhunderts be­herrschte: der Spezialisierung. Die wachsenden Schwierigkeiten der Werke erforderten ausgewählt tüchtige Spieler, deren Können veranlaßte die Komponisten, die Schwierigkeiten weiter zu häufen. Allmählich wurde von den Meistern die Konzert bestimmung der Werke von vornherein ange­nommen und einkalkuliert: so wurde Kammermusit schließlich Konzertmusik für diese oder jene Be­setzung, meist ohne dekorativen Zauber, ohne Scheinhaftigkeit freilich; eine sublime Art Konzert­musit, deren Eigentümlichkeiten aus der hart­

näckigen Fiftion herrühren, sie wäre keine. Immer= aber mit Kammermusikalischem genug, um ber­schiedene Aufführungsmöglichkeiten nach der einen oder anderen Seite hin zu rechtfertigen.

Das Rostal Quartett absolvierte unter Bei­hilfe Leonid Kreuzers den heuer unumgänglichen Brahms  - Abend. Das Klavierquintett Op. 34( dem die Geigensonate in G- Dur, das G- Moll- Klavier­quartett folgten) erklang sehr kammermusikalisch; erklang vom Konzerthörer aus ein wenig dürftig, spizfindig, trocken, ohne den finnlichen Schmelz, ohne den kraftvollen Schwung, der jenseits aller Werkgesetzlichkeit doch auch in Brahms   steckt. Ganz anders das Roth- Quartett, das Haydn ent­zückend, das Debussys Op. 10 hinreißend spielte, und mit dieser glanzvollen Interpretation die un­ausrottbare und bequeme Theorie von des Fran­zosen kraftloser Müdigkeit wieder einmal Lügen strafte. Höhepunkt der bisherigen Kammermufit­saison, Höhepunkt konzertanter Borführung von Kammermusit überhaupt, war die auswendige Wiedergabe von Schönbergs D- Moll- Quartett durch das Wiener Kolisch Quartett. Man kann diese Musik in spätromantischer Form, voll spät­romantischer Formeln, voll Straußschen Schwungs, voll ungeheurer Dichtigkeit des Sazes nicht meisterlicher und musikantischer zugleich, man kann sie aber auch nicht effektvoller spielen als diese heute an der Spige aller Quartette marschierende Kammermusikvereinigung.

Von neuen Werfen war nur eins zu hören: die Uraufführung eines Dur Concertant für Bioline und Klavier Strawinskys durch den Geiger Duschkin und den Komponisten selbst. Ein Suitenwerk, dessen Säße Cantilene, Ecloge 1 und 2, Gigue und Dithyrambe heißen; das über Straminstys ähnliche Arbeiten, ähnliche Spiege= lungen des 18. Jahrhunderts in affetisch ver­wandtem neuem Material in Nichts hinauszu führen scheint. A. W.