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Der ungenannte Kronzeuge Die große Frage

Konferenz im Reichsjustizministerium

Leipzig  , 21. November.

Zu Beginn des 12. Berhandlungstages des Bullerjahr- Prozesses teilte der Vorsitzende zu den Beweisanträgen der Verteidigung mit, daß das Gericht die Beschlußfaffung über die Ladung der Zeugen für die angebliche Unglaubwürdigkeit des 3eugen von Gontard, namentlich des Bankdirektors Don Stauß und des Geheimrats Schanner, ausgesetzt habe. Geladen wird der Redakteur Rudolf Olden  - Berlin  , demgegenüber v. Gon­tard ausdrücklich versichert haben soll, er sei in Sachen Bullerjahn niemals vernommen worden, halte aber Bullerjahn für schuldig. Die Behaup­tung der Verteidigung, daß die Waffenlager einer unbestimmten Mehrheit von Personen bekanntgeworden sind, wird als wahr unterstellt. Die Ladung der hier­für genannten Zeugen wird daher zumeist als unerheblich abgelehnt, während Direktor Linhoff­Berlin geladen wird, der bei einer zufälligen Be­sichtigung des Werkes 600 Maschinen­gewehrläufe offen hat liegen sehen. Die Zeugen, die beweisen sollen, daß Bullerjahn in der kritischen Zeit vom 16. bis 23. Dezember 1924 täglich bis mindestens 28 Uhr zu Inventurzwecken im Werk war, also nicht bei der Interalliierten Militärkommission, deren Geschäftsschluß 18 Uhr war, den Verratsjold abholen konnte, werden eben­falls geladen. Hierzu sollen auch noch einige schon vernommene Kriminalbeamte nochmals gehört werden, um genau die Geschäftszeit der Kontroll­tommission festzustellen. Geladen werden ferner der von der Verteidigung am Freitag neu genannte Zeuge Bruno Hanke vom Waffenwerk Oberspree und vor allem der Schweizer   Staatsangehörige Eduard Bienz  - Basel  , dem drei Tage freies Geleit zugebilligt werden. Die Ladung des Berliner  Universitätsprofessors Kohlrausch wird abgelehnt, da sein Gutachten zu diesem Prozeß seine Privat meinung darstellen würde.

Für die weitere Berhandlung wird die Deffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen.

In der Nachmittagsfizung wird die Deffentlich­feit wieder hergestellt, und die Bernehmung des Zeugen v. Gontard fortgesezt Es werden die polizeilichen Protokolle über die Aussagen des Zeugen im Frühjahr 1925 verlesen und im An­schluß hieran die im Oktober 1931 mit Bezug auf diese Protokolle erfolgte eidliche Berneh= mung des Kriminalfommissars Göp= ner Der Borsigende bemerkt hierzu, daß Göpner laut ärztlichem Zeugnis nicht vernehmungsfähig sei und daher nicht persönlich als Zeuge vernom­men werden könne.

Gontard   wollte nicht genannt werden

In der Aussage Böpners heißt es: Ich weiß mich zu erinnern, daß ich Dr v. Gontard an einem Vormittag gefragt habe, ich begab mich dann auf das Polizeipräsidium und erstattete dem Leiter meiner Dienststelle Bericht. Diesen Bericht habe ich sofort schriftlich niedergelegt. Ich erkläre daher, daß die unbekannte Vertrauensperson so ausgesagt hat, wie ich es in meinem Bericht dar= gestellt habe. Mir hat Dr. v. Gontard immer nur etwas von einem Vertrauensmann ge= sprochen. Ich hatte den Eindrud, daß der Ber trauensmann ein guter Bekannter Gon. tards, und zwar ein Engländer war. Ob dieser Engländer selbst Mitglied der Interalliierten Rom­mission war, oder ob sich v. Gontard in diesem Sinne ausgesprochen hat, weiß ich heute nicht mehr Ich erinnere mich jedoch nicht, daß Gontard  von mehreren Engländern gesprochen hat. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte ich es bestimmt in meinem Bericht aufgenommen. Ich bin der Meinung, daß ich mich in meinem Bericht streng an das gehalten habe, was Gontard   gesagt hat. Zu der Annahme, daß v. Gontard etwas anderes gemeint habe, habe ich keinen Anlaß.

Weiter sagt Göpner, daß es Dr. v. Gontard war, der aus naheliegenden Gründen Wert dar­auf gelegt habe, daß sein Name ver­borgen bleibt. Ausdrücklich erklärte er, daß von einem der Direkforen Gonfards die Anregung hierzu nicht ausgegangen sei. Außer dem Untersuchungsrichter Geyer hat Göpner den Namen der Vertrauensperson bis zur Hauptverhandlung nur seinem direkten Bor­gefehlen bekanntgegeben.

Borf: Diese Aussagen stehen mit Ihren Aus. laffungen, Herr v Gontard, in mehreren Puntten nicht im Einklang Vor allem darin nicht, daß Sie ummmer von mehreren Personen gesprochen haben

Zeuge: Ich glaube es aber doch, denn deshalb habe ich immer gesagt, aus den Kreisen der eng­lischen Kommission hätte ich von dem Berrat gehört.

Borf.: Eine Abweichung besteht ferner darin, daß nach den Aussagen Göpners Sie die trei­bende Kraft für die Tatsache geme=

senseien, daß Ihr Name verschwiegen werden sollte.

R.-A. Dr. Rosenfeld weist auf eine Aktennotiz des Untersuchungsrichters Krüger vom 9. März 1925 hin, in der es heißt. Göpner habe den Na­men des Vertrauensmannes mit dem Bemerken angegeben, daß dieser sich nur als 3euge vernehmen lassen werde, falls sein Name nicht genannt werde. Im Zu­sammenhang hiermit bringt der Verteidiger eine Ronferenz im Reichsjustizministe= rium zur Sprache, deren Gegenstand eine Be= ratung darüber gewesen set, wie man verhindern könne, daß der Name des Herrn v. Gontard vor dem Reichsgericht in Erscheinung trete.

Zeuge v. Gontard: Mir ist zu Ohren gekom­men, daß auch die Ministerien den Wunsch geäußert hatten, daß aus politischen Erwägungen mein Name nicht genannt werde.

Die Konferenz im Justizministerium

Hierzu gibt Reichsanwalt Dr. Nagel folgende Erklärung ab: Die Reichsanwaltschaft hat vor der ersten Hauptverhandlung gegen Bullerjahn auf die Vernehmung des Herrn v. Gontard als Zeugen gedrungen Es ist jedoch damals, wie im Januar 1929 der Deffentlichkeit amtlich mit­geteilt worden ist,

auf Grund von außenpolitischen Erwägungen der zuständigen Reichsministerien der Name der bis dahin in den Akten nicht genannten Aus­kunftsperson dem Reichsgericht nicht mitgeteilt worden. Dabei wurde bewußt in Kauf ge­nommen, daß damit das gegen den Angeklagten vorliegende belastende Material abgeschwächt wurde.

Reichsanwalt Dr. Nagel fügt hinzu, daß dem Kriminalkommissar Göpner eine weitere Aussage­genehmigung nicht erteilt worden sei und daß auch die anderen Personen, die an der Be= sprechung im Justizministerium teil­genommen hätten, eine Aussagegenehmigung nicht hätten.

R.-A. Dr. Sinzheimer fragt: Woher kommt der plögliche Wunsch des Außenministeriums? Reichsanwalt Dr. Nagel: Das entzieht sich meiner Kenntnis.

R.-A. Dr. Sinzheimer: Dann ist die ganze Erklärung, wenigstens nach dieser Richtung, mertlos.

R.-A. Dr. Rosenfeld: Nachdem es sich gezeigt hat, daß der Inhalt jener Beratung bezüglich der Schuldfrage von besonderer Bedeutung tst, halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß nunmehr die Ministerien in der Frage der Aussagegenehmigung eine andere Stellung einnehmen werden. Ich be­halte mir vor, auf diesen Punkt zurückzukommen, Jumal ich mich so genau erinnere, mit welcher Energie der Zeuge Göpner den Gedanken ab­gelehnt hat, daß er etwa auf die Geheimhaltung des Namens gedrungen haben tönnte, und mit welcher Entrüstung er die Behauptung des Zeugen v. Gontard zurückwies, daß er, Gontard  , fein Interesse an der Geheimhaltung gehabt habe.

R.- A Dr. Sinzheimer weist darauf hin, daß der Kommissar Göpner dreimal in seinem Protokoll darauf hingewiesen habe, daß die Verschwei

gung des Namens auf Wunsch von v. Gontard geschehen sei.

Der Angeklagte Bullerjahn bringt darauf zur Sprache, daß der Untersuchungsrichter Krüger ihm in einer Vernehmung mitgeteilt habe, der unbekannte Zeuge habe ihm, dem Untersuchungs­richter, auch die Abschrift des Briefes gezeigt, den Bullerjahn angeblich an die Eng­länder gerichtet haben soll. Auf die Frage, wes­halb der Untersuchungsrichter diese Abschrift nicht zu den Akten genommen habe, habe dieser dann erklärt, daß der Zeuge sie nicht aushändigen wollte.

Bors.: Ist denn das richtig? Nach allem, was in den Akten und in der Vernehmung bisher vor­gekommen ist, sollte es doch nur der Gewährs­mann gewesen sein, der den Brief gesehen haben soll..

Der Zeuge v. Gontard erklärt es für ausge­schlossen, daß er dem Untersuchungsrichter eine derartige Briefabschrift gezeigt habe.

Reichsanwalt Dr. Nagel mirft ein, daß der An­getlagte dies bisher noch niemals vorgebracht habe.

Der Angeklagte Bullerjahn erklärt zur Stügung seiner Angabe, daß er unmittelbar im Anschluß an diese Bernehmung einen Brief an seinen Ber­teidiger geschrieben habe, der aber beschlagnahmt morden und nicht in den Besitz des Verteidigers gekommen ist.

Stillegung statt Belebung?

Anfrage der preußischen Landtagsfraktion

Die fozialdemokratische Fraktion im Preußischen Landtag hat eine Große Anfrage eingebracht, in der auf Pressemitteilungen ver­wiesen wird, daß die Zeche Sachsen   bei Hamm  , die der Mansfeld A.-G. und Otto Wolff gehört, an den Bergwertstompler Rheinpreußen verkauft worden sei. Der Generaldirektor von Mansfeld   habe bereits in einem Schreiben an die Betriebsvertretung der Zeche Sachsen   durch blicken lassen, daß das Werk in den nächsten Monaten still gelegt werde.

Es handle sich in dein vorliegenden Fall um einen durch nichts gerechtfertigten Quotenverkauf, der nicht nur die Belegschaft, sondern große Teile der deutschen   Wirtschaft schädige. Die Mans­ feld   A- G. werde seit Jahren vom Reich und von Preußen subventioniert. In den letzten Monaten fei bekanntgeworden, daß die Mans­feld A.-G. ihren unlohnenden Kupferbergbau dem Staat andrehen wolle, während sie die rentablen Verarbeitungsbetriebe in eigener Regie weiterführen möchte. Der Verkauf der Beche Sachsen zeige deutlich die Absicht der Mans­ feld  - Aktionäre, die wertvollen Aktiven zu Geld zu machen und die unrentablen Be­triebe an die öffentliche Hand abzustoßen. Die

Zeche Sachsen   sei in der Nachkriegszeit zu einer der modernsten Schachtanlagen des Ruhrgebietes ausgebaut worden. Die Belegschaftszahl betrage 1400 Mann. Von besonderer Bedeutung sei, daß die Ferngasstrecke der Ruhrgas A- G. nach Hannover   im wesentlichen durch Kokereigase der Zeche Sachsen   und der benachbarten Zeche de Wendel, die gleichfalls stillgelegt werden solle, gespeist werde. Eine Stillegung dieser beiden Bechen   würde die Ferngasbelieferung nach Han­ nover   mindestens auf geraume Zeit erheblich gefährden.

Das Staatsministerium wird gefragt, ob die zuständigen Behörden von den Verkaufsverhand­lungen unterrichtet waren und ihre Zustimmung gegeben haben, oder ob die Staatsvertreter im Aufsichtsrat von Mansfeld   vor vollendete Tat­sachen gestellt worden seien. Weiter wird gefragt, ob das Staatsministerium bereit ſet, bei der Reichsregierung darauf zu drängen, daß Quoten­verkäufe ähnlicher Art künftig unmöglich ge= macht und Stillegungen aus diesem Anlaß ver­hindert werden, sowie, was das Staatsministe­rium zu unternehmen gedente, um die Stillegung der Zeche Sachsen   und de Wendel zu ver hindern.

Motto: Es ist nur ein Experiment,

Ihr wißt den Anfang, ich weiß das End'.

( A. v. Chamisso)

,, Also, Herr Hitler  , entscheiden Sie sich." ,, Wenn ich nur wüßte, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist!"

,, Ankurbelung"

Episode aus der Papen  - Zeit

Zu den häufigst gebrauchten Schlagworten des gottgefandten Papen- Systems gehört das von der ..Ankurbelung der Wirtschaft". Borunter jeder sich das Seine vorstellen kann.

Wenn durch alle Drähte, die über Deutschland  laufen, und wenn über alle drahtlosen Sendungs möglichkeiten den gläubigen und den weniger gläubigen Mitbürgern erzählt wird, die Steuer­gefchente an Unternehmer, in Form von Steuer­gutscheinen auf fünftige Jahre, und die Kopf­prämien für neueingestellte Arbeitskräfte riefen eine Wunderwirkung gegen die Wirtschaftskrise hervor, dann ist es nur zu begreiflich, daß sich auch die Reproduktionsanstalten, für Photos an biefem Wettrenner zur Anturbelung beteiligen möchten.

Bor uns liegt die Nr. 46 der Münchener Illustrierten Zeitung" vom 13. November 1932. Sie bringt auf ihrer Seite 1283 zmei große Bilder: das eine zeigt einen leeren Fabrit. fa al mit der vielfagenden Unterschrift: So fah es noch gestern in einem Fabrikraum aus, gähnend leer die Arbeitshallen...", das zweite zeigt den gleichen Saal, teilweise mit arbei­tenden Männern und Frauen gefüllt, und begleitet von dem Tert:... und heute hat die Fabrit 800 Arbeiter wieder einstellen können."

Die Arbeiter und Angestellten der Firma Lorenz in Berlin   wunderten sich nicht wenig, als sie in den Bildern der genannten Ju­strierten" einen ihnen sehr wohl bekannten Fabrik­saal erkannten, der seit 1930 bis heute völlig unbenutzt steht und leider weder 800 noch sonst Arbeiter aufgenommen hat. Die Photos, die uns vorlagen, stammen aus dem Jahre 1929!

Aber die Zusammenkoppelung der beiden Bilter mit der optimistischen Beschriftung soll der An­furbelungstheorie der Papenisten einen beson­deren Auftrieb geben. Sie erweist sich bei räherer Betrachtung als alles übrige, was die autoritäre Vorsehungsregierung uns beschert hat, nämlich als blauer Dunst!

Borsicht um Trozki

Mit dem Polizeiauto nach Lyon   gebracht

"

Paris  , 21. November. Trotti, der am Montagvormittag an Bord des italienischen Dampfers Braga  " in Mar­ seille   eintreffen sollte, von wo er nach Ropen­hagen reist, ist, um Kundgebungen bei der Lan­dung zu vermeiden, auf hoher See von einem Motorboot der Sicherheitspolizei an Bord ge= nommen und an einer entlegenen Stelle der Meeresküste an Land gesetzt worden. Dort stand ein Polizeiauto bereit, das Troßzki nach Lyon  brachte, wo er den Zug bestieg.

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