Gewerkschaftsbewegung.
Richard Seidel: Die Gemertschaften nach dem Kriege. Berlag J. H. W. Diez Nachf. Berlin 1925. 248 Seiten. in Ganzleinen 6 M.
Prets Die vorliegende Schrift ist als Fortführung der 1914 erschienenen Arbeit von Adolf Braun gedacht:„ Die Gewerkschaften, ihre Entwicklung und Kämpfe". Dem ersten Band von Braun, einer Sammlung von Abhandlungen, die im Laufe von mehr als zwanzig Jahren verfaßt wurden, will der vorliegende Band von Seidel in allen Beziehungen ähnlich jei. Um es vorweg zu nehmen: die Mehnlichkeit nach der technischen Seite hin durfte sich auch auf die Beigabe eines Sachregisters erstrecken, obfchon die eine oder die andere Frage an mehreren Stellen des Buches berührt wird.
Naturkunde.
Felig Eberty: Die Gestirne und die Beltgeschichte Berlin . Verlag I. M. Spaeth. 1925.
Nach dem Titel des Heftchens tönnte man etwas Astralogisches vermuten, das nicht gerade zum Lesen reizt. Aber der Untertitel Gedanken über Raum, Zeit und Ewigkeit" verrät doch anderen Inhalt, und wenn man erfährt, daß der rühmlichst bekante Philo foph Stelfon das Schriftchen neu herausgegeben und fein Geringerer als Albert Einstein ihm ein furzes Geleitwort mitgegeben hat, wird das Interesse rege. Man hat auch nicht nur ein Durchblättern, sondern ein aufmerksames Lesen des nur 48 Seiten umfassenden Heftchens feineswegs zu bedauern. Der Verfasser geht von der Tatsache aus, daß das Licht zu feiner Ausbreitung im Raum Zeit gebraucht, und daß daher das Geschehen auf unserer Erde in ver Denten wir uns etwa überall im Raum ein Auge mit der Fähigkeit, auch in den größten Entfernungen noch Einzelheiten auf der Erde zu erkennen, so würde alles nacheinandergeschehen, also die ganze Weltgeschichte zu einem räumlichen Nebeneinander ausgebreitet liegen, und denken wir uns ein Auge etwa in einer Stunde den Weg Don 6000 Lichtjahren bis zur Erde durchmessen, so würde dieses in der furzen Zeit einer Stunde die Geschichte von 6000 Jahren durch
leben.
Es verlohnt, dem geiftvollen Berfasser in feinen mannigfachen Schlüssen aus der unzweifelhaften Tatsache der zeitlichen Licht ausbreitung zu folgen. In glücklicher Weise werden hier philo sophische Betrachtungen an naturwissenschaftliche Tatsachen angeknüpft.
Seidels Schrift umfaßt den Zeitraum vom November 1918 bis zur großen Wirtschaftstrife des Herbstes 1923 und zur Wiederkehrschiedenen Entfernungen zu sehr verschiedenen Zeiten sich darstellt. ber stabilen Währung. So wurde denn ein gewiffer 2 bit and zu den Vorgängen während der wildbewegten Zeit der Gährung in den ersten Jahren der Nachkriegszeit gewonnen, der sich für die Betrachtung und Beurteilung der Dinge als vorteilhaft erweist. Hinzu fommt, daß Seidel weder Nurtheoretifer noch Nurgewerkschafter ift, sondern mitten im Gewerkschaftsleben steht, jedoch an einer Stelle, mo ihm der lleberblick nicht durch die Alltagsarbeit verengt wird. Im ersten Teil: Neue Wege" wird die Entscheidung des Nürnberger Gewerkschaftsfongresses hervorgehoben, die bisherige Mitbestimmung der Gewerkschaften bei der Festsetzung der Lohn und Arbeitsbedingungen auf die Mitbestimmung bei der Verwen dung der Arbeitskräfte und Produktionsmittel auszudehnen, wie auch auf die Gestaltung einer gesellschaftlichen Organisation der Arbeit. Der Abschnitt Gewerkschaft und Wirtschaft" besteht in einer theoretischen Auseinandersehung darüber, ob die Gewerkschaften fortab weniger Wert auf die Verbesserung der Lohn- und Arbeits bedingungen oder statt deffen das Hauptgewicht auf die Demokrati fierung der Wirtschaft legen sollen. Der Standpunkt, den Seidel vertritt, daß das erweiterte Aufgabengebiet ein einheitliches iſt, tommt auch in den Beschlüssen des Breslauer Gemertschaftsfongresses zum Ausdrud Besonders beachtenswert ist der Abschnitt über Politik und Gewertschaftsbewegung, das Berhältnis zmijchen Gewerkschaften und Bartei. Der Anspruch der Kommunisten, die Gewerkschaften ihren Parteiinteressen dienstbar zu machen, unter Berufung auf das freundschaftliche Verhältnis zwischen der Sozialdemokratischen Partei und den Gemertschaften wird hier unter Be tonung der politischen Neutralität der Gewerkschaften entschieden zurückgewiesen. Der zweite Teil der Schrift zeigt den Aufstieg der Gewerkschaften und die Ausbreitung der Tarifverträge, befaßt sich mit Tarifvertrags- und Schlichtungswesen als taftischen Problemen und schließt mit einer Darstellung über die Krise und den Wiederaufbau auf Grund lohnpolitischer Betrachtungen
und des Rampfes um die Arbeitszeit.
Das Thema Sozialpolitit und Gewertschaften mird in den Abschnitten Sozialpolitik und Arbeitsrecht, Ursachen und Wirkungen der Sozialpolitik behandelt, sowie in einer Betrachtung über das moderne follettive Arbeitsrecht, einem Beitrag zur Krise der Sozialpolitik in Berbindung mit dem Betriebsrätegesetz und einer lebersicht über die internationale Sozialpolitik. Gemert fchaften und Unternehmerverbände bilden den Rahmen des vierten Seils, in dem uns Seidel die organisierten Unternehmer als unberufene Schulmeister der Gem rfschaften und des Reichsarbeitsminifteriums zeigt und für sozialpolitische Selbstverwaltung eintritt. Die Verfassungsfragen der Gemertschaften werden in dem folgenden Teil behandelt, der die Konzentration der organisatorischen Kräfte schildert, das gegenseitige Verhältnis zwischen Gemerffchaften und Betriebsräte darlegt und schließlich in dem Abschnitt Der moderne Industrieverband" das Problem der Organisationsform. Der ge wertschaftlichen Bildungsarbeit ist ein besonderer Abschnitt gewidmet. Der Gegensatz zwischen der Amsterdamer und der Mos fauer Gewerkschaftsrichtung, vielmehr zwischen den Gewerkschaften und der Kommunistischen Partei, wird aufgezeigt in dem Kapitel über die Internationale. Im legten Teil der Schrift: Die Gewerkschaftsbewegung der Angestellten und Beamten" erörtert der Berfasser die Brobleme der Angestelltenbewegung und die Stellung der Beamtenfchaft in der Gewerkschaftsbewegung.
Was das Seidelsche Buch für die Gewerkschaftsmit. glieder und auch für andere Intereffenten außerdem wertvo!! macht, ist der Umstand, daß die Gedankengänge des Verfassers mit den Auffassungen der Gewerkschaften durchweg übereinstimmen. Jeder, der sich über die Gewerkschaften in der Nachkriegszeit genau informieren mill, greife zu dem Buch von Seidel Friedrich Eßtorn.
Praktisch denkennützlich fchenken!
Erwähnt sei noch, daß das Berfchen schon 1846, also vor rund 80 Jahren, damals anonym, erschienen ist. Eine zweite Ausgabe besorgte der Verfasser 28 Jahre später. Der hier vorliegenden Neuausgabe ist die weiteste Berbreitung zu wünschen.
Bernhard Hell : J. Robert Mayer und das Geset von der Erhaltung der Energie. Frommanns Verlag. Stuttgart . 1925.
Es ist immer reizvoll, den Weg eines schöpferischen Genius und die Spuren feines Schaffens sowie sein Birken oder Nichtwirken auf die Beitgenossen und die Gründe dafür zu verfolgen. Auch die größten Geistestaten find ja stets historisch bedingt, und speziell auf dem Gebiete der eraften Naturwissenschaften zeigt der geschicht. liche Verlauf, wie jeder einzelne große Name auch sehr wohl hätte ausfallen fönnen, ohne daß die geschichtliche Entwicklung eine andere oder erheblich langsamere gewesen wäre. Das darf natürlich nicht hindern, die Verdienste der einzelnen freudig anzuerkennen und beftimmte Erkenntnisse und Errungenschaften dauernd mit ihren Namen zu verknüpfen, wie das Gesez von der Erhaltung der Energie bauernd mit dem Namen Julius Robert Mager verknüpft bleiben wird.
In der Darstellung Hells tritt freilich die historische Bebingt heit nicht so flar hervor, wie ich es gewünscht hätte; auch macht die Borliebe für seinen Helden Hell ungerecht gegen die anderen großen Physiker, durch deren Arbeit das Energieprinzip erst zum Allgemeingut der physikalischen Wissenschaft geworden ist. Immerhin wird man mit Interesse Mayers an Enttäuschungen und Ber. fennung reichen Lebensweg verfolgen.
Daß das Buch in einer Bibliothek philosophischer Werte ers Schienen ist, ist bei der ganzen Dentrichtung Mayers, die zu einem sehr erheblichen Teile bas anfängliche Richtverstehen und Uebersehen in Physiterfreifen verschuldet hat, durchaus angebracht.
Technik.
M. Heiderich und H. Weber: Der junge Tischler. Seine Erziehung zu wahrhaftigem und schönem Schaffen. Berlagsanstalt des Deutschen Holzarbeiterverbandes G. m. b. S. Preis geb. 8 M ( Für Mitglieder des Holzarbeiterverbandes Ermäßigung.)
Ein prächtiges Buch, nicht nur für den Tischler, sondern für jeden, der an schönen und praktischen Möbeln Freude hat. Dieses Buch, das so praktische Dinge behandelt, will an die Seelen und Herzen der Menschen rühren. Es will zeigen, daß auch in toten Dingen etwas vom Geiftigen lebt. Es behandelt unseren Hausrat von der ästhetischen Seite her, und darum ist es erheblich mehr als ein Lehrbuch für den jungen Tischler. es ist ein Kulturbuch schlechthin. Die Verfasser weilen zunächst auf das Schaffen des Tischlers in ver gangenen Zeiten hin und auf den Gegenjag, den dazu der Tischler bildet, der gezmungen ist, Dugendware anzufertigen. Sie meisen
SEIT 1872
FÜR
GRUMACH
bann Wege zu neuem und schöneni Schaffen, führen ein in die Geele des Rohstoffes, des Holzes, und dann erst tommen sie auf all die Herrlichkeiten zu sprechen, die aus dem Holz entstehen fönnen. Da gibt es Kleiderablagen und Küchen, die das Herz jeder Hausa frau erfreuen können. Alles ist gediegen, ganz dem Zweck ent prechend, den diese Möbel erfüllen sollen. Auch die jetzt besonders in den Siedlungshäusern so beliebte Wohnküche ist in schönen Abbildungen vertreten. Mit vielem Geschmack sind die Wohnzimmer behandelt. Hier findet auch die etwas in Vergessenheit geratene Kommode warme Fürsprecher um ihrer Zweckmäßigkeit willen. und dann der schöne Stuhl am Fenster mit einem praktischen Nähtisch davor! An Fenstervorhänge, Tapeten und vor allem an richtige Beleuchtung ist gedacht. Alle diese Dinge müssen harmonisch auf. einander abgeftitimt merden, wenn ein wohnlicher Eindruck entstehen foll Zum Schlafzimmer sou das größte und hellste Zimmer dienen. Seine Möbel sollen ebenfalls zweckmäßig sein. Das ganze Zimmer soll Gesundheit, Ruhe und ernste Würde atmen. So schön und so nötig Kinderzimmer sind, so find sie leider für den Arbeiter immer noch nicht erfunden. Das gleiche gilt für die Diele, das Empfangsund das Musitzimmer, und nicht zuletzt für das Eßzimmer. Gewiß. der Tischler muß diese Dinge beruflich beherrschen. Wir anderen aber fönnen aus ihnen lernen, wie weit wir noch von wahrhaft fulturvollem Wohnen entfernt sind. In den hier beschriebenen und dargestellten Räumen ist jene vornehme Gesinnung zu finden, die den Menschen, der in ihnen feine Zuflucht fucht, fofort aus dem Alltagsbetriebe heraushebt und ihm die Möglichkeit bietet, sich zu erheben und mit neuer Kraft aufzuladen. Gerade dieses Buch zeigt, welche Kluft zwischen dem Menschen, der in kulturellen Wohnungen leben darf und dem, der in elenden Löchern hausen muß, besteht. Und darum ist auch dieses Wert, das jeder Proletarier lesen follie, ein fräftiger Ansporn für alle Vorwärtsstrebenden, mitzuarbeiten am Aufstieg der Arbeiterklasse. Willi Möbus.
Neue Bücher.
( Besprechung der eingegangenen Bücher bleibt vorbehalten.) Martha Berger. Das Leben einer Frau.( Roman.) Ritola- Verlag, Wien . G. Büchmann. Geflügelte Morte. Haude u. Spenersche Buchhandlung Mar Bajchle, Berlin .
&
S. Desberry. Ejus.( Roman.) Neue- Welt- Verlag, Jena . Döblin . Reise in Polen. S. Fischer, Berlin .
Adele Elfen. Die sechs Töchter des Ratsherrn Abderhalden. K. Thiene. Eichbach. Kinderelend, Jugendnot. E. Zaub, Berlin . Th. Fontane . Savelland. Cottasche Buchhandlung, Stuttgart , Berlin . Galsworthy . Die Forfute- Sage.( Roman in zwei Bänden.) Banl Bjolnay, Wien .
&
Sirja. Grundriß der Sozialöfonomie. V. Abt. : Handel, TransportHirsch. Das amerikanische Wirtschaftswunder. S. Fischer, Berlin .
und Bankwesen. J. C. B. Mohr, Tübingen .
Klabund. Lesebuch. Friz Heyder, Berlin- Zehlendorf. R. Klaeber. Empörer! Empor! Der Syndikalist, Berlin , B. Kellermann . Die Brüder Schellenberg. S. Fischer, Berlin . B. Margueritte. Der Weg zum Frieden. Appell an die Gewissen! Verlag
Fritjof Nansen . Unter Robben und Eisbären. F. A. Brpdhaus, Leipzig . G. Obst. Wie studiere ich Betriebswirtschaftslehre?. E. Boeschel, Stuttgart .
2. Berjius Menschen und Schiffe in der kaiserlichen Flotte.... Dieb, Berlin .
. Bilby. Los geheimnisvolle Arabien . Zwei Bände. F. A. Brod
5. Reiler. Binscham, der Landstreicher. Deutsche Buchgemeinschaft, Berlin
E. b. Salzmann. Gelb gegen Beiß. F. A. Brodhaus, Leipzig . Miguel de Unamuno . Abel Sanchez, Tie Geschichte einer Leidenschaft.- Das tragische Lebensgefühl. Der Spiegel des Todes. Sämtlich bet Mever u. 3effen, München .
-
Dr. E. Besthoff. Spitem des Wirtschaftsrechts. Bd. I: Wesen und GrundLagen. C. 2. Sirschfeld, Leipzig . D. Wöhrle. Das Bumser- Buch. See- Verlag, Ronstanz.
$. Zille. Zwischen Spree und Banke. G. Reikner, Dresden . Ter Staat, das Recht und die Wirtschaft des Bolschewismus. Dr. W. Rothschild, Berlin- Grunewald. Sozialdemokratischer Parteitag in Heidelberg 1925. Protokoll. J. H. W. Diet, Verlag. Frankfurter Sozietätsbruderei,
Sämtliche hier angezeigten und besprochenen Bücher sind in der Buchhandlung J. H. w. Dieh. Berlin SW. 68, Lindenstraße ( Caden), erhältlich.
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