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16. Januar 1927

15 M.

Blick in die Bücherwelt

Wirtschaftswissenschaft  .

Heinrich Cunow  : Allgemeine wirtschaftsgeschichte. Band 1: Die Wirtschaft der Natur- und Halbkulturvölker. Berlag Dich, Berlin  . 547 Seiten. Preis: Ganzleinen, gut ausgestattet In der wirtschaftsgeschichtlichen Literatur gab es bisher fein größeres wissenschaftliches Wert, das einen systematischen Leberblick bot über den gesamten wirtschaftlichen Entwicklungsgang von der Jagd- und Sammelstufe der primitiven Völker bis zur kapitali stischen Wirtschaft. Diese empfindliche Lücke auszufüllen, hat Heinrich Cunow   sich zur Aufgabe gemacht. Der nunmehr vorliegende erste Band feiner auf insgesamt vier Bände berechneten ,, Allgemeinen Wirtschaftsgeschichte" behandelt jene ebenso inter­effanten als vielumstrittenen Perioden der menschlichen Wirtschaft, die gewöhnlich unter dem Begriff der Urwirtschaft" zusammengefaßt merden. Cunow verzichtet von vornherein grundsäßlich auf jedes Konstruieren und Theoretisieren: Nur eine sorgfältige Untersuchung und vergleichende Betrachtang der noch bei den heutigen, in der Entwicklung zurüdgebliebenen Natur- und Halbkulturvölkern vor­handenen Wirtschaftsverhältnisse ermöglicht es, zu erkennen, welche mirtschaftliche Wegstrede einst in grauer Borzeit von den Menschen im harten Kampf ums Dasein zurückgelegt worden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Menschen bei ihrer Wirtschaft von ihrer natürlichen und ihrer gesellschaftlichen Umwelt abhängig sind. Ferner ist in Betracht zu ziehen, inwieweit die Gemeinschaften in der Lage maren, von anderen Gemeinschaften Produkte, Erfahrungen und Er­rungenschaften zu übernehmen. Onu spis

Diese Grundsätze streng innehaltend, führt. Cunow uns in die Wirtschaft einer großen Anzahl sogenannter primitiver Völker ein. ( Tasmanier, Auftralneger, Beddas, Buschmänner, Botokuden, nord­amerikanische Indianer, Altmerikaner, Altperuaner, Papuas, Mela­nefier, Bitiinfulaner, Polynesier, Malanenstämme, Hottentotten, Aaffern, Hereros, Kirgisen und Kaimüden um nur die wichtigen zu nennen.) Das Werf enthält eine erstaunliche Fülle an Material, für deffen Zuverlässigkeit der wissenschaftliche Name des Verfassers bürgt. Cunom legt dar, daß die Wirtschaft der primitiven Völker nichts Einheitliches ist, sondern eine ganze Stufenleiter der verschiedensten Wirtschaftsformen umfaßt. An zahlreichen und charakteristischen Beispielen veranschaulicht, lernen wir immer neue, höhere Formen der Wirtschaft kennen. Die Gesezmäßigkeit in der wirtschaftlichen Entwicklung wird aufgezeigt. Manche der überlieferten Lehr­meinungen( z. B. über die Entstehung von Ackerbau und Viehzucht) werden dabei zerstört. Cunow untersucht bei jedem Bolk die natür lichen Vorbedingungen, unter denen es wirtschaften muß: zeigt, auf melche Weise es seine Nahrung gewinnt und zubereitet, weldze ge­merblichen Künste es entwickelt hat, wie feine soziale Gliederung und feine Arbeitsteilung beschaffen ist, welche Ansiedlungsformen es herausgebildet hat, welche Eigentums und Erbschaftsformen sich nachweisen lassen, welche Handelsverbindungen es geknüpft hat. Wechselbeziehungen werden aufgezeigt. Die verschiedenen Völker­schaften werden miteinander verglichen. Es wird flargelegt, was ein Boll aus älteren Formen in die Wirtschaft übernommen und was es an neuen hinzugefügt hat. Dabei wird das Selbsterworbene von dem geschieden, was einem Bolf aus anderen Kulturen auf dem Wege des Handels( oder auch durch Raub) zugeführt wurde.

So ergibt sich eine große Reihe von Einzelabhandlungen, die aber alle organisch so miteinander verbunden sind, daß sich die großen Linien der Entwicklung deutlich abheben: Die ursprünglichen Jäger und Sammler werden allmählich febhaft; sie lernen den Boden bebauen, das Vieh züchten. Je leichter die Nahrungsgewinnung, desto mehr Zeit wird frei für gewerbliche Künſte; je mannigfaltiger die Wirtschaft verschiedener Gemeinwesen ist, desto mehr entwidelt fich der Austausch. Die Arbeitsteilung greift auf immer neue Gebiete iber. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg nehmen die sozialen Organi­fationen( Horden, Stamme) an Größe zu, und ihre innere Gliederung wird mannigfaltiger. Die Ausbeutung entwickelt sich. Die Eigen tumsverhältniffe geftalten fich allmählich um.

Dies in aller Rürze die wichtigsten der Probleme und Fragen, die behandelt werden. Wir können jedem, der sich für Wirtschafts­ind Kulturgeschichte interessiert, nur dringend raten, zu Cunows Buch zu greifen. Christian Döring.

Politif.

Gustav Bollatschef: Habsburgerlegenden. Wiener  Bolfsbuchhandlung. Wien  . Geheftet 2,65 M., gebunden 3,60 m. Auf 140 Seiten hat Genosse Dr. Bollatschef, seit über 30 Jahren Redakteur unseres Wiener   Bruderblattes, zunächst einiges Allgemein gültige über die Monarchen und dann eine Fülle historisch ge­ficherten und nur nach genauer Prüfung verwendeten Materials über die Habsburger zusammengestellt. Wie die Schweizer   ihre Freiheit gegen die Herrschsucht dieses schweizerischen Grundherren­gefchlechtes erfämpften, wie diese Familie sich mit Lift und Tücke in den Besitz Desterreichs gesetzt, durch seine Heiratskunst die deutsche Raiserwürde sich angeeignet hat, durch Kirchendienerschaft das Papft. tum auf seine Seite brachte, aber daneben auch gelegentlich die ihm Schußbefohlene Kirche um wertvolles Gut zu erleichtern wußte, wie es vor allm die Bölfer niederhielt und die Blutzeche für Habsburgs Ariege zahlen ließ bis zum graufen Ende, das schließlich auch die Habsburgermacht verschlang das alles ist ebenso interessant wie tampfbegeisternd dargestellt. Gerade jezt, wo die ungarische Wahl schmach zur Vorbereitung der Wiedereinsetzung der Habsburger   ver brochen wurde, ist das Buch sehr aktuell; es wäre auch sonst inter ant biefer Sabsburger marige und och interessant für uns alle, über die Kriegs- und Nachkriegselend nicht

feine Widerlegung monarchistischer Geschichtsfälschung

Richard Bernstein.

Urkunden zur Politit unserer Zeit. Handbuch der Politit. Bd. 6. Dr. Walter Herausgeber Mendelssohn- Bartholdy. Berlin   1926. Rothschild  . 524 Seiten. Preis geb. 24 m.

Diefer Urkundenband erscheint als Schlußband des verbreiteten Handbuchs der Politik, das in dritter Auflage vorliegt. Er enthält

bedeutende Staatsurkunden aus, fortwirkender Vergangenheit", von der französischen   Revolution bis zur Gegenwart von Locarno  . Es find meist Urkunden, die, in Sammelwerken und amtlichen Publika­fionen vergraben, gemeinhin nur dem Fachmanne zugänglich sind". Jeder Urkunde ist eine tnappe Einführung mit sorgfältigen Literatur: angaben vorausgeftellt. Der Band zerfällt in sechs Hauptstüce; jedes beginnt mit einer Auswahl aus den politischen Schriften der Zeit. Raumgründe haben die Auswahl der Urfunden auf das Politische beschränkt, und hier den Urkunden der großen Politik Verfassungen auswärtiger Politit einen gewiffen Borrang gegeben. Es müsse, bemerkt der Herausgeber, späteren Sammlungen vorbehalten bleiben,

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Beilage des Vorwärts

Rückversicherungsvertrag. Engels: Ueber die die Konkurrenz. Unterscheidung eine Abgrenzung des Proletariats" gegenüber den Kropotkin   über gegenseitige Hilfe. Erfurter Programm. Rede überhaupt Erwerbstätigen  , die oft wertvolle Erkenntnisse vermittelt. Bülows über den Daily Telegraph  "-Artitel 1908, englisch­französischer Notenwechsel 1912 über die Entente. Defterreichs Ultimatum an Serbien  . Deutsche   Kriegserklärung an Rußland  . Friedensresolution des deutschen   Reichstags 1917, Friedensvorschläge der russischen Regierung 1917. Wilfons 14 Punkte, Telegramm­wechsel zwischen Auswärtigem Amt und Oberster Heeresleitung über das Friedensangebot an Wilson, Aufrufe der neuen Volksregierungen. Deutsche Parteiprogramme 1918-1921, Eröffnungsrede der Washing­toner Abrüstungskonferenz, Rapallovertrag 1922, Deutsch  - polnischer Minderheitenschutzvertrag, russische Räterverfassung 1923, amtliche Inhaltsangabe des Dawes- Berichtes, Sieg des Linkskartells in Frank reich, Genfer Protokoll, englische Wahlaufrufe 1924, deutsche Wahl. aufrufe 1924, Verträge von Locarno  .

Aus, dieser Aufzählung geht die äußere Unparteilichkeit und die innere politische Tendenz dieser Sammlung hervor. Für eine spätere Auflage wäre zu bemerken, daß aus vielen Dokumenten mit Nußen minder wichtige Stellen herausgelassen werden könnten. Jede Bücherei, die die ersten Bände fich angeschafft hat, sollte sie durch diesen Urkundenband ergänzen. Er ist eine spannende Lektüre für jeden, der die stumme und eindringliche Sprache solcher Dokumente zu lesen versteht. Für die historische Bildungsarbeit bietet er eine auserlesene Fülle von politischem Anschauungsmaterial. Wolfgang Schwarz.

Rechtsprechung.

Dr. Siegfried Weinberg: Der Altohol vor dem Straf richter. Unter besonderer Berücksichtigung des neuen Strafgefeß entwurfs. Berlin  , Deutscher Arbeiter Abstinenten Bund, 1927. 36 Seiten.

Eine alte Weisheit sagt, daß Krankheiten vorbeugen besser ist als Krankheiten heilen. Dazu kommt als neue Erkenntnis, daß unser Strafverfahren nebst vollzug feineswegs geeignet ist, der Krankheit Verbrechertum mirklich Heilung zu bringen. Um so wichtiger also die Borbeugung. Die Verbrechensquelle, die stärker als jede andere, ja im großen Feld der Leidenschaftsvergehen stärker als alle anderen zusammen sprudelt, ist der Alkohol, seine Einschränkung mithin die wichtigste Waffe zum Schutz der Gesellschaft. Genosse Weinberg gibt in seiner Schrift eine gute Uebersicht über das weite Gebiet. Er zeichnet den Zusammenhang des Alkoholismus   mit dem Kapitalismus, wobei die scheinmarristische Naturnotwendigkeit" der alkoholischen Entartung als Folge der tapitalistischen Ordnung treffend zurückge­wiesen wird. Mit derselben Begründung, mit der man den Kampf gegen den Alkoholismus   unter der jetzigen Gesellschaftsordnung ab­lehnt, müßte man auch den politischen und gewerkschaftlichen Tages: fampf ablehnen.... Wäre Wilhelm Weitling   statt Deutschlands  erster Kommunist ein Alkoholiker oder Verbrecher geworden, unsere Fatalisten hätten bewiesen, daß er es als unehelicher Sohn eines

armen Weibes habe werden müssen!"

Auch die ,, Sünden der Väter", die verhängnisvolle Wirkung des Alkohols auf die Nachkommen, sowie auf Grund reichen statistischen Stoffes, die unmittelbar Straftaten auslösende Wirkung des beliebten Genußmittels werden in ihren mannigfachen Beziehungen beleuchtet. Als Gegenbild erscheinen die segensreichen Folgen der in anderen Ländern durchgeführten einschränkenden Maßnahmen. Ein Blick auf das geltende Recht und eine Kritik der hier in Frage stehenden Vor­schriften im Entwurf eines neuen deutschen   Strafgesetzbuches schließen das verdienstliche Schriftchen, das auf tnappem Raum reiche Auf­flärung über eine der wichtigsten Seiten des sozialen Geschehens. ver. breitet und im Hinblick auf die bevorstehende Strafrechtserneuerung Simon Kagenstein. besonderes Interesse bietet.

Statistit.

Wladimir   Wonfinity: Die Welt in Zahlen. Populäre Darstellung der Ergebnisse der Forschung auf allen Gebieten der Statistit. Buchverlag Mosse, Berlin  . Band I bis III. 236, 376 und 320 Seiten, mit zahlreichen bunten Tafeln. Preis fart. 17, 25 und 21 Mart.

Die moderne Statistit ist nicht sparsam mit großen, auch viel­bändigen Veröffentlichungen. Was diesen Veröffentlichungen aber bisher fehlte, war das große Bublifum. Statistit war eine Domäne der Wissenschaft oder der speziellen Politif, gleichviel ob Staats­oder Intereffenpolitif. Die Beit scheint dafür reif zu sein, den Er­gebnissen der statistischen Forschung das große Publikum zu ver­schaffen. Es ist ein Zeitungsverlag von europäischer Bedeutung, der das Unternehmen beginnt.

Die Welt in Zahlen" ist der Titel des ersten großen Berjuchs, die Erkenntnisschäze der Statistit zu popularifieren. Der Titel spricht für sich. Es tommt noch auf die nähere Absicht bei der Durch führung und auf das Gelingen an. Wissenschaftlicher Sachmalter des Werkes, Verfasser des Tertes ist Wladimir Woytinsky  , jener russische  Gelehrte und Publizist, von dem im Diez Berlag eine eindring liche Behandlung der Bölkerbundprobleme erschien. Daß der Ber faffer im Weltmaßstabe politisch interessiert ist, gibt dem Werf einen programmatischen Charakter. Ohne daß es näher ausgesprochen wird, werden in systematischer Ordnung die gemessenen und gewogenen Tatbestände des organisierten Menschentuns als Massenerziehungs mittel dargeboten für bewußte rationelle Politif. Zur Rationa= lisierung des politischen Handelns der Menschen die Grundlagen zu schaffen, das scheint das große Ziel. Die Ergebnisse fondern auch des Rampjes zur Berbefferung der sozialen Ber: der Statistit als mächtiges Rüstzeug nicht nur der Erfenntnis, hältnisse jenem breiten Personenkreis zuzuführen, dem die Unzahl der Tabellen und die Kompliziertheit des statistischen Apparats die statistischen Erkenntnisse immer unerreichbarer macht," so beschreibt das Vorwort die Absichten des Verfassers. Jeder Benutzer des Werkes foll mühelos eine Antwort auf jede beliebige ihn inter­effierende Frage erhalten, soweit die Statistit antworten kann. Die Absicht ist also, für breiteste Kreise ein statistisches Legiton zu schaffen, in dem die Wissenschaft der Statistik praktisch wird. Der Gesamtplan umfaßt sieben Bücher: Erde, Bevölkerung und Boltsreichtum, die Arbeit, die Landwirtschaft, das Gewerbe, Handel und Verkehr, der Staat, politische und Moralstatistik. Innerhalb der Grenzen des vorhandenen Materials soll jedes Buch über die in ihm behandelten Fragen im Weltmaßstab antworten. Erschienen sind die ersten drei Bände.

Daß in diesem Bande die gesamte Statistit zur Arbeiterfrage, und zwar international zusammengefaßt ist, macht besonders diesen Band als statistisches Handbuch für die Arbeiterschaft wertvoll. Bedauern fann man allerdings, daß die proletarische Haushalts rechnungs und Genossenschaftsstatistik darin fehlt. Der dritte Band befaßt sich mit den Weltdaten der Landwirtschaft. Er ist pielfach nicht so günstig aufgenommen worden wie die beiden ersten Bände, obwohl das in ihm gebotene Material das vollständigste und auch am besten kommentierte ist. Zum Teil könnte das an der geringeren, unmittelbaren Anschaulichkeit der bunten Tafeln liegen, die ihren spröden Stoff weniger einprägsam und übersichtlich dar­stellen. Wahrscheinlicher aber ist, daß der Wille zur Eraktheit, zur Breite führte und damit die Linienführung populärer Erflärung erschwerte.

Der Wert des großen Unternehmens von Woytinsky, das zeigen schon die drei ersten Bände, fann kaum überschätzt werden. Wenn man sich vorstellt, daß mit den fieben Bänden der Großteil der statistischen Welterfahrung für die breitesten Kreise handlich erreich bar und zur allgemeinen Urteilsbildung praktisch verwertbar geworden sein wird, ist an der Berechtigung und dem Wert des Unternehmens nicht mehr zu zweifeln. Für allgemeine Unzuläng lichkeiten der statistischen Wissenschaft, die heute noch sehr starf unter der Begriffsvermirrung der Wirtschaftswissenschaft leibet, ift natürlich der Popularisator statistischer Ergebnisse nicht ver antwortlich zu machen. Da man das ganze Wert mit gutem Recht als statistisches Lerifon bezeichnen darf, wäre seine weiteste Berbreitung zu münschen. Das wird der enorme Preis der Bände allerdings perhindern, so daß ihre Anschaffung zunächst den Bibliotheten vors behalten bleiben wird. Das große Bublifum, für das das Werk berechnet ist, verlangt billigere Preise.ondasjenigen Gustav Klingelhöfer  ,

Erzählende Literatur  .

Emil Felden  : Eines Menschen eg. Ein Friß- Ebert Roman. Friesen- Berlag, Bremen  .

Frizz Eberts erfolgreiches politisches Birken in Bremen   führte dazu, daß er 1905 durch den Jenaer   Parteitag in den sozialdemo fratischen Parteivorstand berufen wurde. Noch heute sind die Bremer   Genossen mit Recht auf die Zeit stolz, in der sie den ges borenen Süddeutschen den Ihren nennen durften. Genosse Emil Felden  , der Bremer   Pastor von St. Martini  , hat aus diesem Milieu heraus sein Ebertbuch geschrieben. Sein Buch soll Leine Biographie jein. Er nennt es im Untertitel einen Roman. Und Präsidenten der deutschen Republik dem deutschen   Bolke menschlich es gelang Felden, ein gutes Volfsbuch zu schreiben, das den ersten nahe bringt.

Der Form nach ist das Buch Dichtung. Stofflich zeigt es das Bestreben nach Wahrheit, soweit das die Form der Dichtung zuläßt. Felden schildert liebevoll, wie Ebert wurde: Sohn eines Handwerksmeisters, wird der flügge gewordene Sattler bald hinein­geworfen in die Welt des nach 1871 stürmisch vordringenden deutschen   Kapitalismus  . Im Wirtschaftskampfe ist der aufgewecte Gefelle bald unter seinen Arbeitsgenossen führend in dem Willen, einen Klassengenossen zu helfen. Dabei lernt er die Not kennen, die damals keinem Vorkämpfer der Gewerkschaften und der Partei erfpart blieb. Felden treibt feine Schönfärberei. Wir sehen Ebert als Brotfahrer der Bremer   Bäckereigenossenschaft und als Gastwirt fich mühselig durchs Leben schlagen, che er durch das Bertragen der Bremer   Arbeiter deren erster Arbeiterfekretär wurde. In den Beiten der Not Stählte sich Eberts Charafter. 1919 nach dem Zu fammenbruch an die höchste Stelle des Reiches gestellt, vergaß er nicht, woher er fam und was er der Partei verdankte, die ihn die Borstufen zu seiner letzten und höchsten Wirksamkeit heraufgeführt hat. Die Amerikaner wären auf einen solchen Bürger stets so stolz gewesen, wie auf ihren Abraham Lincoln  . Bei uns aber verfolgt das honette Bürgertum jene Männer, die sich feine Eramenweisheit ersessen haben, mit blödem Sohn, menn nicht mit Haß, wie ihn Ebert an feinem Lebensende so bitter zu foften betam.

Feldens Buch verdient es, nicht nur Arbeiterleser, sondern por allem auch viele bürgerliche Leser zu finden. Die liebevolle Art, in der Felden Ebert auf seinem Lebenswege begleitet, wird manches Fehl urteil ändern können. Es ist ja heute leichter, Ebert gerecht zu Hermann Müller   Franten. Bictor Hugo: 1793:( Roman.) Wegweiser Berlag, Berlin  .

werden, da er fot ist.

442 Seiten.

N

Ein. farbenbuntes Gemälde der französischen   Revolution, ein Epos und zugleich ein Lehrbuch revolutionärer Weisheit. Bicomte Gaurin, von einem stoischen, revolutionären Briefterphilosophen er­zogen, tritt in das Volksheer und wird selbständiger Komman­dant einer Heeresgruppe, die den Aufstand in der Bendée zu be bekämpfen hat. Das Schicksal bestimmt zu seinem überwachenden Zivilkommissar fenen ehemaligen Erzieher, zu seinem Gegner im Bürgerfrieg seinen Onkel, den Marquis von Lantenac. Der Mar quis, die gute, alte Gewohnheit des Herrschens" in jeder Musfel feines Körpers, in jedem Gedanken seines Hirns, ein harter, er­harmungsloser Heerführer, fällt, der umflammernden Belagerung schon entflohen, durch die Rettung dreier Kinder doch wieder in die Hände der revolutionären Truppen. Nach Recht und Gesch des Krieges ist er dem Tode verfallen, doch sein Neffe, der junge. Kom­mandant der Revolutionsarmee, rettet ihn aus der Gefangenschaft am Abend vor seiner Hinrichtung, trotzdem er weiß, daß er diese eigenen Lebes Gegners, Des der mitt Rettung seines Gegners, des Feindes der Revolution, mit seinem nur vor dem revolutionären Tribunal, sondern auch vor seinem eigenen Gewissen verdammenswertes Verbrechen an seiner höheren Vor dem Kriegsgericht fordert er ſelbſt Pflicht begangen hat. und sein Lehrer, Vater, Freund, diesmal sein Richter, feinen Tod urteilt und verurteilt jeinen Liebsten Menschen als den Mann, der das schwerste Verbrechen beging, das Verbrechen gegen die Revo­lution. Denn die Revolution fann nur siegen, wenn sie erbarmungs­Los fämpft, erbarmungsios wie der Frühlingssturm, der für neues Blühen und Früchtetragen Plaz schaffen muß.

Herrlich das letzte Gespräch zwischen Lehrer und Schüler, in dem der todnahe junge Mann zum Propheten wird, dem sich die graue, eiskalte Weisheit des Lehrers beugt. Neben den drei. Haupt­figuren, drei Charakteren von antifer Größe, lebt in diesem Buche die ganze Revolution, von Danton   und Robespierre   bis zu bein letzten Soldaten, von Paris   bis in die Wälder der Bretagne  . Mehr als alles Geschehen aber bedeuten die zwei Sätze dieses lebendigsten Buches:

Das Mögliche verwirklicht sich nicht immer. Wenn man die Utopie zurüdftößt, fo hindert man sie, daß sie Leben verlangt;

eine Auswahl aus den viel breiteren und schwerer zu lesenden Ur rials nach Quellen und den Grad der Zuverlässigkeit für das Gesamt nichts ist schutzlofer hindert man sie, daß sie Leben verlangt;

Der erste Band entwickelt nach geographischen und klimatischen Erddaten, die mit den politischen Staatsdaten der Gegenwart und deren Veränderung durch den Weltkrieg schließen, die Ergebnisse der Bevölkerungs-, Siedlungs und Reichtumsstatistik. In der Gliede rung, Uebersichtlichkeit der Anordnung, Kommentierung des Mate funden zur öffentlichen und privaten Wirtschaft zu geben. werf ein großes Bersprechen; die zahlreichen bunten Tafeln oft Aus der Fülle der politischen Literaturdenkmäler und 97 politi- von prachtvoller unmittelbarer Anschaulichkeit, für den Laien be­schen Urkunden feien einige von besonderem Interesse erwähnt: fonders wertvoll, der große Bewegungslinien und zufammenhänge Rousseau über die Erziehung in der Gesellschaft. Rant über den fucht. Der zweite Band Die Arbeit" ist vollständig der Ar­allgemeinen Staatenverein Erflärung der Menschen- und Bürger- beiterklasse gewidmet und gibt die zahlenmäßigen Massenbeobach­rechte. Fichte: Bom gefchloffenen Handelsstaat, 2. v. Rante tungen zu den Problemen der Arbeiterfrage". Bon besonderer Be über politisches Gleichgewicht. Heilige Allianz  , Karlsbader Beschlüsse  , deutung ist der Versuch Boytinstys, den Begriff Arbeiter. Rommunistisches Manifest, Grundrechte von 1848, Aufhebung der Plaffe" neu zu bestimmen und zahlenmäßig zu demonstrieren. Beibeigenschaft in Rußland  , Rußland  , Sklavenbefreiung in Amerika  . Zur Arbeiterklasse gehören alle, die von Lohn und Gehalt leben. Bassalle: Staatsidee des Arbeiterstandes. Treitschte: Vom Der Versuch ist interessant, weil er an fich alte( Bliederungsverfuche Machtsteat Breußen. Emfer Depelche, Infehlbarfeitser zum erstenmal zahlenmäßig befeuchtet; aber fein praktischer Wert 2lärung des Banks. Teatshrift her deutschen   Bichöfe 187? gesen ist meifelhaft. meil has Heer der Bauern und Handwerkerschaft, den Kulturfampf, Rede Bictor Hugos für die Amnestie des das troz Produktionsmittelbefig faftisch nur ein 2rbeiterein ommen Communards von 1870/1871. Sozialistengesez. Dreibundvertrag, I hat, ausgeschlossen bleibt. Immerhin gelingt Wontinsky durch seine

als das Ei."

Dieses blutlebendige Buch steht so hoch über dem Durchschnitt unserer zeitgenössischen, faninchenfruchtbaren und feligen Bücher­probuftion, wie die Revolution von 1789 über den November­tagen von 1918. Anubh Rose Ewald.

sib

Handbücher.

Dr. Schmeißer: Handbuch der Erwerbslejenfür. forge.( Guttentagfche Sammlung deutscher Reichsgefeße.) Berlag Walter de Gruyter   Co. Berlin  - Leipzig  . Breis geb. 10,50 M. Das vorliegende Handbuch ist übersichtlich geordnet; ein gutes ut qut Sachperzeichnis ermöglicht eine leichte Orientierung. Angesichts des überaus komplizierten Rechtsstoffes dankenswerte Borzüge. Das