Tr. 11
12. November 1927
Blick in die Bücherwelt
Sozialismus und Lebensreform.
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Ob die Welt als Ganzes einem Zwed dient, wissen wir nicht. Der einzige 3wed an sich, Selbstzmed, den wir kennen, ist der Mensch. Alles, was sonst als 3wed im Leben erscheint, fann nur Mittel fein für diesen einen wahren 3wed: das Menschenleben. So zerstiebt die anmaßende Forderung der Wirtschaft", d. h. der Herren des Wirtschaftslebens, Herrin zu sein, deren Willen alles Leben der Gesellschaft dienen müsse. Auch die Wirtschaft, und vor allem fie, soll Diencrin sein, untertan der Aufgabe des Gesellschaftslebens, Dasein, Glück und Wert für alle zu sichern. So verstanden, ift auch der Sozialismus, als aufzubauende Gestaltung der fommenden Wirtschaft, nur ein Mittel für jenen höheren Zweck: den„ Sprung aus dem Reiche der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit"( Engels).
Diese Freiheit aber bedeutet die Entfeffelung und Entfaltung aller Kräfte des Leibes und der Seele, die das Wesen des Menschen ausmachen. Der allen zugeleitete Reichtum überquellenden Wirt schaftsertrags liefert die Mittel, freie, geschulte Arbeit die Kraft für höchste Ausgestaltung des Menschentums. So ergibt sich ein enger Zusammenhang mit allen Kräften, die dieser Befreiung und Ausgestaltung des menschlichen Wesens dienen: Gesundheitspflege und Erziehung im weitesten Umfang. Ein Hauptteil dieser ist die Selbsterziehung: Anwendung der Gefeße leiblicher und feelifcher Ertüchtigung auf den handelnden Menschen selbst. Von befonderer Bedeutung ist diese, solange der Sozialismus ein im Kampf zu erstrebendes Ziel ist, als Quelle erhöhter Kampffähig feit für die proletarische Kampftruppe des Sozialismus. Um o mehr, als die niederziehende Wirkung des wirtschaftlichen Mangels und des gesellschaftlichen Druces Selbsthilfe durch Selbstaufklärung und Neugestaltung des Eigenlebens zur Lebensnotwendigkeit für jeden Proletarier machen. So begreift es sich, daß die Fragen der Selbſtreform in steigendem Maße von wachsenden proletarischen Schichten, namentlich den zum Kreis der Jugendbewegungen zählen den, in ihrer Bedeutung gewürdigt und ihre Ergebnisse in Tat umgesetzt werden. Dafür zeugt auch die Zunahme der diesen Auf
gaben dienenden Schriften.
vielfach das Unternehmen von vornherein als zmedlos, da vernünftige Menschen über solche Fragen längst zur Tagesordnung übergegangen feien.
Die Ablehnung firchlicher Dentart, wie sie in den Antworten hervortritt, ist bei den äußerlich noch zur Kirche Gehörenden nicht weniger scharf wie bei den Ausgetretenen. Was das Zahlenver hältnis dieser beiden Gruppen zueinander anlangt, so ist dasselbe hältnis dieser beiden Gruppen zueinander anlangt, so ist dasselbe nach der Schäzung des Verfassers bei den gewerkschaftlich und politisch Organisierten jedenfalls ganz anders als innerhalb der großen Wählermasse der Sozialdemokratischen Partei. Wenn in dieser, wie oft angenommen wird, noch 80 bis 85 Prozent der Kirche angehören mögen, so zeigte es sich bei etwa 2000 Hausbesuchen, die an der Hand der Mitgliederlisten der SPD. in Berlin veranstaltet wurden, daß von den betreffenden Genossen nicht weniger als 75 Prozent ausgetreten waren. Bei den Kommunisten dürfte dieser Prozentjak noch erheblich höher sein.
In einem einzigen der abgedruckten Briefe, dessen Schreiber sich dem Bunde der religiösen Sozialisten zuzählt, wird kirchlicher Erinnerung mit Sympathie gedacht. Und unter den 500 eingegan denen Schreiben zeigen nur noch vier( darunter drei aus dem Bogt lande) einen ähnlichen Standpunkt. Dabei war feiner dieser kirch lich Gestimmten gewerkschaftlich oder politisch organisiert. Ueberall sonst flingt in den verschiedensten Variationen bald in ruhig ab= wägender Konstatierung, bald in höhnischem Zorne der Grundder Grund ton feindseliger Enttäuschung durch. Des Menschen Jesu, den manche direkt als Vorläufer des Sozialismus bezeichnen, wird mit Bewun berung und Achtung gedacht; aber völlig abgelöst von dem firch lichen Mythos des Gottessohnes. Und ebenso find alle anderen Beziehungen zu der firchlichen Metaphyfit und Dogmatit, zum Gottes und Auferstehungsglauben, abgebrochen.
Beilage
des Borwärts
Rechtsprechung.
Mag Hölz. 3uchthausbriefe. Erich- Reiß- Berlag, Berlin . 127 Seiten.
Egon Erwin Risch hat zu dem Buch ein Nachwort geschrieben. Seine Ausführungen hätten den Briefen vorangehen sollen, da wäre manches an ihnen noch verständlicher und erschütternder. Denn es ist klar: Hölz mußte sich bei all diesen Briefen, sofern einige von ihnen nicht heimlich in die Außenwelt gelangt fein sollten, die größte Selbstbeschränkung auferlegen. Man lieft deshalb zwischen den Zeilen man ahnt, was nur andeutungsweise oder überhaupt nicht gesagt wird, und weiß, daß hier ein Mensch Unfagbares erleidet im Bewußtsein des ihm gewordenen Unrechts, in unstillbarer Sehnsucht nach dem Leben, ndch tätiger Arbeit. Kisch hat Hölz in der Zelle gesehen. Er permittelt nun dem Leser ein greifbares Bild von diesem Manne, der schon sechs Jahre im Buchthaus des Wiederaufnahmeverfahrens harrt und, nach den Worten Kischs, schlimmer als ein gemeiner Berbrecher behandelt wird. Dies in einem Augenblick, wo sowohl der Entwurf zum Strafgesetzbuch als auch der Entwurf zum Strafvollzugsgesetz für Ueberzeugungsverbrecher ehrenvolle Einschließung vorsehen.
Hölz Briefe liefern nicht allein einen wertvollen Beitrag zum Berständnis des Menschen Hölz, sie bilden auch einen Beitrag zur Gefangenenpsychologie und zu unserer Kriminalpolitit, wie sie in Wirklichkeit ist, nicht wie sie sich in den Köpfen von Schönfärbern oder überheblich selbstbewußter Gefängnisdirettoren widerspiegelt. Wenn das, was Kisch über die Behandlung von Hölz fagt, der Wahrheit entspricht und Kischs Name sollte dafür bürgen so fällt es natürlich schwer, sich des Gefühls des Zornes und der Empörung zu erwehren. Mar Hölz' Briefe sollten gelesen werden auch von den Behörden. Leo Rosenthal
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Erziehung.
In tiefster Weise, aus eindringendem Verständnis des Zerfalls der alten Gesellschaft und der Bedingungen der sich bildenden neuen erwachsend, erfährt auch diese Frage eine grundsägliche Beantwor tung in Siegfried Kaweraus noch lange nicht genügend gefanntem und ausgeschöpftem Buche: Soziologische Pädagogit ( Quelle u. Meyer, Leipzig . 2. Auflage. 1924). Da heißt es: lis erste Boraussetzung wahrhaften Menschentums ist die rechte Ehr. Lebens oder ob das Leben überhaupt einen Sinn hat, wird wohl leben des Kindes mit dem besonderen 3med, den Leser, vor allem
furcht, die rechte Pflege des Körpers anzusehen.. Körper und Seele sind eine Einheit. Bulegt wird alles materielle geistig und alles Geistige sinnlich. Nur wenn Körper und Seele rein im Geist Sinnlichen vermählt find, nur dann ist die Voraussetzung aller Menschenwürde gewahrt. Peinlichste förperliche Reinlichkeit ist der Anfang folchen Menschentums, denn ehrfürchtig Geschautes ist Gegenstand liebevoller Pflege. Im Frohgefühl gesund und frei entwickelter Glieder, in heller Freude am nadten, starten Körper, im Pflichtgefühl der Selbstbeherrschung und Leibespflege aufgewachsen, finden die Kinder in der Produktionsschule alle Möglichkeiten zur Ausreifung und Bollendung."
Ein Kennzeichen der bewußt proletarischen Körperpflege ist die bewuße hintanseßung der auf Kosten von Gesundheit, Bernunft und Gesamtleistung gezüchteten Spizenleistungen hinter der mög lichst gleichmäßigen Förderung der allgemeinen Ausbildung und des Gemeinschaftsgeistes. Das wird lebendig und wirtjam dargestellt Don Ernst Krafft: Bom Rampftetord zum Massensport"( Dieg Nachf., Berlin ), und Dr. med. Juliau Marcuje: hygiene des Arbeitersports"( ebenda, 1927), wo auch sonst viel Wertvolles in fachlicher und gesundheitlicher Hinsicht gesagt wird. Auch Dr. med. Ernst Haase gibt in seiner Schrift Die Seelenverfassung der Jugendlichen" ( Berlagsgesellschaft des ADGB. , Berlin ) Beachtenswertes über förperliche Beziehungen und Körperpflege wie auch eine nützliche
Eine besondere Bedeutung für die Rampffähigkeit und fulturelle Entwidlung der Arbeitertlaffe hat die Selbsterziehung im Kampf mit der eingewurzelten Macht schädlicher Genußmittel, insbesondere den Trinksitten. Auch hier ist die Gefahr settiererischer Ab. sonderung, die das Mittel als 3wed sezt und die soziale Bedingtheit auch dieser Notstände übersieht, zu vermeiden: eine Gefahr, die übrigens bei den sozialistischen Alkoholgegnern, den Trägern dieser Bewegung, in feiner Weise besteht. Die allgemeine Bedeutung dieser Frage, die natürlich auch von mancherlei anderen Gesichtspunkten aus zu betrachten ist, findet in einer Reihe neuerer Schrif. ten gebührende Behandlung. So bei Otto Jenssen :„ Sozia listische Lebensreform"( Deutscher Arbeiter- AbstinentenBund( DAAB.), Berlin 1925), eine Sammlung von Auffäßen, von denen namentlich der fünfte, der die vorbildliche Stellungnahme Bittor Adlers würdigt, beachtenswert ist. Eine Zusammenfassung dieser Bestrebungen Adlers findet sich im dritten Band seiner Aufsäge, Reden und Briefe"( Wiener Bolfsbuchhandlung, 1923). Eine Sammlung der auf die Alkoholfrage bezüglichen Schriften und Reden Adlers ist im Verlag DAUB. 1925 erschienen, ferner ein Sonderabdruck des besonders wichtigen Vortrags: Jugend und Alfoho!", wo in vorbildlicher Weise der Wert dieser Haltung für die Charakterbildung betont wird.
Auch in den Schriften von Kurt Baurichter :" Der Frei heitstampf gegen das Altoholtapital"( DAAB . 1925, 29 S.) Dr. S. Druder: Der Sinn der sozialistischen Abstinenzbewegung"( DAAB. 1927, 28 G.), Dr. Reinhard Weber: Sozialismus und Alkoholismus"( Neuland. Verlag, Berlin 1927, 27 6.), ist manches Wichtige an Tatsachen und Gedanken zu finden. Besondere Beachtung verdienen hier aber bie zwei fleinen Schriften: Profeffor Dr. Auguft Forel:„ Der mahre Sozialismus der Zutun ft"( DAAB . 1925, 22 G.) und Wilhelm Sollmann :„ Sozialismus der Tat"( DAAB. 1925, 30 S.). Die des greisen Schweizer Gelehrten bringt bei manchen Seltsamteiten wirtschaftlicher und persönlicher Art, nament lich in den Abschnitten: Vererbung und Erziehung und Rassenhygiene Alkoholismus, Wertvolles. Und Sollmanns flammender Aufruf zur Tat, der Solidarität gegen Egoismus aufbietet und in dem Sage gipfelt:„ Wer andere befreien und mit ihnen eine Welt erobern mill, zeige, daß er selbst frei zu sein vermag", verdient ernsteste Würdigung aller Genoffen, denen es darauf ankommt, nicht nur eine Partei neben anderen zu erhalten oder eine Birt schaftsordnung durch eine andere firmierende zu ersehen, sondern im Sozialismus neues Leben zu zeugen, eine gealterte Mensch heit durch neue Kraft zu höherem Leben zu ermeden.
Simon Ragenstein.
Religion.
Dr. Paul Piechowsky: Broletarischer Glaube in fo sialistischen und tommunistischen Selbstzeug niffen Furche- Berlag. Berlin 1927. 243 Seiten.
Der Berfaffer, ein Theologe, der ursprünglich innerhalb ber firchlichen Organisation wirten wollte, gibt hier in einer von ihm veranstalteten, vorwiegend in den Kreisen Neuköllner Sozialdemofraten und Kommun ften aufgenommenen Umfrage ein getreues Bild, wie da die Stellung zur Religion ist. Im ganzen wurden 5000 Fragebogen verteilt, von denen etwa ein 3ehntel beantwortet zurüctamen. Bei Ausfindigmachung der Adressaten war der Verfaffer wesentlich auf pripate Unterstügung befreundeter Genoffen an gewiesen; die Parteiorganisationen, an die er sich in dieser Sache wandte, verhielten sich zurückhaltend. Die Funktionäre schäzten
Bor dem Tode", so lautet eine der charakteristischen Wendungen, habe ich fein Bangen und sehe ihm getrost und reinen Herzens entgegen. Auferstehen kann ich nicht mehr und will es auch nicht mehr. Es müßte denn eine christlichere Menschheit als die heutige vorhanden sein.. Bitter erflärt ein anderer: So lange ich wie eine Maschine an die Arbeit gebunden bin um des bißchen täg lichen Lebens willen, so lange fann ich dem Leben keinen Sinn abgewinnen... Ich glaube an feinen Sinn des Dasein." Aber neben dem verzweifelten Peffimismus, der sich in diesen letzten Worten ausspricht, und ihn übertönend bricht immer wieder ein aus individuellen Lebenstiefen und allgemeinen Menschheitshoffnungen hervorquellender Idealismus hervor. Den eigentlichen Sinn des fejner ergründen fönnen. Ich gebe mich damit zufrieden, daß ich im eigenen Leben eine Idee: Bernunft und Menschenliebe hinein. Das Absterben der überlieferten stelle und für diese Idee wirke." durch das furchtbare Erlebnis des Weltreligiösen Vorstellungen frieges und die Haltung der Kirche dabei noch wesentlich beschleubedeutet, wie der Verfasser in seinen Schlußbetrachtungen nigt bedeutet, wie der Verfasser in seinen Schlußbetrachtungen mit Recht hervorhebt, als solches noch feine seelische Verödung. Was sich da vollzieht, ist zum großen Teil mur ein Reinigungspro= zeß, der das als leer und widerspruchsvoll Empfundene mit Be wußtsein abstößt und den Gedanken überindividueller Werte, nach Abstreifung des Mystischen , auf das festere Fundament eines ir
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dischen Humanitätsglaubens und den Willen, im Kampf für bessere Biele mitzuwirken, stellt.
Prof. Dr. Conrad Schmidt.
Länder- und Völkerkunde.
Wladimir&. Arsenjew: Russen und Chinesen in Oft fibirien. Uebersetzt von Franz Daniel. 228 Seiten mit 103 Abbildungen und einer Karte. Verlag Aug. Scherl, Berlin .
Arsenjem tennt den Fernen Often wie selten einer. Schon lange vor dem Krieg zog er freuz und quer durch das weite Land, in dem Raffengegenfäße und wirtschaftliche Gegenfäße in ewigem Kampfe liegen. Arjenjews doppelbändiges Werf In der Bildnis ftfibiriens hat sich in der Reiseliteratur längst einen ehrenvollen Plak erobert. Stellte er in den eben genannten Büchern vorwiegend feine Erlebnisse in den Rahmen der Landschaft und ihrer Bewohner, so bietet er in dem Buch„ Russen und Chinesen in Ostsibirien" eine zusammenfassende Uebersicht über das Land, seine Menschen und pflanzlichen wie tierischen Bewohner in ihrem natürlichen Zusammenhang. Er verläßt, obwohl selbst Ruffe, feineswegs den objektiven Standpunkt des Wissenschaftlers und rügt die Fehler, die die Regierungen seiner Landsleute begangen haben, mit derselben Offenheit, mit der er die Expansionsbestrebungen der anderen interessierten Mächte unter die Lupe nimmt. Er verteilt ohne Voreingenommenheit Licht und Schatten da, wo sie hingehören, und ist bestrebt, ein Bild der Wirklichkeit zu geben, aus dem sich der Leser selbst ein Urteil zu bilden vermag, was dem Fernen Often nottut. Was er an mirtfchaftlichen Daten gibt, ist außerordentlich beachtenswert, feine geschichtlichen Erfurfionen geben eine neue Grundlage für die Bes urteilung der jezigen politischen Lage. Wichtig für das Verständnis des Ostens überhaupt find Arsenjews Darstellungen der chinesischen Selbstverwaltung und ihrer Gesetze und der chinesischen Organifationen in den Städten. Was er über die Ausbeutung der urfprünglichen Einwohner durch weiße und gelbe wirtschaftliche Macht. haber sagt, bietet genug Stoff zum Nachdenken. Arsenjem gehört zu den Forschern, deren Reiseergebnisse neben dem wissenschaftlichen auch noch einen hohen Aktualitätswert besitzen.
Wittels ist Psychoanalytiker. Als Arzt schrieb er vor furzem erst Die Technik der Psychoanalyse". Im ganzen schließt er sich in diesem neuen Buch allen Grundauffassungen Freuds an, übernimmt aber auch ohne strengere Scheidung Elemente der Adlerschen Individualpsychologie. In leicht verständlicher Weise, beinahe plaudernder Unterhaltung, behandelt er in dreizehn Abfäßen das Eigenaber Eltern, zu einer Erziehungsauffaffung zu bringen, die frei iſt Don Strafen" im alten Sinn, vom Schlagen und leichtsinnige Unterschäßen der Kindesäußerungen. An einer Fülle von praktisch mertvollen Beispielen und Einzelbemerkungen zeigt er Bedeutung Lüge, Angst und Zweifel für Kinder. Er widmet ſein Buch und Wirkung von Elternstreitigkeiten, vom Lesen und Spiel, von 3. J. Rousseau , dem großen Beweger des Abendlandes".
Go interessant dies Buch in Einzelheiten, besonders für den mit der modernen Psychologie noch nicht vertrauten Laien sein mag, so bringt es doch für den Kenner nichts Neues mehr. Dazu tommt als größter Mangel, daß es überall da versagt, wo die
Probleme über das nun schon befannte praktische Material hinaus
gehen. Ein Autor, der so wenig wie Wittels orientiert zu sein scheint über die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang, der so sehr wie Wittels aus reiner Gegenwartspragis und einer Anschauung, die das Einzelindividuum nur in ganz schwachen Anfägen über den Kreis der Familie von heute hinaus zu fehen vermag, fann natürlich fein Führer sein, der in das Problem der Religion und religiösen Entwicklung einzudringen vermag. So bleibt auch sein Streiflicht auf die alte und neue Schule, auf die Gemeinschaftsschule, unzulänglich. Refigniert schließt Wittels dann auch: Wir haben fein Gemeinschaftsleben, feine Stultur, und niemand Wir sind ver sieht deutlich, wie wir zu einer tommen sollen.... mutlich zu schuldig, um mit unseren blutigen Händen an einer reineren Zukunft zu bauen.
Wie wäre es, wenn wir unsere Kinder schaffen ließen, nach ihrem eigenen Gutdünten?" Rarl Wolf.
Neue Bücher.
( Besprechung der eingegangenen Bücher bleibt vorbehalten.) Alice Berend . Die goldne Traube. S. Fischer, Brlin. W. A. Berendsohn. Selma Lagerlöf . A. Langen, München . B. Birnbaum. Organisation der Rationalisierung Amerita- Deutschland. R. Hobbing, Berlin . W. Bonsels . Mario und die Tiere. Deutsche Verlagsanstalt , Stuttgart . J. Braunthal . Die Wiener Julitage 1927. Wiener Volksbuchhandlung, Wien . M. Brod . Die Frau, nach der man sich sehnt.( Roman.) Baul Zsolnay,
E. Colerus. Politit. Paul Zsolnay , Wien . Colette . Renée néré.( Roman.) Baul Zsolnay, Wien . . Eulenberg. Die Hohenzollern. Bruno Cassirer , Berlin . E. Federn- Kohlhaas. Walther Rathenau . Sein Leben und Wirken. Carl Reißner, Dresden . D. Flate. Unsere Zeit.( 4 Auffäße.) S. Fischer, Berlin . Flatow, Gerstel, Sued, Nipperdeh. Entscheidungen des Reichsarbeits. gerichts und der Landesarbeitsgerichte. Bd. 1. J. Bensheimer, Mannheim .
M. Földi. Das gestohlene Leben.( Roman.) Merlin- Verlag, Heidelberg . B. Frei. Die roten Matrosen von Cattaro. Wiener Volksbuchhandlung, Wien .
Johan Gunnar Andersson : Der Drache und die fremben Teufel. Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig . 390 Seiten. Gorti. Matwej Koshemjakin. Bd. 1. Der Sohn einer Nonne. mit 208 Abbildungen und einer Karte. Preis geb. 16 M.
aus
Bd. 2. Jm Banne der Kleinstadt. Malit- Berlag, Berlin . Rob. Grieggs. Das Tal der zehntausend Dämpfe. F. A. Brockhaus, Leipzig .
G. Gunnarsson. Sieben Tage Finsternis.( Roman.) Universitas Deutsche Verlags- A.- G., Berlin . Kastel . Hauptfragen des Tarifrechts. J. Springer, Berlin . E. Holländer. Aeskulap und Venus. Propyläen- Verlag , Berlin . M. Johnson. Mit dem Kurbelkasten bei den Menschenfressern. F. A. Brockhaus, Leipzig . J. Joyce . Ulysses . 1. Band. Rhein- Verlag, Basel .
Das Bild, das Andersson vom Reich der Mitte entwirft, bietet des Neuen genug und ist recht geeignet, manchen Fehler in der bisherigen Anschauung zu forrigieren, die der Abendländer über das gewaltige Reich im Osten hatte. Andersson stellt uns eigenem unmittelbaren Erleben mitten hinein in den Alltagsbetrieb. in den großen Städten wie auf dem Lande, wir lernen die Nöte tale" Proletarier um seine Eristenz fämpfen muß; aber mir er des fleinen Mannes" fennen, der noch schwerer als der okzidenfahren leider nichts über die Quellen dieses Elends. Die Korruption der Verwaltung und der politischen Generale ist feineswegs der Urgrund der dinesischen Nöte, sondern auch erst eine sekundäre Erscheinung. Das Primäre ist vielmehr in der Aenderung zu fuchen, die die wirtschaftliche Struktur Chinas unter dem Einfluß des fapitalistischen Abendlandes erfuhr. Die Proletarisierung der Masse in China verläuft in stürmischem Tempo, die biologischen Anpaffungsmöglichkeiten tönnen hier nicht wie im Abendland zur Entfaltung tommen, wo der gleiche Prozeß langsamer und or ganischer vor sich ging. Daß Andersson diese Tatsachen nicht mit der genügenden Schärfe hervorhebt, liegt allerdings daran, daß feine Erlebnisse und Studien in die vorlegte Epiche fallen, aus der sich die Gegenfäge der Jeztzeit nur allmählich herausschälten. Erst die Zeit nach dem Weltkrieg gab dem wirtschaftlichen und politischen Kampf im Reiche des Drachens das Gepräge.
Was Anderssons Schilderungen wertvoll macht, ist die Art, in der er Land und Leute betrachtet. Er sieht nicht mit der europäischen Brille, sondern versteht es, sich in die Seele des Chinesen zu ver feßen und sein Leben entwicklungsgeschichtlich aus seiner Kultur und aus seinen geophysischen Bedingungen heraus begreifbar zu machen. Nur ein Mann, der stets den Respekt vor den kulturellen Leistungen des alten China wahrte und die Berechtigung seiner Eigenart anerkannte, fonnte dieses Buch schreiben, das mit fo manchem Vorurteil aufräumt und neue Betrachtungsmöglichkeiten aufzeigt. Das Bildmaterial ist in Auswahl und Technit der Reproduktion vorbildlich. Curt Biging.
D. Kosztolanyi. Lerche.( Roman.) Merlin- Berlag, Heidelberg . R. Lämmel. Von Naturforschern und Naturgesehen. Heffe u. Becker, Leipzig . W. Bandé. Altenstüde zum Reichsvolksschulgeset. Quelle u. Meyer, Jad London . Der Sohn des Wolfs. Universitas Deutsche VerlagsLeipzig. A.-G., Berlin . G. Ludwig. Kunst und Schidsal, E. Rowohlt, Berlin .
H. Mayne. Deutsche Dichter.( Reben und Abhandlungen.) Suber u. Co., Frauenfeld u. Leipzig . S. Meisel. Torstenson, Entstehung einer Diktatur.( Roman.) S. Fischer,
. D. Meißner. Aus dem Briefwechsel des Generalfeldmarschalls fred Grafen von Walderfee. 1. Bd. Die Berlinet Jahre 1886-1891. Deutsche Berlagsanstalt, Stuttgart , Berlin , Leipzig . Lydia Müller. Der Kommunismus der mährischen Wiedertäufer. M. Heinsius Nachf., Leipzig .
J. de Baffos. Manhattan Transfer.( Der Roman einer Stadt.) S. Fischer, Berlin . G. Radbruch . Kulturlehre des Sozialismus. J. H. W. Dick Nachf., Berlin .
2. A. Prinz Rohan. Mostau.( Stizzenbuch.) G. Braun, Karlsruhe . $. Rosin. Das Reichsschulgeset. Selbstverlag des Deutschen Lehrer