Rr. 3
9. März 1930
Blick in die Bücherwelt
Die neue Weltgeschichte.
Der erste Band der neuen, vom Utstein- Berlag herausgegebenen Bropyläen Bettgeschichte liegt jetzt vor. Es ist ein wunderschön gebundenes Buch, illustriert mit allen Sunstgriffen moderner Bildtechit. Der fritische Leser ist an fich gegen berartige Bracht und Sammelwerte etwas voreingenommen. Aber bei näherer Prüfung muß man gerade den Juustrationen und Beilagen Bolle Anerkennung spenden. Der Band umfaßt unter dem Titel Die Französische Revolution, Rapoleon und die Restauration die Zeit von 1789 bis 1848. Die Zahl der Restauration die Zeit von 1789 bis 1848. Die 3ahl ber Juuftrationen aller Art geht in die Hunderte. Es sind durchweg zeitgenössische Bilder und Dotumente; ber Wald- und Wissen Historienmalerei üblen Andentens ist teinerlei Raum gewährt. Der moderne Geschichtsunterricht in der Schule fucht, sowett es geht, bie Arbeitsmethode zu verwerten: der Schüler foll in die Bage versezt werden, durch eigene Anfchonung der Bergangenheit fich selbständig ein Urteil zu bilden. Der Lehrer der Propyläen: Weltgeschichte macht ebenfalls einen Sturfus im historischen Arbeits: unterricht durch.
Dem sozialistischen Leser wird das Faffimile cirer Manuftript feite aus dem Sapital" von Marg, mit den so tharatteristischen Pleinen Schriftzügen und den vielen Korretturen Freude machen. Daneben findet man die gefreue Wiedergabe von zwei Blättern Der Erstausgabe des Rommunistischen Manifests". Eine Kuriosität ist das Platat aus dem berühmten Arbeiteraufstand in Lyon 1831 fomie bas Titelbiatt non Weitfings Zeitschrift Der Urwahler"( 1848). Sehr bezeichnend ist auch das Flugblatt über die Beberaufstände und das Elend in Schlesien ": oben das Bild der hungernben Arbeiterfamilien und unten die preußischen Bajonette als bie offizielle Abhilfe"! Auch sonst ist eine Reihe feltener Abbildungen aus der Frühzeit des Kapitalismus und des Sozialismus in das Wert aufgenommen. Leider fehlt jede Juustration zu der Bewegung Babeufs, des großen sozialistischen Bortämpfers in der Französischen Revolution.
Die missenschaftliche Leitung der neuen Weltgeschichte hot ter betamute demokratische Historifer Professor Goetz Leipzig, der auch zu dem vorliegenden Bande eine Einleitung beifteuerte. Die Meltgeschichte ist als Gammelwert gebadyt, an dem eine ganze Reihe angesehener Fachleute mitarbeiten. Marristische Forscher sind in der Liste der Mitarbeiter des Gesamtwertes offenbar nicht ver treten. In dem foeben erschienenen Band ist die politische Ge schichte unter Drei Mitarbeiter verteilt: Stern Zürich schreibt über die Französische Revolution, Schnabel Karlsruhe über Napoleon I. und 2udwaldt. Danzig über das Zeitalter der Restauration. Bon diesen Beiträgen ist Schnabels Darstellung Napoleons besonders gut gaumgen. Gemäß den neuesten Forschungsresultaten wird die Bedeutung Napoleons für den Durch bruch moderner Ideen in Europa gewürdigt und die parallele Entwicklung Preußen- Deutschlands ohne jedes Sugeständnis an althergebrachte Begenden geschildert. Sudmalit gibt eine muhige, fachliche Darstellung der Zeit von 1815 bis 1848. Weniger Be friedigung ermedt die Arbeit des Schweizer Historifers Stern über die Französische Revolution. Stern geht mit der Revolution nur fomeit mit, wie die bürgerlich- liberale Weltanschau ung es erlaubt. Allen Bersuchen in der Französischen Revolution, über die Grenzen des bürgerlichen Liberalismus herauszukommen und andere Gesellschaftsformen zu finden, steht Stern verständnis fos gegenüber. So wird Robespierre immer noch nach der alten Schablone geschildert.
Neben den Darstellungen der politischen Geschichte stehen zusei Sonderbeiträge: von Walzef Born über die geistig literarische Entmidlung, und von erfner, dem bekannten Berliner National tonomen, über die wirtschaftlich- sozialen Bewegungen. Beide Ar beiten verbinden eine gründliche Sachkenntnis mit flüssiger Darstellang. Hertner schildert, obwohl er fein Sozialist ist, die Anfänge von Mary und Engels durchaus sachlich. Vielleicht ist hier Engels auf Kosten von Marg felbst etwas zu sehr in den Vordergrund geschoben.
Die geiftvolle Einleitung zum Gesamtwert die Goes schrieb, ist freilich rein ideologisch gehalten. Es heißt da u. a.:„ Der Rationalismus der 2urftlärung war eine Ueberschägung der Bernunft, Die Französische Revolution eine blutige Ueberspannung politischer Bermumjilehren. Gban daher tam der Rüdschlag. Das menschliche Gemit lehnte fich mit seinen religiösen, fünstlerischen und anderen irrationalen Begehren gegen die Tyrannei der Bernunft ebenso auf, wie hie rein menschliche Gesinnung gegen die Greueltaten der Franzöfifchen Revolution." In Wirklichkeit tämpfte 1794 in Baris nicht die Bernumft" gegen das Gemüt", sondern das befißende Bürgertum gegen das arme Volt. Am 9. Thermidor hat nicht das Gemüt, sondern das Schiebertum gefiegt. Wenn man über.
PP
Beilage des Vorwärts
Zeitgeschichtliche Dichtung.
Zur neuesten Kunst der Erzählung und Reportage.
Gegenwart. Die man eben noch mit lauten Hosianna!" umLiterarische Moden haben es nicht leicht in unserer rafalebigen jubelte, tut man gleich darauf mit ebenso lautem Streuziget fie!" in Acht und Bann; augenblidlich macht die, Kunst der Sachlichkeit", bez dokumentarischen Wiedergabe" diese, mie es scheint, under meidliche Erfahrung durch. Zugeben muß man, daß sich strebfame Ronjuntturiiteraten ehrlich bemühen, das neue Verfahren gründlich au diskreditieren, aber ein Richtiges und unverächtliches ftecie in der Mode boch: die Beobachtung nämlich, daß unsere Zeit im weitesten Sinne politifiert ist und auch in der Unterhaltungs. leftüre Antworten auf politische Fragen, anschauliche Darstellung des Buständlichen, Schilderung des Woher und Wohin jucht. Wir sind min einmal aus dem Gleichgewicht geraten, wir fühlen zwischen den Fingern, mie uns das Gestern zusammenbrach und das Heute und Morgen nicht recht tommen will, und wir find, Kunst hin, Kunst her, dem Erzähler dankbar, der uns die von allen Seiten auf uns einstürmenden Erfahrungen ordnen hilft. Deshalb fließt auch der Strom der historisch- heroischen Romane, der Kriegs- und Renotutionsbücher, der Berichte aus dem neuen Rußland , Deutschland und Amerita unvermindert start weiter, das Erlebnis Rußland " als einschneidendstes und neuartigstes dominiert in ihnen. ( Berlin , Klinthardt u. Biermann, 356 Seiten, Beinenband 7,50.) Julius Meier Gräses Briefroman Die weiße Straße" führt noch ins Barenreich, als noch verschlampte, brummige, im Stern recht gutmütige Offiziere die Gefangenentransporte auf der weißen Straße" bis tief nach Asien schleppten auf unendlichen Bahn- und Schlittenfahrten, durch Gefängnisse, die bald wie riefige, lämburchtobte Risten, bald wie pestverseuchte Kasematten und dann wieder wie freundliche Billenviertel ausschauten, nach einem System poller Blanlosigkeit, Unvernunft und aufregender Ueberraschungen Aber dafür brachte dieses Kreuz und Quer Meter Gräfe auch mit hunderterlei Soldatentypen, mit Gefangenen vom General und Fürsten bis zum jämmerlichen Krüppel zusammen, und fie alle meiß er verstehend, humorvoll und schlicht lebendig zu machen, in seiner unpathetischen Menschlichkeit ein wohltuender Gegensatz zu Armin T. Wegner . Der setzt sich nämlich in dem auch aus Briefen und Tagebüchern fomponierten Buch Fünf Finger über dir" ( Stuttgart , Deutsche Berlagsanstalt, 360 Seiten, Leinenband 9,50 M.) recht unleiblich in Szene, aus dem Kampf, in welchem er sich durch Enttäuschungen, Zweifel und innere Widerstände hindurch zu den fünf Finger" des Sowjetsterns durdhringt, macht er geradezu eine heroisch- romantische Oper. Das tommt daher, daß er im mert würdigen Widerspruch zu seinem bosschemistischen Glaubensbekennt nis nicht aufhört, ein nur sich selber spiegelnder Literat zu sein, auch alles Tatsächliche, besonders die scharf geschaute dogmatische In brunft und Erstarrung des Bolschewismus, gerät dadurch in ein fubjektivistisches Zwielicht.
Den neuen ruffischen. Menfchen darf man nicht bei Wegner, fondern bei Carissa Reißner fuchen, ihr nachgelassener, feßt in erweiterter Neuausgabe erschienener Sammelband Ottober" ( Berlin W. 8, Neuer Deutscher Verlag, taxtoniert 5 m., gebunden 6,50 M.) ist so um der Sache, wie jener Roman um des Berfaffers willen geschrieben. Louter runde, in Bildkraft und sprachlicher Anwillen geschrieben. Louter runde, in Bildkraft und sprachlicher Annunt nollendete Kunstwerke, verdichten die Aufsätze Front" jenes einmalige Bunder, da eine Idee aus Frauen und Männern, aus verhungernden Arbeitern und Bauern todesbereite Helden madhyte. Durch die Aufaßreihe Im Lande Hindenburgs" geht, in seinem innersten Wesen erfaßt, der Geist der Ulstein- und Junkers- Werte, von Elendsquartieren und rußverwehrten Arbeiterbaraden, durch die Serie„ Afghanistan " geistert die schweifende Seele Des Often, und aus allem Dargestellten spricht ein tapferer, hellfichtiger, dem Sein, nicht der Tendenz verschworener Mensch. Etwas von Lavissa Reißners flarer, tüchtiger Art lebt auch in Wera Inbers selbstbio
haupt bie Frage des Gemüts und der Menschlichkeit aufwerfen mill, so mar beides ohne Zweifel bei der( streng religiöfen!) Robespierre Gruppe viel mehr vorhanden als bei den zynischen Siegern des Thermidor. Goek rühmt im Anschluß daran die deutsche Entwid Lung gegenüber der französischen : in Deutschland sei dant dem Einfluß der protestantischen Kirche eine Mäßigung der Gebanten" entstanden, die den Uebergang in ein neures staatliches Zeitalter ohne allzu großen Bruch mit der Bergangenheit herbeiführte". In Birklichkeit erklärt sich die deutsche Mäßigung" gegenüber dem französischen Radikalismus aus der ökonomischen Rückständigkeit
"
|
Malifverlag, 268 Seiten, fartoniert 2,80 M., Leinenband 4,80 M.). graphischem Roman Der Blaß an der Sonne"( Berlin , Es ist eine Freude zu sehen, wie die Feldin aus Bindungen des Lurus und der Bequemlichkeit zur Arbeit und zum Untertauchen in die Gemeinschaft tommt und wie ihr als letztes Ziel des Lebens aufgeht, allen, allen den Blaß an der Sonne" zu verschaffen. Das ist die unaufdringliche Idee des Bertes, und dessen Menschen und Tatsachenbestand wirken ebenso echt: das prächtig geschilderte Kind Kista , der weltfremde Gelehrte Abel, das Kindermädchen Julia, revolutionäre Schauspieler und Büroleute, Theater, Redaktion und Kabarett.
Wieviel sympathischer mutet doch dieses von Kraft und Bejahung getragene Wert an als der angebliche Roman der ungarischen Re polution": Die Generalprobe" non Bela Ilés( Berlin , Internationaler Arbeiterverfag, 358 Seiten, Leinenband 5 102.)! Ganz plump in Schwarzweißtenif gehalten hier die heldenhaften Kommunisten, dort die schurfischfeigen Sozialdemokratenund unfähig, Personen, Bestrebungen oder Borgänge zu zeidmen, ist er mur in einem groß: in der Berleumdung, am widerlichsten gegen den toten Sigmund Kunji. Anflagen! O ja! Aber es muß im Gefühl der Berantwortlichkeit, im Drang zur Wahrheit und Gebenz bei Theodor Plivier zu spüren find. Sein ,, Roman der daart redytigkeit geschehen, wie sie trotz Berbitterung und scharfer Senschen Kriegsflotte":" Des Raisers Rulis"( Berlin , Malikverlag, 398 Geiten, fartoniert 3,20 m., Leinenband 5 M.) überzeugt, meil er das Enftem, nicht den einzelnen antlagt und auch im Vorgefeßten menschliche Züge zu entdecken weiß, und er erschüttert, mo er Ohnmacht, Berzweiflung und Zorn, Sinnlosigkeit und verbreche rischen Ehrgeiz, wo er den Sieg des foftspieligen Schiffs: über das wohlfeile Menschenmaterial und den Kampf der Seeungeheuer gegeneinander und gegen die Natur gestaltet. Die 400tägige Schredens fahrt mit G. M. Hilfsdampfer VII. Boff", die Beratungen im erftlofett 15 und der Besuch bei der Dirne ,, Gonotote" find Stude einer modernen Odyssee, fie bleiben subjektiv wahr, auch wenn dieses oder jenes der Wirklichkeit nicht streng entsprechen sollte.
Durchlomponierte Kunst statt Reportage bietet auf dem Hintergrund des Krieges Ralph H. Mottram im Spanischen Bachthof"( Leipzig . Infelverlag, 716 Seiten, Leinenband 12 M.). Wir sollen den Gegensatz zwischen Flamen, Franzosen und Engländern, den Kampf eines belgischen Mädchens um ihre Liebe, Berfristung und Erstarrung sehen und sollen in dreifacher Spiegelung berselben Ergeignisse erleben, mie fich ber Strieg vampyrhaft blut faugend, für ewig unauszottbar zum Herrn jener Seelen aufmirst, die er sich einmal unterworfen hat. Wenn der umfangreiche Romanbau und der geruhige Erzählerton hier am Inhalt gemessen allerlei 3weifel meden- Julius Kaden Bandrowitis ,, General Barcz( Frankfurter Sozietätsbruderei, 460 Getten, Leinenband 7,50 m.) läßt folche Zweifel an der Gemäßheit der Form nicht zu, das Chaos der polnischen Revolution und des staatlichen Neubaus wirkt sich in diesem Roman auch sprachlich und tons struttin aus. Generals und Weiberintriguen, Liebe und Berrat, 3iellosigkeit, Egoismus und Staatsgefühl, Edelstes und Gemeinstes mirren durcheinander, verbinden und lösen sich in buntester Folge, und mit dem Hin und Her der Bestrebungen, der Taten und Ereignisse glißern auch Gedanken, Wortspiele und Aphorismen auf, werden Gespräche wie Leuchifugeln von einem zum andern gemorjen, entscheiden dumtles Bollen und halbe Andeutungen. Bilfubiti? vielleicht. Jedenfalls zeigt hier ein Ironifer, fast ein Nihilift, wie über hohe Politit, über Staaten- und Böllerschicksal Laune, Erotik und Eifersucht entscheiden, die Seibgefchichte mandelt sich dem psychologisch tiefgrabenben Dichter, ähnlich wie in Neumanns ,, Sinflut und Werfels ,, Barbara", zum dämonischen Narrentanz. Dr. Alfred Kleinberg.
Dautschlands. In Frankreich fonnte die politische und gesellschaftliche Revolution versucht werden. In Deutschland mußten bie neuen Gedanken im Bereich der Spefulation bleiben und erschienen so gemäßigt, als sie in Bahrheit sind. Denn in ihrer Art waren Kant und Hegel mindestens ebenso radifal wie Robespierre und Marat .
Einwendungen dieser Art mind der proletarische und fozia listische Lefer gegenüber der neuen Weltgeschichte erheben. Aber zugleich wird er mit Freude viele Anschauungen und Belehrungen empfangen, die das Propyläenbuch bietet. Arthur Rosenberg .
JingA.2 nimblebusan
Haben Sie genügend vorgesorgt?
Genügt die Summe Ihrer Lebensversicherung für ein sorgenloses Alter? für die Ausbildung Ihrer Kinder? für die Versorgung Ihrer Familie im Falle Ihres Ablebens? Rechnen Sie bitte einmal aus, wieviel für diese Zwecke noch fehlt, damit Sie diese Summe nachversichern können. Auch die Beiträge für Nachversicherung sind um so niedriger, je früher Sie abschließen. Also tun Sie es rechtzeitig!
* Sie abschließ
Fragen Sie einen Versicherungs- Fachmann!