Hoch die Sozialdemokratie!

Berlin  , 21. Oktober 1890.

Für die Parteileitung:

Albin Gerisch)

Paul Singer  

J. Auer

Richard Fischer

Vorsitzende.

Sefretäre.

Der Parteitag beschließt:

In Erwägung, daß die Presse das beste und virt samste Agitations- und Kampfmittel ist,

breitung unserer Grundsäße dafür zu sorgen, daß der Sieg möglichst| Losungswort der Partei sein. Junge und Alte, das| Alle Sorgfalt müsse bei der Auswahl der Redakteure bald errungen werde. Jeder Parteigenosse sei ein Agitator und mache keinen Unterschied; Jedermann müsse mit gleichem verwendet werden. Dem Antrag, die gesammte Partei­Organisator für unsere Sache! Eifer dahin streben, daß unser Programm sich bald er- presse zum Eigenthum der Partei zu erflären, trat er fülle. Die Verhältnisse arbeiten für uns, aber ohne sehr entschieden entgegen. Die Lokalpresse dürfe weder unsere eigene Thätigkeit wird sich nichts bessern. Es uniformirt werden noch irgend wie auf Zuschüsse aus der wurde darauf die folgende, von Liebknecht   eingebrachte Parteikasse rechnen. Auer faßt seine Ausführungen in Resolution einstimmig angenommen:" In Erwägung, daß folgender Resolution zusammen: das von dem Einigungskongreß zu Gotha   im Jahre 1875 beschlossene Parteiprogramm, so trefflich es sich auch in dem Kampfe der legten fünfzehn Jahre, namentlich unter dem Sozialistengeset bewährt hat, dennoch nicht mehr in allen Punkten auf der Höhe der Zeit steht, wie das schon von früheren Parteifongressen ausgesprochen worden ist, beschließt der Parteitag, der Parteivorstand wird beauftragt, dem nächsten Parteitage den Entwurf eines daß die Genossen überall neben der Agitation für revidirten Parteiprogramms vorzulegen und ihn min­destens drei Monate vor Zusammentritt des nächsten die Verbreitung des Zentralorgans und der nichtperio­Parteitages zu veröffentlichen, damit die Partei hin- dischen Parteiliteratur sich vor allem die Unterstützung und Verbreitung unserer bereits existirenden Lokalpresse reichende Zeit zur Prüfung habe." angelegen sein lassen;

August Bebel  , Kassirer.

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Den Parteigenossen diene zur Nachricht, daß der Bericht über den Parteitag in Halle a. S. möglichst rasch fertig gestellt und noch im Laufe des November zur Versendung gelangen soll. Sobald der Umfang des Berichts und damit der Herstellungspreis desselben feststeht, wird der Verkaufspreis, der die Selbstkosten nicht überschreiten soll, bekannt gemacht.

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Die Verwaltungen der Parteiblätter werden ersucht, von ihren Organen je ein Exemplar an das Bureau der Partei leitung: J. Auer, Berlin   SW., Kazbachstr. 9], einzusenden. Zur Vereinfachung dürfte es dienen, wenn dort, wo es angängig ist, Ueberweisung durch die Post stattfindet.

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in weiterer Erwägung, daß unsere Parteipresse dieser ihrer Ausgabe nur entsprechen kann, wenn ihre Existenz genügend gesichert ist und jeder maßgebende, nicht par­teigenössische Einfluß von ihr sern gehalten wird;

spricht der Parteitag die Erwartung aus:

In der Nachmittagssigung fam der Punkt 8 der daß sie ferner überall streng darauf achten, daß Tagesordnung: Stellung der Partei zu Streiks Das Wort zum unsere Presse nicht Gegenstand von Privatspekulationen und Boykotts", zur Verhandlung. Referat erhält Kloß- Stuttgart  . Alle Arten von Streifs, werde, die mit dem Parteizweck nichts gemein haben; sowohl die Abwehr- als die Angriffsstreiks, seien bei der daß die erste und oberste Aufgabe unserer Presse: mißlichen Lage des Arbeiters in der heutigen Gesellschaft die Arbeiter aufzuklären und zum Klassenbewußtsein zu berechtigt, desgleichen gewisse Boykotts. Aber nicht alles, erziehen, nicht unter Rücksichten auf irgend welche Privat­Die letzten Tage des sozialistischen   Kongresses. wozu man die Berechtigung hat, ist darum auch klug. interessen leide. Insbesondere empfiehlt der Parteitag den Genossen, Am Donnerstag trat die Versammlung in die Dis- Vielfach habe man, ungenügend vorbereitet und ohne kussion über das Parteiprogramm. Es sind ver- Kenntniß der Geschäftslage, Arbeitseinstellungen begonnen, bei der Gründung von neuen Parteiblättern möglichst schiedene Anträge dazu eingelaufen; am einschneidendsten die dann natürlich erfolglos verlaufen mußten. Die Vorsicht walten zu lassen und solche Unternehmungen ist das Berliner   Amendement, welches Berndt im Auf- Haltung der Behörden, welche gegen Unternehmer- Orga- unter feinen Umständen zu gründen, bevor sie nicht trage der Versammlung des sozial- demokratischen Wahl- nisationen nicht das Geringste einzuwenden haben, da- genau erwogen und sich überzeugt haben, daß die Mög­vereins für den 5. Berliner   Wahlkreis stellte, späterhin gegen die Arbeiterverbände argwöhnisch verfolgen, er- lichkeit für die Existenz des Unternehmens aus eigenen Nur wenn man die Mitteln gegeben, und daß vor allem auch die nothwen­aber zurückzog. Folgende Aenderungen des Programms schwere die Aufgabe noch mehr. werden darin vorgeschlagen: Fachvereinsbewegung immer energischer weiter treibe und digen geistigen, technischen und administrativen Kräfte 1. Die Forderung: Erklärung der Religion zur die Gewerke womöglich zentralistisch organisire, fönne zur Leitung eines Blattes vorhanden sind." Diese Resolution gelangt zur Annahme, desgleichen Privatsache wird statt an die sozialistische Gesellschaft man gegen die geschlossenen Unternehmergruppen erfolg­ein Antrag, daß der Parteivorstand zur Untersuchung an den heutigen Staat gestellt. 2. Der die Produktiv- reich vorgehen. Er beantragt folgende Resolution: Der Parteitag erklärt: Unter den heutigen ökono- der Streitsache Frohme- Keßler mit der Einsetzung eines Assoziationen betreffende Saz wird gestrichen. 3. Jede Beschränkung von Frauenarbeit im Unterschied von der mischen Verhältnissen und bei dem Bestreben der herrschenden Schiedsgerichtes zu beauftragen sei. Da kam eine er­Männerarbeit fällt. Die Forderung des gesetzlichen Klassen, die politischen Rechte und die wirthschaftliche schütternde Nachricht: Ein Genosse, der während der gleichen Lohnes für Mann und Frau fällt, weil ihre Lage der Arbeiter immer tiefer herab zu drücken, sind Rede Auer's ohnmächtig geworden und in den Nebensaal Durchführung thatsächlich zur Verdrängung der Frauen- Streits und auch Boykotts eine unumgängliche Waffe für gebracht war, ist gestorben, der Schlag hat ihn gerührt. arbeit führt. Nur das Verbot der Nachtarbeit verhei- die Arbeiterklasse: einmal um die auf ihre materielle oder Der Vorsitzende Singer ergreift das Wort: Ich habe ratheter Frauen ist zu fordern.- 4. Die Forderung des politische Schädigung gerichteten Bestrebungen ihrer dem Parteitag eine erschütternde Mittheilung zu machen: politischen Wahlrechts der Frauen wird in das Programm Gegner zurückzuweisen, dann aber auch, um ihre soziale Der Genosse, der vorhin zusammenbrach, ist vom Schlage aufgenommen und zwar unter die Forderungen an den und politische Lage nach Möglichkeit innerhalb der getroffen gestorben. Es ist der Genosse Baumgarten, der Delegirte für Hamburg   3. Einen Genossen haben heutigen Staat. 5. Abschaffung der Gesindeordnung. bürgerlichen Gesellschaft zu verbessern. 6. Verbot der Naturalienlöhnung an die ländlichen ,, Da aber Streiks und Boykotts zweischneidige Waffen wir in ihm verloren, der in treuester Pflichterfüllung Arbeiter. 7. In den die Einkommensteuer betreffenden sind, die Interessen der Arbeiterklasse mehr schädigen, als immerdar stand. Baumgarten war einer der ältesten Passus wird die Steuerfreiheit der Einkommen unter fördern können, empfiehlt der Parteitag den deutschen   Genossen Hamburgs  . Er gehörte zu denen, die für ihre 3000 Mart aufgenommen." Arbeitern sorgfältige Erwägung der Umstände, unter Ueberzeugung oft gemaßregelt wurden. Hier hat er Ein anderer Antrag von Küdt- Heidelberg wünscht welchen sie von diesen Waffen Gebrauch machen wollen; mitgewirft und gesehen, wie sich die Einheit unserer deu Passus, welcher die Religion als Privatsache erklärt, insbesondere betrachtet es der Parteitag als eine zwingende Partei glänzend manifestirte. Wenn es einen Trost für zu modifiziren. Die Partei jolle erklären, daß sie zwar Nothwendigkeit, daß die Arbeiterklasse zur Führung solcher den Verlust giebt, so ist es der, daß er bis zum Tod, die religiöse Ueberzeugung der einzelnen Genossen un- Kämpfe sich gewerkschaftlich organisirt und zwar möglichst bis zum letzten Athemzuge im Dienste seiner Partei stand. mittelbar nicht angreife, aber als revolutionäre Partei in zentralistischen Verbänden, um sowohl durch die Wucht Ich ersuche die Delegirten, sich zu Ehren unseres Genossen auch in religiöser Beziehung auf dem Boden der freien der Zahl, wie die Wucht der materiellen Mittel und nach von den Plägen zu erheben. wissenschaftlichen Forschung stehe und jeden Dogmen- sorgfältig getroffenen Erwägungen den beabsichtigten Zweck glauben als Quelle der Knechtschaft und gewaltiges Hin- möglichst vollkommen erreichen zu können. derniß des Emanzipationskampfes des Proletariats be­fehde; desgleichen jede Kirche, die auf Grund von Dogmen der Arbeiterklasse feindlich gegenübertrete.

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Der Parteitag, von diesen Auffassungen ausgehend, empfiehlt allen Parteigenossen kräftige Unterstüßung der gewerkschaftlichen Bestrebungen.

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Der Kongreß vertagt sich darauf bis zum Nachmittag. Auer erstattet im Namen der Kommission, welche der Parteitag zur Vorberathung des von der Fraktion ent worfenen Organisationsplanes eingesezt, Bericht: Das Ergebniß unserer Arbeiten liegt Ihnen vor. Die Kom In der Debatte machte sich eine starke Abneigung" Zugleich protestirt der Parteitag gegen die erneuten mission hat mit Einmüthigkeit ihre Beschlüsse gefaßt. gegen jeden Versuch geltend, die sozialdemokratische Partei Versuche der Regierungen und der Unternehmerklasse, den Zunächst ist der Name der Partei geändert. Wir als solche irgendwie für die freigemeindliche und frei in Deutschland   vorhandenen Rest des Koalitionsrechtes nennen uns: Sozialdemokratische Partei Deutschlands  ". denkerische Bewegung zu engagiren. Das wäre eine nuz durch die reaktionären Bestimmungen in der Novelle zur Jede Person, heißt es jetzt, gilt zur Partei gehörig lose Belastung, außerdem dürfe man die Landbevölkerung Gewerbeordnung vollends zu vernichten und beauftragt also auch Frauen. Nicht zu jedem Buchstaben des nicht vor den Kopf stoßen und dem Zentrum die Ge- die parlamentarischen Vertreter der Partei, diese Versuche Programms, wohl aber zu den allgemeinen Grund­legenheit geben, die Bauern gegen uns zu fanatisiren. mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen und dafur einzusäßen des Programms muß sich Jeder bekennen, der In seinem Schlußwort erklärt Liebknecht  , warum treten, daß volle Koalitions- und Vereinigungs- zu uns gehören will. In Rücksicht auf die vereinsgesetz­jedes Ansinnen, ein Bild des Zukunftsstaates in unser freiheit, diese Grundlage für die Kämpfe der Arbeiter- lichen Bestimmungen ist die Form gewählt: und die Programm aufzunehmen, abgewiesen werden müsse. In lasse zur Erreichung besserer Existenzbedingungen, erreicht Partei nach Kräften unterstützt". Die Unterstützung kann ihren Jugendjahren hätte die Sozialdemokratie wohl sol werde." durch Geldbeiträge, durch wissenschaftliche Arbeiten 2c. chen Träumereien nachhängen können, nicht aber in ihrem Nach längerer Debatte erhält Grillenberger das erfolgen. In Sachen der Vertrauensmänner sind die jezigen ernsthaften und träftigen Alter. Wie könnten wir Echlußwort, er tritt gleichfalls für die Zentralisation der Vorschläge des ursprünglichen Entwurfs im Allgemeinen ein Bild vom Zukunftsstaate entwerfen, da man sich ja Gewerkschaften ein. Wit Zwergorganisationen und Zwerg- beibehalten worden. Doch ist in Rücksicht auf die nicht einmal darüber klar wäre, wie es nach 10 Jahren organisationchen ist den gewaltigen Koalitionen des Unter- sächsischen, bayerischen 2c. Parteigenossen der§ 6 ein­in Deutschland beim Fortbestande der heutigen Gesell nehmerthums gegenüber nichts geholfen. Die Massen der gefügt. Die Bestimmungen über den Parteitag schaft aussehen werde. Zu dem Saze Religion ist Arbeiter müssen zu gewaltigen Verbänden zusammengeballt bleiben. Die Parteigenossen fönnen Anträge stellen, jo viel Privatsache" jei nichts Neues vorgebracht. Von Heuchelei werden. Zum Glück schädigt der Konkurrenzneid die wie sie wollen, und die Parteileitung muß sie spätestens unsererseits lönne nicht die Rede sein; wer scheue sich Einigkeit der Unternehmer, deren Kapitalmacht sie sonst 10 Tage vor der Eröffnung des Parteitages durch das denn, offen Farbe zu befennen? Verfehrt wäre es in- in den Stand setzt, es viel länger beim Streit auszuhalten, offizielle Parteiorgan veröffentlichen. Was die Theil dessen, die Kritik der Religion irgendwie in den Vorder- als die Arbeiter. Deshalb müssen die Arbeiter mit allen nahme am Parteitag betrifft, so bleibt es dem Taftgefühl grund zu stellen, denn sie sei nur eine der Außenseiten, Mitteln die gewerkschaftliche Organisation fördern. Wir der einzelnen Kreise überlassen, ob sie mehr als drei micht die Basis des Klassenstaates. Falle dieser, so werde müssen große Organisationen nach englischem Muster Delegirte schicken wollen. Sie werden das Richtige sie mit ihm zugleich stürzen. Unsere Religion sei der bilden. Die einzelnen Gewerkschaften fönnten als Branchen- treffen. Der außerordentliche Parteitag muß jetzt einbe Idealismus, welcher im Dienste der Arbeiterpartei und vereine bestehen bleiben. Alle Bauarbeiter, alle Maschinen- rufen werden, wenn 15 Wahlkreise es verlangen. Es damit im Dienste der Menschheit uns zu allen Opfern arbeiter müßte z. B. ein Verband umschließen. So wird wird sehr selten stattfinden, daß ein außerordentlicher befähige.-Was die Frauenfrage betreffe, so sei unsere sich in Zukunft der Kampf gestalten. Parteitag einberufen wird. Die Bestimmung, daß Partei selbstverständlich für völlige Gleichberechtigung des Auf die Dauer ist eine gedeihliche Entwickelung der 10 000 Parteigenossen durch Unterschrift die weiblichen Geschlechtes sowohl auf ökonomischem wie po- Organisation unmöglich, wenn in den großen Städten Einberufung des außerordentlichen Parteitages litischem Gebiete. - Man habe aus Agitationsgründen beispielsweise in einer Gewerkschaft für den achtstündigen verlangen dürfen, ist gestrichen, weil der Cha es befürwortet, daß die Beseitigung der Gesindeordnung Arbeitstag agitirt wird, während in der Provinz in dem- rakter des Vereins dadurch hervorgerufen würde. als eine Forderung in unser Programm aufgenommen felben Gewerk noch 12, 14, ja 16 Stunden täglich ge- Jeder Staatsanwalt würde sagen: Ihr seid ein Verein, werde. Es frage sich indeß, ob derartige Detailforde arbeitet wird. Hier muß erst ein annähernder Ausgleich denn Ihr müßt ein Mittel haben, festzustellen, wer Partei­rungen dasselbe nicht allzuschr belasten würden, ob sich herbeigeführt werden. Die Agitation muß hinaus auf genosse ist. Deshalb ist diese Dekoration, denn mehr war die Sache überhaupt lohne. Zu tadeln sei in dem das Land, in die Provinz! es nicht, gefallen. In Sachen der Parteileitung wurde bisherigen Programm die Theilung: das verlangen wir Darauf wird die Kloß'sche Resolution einstimmig eine Verständigung erzielt. Auf die politische Leitung vom Zukunftsstact- das von der heutigen Gesellschaft. angenommen. wird auch die Frattion Einfluß haben, ebenso die Presse.

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Wie könne man diese beiden Dinge trennen? Die heutige Am Freitag erfolgte die Berathung über die Par- Eine weitere Stontrolinstanz ist überflüssig. Die Form Gesellschaft wachse in die sozialistische hinein; eine beteipresse. Als Referent erhält Auer das Wort. Er ist gewählt mit Rüdsicht auf die vereinsgefeßlichen Be stimmte Grenze zwischen ihnen dürfe daher auch wendet sich gegen den Leichtsinn, der bei der Gründung ſtimmungen. Wir waren davon überzeugt, daß die vor im Programm nicht gezogen werden. Aufklä von Zeitungen vielfach geherrscht habe. Besser sei es, geschlagene Form die einzige vereinsgefeßlich mögliche rung und immer wieder Aufklärung müsse fortan das die alten Blätter weiter auszubauen, als neue zu gründen. Form ist. Mit der Möglichkeit, daß unsere Partei als

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