Ar. 9. Mittwoch» de« 11. Januar 1888. 5. Jahrg. dintrlMlill. Brgan für die Interessen der Arbeiter. Da«Berliner Volksblatt" ich Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin   frei monatlich 1,35 Marl  , wöchentlich 35 Pf. Postabonnement ...nv...» �vuiumn, u Pf. Sonntags-Nummer mit demSonntags-Blatt" 10 Pf. (Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1888 unter Nr. 849.) JnsertionSaebühr oder deren Raum 25 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf. Bei beträgt für die 4 gespaltete U größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags m der Expedition, Berlin   SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen-Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Redaktion: Keuthstraße S. Expedition: Zimmerstraße 44. Die Kinderarbeit im Handmerk. Wenn in Deutschland   die Sprache auf die Arbeiter- schutz-Gesetzgebung kommt, so wird gewöhnlich mit großer Seldstbefrieoigung auf die Bestimmungen unserer Gewerbe- ordnung hingewiesen, nach welchen Kinder unter 12 Jahren gar nicht und vom zwölften bis zum vierzehnten Jahr nur sechs Stunden beschäftigt werden dürfen. Zum Beweise für die wohlthätigen Folgen dieser gesetzlichen Bestimmungen wird dann gewöhnlich auch auf die verhältnißmäßig ge- ringe Zahl von Kindern verwiesen, welche nach den Be- richten unserer Fabrikinspektoren in den Fabriken beschäf- tigt sind. Wir geben nun gerne zu, daß gegenüber Ländern mit ar keiner Fabrikgesetzgebung, wie z. B. Belgien oder »talien, die Verhältnisse bei uns, soweit die Fabriken in Betracht kommen, verhältnißmäßig günstig geregelt sind, wogegen die kleine Schweiz   mit ihrem absoluten Verbot jeder Kinderarbeit unter 14 Jahren in den Fabriken uns auch auf diesem Gebiete über ist. Aber auch die englische Gesetzgebung geht theilweise weiter und vor allem er- $ streckt sich dieselbe auch auf ein Gebiet, auf das die deutsche Arbeiterschutz-Gesetzgebung leider noch nicht vorge- drungen ist, nämlich auf das Handwerk und die H a u s- i n d u st r i e. Nach den Aufstellungen unserer Fabrikinspektoren für das Jahr 1883 betrug die Zahl der in den Fabriken be- schäftigten Kinder 18 395, die Gesammtzahl der jugendlichen Arbeiter und Kinder aber 143 805. Gegen das Jahr 1882 war eine Zunahme um 20 262 Köpfe zu konstatiren. Seit jener Zeit hat die Zahl der Kinder und jugendlichen Ar- oeiter beständig zugenommen und besonders das Verhältniß der jugendlichen Arbeiter zu der Gesammtzahl der Arbeiter wird ein immer ungünstigeres, wie ja auch die billigere Frauenarbeit mehr und mehr Verwendung findet und die theuere Männerarbeit verdrängt. Während uns diele Zahlen aber einen Einblick über den Umfang und die Zahl der in Fabriken heschäftigten Kinder geben, fehlt uns eine solche Uebersicht über die im Handwerk und in der Hausindustrie beschäftigten Kinder ganz und gar. Und doch herrschen gerade in diesen Arbeits- zweigen Uebelstände viel schlimmerer Art, als in den meisten Fabriken. So traurig es auch mit der Fabrikinspektion bei uns noch im Allgemeinen bestellt ist, in etwas wirkt sie doch und Maßnahmen in Bezug auf Ventilation, Rein- lichkeit der Arbeitsräume, Arbeitspausen und Aehnliches sind ihr vielfach zu verdanken. Wer aber kümmert sich um alle diese Dinge im Handwerk und besonders bei der Heimarbeit? Und doch wäre gerade hier strenge Kontrole [7 IeuiU'eton. »n»c»BlteiL)(Ste«bnia.erboten.) Der Erve. Roman von Friedrich Gerstäcker  . Der Knabe nickte ihm fteundlich zu, und Bruno sprang jetzt selber fort, um den gebrachten Stuhl so herzurichten, daß sie den Kranken gut darauf transportiren konnten. Da hinein setzten sie ihn dann, und während die Dienerschaft herbeigerufen war, um ihn langsam und vorsichtig ins Schloß zu tragen, ging Kathinka an der einen, Bruno an der andern Seite und unterstützten ihn. Indessen war auch Bruno's Fuchs gesattelt worden, und wie er den Bruder nur erst einmal gut untergebracht wußte, eilte er hinab, sprang, ohne weder von Vater oder Tante Abschied zu nehmen, in den Sattel und ritt, seinem feurigen Thier die Sporen eindrückend, in einem scharfen Trabe aus dem Schloßhof hinaus und durch das Dorf. Am letzten Hause des Dorfes stand eine Frau, die dem Reiter, als er vorüber brauste, fteundlich und fast ver- äcx �nickte. Bruno kannte sie auch, es war die alte Hetzberger, die er sonst wohl oft in seines Vaters Hause gesehen; er bemerkte auch vielleicht, daß sie ihn grüßte, sah wemgstenS die Bewegung, hatte aber den Kopf so voll der verschiedensten Dinge, daß er gar nicht daran dachte, ihr auch nur zu danken, sondern gleich darauf, ohne ihr nur den Kopf noch einmal wenden, die breite Fahrstraße verließ und rechts ah in einen Fußweg etnbog, der nicht allem die Strecke bis zur Stadt etwas verkürzte, sondern auch zwischen den Getreide- ftldern einen weichen und elastischen Rasenboden für sein Thier gewährte. Die Heßberger sah ihm mit demselben lachenden Gesicht, mit dem sie ihn vorhin gegrüßt, nach, selbst wie er schon weit von ihr entfernt durch die Kornfelder dabintrabte, bis «r endlich eine kleine Erhöhung überritt und dann dahinter und Aufsicht am nothwendiasten. Die Arbeitszeit ist beim Kleinbettieb fast durchgehend s länger als in den Fabriken, besonders bei der Hausarbeit ist in den Zeiten flotten Ge- schäftsganges ein Normalarbeitstag von 1518 Stunden durchaus keine Seltenheit. An Pausen während der Ar- beitszeit ist dabei nicht zu denken und während man in den Fabriken meist Gaslicht, jetzt sogar schon an vielen Stellen das herrliche elektrische Licht während der Abend- stunden hat, brennt in den Werkstellen unv in den Stuben der Heimarbeiter die dünstende Pettoleumlampe. Wer sich aber von den theilweise die Gesundheit geradezu verpesten- den Zuständen in den Arbeitsstätten des Kleinbetriebs über- zeugen will, der besuche die in den Kellern oder von Luft und Sonnenschein abgeschlossenen Höfen liegenden Werk- statten der Handwerker in den Städten oder die Stuben ver sächsischen Weber oder der thüringischen Spielwaaren- arbetter. Gegen solche Arbeitsstätten sind die meisten Fa- briken wahre Paläste. In allen diesen Arbeitszweigen nun sind tausende und abertausende von Kindern und zwar vom zartesten Alter an beschäftigt. Die Fabrik darf kein Kind unter 12 Jahren aufnehmen, hinterm Spulrad aber sitzen die Kinder der Weber schon vom 8. Jahre ab und theilweise noch ftüher, und ebenso werden sie zur Puppen- und Spielzeug- fabrikation schon im zartesten Alter herangezogen. Und doch ist der feine Garnstaub in den Webstuben und die Ausdünstung der Farben und des Papiermache reines Gift für die Respirationsorgane dieser Kinder. Aber auch im Handwerk sind die Zahl der Uebelstände ungezählt. Während das Gesetz es verbietet, jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren in Fabriken länger als 10 Stunden zu beschäftigen, die Zwischenpausen genau verschreibt und die Nacht- und SonntagSarbeit für dieselben gänzlich untersagt, kümmert es sich um den Lehrburschen veS Handwerkers gar nicht. Wenn dieser von seinem Meister von Morgens 5 bis Abends 8 Uhr in das Joch gespannt und ihm kaum Zeit gegönnt wird, um das Essen hinunter zu würgen, wer kümmert sich darum? Da ist kein Werkstätteninspektor da und keine gesetzliche Vorschrift nimmt sich des armen Knaben an. In Norddeutschland schützt die Schulpflicht wenigstens schließen konnte, das achte Schuljahr einzuführen, ja wo ein großer Theil der ultramontanen Partei sogar dem 7. Schuljahr feindlich gegenüber steht, ist die Zahl der 13-, ja sogar 12 jährigen Lehrbuschen eine sehr große. Hier müßte nun die Gesetzgebung eingreifen und von einzelnen Seiten, so durch den sozialdemokratischen Arbeiter- verschwand; und nun erst nickte sie still vor sich hin mit dem Kopf und murmelte dabei: Merkwürdig, merkwürdig und man lernt doch nie im Leben aus. Sonst denkt man doch immer, es stäke im Blute und war angeboren aber es läßt sich auch an- erziehen, wenn es nur recht begonnen und durchgeführt wird. Ja, ja, Puppe, reite Du nur da so stolz auf Deinem hübschen Gaul, als ob Du ein König oder Kaiser wärest, und gucke die alte Frau nicht an, die den Staub von Deines Rosses Hufen schluckt. Und wenn die alte Frau wollte doch sie will eben nicht und läßt Dich so lustig hinreiten, als ob Du wirklich alles das wärest, was Du Dir denkst. Nun, vielleicht kommt doch einmal die Zeit, wo sie Dir in den Weg tritt und wie höflich Du dann werden wirst, mein Bürschchen, wie erstaunlich höflich!" Bruno von Wendelsheim trabte indessen, ohne auf die Alte auch nur einen Gedanken zu wenden, scharf den Rasenpfad entlang, und das Herz war ihm so voll und schwer, der Kopf that ihm weh vom vielen Grübeln. Benno, sein armer Bruder, er war viel kränker, als er es je für möglich gehalten und wer blieb ihm von all' seinen Verwandten, wenn der Knabe starb? Sein Vater? Er hatte wohl rauhe und heftige Reden oder Er- Mahnungen, nie aber ein Wort der Liebe von seinen Lippen gehört. Seine Tante? Er biß die Zähne fest auf einander, wenn er nur an das letzte Begegnen mit ihr dachte, wo sie ihn ordentlich mit Hohn abgewiesen. Hatte sie Liebe zu ihm? Wahrlich nicht! Und vor sich hin schüttelte er still den Kopf, wenn er daran dachte, wie groß der Haß gegen ihn sein müsse, daß sie sich nicht einmal aus Klugheit freundlicher gegen ihn bena Seinem Fuchs hatte er dabei die Zügel gelassen; er mußte bald in der Stadt sein, einestheils seiner eigenen Angelegenheit wegen, anderentheils aber auch, um den Arzt so rasch als nur irgend möglich nach Wendelsheim  hinaus zu senden. Wie er so auf dem schmalen Weg dahin trabte und der Fuchs war eigentlich mit ihm durch- gegangen, denn der Retter bekümmerte sich gar nicht mehr um seine Führung, machte der Weg, gerade an einer sind dazu auch schon Versuche gemacht worden, leider bis jetzt ohne Erfolg. Die Zünftler, welche ja vorgeben, in erster Linie be- rufen zu sein, die Interessen des Handwerks zu wahren, haben bis jetzt noch nicht das Geringste gethan, den Lehr- ling zu schützen. Soweit die Innungen bis jetzt sich mit dem Lehrling befaßt haben, ist er stets nur als Ausbeutungs- objekt in Betracht gekommen. Nur die Frage: wie ist die Arbeitskraft des Lehrlings möglichst nutzbar für den Lehr- Herrn zu machen? hat bisher die Zunftmeister in ihren Innungen beschäftigt. Daß das in Zukunft anders werden sollte, glauben wir nicht und unseren Lesern wird es gehen wie uns. Unter solchen Umständen halten wir es für angebracht, daß die A r b e i t e r s e l b st die Angelegenheit in die Hand nehmen. Es müßte der Versuch gemacht werden, an den einzelnen Orten oie Zahl der beschäftigten Lehrlinge fest- zustellen, deren Alter, die Dauer ihrer Arbeitszeit, ob sie zur Sonntagsarbeit oder Nachtarbeit wobei die'Zeit von 8t Uhr Abends bis 5& Uhr Morgens in Betracht käme herangezogen werden, müßte aufgenommen werden und wir sino überzeugt, daß, wenn eine solche Statistik nur in einigen Gewerben halbwegs gründlich vorgenommen würde, Zahlen herauskämen, welche das Gerede von der geringen Verwenvung der Kinderarbeit in Deutschland   ver- stummen machen würden. Wir haben ganze Berufsarten, so z. B. die K a r t o n n a g e f a b r i k a t i o n, wo sie hausindusttiell betrieben wird, welche soweit sie männliche Arbeitskraft überhaupt verwenden nur Knaben bis zu höchstens 15 Jahren beschäftigen. Daß es im Handwerk tausende von Meistern giebt, welche nur mit Lebrburschen arbeiten, weiß jeder, der sich um diese Verhältnisse etwas gekümmert. Würde es nun gelingen, auch nur aus einzelnen Städten und Gegenden, wo die Verhältnisse besonders schlimm sind, dieselben zahlenmäßig zusammen zustellen und sie an die Oefsent- lichkeit zu bringen, so ivürde dies für ein gesetzgeberisches Vor- gehen auf diesem Gebiete von großem Vortheile sein. Die deutschen Arbeiter und mit ihnen alle jene, welche für eine ernsthafte Arbeiterschutzgesetzgebung eintreten, ver- langen, daß eine Beschäftigung von Kindern unter vier- ehn Jahren überhaupt verboten werde. Diese Forderung at aber bisher nicht einmal für die Fabriken durch- gesetzt werden können und zwar wurde dagegen als Hauptgrund immer angeführt, daß, wenn ein so weit gehendes Verbot für die Fabriken eingeführt würde, dadurch nur die Kinder der Hausindustrie zugetrieben würden, wo sie, ohne jede Kontrole und gesetzlichen Schutz, noch schlimmerer Ausbeutung ausgesetzt seien als in der Fabrik. Wenngleich dieser Einwurf nicht ganz zutreffend niederen Stelle, wo das Korn außerordentlich hoch stand, eine scharfe Biegung, und als Bruno dahinflog, sah er vlötzlich einen Fußgänger vor sich, der auf dem weichen den Fremden, in dem er jetzt den jungen Baumann erkannte, noch mit dem Knie streifte. Er versuchte auch sein Pferd einzuzttgeln, um sich zu entschuldige es war nicht möglich. Der Fuchs hatte das Gebiß Sbie».a»v, i«.'._____ itl* die Zähne genommen und setzte in eine ordentliche Karriere ein, daß Kies und Rasenstücke hinter ihm emporstieben. Bruno mußte ihn eben laufen lassen, und wenige Minuten später erreichte er schon die Thore der Stadt, wo er das wilde Roß erst wieder in seine Gewalt bekam. Die elende Familie. In der Lindenstraße, aber ziemlich weit draußen, so daß der Garten mit seiner Rückseite schon an die dort beginnen- den Felder stieß, lag das Grundstück des alten Majors a. D. von Halsen, der da mit einer alten Verwandten, die ihm das HauSwesen führte, einem Gärtner, einer Köchin und einem alten Stubenmädchen wirthschaftete. Das Haus selber war groß und massiv gebaut und in den oberen Räumen wirklich herrschaftlich eingerichtet, der Garten parkähnlich, mit einem großen Treibhause und dem kostbarsten Obst darin, und der Besitzer galt für reich, aber für einen Sonderling, der sich hier von der Welt vollkom- men abzuschließen schien. Er hatte es allerdings sehr gern, wenn ihn Jemand besuchte und eine halbe Stunde mit ihm verplauderte, denn die Langeweile quälte ihn oft fürchterlich; er selber aber machte nie einen Besuch, außer in letzter Zeit häufig bei dem Staatsanwalt Witte, mit dem er besonders viel und heimlich zu verkehren hatte. Uebrigens fanden sich nur Wenige, die dann und wann dasLazareth", welchen Namen das Haus schon in der ganzen Stadt erhalten, betraten, denn eS bot sehr wenig Anziehendes, und der Major selber, ohne die geringste ge- sellschaftliche Tugend, war ein so unliebenSwürdiger Gesell, daß man ihm immer lieber aus dem Wege ging, als ihn