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Nr. 232.
Freitag, den 4. Oktober 1889.
autono6. Jabrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der
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erfcheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Einzelne Nummer 5. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Bei Abholung aus unserer Expedition Zimmerstraße 44 1 Mart pro Monat. Postabonnement 4 Mart pro Quarial. ( Eingetragen in der Bostzeitungspreisliste für 1889 unter Nr. 866.) Für das Ausland: Täglich unter Kreuzband durch unsere Expedition 3 Mart pro Monat.
Arbeiter.
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Sozialistengeleh und Rechtspflege.
Unter diesem Titel hat Rechtsanwalt Oskar Muser in Offenburg i. Baden eine Broschüre erscheinen lassen, die ganz gelegen kommt zu den bevorstehenden Erörterungen über das Schicksal des Sozialistengesetzes im Reichstag.
Herr D. Mufer gehört, wie wir vorausschicken wollen, zur bürgerlichen Demokratie, er gehört zu jener handvoll bürgerlich denkender Leute in Deutschland , die noch Ideale haben, die noch an die Nothwendigkeit der bürgerlichen Rechtsgleichheit als die wesentlichste und festeste Grundlage bes Staates glauben und warm dafür eintreten.
Einen kleinen Vorgeschmack davon liefert die Muser'sche Broschüre. Herr Muser ist der erste der den Versuch machte, als Unbetheiligter aus den bürgerlichen Kreisen, einen kleinen Theil dieser Vorgänge an der Hand der Thatsachen kritisch zu beleuchten und den Abgrund aufzudecken, an den das Sozialistengesetz Deutschland gebracht hat.
Es wäre zu wünschen, daß ein Rechtskundiger sich fände, der was seit elf Jahren im Namen des Sozialistengesetzes und im Zusammenhang mit demselben geschah, in einer umfassenden Arbeit zusammenstellte und mit der entsprechenden Kritik der Deffentlichkeit übergäbe. Es wäre auch ein Denkmal dauernder als Erz, das künftigen Geschlechtern zeigte, wessen die bürgerliche Mera gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Deutschland fähig war.
In einem Artikel über die Zukunft des Sozialistengefeßes stieß fürzlich die National- 3eitung" den Stoßfeufzer aus, daß das Sozialistengesetz selbst korrumpirend auf die Rechtsprechung wirkte. Sie mag sich die Muser'sche Schrift beschaffen und auf Grund des vorgeführten Materials fich die Frage beantworten, ob auch dieses ihren Stoßseufzer rechtfertige.
Herr Muser hat Gelegenheit gehabt, in seiner EigenShaft als Rechtsanwalt die Handhabung und Auslegung des Sozialistengefeßes durch die badischen Behörden und Gerichte aus nächster Nähe kennen zu lernen und als Anwalt der Sache der Unterdrückten sich anzunehmen. Er hat jedoch dabei Erfahrungen machen müssen, die sein bürger liches Gewissen empörten. Es ist aber bei dieser Empörung nicht geblieben, die Empörung hat Wir sind mit unserm Urtheil fertig, hüten uns aber, ihm die Feder in die Hand gedrückt und so es auszusprechen. Ist ihr noch ein Funke von Rechtsbegiebt er in der hier in Frage stehenden Broschüre eine rechts- wußtsein geblieben, so werden unsere Urtheile nicht differiren. weissenschaftliche Beleuchtung der in Baden vorgefallenen polizeilichen und richterlichen-Großthaten, die Freunden und Gegnern des Sozialistengesetzes zur Beachtung empfohlen sein soll.
Die Thaten, die Herr Muser aftenmäßig vorführt und juristisch fritisirt, sind uns nicht fremd, es ist seit Jahr und Tag gewissenhaft im Berl. Volksblatt" über sie berichtet morden, sie stehen aber nicht einzig in Deutschland da. Thaten und Vorgänge, wie sie die Muser'sche Broschüre auf bem Gebiete des Versammlungs- und Vereinswesens, der Berbreitung verbotener Schriften und der sich daran schließenben gerichtlichen Prozeduren, mit Wochen und Monate langer unschuldig verbüßter Untersuchungshaft und schweren Berurtheilungen auf Grund von Gefeßesauslegungen, die man nie für möglich gehalten, schildert, find in Deutschland feit den elf Jahren des Sozialistengesezes hundert- ja tausendfältig vorgekommen und fein Hahn krähte bisher barnach.
Das ist eben das tief Beschämende für die bürgerliche Gesellschaft in Deutschland , daß sie alles Rechts- aber auch alles Schamgefühl verloren hat. Daß sie die ungeheuerlichsten Dinge, die, wenn der allerkleinste Theil davon ihr selbst passirte, einen Sturm der Entrüstung durch ganz Deutschland hervorrief, ruhig geschehen läßt, ohne einen Finger zu rühren, ohne ein Wort des Tadels zu haben, weil der Geschundene ein Gegner ist.
Wenn fünftig einmal die Geschichte des Sozialistengefeßes, aftenmäßig beleuchtet, geschrieben wird, es wird ein Denkmal von der Beiten Schande, wie Deutschlands Bürgerthum fein zweites aufzuweisen hat.
Feuilleton.
abruck verboten.]
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Fünftes Kapitel. das Eis?
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Was erzählt der Mond?
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Was erzählt
Er
Timar hätte diesen Menschen tödten können! batte ihn in den Händen. Und Timar fühlte in den Muskeln seiner Arme die Kraft eines Rasenden. Aber Limar tödtet diesen Menschen nicht. Timar sagt sich dieser Mensch hat Recht! Und die Geschicke müssen sich erfüllen. Eimar ist kein Bösewicht, der ein Verbrechen mit dem andern zubeckt; sondern ein großer Charakter, der, wenn er gefehlt hat, dafür zu büßen bereit ist. Er tritt auf den Grker hinaus und sieht, die Arme über die Brust gekreuzt, zu, wie dieser Mensch aus der Pforte des Kastells hervor formmt und über den Hof auf das Thor zuschreitet. Der Mond ging gerade über den Somogyer Bergen auf und beleuchtete die Raftell- Fronte. Die dunkle Gestalt dort auf bem Erfer würde eine sehr gute Zielscheibe abgeben für Semanden, der auf sie schießen wollte. Theodor Krißtyan geht unten am Erfer vorüber und schaut hinauf. Die verharschte Stirnwunde ist bei dem Fall über die Treppe aufgesprungen und blutet. Das Blut rinnt ihm über das Gesicht herab. Vielleicht hatte Timar sich auf dem Erker hingestellt, weil er dachte, der Rasende werde aus Rache auf ihn Schießen. Dieser aber blieb vor ihm stehen und begann lautlofe Worte zu sprechen. Gerade wie Athalie. Wie würden diese beiden Gestalten zu einander passen! Krißtyan spricht mus durch Mundbewegungen. Er hinft mit dem einen Fuße,
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Sie mag auch an der vorliegenden Broschüre studiren, wie man welthistorische Erscheinungen wie die Sozialdemofratie als welche sie sogar Herr v. Puttkamer anerkannte aufzufassen und zu behandeln hat. Das erste Kapitel der Broschüre betitelt: Der Sozialismus und das Sozialistengesetz ist besonders für diejenigen geschrieben, deren philosophische Bildung sie lehren sollte, den Dingen auf den Grund zu sehen.
Aber wie Rechts- und Schamgefühl unserer Bürgerklasse abhanden tam, so verlernte sie auch das D'enken.
Denken heißt, die Erscheinungen beobachten, die um uns vorgehen, die Ursachen, die diese Erscheinungen erzeugten, studiren und aus den gewonnenen Resultaten furchtlos die Schlüsse und Konsequenzen ziehen. Das Denten auf die sozialen Erscheinungen angewandt, müßte also dazu führen, den Forscher zu belehren, inwiefern eine Erscheinung wie die Sozialdemokratie möglich ist, wie sie entstanden, warum sie wächst und wie einzig und allein sie durch die Beseitigung der Ursachen, die sie erzeugten, beseitigt werden kann. Wie aber auch umgekehrt jeder andere Weg und namentlich jener der gewaltsamen Unterdrückung sich als verfehlt erwiesen und das gerade herbeiführen muß, was das Gesetz verhindern soll.
Einen solchen Weg einzuschlagen, davon ist das Bürgerthum und seine Wortführer weit entfernt. Obgleich die Geschichte seiner eigenen Entwickelung ihm und seinen Wortführern tausendfältig die Lehre predigt, daß Ideen und Bestrebungen, die aus der Natur der vorhandenen sozialen Ordnung der Dinge entstehen, sich nicht unterdrücken lassen, sondern aller Unterdrückung zum trot nach Geltung ringen
den er sich im Fall beschädigt hat. Er schlägt mit der Linken auf das Gewehr, das er in der Rechten hält, dann schüttelt er, wie verneinend, die Flinte, ballt gegen Timar die Fauft und droht mit dem Beigefinger. Diese pantomimische Rede will sagen: nicht so bringe ich Dich um. Dir habe ich eine andere Todesart vorbehalten, Warte nur! Timar sieht ihm nach, wie er aus dem Hof sich entfernt. Seine Augen verfolgen ihn auf dem schneebedeckten Pfad bis zum Eisspiegel des Sees. Er starrt ihm nach, bis er auf der filberglänzenden Eisfläche nur mehr einen schwarzen Punkt sich in der Richtung gegen die Doppelthürme der hohen Bergspige fortbewegen sieht.
Seine
Ueber den Balaer Gebirgen steigen Wetterwolfen auf; Timar bemerkt sie gar nicht. In der Plattenseegegend erhebt sich öfters bei ganz stiller Luft und ohne irgend ein Vorzeichen plöglich ein Orkan. Die Fischer, welche aus der Ferne das Rauschen der Bäume hören, haben nicht mehr Zeit ans 3alaer Ufer zurückzukehren. Der aus den Bergen her vorbrechende Sturm jagte eine Schneewolfe vor sich her. Aus ihr stäuben Eiskrystalle hernieder, scharf wie NadelAus ihr stäuben Eistrystalle hernieder, scharf wie Nadelspißen. Die Wolfe bedeckte nur die eine Hälfte des großen Panoramas, die Tihanyer Landschaft, die Halbinsel mit dem felfigen Vorgebirge und seiner düsteren Kirche in Dunkel einhüllend, während die östlichen Lehmufer im Mondschein erglänzten. Der Sturm braufte heulend durch die hohen Waldbäume des Aracser Thales. Die Wetterfahnen des alterthümlichen Kastells ächzien, daß man das Wimmern verwünschter Geister zu hören glaubte, und als der heftige Wind über das Eis des Balaton hinfuhr, entlockte er den dort aufgestellten Eisplatten eine solche überirdische Musit, daß man die Geister zu sehen glaubte, welche so wimmerten, sie jagen einander und in ihrem Fluge jammern sie auf. Ein und der andere brummt zornig dazwischen. Vielleicht treibt er die übrigen vor sich her.
und an Anhang gewinnen und schließlich siegen, verfällt es der Sozialdemokratie gegenüber in denselben Fehler, in dem einst seine Feinde ihm gegenüber verfielen.
Die Lehren der Geschichte, auf die man sich in jenem Lager so gerne beruft, sie sind hier, wo man sie selbst beachten soll, vollständig vergessen. Wie mit Blindheit geschlagen, wandelt man dieselben Wege, die man Anderen als Ausfluß höchster Bornirtheit einstens anrechnete und denen man ihren Untergang als unabwendbares Verhängniß ihrer Blindheit in Aussicht stellte.
Daß das Sozialistengesetz seinen 3weck verfehlte, daß es die Entwickelung der Sozialdemokratie nicht einmal hinderte, geschweige sie unterdrückte, das müssen doch auch die Schwächsten im Geiste nach 11jähriger Wirksamkeit desselben einsehen.
Dagegen hat das Sozialisten gesetz eine Korruption aller Rechtsbegriffe, eine Untergrabung der Staatsautorität, des öffentlichen Rechtsbewußtseins und der Rechtssicherheit er= zeugt, die alles in Schatten stellt, was bei seiner großen Berathung im Jahre 1875 als nothwendige Wirkung desselben vorausgesagt wurde.
Der Bürgerklasse hat das Gesetz nicht diejenige behagliche Ruhe gesichert, die man durch dasselbe für sie erzwingen wollte, das Mißbehagen über wachsende Bewegung ist heute in der Bürgerklasse größer als je zuvor. Diesen Hauptzweck des Gesetzes hat dasselbe nicht erreicht.
Aber es hat auch den anderen 3weck nicht erreicht, die Bewegung einzudämmen und die Arbeiter zufrieden zu stellen. Ueber den zunehmenden Umfang der Bewegung giebt jede Reichstagswahl genügend Auskunft. Ueber die Bufriedenheit spricht der grimme Haß und die Erbitterung, welchen die weitesten Kreis der Arbeiter durch die Maßregeln, die gegen jede selbstständige Regung unter ihnen ergriffen wurde, erzeugt worden ist. Daß das Gesetz weit über den Nahmen desselben hinaus angewandt wurde, ist durch die Erörterungen im Reichstag und in der Presse reichlich festgestellt worden und hat die Stimmung erzeugt, die heute allgemein in der selbstständig denkenden Arbeitermasse vorhanden ist.
Es kann also keinem 3weifel unterliegen, das Geset hat nach allen Seiten seinen 3weck verfehlt und dem herrschenden System gewaltig geschadet. Aber das wird nicht verhindern, daß nach dem bekannten Spruch:„ Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit", das Gesetz für die Dauer des herrschenden Systems bestehen bleibt.
Veröffentlichungen, wie die Muser'schen, werden auf die Majorität der Volksvertreter ohne Wirkung bleiben, diese folgen nur ihrem Klassenhaß und ihrem Klasseninteresse. Darum sind derartige Veröffentlichungen jedoch keineswegs überflüssig.
Dem Gewarnten aber stehen keine Milderungsgründe zur Seite!
Mitten in dieser gespenstigen Nachtmusik kam es Timar vor, als hörte er durch das Sturmesbrausen hindurch in der Ferne einen furchtbaren Schrei, wie dessen nur menschliche Lippen fähig sind, einen Aufschrei der Angst, der Verzweiflung der Gotteslästerung, welcher die Schläfer der Nacht aufrüttelt und die Sterne erzittern macht. Nach einigen Sekunden wiederholt er sich, aber fürzer, schwächer, und dann hört man wieder nur die Musik des Sturmes.
Auch diese verklingt. Das Schneegestöber jagte über die Landschaft dahin. Der Sturm trieb nur die eine Schneewolfe vor sich her. Die Bäume des Aracser Thales rauschen nicht mehr. Auch die Töne des in den Eistafeln lärmenden Windes verschwinden in der Ferne mit einem ersterbenden Akkord. Der Himmel heitert sich auf und Alles wird wieder still. Auch in Timars Brust war es still geworden. Er steht am Ende seiner Laufbahn. Kein Weg ist ihm mehr offen. Er kann weder vorwäcts noch zurück. Er war geflohen, so lang er fliehen konnte. Jezt gähnt der Abgrund vor ihm, der kein jenseitiges Ufer mehr hat. Sein ganzes Leben zog an ihm vorüber, wie ein Traum, und er wußte, jetzt werde er endlich aus diesem schweren Traum erwachen. Sein erstes Verlangen nach dem Besiz des wunderschönen, reichen Mädchens war der Grundstein seines Verhängnisses. Auf ihm hatte sich sein Leben aufgebaut, wie das Räthsel der Sphinx. Wenn das Räthsel gelöst ist, stürzt sich die Sphing in den Abgrund
Wie kann er noch länger leben, nachdem er entlarpt ist vor der Welt, entlarvt vor Timea und vor Noemi! Herabgestoßen von jener Höhe, auf der man daheim und draußen in der Welt ihn Jahre lang erblickt hatte, um strahlt von der Gunst seines Souveräns und der Verehrung feiner Landsleute! Wie soll er die Frau noch einmal sehen, die ihn vor seinem Nebenbuhler mit so heiligem Schmerz ge priesen, jetzt, wo diese Frau weiß, daß er das Gegentheil von Alledem, was sie an ihrem Gatten bewundert, daß sein