BUNTE WELT

Nr. 35

Unterhaltungsbeilage

Die lachende Welt

Humor der Nationen im Spiegel der Anekdote Heitere Völkerschau, zusammengestellt von Friedrich Steiner

Vielleicht gibt es feinen besseren Maßstab für das Lebensgefühl eines Menschen, als seine Einstellung zum Humor. Denn die spezielle Art wie der Einzelmensch, wie aber auch ganze Völ fer auf die komischen Elemente ihrer Umwelt reagieren, kennzeichnet nicht nur ihr eigenes Wesen, sondern bestimmt auch ihre Lebensweis­heit. So können wir also die verschiedenen Er­zeugnisse: den Wiß, die Anekdote, den Aphoris­mus oder die pointierte Kurzgeschichte gewisser­maßen als das Spiegelbild der Nationen be­trachten. Wenn wir im weiteren Verlauf uns mit den humoristischen Produkten der einzelnen Völfer vertraut machen, werden wir erkennen, daß eigentlich jedes Wolf den seinem Naturell entsprechenden Humor besitzt.

vornehmen Kaste der Samurai angehört, den leichtsinnigen Sohn verwvarnt. Und als eines Nachts Kezori wieder im trunkenen Zustand ins Vaterhaus tritt, donnert ihn der alte Samurai an, daß er ihn enterben werde.., Dein Geld haft du durchgebracht, deinen guten Namen und dei nen Ruf berloren und jetzt wirst du auch dein legtes verlieren dieses Haus, wo du aufge­wachsen und groß geworden bist..." Kezori richtet sich hoch, sieht den alten Vater aufmerk­sam an und sagt mit weinſchwerer Zunge: ., Meinetivegen was soll ich denn mit einem Haus anfangen, das sich immer im Kreise dreht..."

China  :

neulich ging ich ruhig meines Beges. In einer Acerfurche sah ich einen Strick liegen, dacht mir, zu irgendetwas wird er wohl gut ſein und nahm ihn mit.

,, Aber wegen eines Strides wird hierzu­lande doch niemand zum Tode verurteilt."

Der verurteilte Kienlung lächelt erin= nerungsvoll: ,, Es war allerdings noch etwas an dem Strick...

So sprich doch", ermahnte ihn der Vater. Zwei junge Ochsen hingen daran...." jeßte Stienlung leise hinzu.

So treffen wir bei dem wortreichen Orien Kienlung, ein großer Taugenichts, ist zum talen, angepaßt seiner gemütvollen Erzählerart, Tode verurteilt worden. Besorgt eilen seine Ber­eine andere Art des Humors als beim Fran- wandten ins Gefängnis, um den Grund der zosen, der wendig, graziös, ironisch und liebens­Verurteilung zu erfahren: Eigentlich bin ich würdig boshaft ſich in ſeinen Lebensanschauun- unschuldig", berichtet der Todesfandidat. Un­gen offenbart. Die besinnliche Art des deutſchen gläubig schütteln die Verwandten den Kopf. So Lebensgefühls wiederum erzeugte eine mehr gehört denn zu fühlsbetonte Note des Humors. Der fonventio= nelle Engländer, formgebunden, abgemessen und nüchtern, verblüfft durch einen gewissen zynischen trockenen Humor, der sich im irischen Wiz bis ins Groteske steigert. Die naivtvirkende und geist­fernere Art amerikanischen Humors zeigt sich uns am trefflichsten in der bildhaften Gestaltung der amerikanischen Filmgroteske, während philoso­phisch veranlagte Völfer, wie Japaner und Chi­nesen auch in ihrem Humor ihre nachdenkliche Art zur Geltung bringen. Bei aller Differen= ziertheit, die der Humor der einzelnen Völker zeigt, begegnen uns doch immer wieder die glei= chen Motive als Zielscheibe wißiger oder gut­mütig- ironischer Auslassungen: ähnlich wie auf dem Theater, im Schwank   und in der Posse, im­mer wieder die gleichen Typen unseres Lach­muskel in Bewegung sezen, so treten uns im Volkshumor die ewig gleichbleibenden Figuren entgegen: der Geizhals, der Autoritätssüchtige, die Verliebten, die Feigen, furzum, in der Wig­figur präsentieren sich uns die menschlichen Schwächen in heiterer Personifikation. Troß die­ser gleichbleibenden Motive ist es die beson= dere Tönung, die Zuspizung einer längit be­kannten Situation, die unsere Lachmustein in Bewegung setzt, um in uns für einen Augenblick das sorgenbefreiende Gefühl des Lachens zu er­zeugen. Chamfort, der geistreiche und nachdent­liche Spötter aus dem Frankreich   des 18. Jahr­hunderts hat das kluge Wort geprägt: Der ver­lorenste aller Tage ist der, an dem man nicht gelacht hat."

Einige kleine Kostproben, ausgewählt vom Völkertisch des Humors, mögen nun diese heitere Wirkung erzielen:

Japan  :

Stezori, ein junger japanischer Adeliger, steht in dem üblen Ruf ein Trunkenbold zu sein. Vergeblich hat der Vater des Kezori, der der

Arabien  :

Bei einem wohlhabenden Muselmann weilte schon viele Tage ein frommer Derivisch zu Gaste, der es sich bei der nahrhaften Küche recht wohl sein ließ. Die Frau des Muselmannes wollte aber den gefräßigen Gast los sein. Sie drängte ihren Gatten, nun endlich den Derwisch zum Aufbruch zu mähnen..

,, Es mag wohl stimmen, was du sagst," er­widerte nachdenklich der Mann, aber ich würde mich evig der Sünde zeihen wollte ich dem from­men Pilger unsere Tür weisen.

Und wieder verging eine Woche, ohne daß der Mönch Miene machte aufzubrechen. Immer ungeduldiger wurde das Weib des Muselman­nes: Schaff mir endlich den Derwisch vom Halse. Unsere Schränke und Krüge sind leer."

Diesem wiederholten Drängen konnte der Hausherr sich nicht länger entziehen und so ging er zu seinem anhänglichen Gast, den er eifrig im Gebet versunken antraf: Verzeiht würdiger Bruder, wenn ich eucre Andacht störte. Doch fomme ich nicht ohne Not zu euch. Denn höret mich an: unser letzter Hammel ist geschlachtet, unsere lezie Grüße verzehrt, ebenso Pflaumen und Datteln. Kein Del ist mehr im Kruge   und

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fein Tropfen Milch. Nur noch ein wenig altes Brot, mit dem dir nicht gedient ist. So nimm unseren Dank für deine beglückende Gegenwart und folge dem Winke Allahs  , der deine Schritte zum besten lenken möge."

Nun wohl", gab der Derwisch würdevoll zurüd ,,, wedt mich morgen bei Tagesanbruch, damit ich meine Bilgerreise fortsebe..."

an das Lager des Gastes: Erhebe dich zur Beim ersten Frührot trat der Muselmann Wanderung frommer Pilger, der Hahn hat schon gefräht!"

,, Was haben meine Ohren eben bernom men? Du hast noch einen Hahn...?" mur­melte schlaftrunten der Derwisch, wandte sich um und schlief weiter.

Türkei  :

Nasreddin Hodscha  , der berühmte türkische Spaßmacher, verließ die Moſchee und traf vor dem Eingang auf drei Blinde, die ihn mit demü­tigen Worten um ein Almosen baten.

..Nehmt diesen Asper!" sagte Nasreddin  unter euch!" In Wirklichkeit gab er feinem etivas. Die blinden Bettler, in der Meinung. daß er das Geldstück einem von ihnen in die Hand gedrückt habe, dankten dem großzügigen Spender für die reichliche Gabe und wünschten ihm Allahs   Segen.

mit vernehmlicher Stimme, teilt ihn ehrlich

,, Nun laßt uns rasch teilen!" rief einer der

Bettler, als er Nasreddin   außer Seh- und Hör­weite glaubte. ,, Du hast den Asper, Hassein, laß ihn wechseln!" ,, Jch? Ich habe nichts bekom­men!" versicherte zornig der Bettler. ,, Du mußt das Geldstück haben, ich habe doch deutlich ge­sehen, wie der Fremdling dir etivas zusteckte!" - ,, Nein, du hast es, du lügst, du Hundesohn!"

Jezt mischte sich der dritte Bettler drein und brüllte: Ihr beiden Gauner ſpielt mir hier eine Komödie vor, weil ihr den Aſper mit mir

nicht teilen wollt!"

Da gerieten die beiden in noch größere Wut und alsbald schlugen die drei Blinden mit grim­mer Lust aufeinander los.

Vielleicht hätten sie sich gar noch totgeprü­gelt, wenn nicht Nasreddin Hodscha unerwartet aufgetaucht und die Streitenden mit den Worten getrennt hätte: ,, Das nächste Mal müßt ihr eben eure Augen etivas besser aufmachen und nicht einander verdächtigen, wenn feiner etwas bekom­men hat..."

Beschämt durch diese derbe Lehre schlichen die vermeintlichen Blinden schweigend von

dannen.

Mittelalterliches England:

Heinrich der VIII  . von England, der in einen schwerwiegenden Konflikt mit Franz L., König von Frankreich  , geraten war, befahl den Bischof Bonner   zu sich, er sollte einen sehr grob

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