BUNTE WELT

Nr. 47

Unterhaltungsbeilage

>> Der unglückliche Dichter<<

Zur 125. Wiederkehr des Todestages von Heinrich von Kleist   am 21. November

,, Ich bin Dir wohl ein Rätsel.

Nun tröste Dich, Gott   ist es mir."

dung an Menschen, kann ihm, den Bindungs­lojen, Halt gewähren.

-

Es beginnt die Flucht" Kleists  , die so Kleist selbst hat es oft genug in seinem charakteristisch und erschreckend sein ganzes fur­Wert, im Gespräch und in Briefen an feine zes Leben bestimmt. Süddeutschland  . die Schwester Ulrike ausgesprochen, daß er sich Schweiz  , Frankreich   durchwandert er, gequält selbst nicht verstehe", und so mit dazu beigetra- von körperlichen Leiden und geistigen Depressio­gen, daß die gesamte literarische Forschung, sich nen aus diesen Geburtswehen wird der Dich auf diese Selbstzeugnisse stüßend, ihn als den ter geboren. Der Plan dieses Gehirns ist groß­Typus des unglücklichen Dichters" schlechthin artig. Der junge Kleijt will die Tragödie schaf­charakterisiert und gewertet hat. Lessing   hat fen, die die Tragödien eines Shakespeare, eine einmal eine Definition des unglücklichen Dich- Aeschylos in den Schatten stellt es soll ein ters gegeben und damit jene Dichter gemeint, Gipfel sein. Goethe muß übertrumpft werden denen die Natur wohl ein poetisches Talent in jahrelang hat Kleist mit Robert Heinz die Wiege gelegt, sie aber dafür gestraft" Start", seinem ersten Dramenstoff, gerungen, habe, indem diese allzu ernsthafte Beschäftigung um am Ende in furchtbarer Selbstantlage sich mit der Dichtkunst sie unfähig gemacht habe zu zu vernichten: einem anderen Beruf und damit das verhindert hätte, was man gemeinhin brauche, um glüd­lich zu sein. Und in diesem Sinne( fügt Lessing  hinzu) sei die Anzahl der unglücklichen Dichter sehr flein.

Ob Kleist zu dieser Zahl gehört, fann kaum fraglich erscheinen. Ihm hat es weder an seeli schem noch körperlichem Leid gefehlt und daß er stärker um die Palme des Dichterruhms ge­rungen hat, als seine Zeit- und Schicksals­genossen, das bezeugt sein Werk und zu aller­Test bezeugt es sein Leben und sein Ende.

Der Himmel weiß, meine teuerste Mrike ( und ich will umfommen, wenn es nicht wörtlich wahr ist), wie gern ich einen Blutstropfen aus meinem Herzen für jeden Buchstaben eines Briefes gäbe, der so anfangen könnte. Mein Gedicht ist fertig... Ich habe nun ein halb­tausend hintereinander folgender Tage, die Nächte der meisten miteingerechnet, an den Ver­such gesetzt, zu so vielen Kränzen noch einen auf unsre Familie herabzuringen; jest ruft mir unsre heilige Schubgöttin zu, daß es genug sei. Sie füßt mir gerührt den Schweiß von der Aber trotzdem bleibt dieser tragische Kon- Stirn und tröstet mich, wenn jeder ihrer lieben flikt bei Kleist nicht der entscheidende. Er hat es Söhne ebensoviel täte, so würde unserem Beit seines Lebens so gehalten, daß er fern von Namen ein Plab unter den Sternen nicht feh­ihm( dem Dasein) lebte, er lebte ,, unwirklich" len... Ich trete vor einem zurück, der noch und erst der Abschluß dieses gehetzten Daseins nicht da ist und beuge mich ein Jahrtausend vor zeigt die ganze erschreckende Wirklichkeit des seinem Geiste... Die Hölle gab mir meine Phänomens Heinrich von Kleiſt  . Die eigentliche halben Talente; der Himmel schenkt dem Men­Tragödie Kleists   ist eine ganz realistische: schen ein ganzes oder keines." Treitschte hat sie in einem Satz gegeben; er Alle Züge dieſes Charakters offenbart dies sagt, daß Kleist Zeit seines Lebens ein preußiser Brief. Die brennende Sucht nach Ruhm scher Offizier der alten Schule geblieben sei."

,, Daß er es geblieben sei", hierin liegt der Schwerpunkt. Denn daß der junge Kleist, aus altadeliger Offiziersfamilie stammend, im fri­dericianischen Heer dient und später die Rhein­feldzüge gegen die französische   Revolutionsarmee -übrigens ohne jede Begeisterung mit macht, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber schon der achtzehnjährige Offizier gesteht in einem Brief( 1795) an seine Schwester Ulrike: Gebe uns der Himmel nur Frieden, um die Zeit, die wir hier so unmoralisch töten, mit menschen­freundlichen Taten bezahlen zu können", und bekennt damit die Zweifel, die er seinem Beruf gegenüber hegt.

1799 zieht der 22jährige die Uniform aus und versucht es mit dem Studium. Aber wem das Kriegshandwerk nicht behagt, für den braucht die Studierstube nicht der richtige Dri zu sein.

,, Verflucht das Herz, das sich nicht mäßi­gen kann", heißt es in der..Penthefilea" und er kann sich nicht mäßigen. Er ist der ewig Ruhe­Tose, der immer Getriebene, der nie Befriedigte. Kein Beruf läßt ihn sich sammeln, keine Land­schaft zwingt ihn zum Verweilen, keine Bin­

-

das stolze Bewußtsein etwas zu können und das niederdrückende Gefühl, daß die Kräfte nicht ausreichen. Kleist vernichtet sein Werk- der Zufall hat ein Fragment übrig gelassen, fünf­hundert Verse, die die Hand eines Genies ver­raten. Der menschliche Zusammenbruch ist un­gleich stärker. Kleist sucht den Tod. Der preu­ßische Offizier will unter französischen   Fahnen sterben. Er will nach Boulogne  , um sich dem Expeditionsheer, das Napoleon   für England ausgerüstet hat, anzuschließen. Aber als dieser preußische Offizier in die Nähe des französischen  Seeres kommt, wird ihm das Ungeheuerliche seines Vorhabens sichtbar, er kann als gemeiner Spion erschossen werden. Es ist ungeflärt, toie er schließlich nach Potsdam   kommt( 1804), eine tödliche Krankheit auf der Rückreise wird Ret­tung aus gefahrdrobender Geisteszerrüttung.

-

-

1935

deutsche Lustspiel. Aber der Dichter kann sich nicht die Bühne erobern kein Verleger fin­det sich, diese Dramen zu drucken erst als Kleist die Rolle des Dramatiters mit der des Novellisten vertauscht, gewinnt er Leser und Kritif. In diese Periode fruchtbaren Schaffens bricht der Krieg und was Kleist zutiefst trifft, der Zusammenbruch des altpreußischen Staates.

Dieses Jena   soll nun für Kleist der Quell der Erneuerung geworden sein. Aus dem um­herirrenden Dichter sei der politische Sänger des Vaterlandes geworden was andre mit dem Schwert, das habe Kleist mit der Feder voll­bracht er habe mitgeholfen an dem Be­freiungskampf der deutschen Nation- so be­richten einheitlich die Darstellungen über Meists Leben und Schaffen. Aber am Ende steht für diese Historiker der unbegreifliche Selbstmord, der finitere Lebensüberdruß, der nach diesem Aufschwung eingetreten ist. Es hieße Kleist Un­recht tun, würde man diesem vorgezeichneten Bild folgen. Zweifellos hat der Zusammenbruch Preußens auf dieſen preußischen Junker und Offizier aufwühlend gewirkt und daß er seinem Vaterland dienen wollte und gedient hat auch als Dichter ist sicher. Aber er sah diesen geschichtlichen Prozeß doch nur von der Perspek­tive des Junkers aus. Seine Gedichte, die Hay­gefänge gegen Napoleon   und schließlich die Hermannschlacht" verraten, daß Kleist nur den Haß in sich trug gegen den., fremden Eroberer" - und im Grunde haßte Kleist   in Napoleon  den Emporkömmling" und Erben der Revo­lution.

-

Um diese Zeit entstand Kleists   beste. No­velle: Michael Kohlhaas  ", die Geschichte des Pferdehändlers, der um sein Recht kämpft, aber weil er dieses Recht mit schlechten Mitteln er­fämpfen will, am Galgen endet. Es hätte die Novelle des revolutionären Mannes des vierien Standes werden können es ist nur die Ge­schichte eines Rebellen der Dichter selbst hält fich den Spiegel vor.

-

-

-

Denn der Abschluß dieses Lebens ist die Rebellion gegen die Gesellschaft( der er sich bis zuletzt zugehörig fühlt) und gegen fich selbst. Die Gesellschaft versagt sich ihm, den Prinzen von Homburg  ", den er dem König vorlegt, wird mit Entsetzen abgelehnt- Kleists   letzte Hoff­nung ist damit zerbrochen. Der Mann zwischen den Klassen ist in der Sadgasse. Er weiß kei­nen Ausweg. Der soziale Aufstieg ist unmöglich. Die Offizierslaufbahn erledigt die dich terische findet keine Resonanz. Nochmals bäumt sein Haß und seine Verachtung sich hoch. Er richtet Angriffe gegen Hardenberg und bittet ihn gleichzeitig um eine Anstellung. Doch Kleist Gleichsam als gönne das Schicksal ihm eine weiß selbst, daß es zu Ende geht. Der Gedante Atempause, versett ez den Dichter nach Königs- des Selbstmordes, ſeit der Jugend ein Lieb­berg der Rastlose wird seßhaft, Beamter an lingsgedante, wird erivogen und sorgfältig vor­der Domänenkammer in Königsberg  . Die Ruhe bereitet. In der schiverkranken und hysterischen und Muße dieser Jahre entwickeln Kleists   dich- ältlichen Henriette Bogel findet kleift die Part­terischen Genius die Penthesilea" entsteht, nerin:

-

Amphitrion". nach französischem Vorbild ge- ,, Du hast an mir getan, ich sage nicht, formt, und Der zerbrochene Krug  ", das beste was in den Kräften einer Schwester, sondern in