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Bei den Troglodyten

Von Prof. Dr. Sieverer

zwischen Loch und Tür, als eine Frau, die ebent dabei ist, ein Häuschen Linsenstroh zu dreschen, auf das Erfuchen des Lehrers hin sich unser annimmt. Die Tür tut sich auf, ein Gang senkt

Nach langer Steppenfahrt ein ungewohn- fchen Sprache bemühen, tönen aus der Klasse sich nach abwärts. Seine Dede bilden Steins ter Anblid; Bergsilhouetten. Sie kommen näher, der Kleinen im monotonen Chor Koranverse. platten, die selbst wieder auf den Kanten zweier die weiteren scheiden sich von von den weniger Vormittag haben die Kleinen beim französischen anderer Steinplatten aufliegen, die rechts und entfernten. Vorläufig hat die Pite noch ihren Lehrer Unterricht, die Großen stehen in Obhut links aus der Wand vorragen. Die primitivste gewohnten Verlauf. Schnurgerade, soweit das des arabischen Lehrers. Für die Buben besteht Art des Gewölbes. In einer geräumigen Auss Auge reicht, nach je einem Kilometer steiler auch hier in der Wüsten- und Bergeinsamkeit buchtung des Ganges   liegen zwei Maultiere: eine dice Bohlentür, zerfressen Bett eines Dued. Schulpflicht. Auf dem Papier zumindeſt. Denn der Stall. Noch eine Kopfgroße Steine, die übersäen, geben einen Begriff von der mäch ländlichen Bezirken ihrer eigenen Heimat auch duct, und wir stehen im Hofe, d. h. auf dem tigen Wasserflut, die im Winter anläßlich stars heute noch ihre liebe Not mit der Durchseßung Boden des großen Loches. Eingänge zu einem Fer Waſſerfälle hier sich durchwälat. Günf, ſechs der Schulpflicht haben, ist es nicht verwalters halben Dukend Wohnräumen und du mer. Stunden lebt vielleicht ein solcher Fluß, drei lich, wenn hier bestenfalls ein Viertel der männ- Weich und zäh iſt das Erdreich, unübertrefflich oder viermal in einem Winter fällt ein solcher lichen Jugend von dieser segensvollen Einrich zum Höhlengraben. Bis zu zehn Metern Länge Guß, das ganze übrige Jahr bleibt nur die tung Gebrauch macht. Was tut nun der fran- sind die Räume, vier, fünf Meter spannt sich trodene Rinne. Auf unserer Fahrt durch Tuzösische Staat, um die Schulpflicht volkstümlich die rote Erde ohne Stübe in die Breite. Die nesien überqueren wir, gering gerechnet, 300 au machen. Er befreit alle, die es bis zur Volts-| Bettgestelle stehen unverrückbar im festgestamps> folcher Dueds. schulabschlußprüfung gebracht haben, von der ten Boden, sie sehen hohen Tischen ähnlich. Das dreijährigen militärischen Dienstpflicht. Um sich Holz ist umkleidet mit zierlich geformtem Gips. nun diese Begünstigung nicht entgehen zu lassen, Auf den weißen Gestellen liegt der Familiens kommt es vor, daß man neunzehn- und zwvan schatz an vielfarbigen, selbstgewebten Deđen, zigjährige Araber auf der Schulbank füßen sieht, heilige Verſe zieren die Bände, billige Kunſt­cifrig bemüht, sich für die Voltsschulmatura vor- drude, Spiegelchen, daneben Bilder des türkis zubereiten. fchen Sultans bon annodazumal. Die Wohnung hat auch einen ersten Stod. Man kann aber nur mit Hilfe einer Leiter zu den Eingängen. Es liegen dort die Borratsräume: Oliven, Datteln, Gerste, die drei Hauptreichtümer. Mit einem Dußend Eiern in den Taschen, dem Gaſtgeſchenk des Hausherrn, ziehen wir von dannen.

Abstieg in das ausgett seinen flachen Grund wenn man erwägt, daß die Franzosen   in vielen und geflidt, und ein Hund, der sich knurrend

Wir haben die Berge erreicht. Sie sind übersät von entfernt stehenden kleinen Büschen. Sie sehen aus, als ob sie Kräße hätten. Oft muß die erste Geschwindigkeit heran, denn die Bergtoege sind nicht zimperlich in Steigungen. Wie dankbar ist unser Auge für die winzigen Bergoasen. Hier in einer Mulde- drei Feigen Der neue Lehrer ist erst seit Herbst voris bäume, dort zwei Palmen, eine Wasserrinne gen Jahres in Matmata. Er ist jung. Auf sol­entlang ein halbes Dußend Olivenbäume.   chen Posten findet man nur junge. Um dauernd Mehrere Male huscht eine zwei Spann lange von Konserven und von Zisternenwasser zu.leben, dunkle Eidechse über unseren Weg. Ihr Körper dazu braucht es jugendliche Widerstandskraft ist breit und kräftig, noch kräftiger aber ist ihr und jugendlichen Enthusiasmus. Als er seinen Stachelbewährter Schtvanz, der ihr als Waffe Dienst hier antrat, da gab es alles in allem 15 dient; sie teilt damit schmerzhafte Schläge aus; Buben, die die Schule besuchten. Jetzt sind es drum trägt sie auch einen Namen, der soviel viermal so viel. Er ist stolz auf diesen Ver­heißt wie Schwanzpeitſcher, trauensbetveis. Ein Lehrer, der sich bei der Ortsbevölkerung unbeliebt macht, wird sich bald bor leeren Schulbänken sehen.

Nahe an die fechzig Kilometer sind wir fhon gefahren, da verdichten sich die grünen Gruppen, wir nähern uns dem Hauptort der Berge der Ksour, dem Dorfe Matmata, einem der eigentümlichsten Orte der Erde. Erst fennen wir uns nicht recht aus; auf mehrere Quadratkilometer verstreut ein Gewirr von Hügeln, Löchern, Palmbäumen und Gerstenfel­dern. Die Häuser, die wir sehen, lassen sich an den Fingern zählen: zwei Moscheen, die Schule,

bier kanggeſtreďte Häuſer, die einen quadrati­

fchen Platz umschließen; dieser Platz ist der Suk, der Markt. Wo aber hausen die 5000 Einwoh­ner? Wir lenken unser Gefährt zu jenem Vier­tant, auf der Suche nach ettvas Eßbarem. Der erste, dem wir in die Hände fallen, ist ein jüdi­scher Greisler. Er lädt uns ein, bei ihm ein Stüd Käse und eine Sardinenbüchse zu erstehen. Da nähert sich der Maschine ein richtiger Europäer, wie wir später erfahren, einer von den zweien, die in Matmata leben. Es ist der Lehrer, den der ungewohnte Lärm aufgescheucht hat und der herbeigeeilt ist, das Wunder eigen­händig zu sehen. Eine Beiwagenmaschine war nicht in Matmata, solange die Aeltesten des Dorfes sich zurüderinnern können. Der Lehrer lädt uns zum Mittagessen ein, der Handel mit der Sardinenbüchse wird nicht abgeschlossen. Ich fürchte, daß diese Wendung der Dinge böse Feindschaft gegen den Lehrer in das Herz des Greislers gepflanzt hat. In einer Stunde fißt der unrasierte Schulmeister aus Wien   am lecke­ren Mittagstisch.

Um ein Uhr wird es lebhaft draußen im Schulhof. Die Araberbubi kommen zum Unter­richt. Wie die Großen haben sie alle die rote Scheschia auf dem Kopf. Ueber die Achsel hängi an einer Schnur der Schulranzen in Form eines primitiven Sacks oder eines selbstgezimmerten Holzkitchenz. Mit wenigen Ausnahmen stink­faul und dumm, versichert mir der Lehrer. Sechzig Buben sind es im ganzen. Während die Großen sich um die Geheimnisse der französi­

In die Obertvelt zurückgekehrt, wandern wir noch in der Maulwurfs- und Fuchsloch­landschaft eine gute Weile in die Kreuz und Quere, vorbei an fleinen Aeckerchen, auf denen man eben erntet, d. H. die Gerstenhalme wie Blumen mit den Fingern pflückt, borbei an

von Unbefugten entwendet wird. Der Abend ist gekommen, in zarten Farben, balsamisch, durch­

Es gibt hier vier Monate Ferien, außerhalb und ganzverfallenen Wohnftätten, vorbei dem ein um ein Drittel höheres Gehalt. Weit an Zisternenlöchern, die forgiam verriegelt und fürstlicher freilich wie für seine Lehrer sorgt bersperrt sind, auf daß der kostbare Schatz nicht der französische   Staat für die Offiziere, die fern von der Heimat Dienſt tun. Drei von ihnen wohnen mit ihren Frauen oben im Bordi, so heißen die Forts, die vorgeschobenen Militär­posten. Der Hauptmann hat fünftausend Francs

Monatsgehalt, viermal ſoviel als der Lehrer.

Zivischen ihnen liegt eine tiefe gesellschaftliche Kluft. Für die Offizier damen ist es ein schwe= res Problem, die Zeit hinzubringen. Heute lädt die Frau Oberleutnant die Frau Hauptmann und die Frau Leutnant zum Tee, morgen und übermorgen ist die Reihe an den zwei anderen. Alle vierzehn Tage läßt man sich neue Toilet ten aus Tunis   kommen, wie sollte man sonst hier sein Geld los werden? Die Herren spielen zwar täglich mit hohen Einsäßen, aber auf die Dauer gleichen sich ja doch Gewinn und Verlust aus. Das Geld rollt ja im ewiglichen engen Kreis.

Die Bevölkerung von Maimata hat freilich andere Sorgen. Sie ist arm. Wer ein Kamel sein Eigentum nennt, ist reich, wer drei Schafe besitzt, wohlhabend. Um vier Uhr, nachdem die Schule zu Ende ist, gehen wir gemeinsam, das Schulmeiſterehepaar aus Wien   und das Schul­meisterehepaar aus Maimata, daran, zu er gründen, was es denn eigentlich mit diesem sonderbaren unsichtbaren Dorf für eine Bewandtnis hat. Und da stehen wir auch schon vor einem großen runden Loch im Erd­boden. Zehn Meter breit, zehn Meter tief: Das ist der Hof eines Hauses. Vom Boden des Loches weg führen Türen nach mehreren Sei­ten. Wie kommt man aber da hinunter? Die Wände fallen senkrecht ab. Von einer Stiege feine Spur. 30 bis 40 Meter entfernt vom großen Loch aber liegt eine Türöffnung an einer Böschung. Wir erraten erst den Zusammenhang

fichtig, wie die Abende in allen trockenen Lands fchaften des Südens.

Der Apostel

vom Naschmarkt Eine Wiener   Geschichte von Elisabeth Sorba

Der Polizeikommissär war schlechter Laune. Im Kommissariat häuften sich die unerledigten Atten. Kein Wunder. Die Marktleute, die zum Rahon gehörten, haben lose Bungen, loſe Fäuste und nehmen die Vorschriften nicht so ges nau. Akten häuften sich auf Akten...

Der Polizeikommissär nahm sich vor, dia unerledigten Aften nach Hause zu nehmen und die Nacht in Arbeit zu verbringen.

Wenn man aber ein Tagwerk hinter sich und noch dazu ein Nachtwerk vor sich hat, fühlt man das Bedürfnis, einen guten Schlud Wem zu trinken. So ging der Polizeikommissär mit seinem Freund und Untergebenen, dem provi sorischen Polizeikommissär in sein Stammlokal.

Sie tranken.

,, Alsdann, geh'n ma's an!" Der erste Aft wurde vorgenommen. Der Kommissär liest: Rapport des Probewachmanns Alois Hinters stoder: Als ich am 15. Auguſt um 8 Nhe 25 Minuten auf meinem Dienstgang den Marft passierte, sah ich eine Menschenansammlung. Indem ich näher fam, hörte ich die Stimme des 27jährigen Marktfieranten Karl Pleiner, der sagte: Hutsch dich, bleder Bimpf, oder..." Er war mit dem 54jährigen Marktstandbesitzer Leopold Sulzbacher in Streit geraten, weil dieser ihm den Platz zum Ausladen seines

Ap

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