BUNTE WELT

Nr. 42

Unterhaltungsbeilage

1937

Die Erfahrung der Jahrtausende

Der Pflug und das Schwert

Wer die historischen Tatsachen zur Erlan­

gung von Erkenntnissen zu benußen pflegt und

nicht genötigt ist, sie zum Bivede der Belegung willkürlicher Theorien zurecht zu biegen, der weiß aus der Geschichte, daß die Blüte des alten Roms verbunden war mit jener rund 500 Jahre in Kraft befindlichen Verfassung, die am besten durch das Wort res publica gekenn­zeichnet wird. Res publica war der Gegensatz zu res privata, die allgemeine Sache stand über der privaten: die römische Republik, ver­anfert nicht in schwierigen Gesezesparagraphen, sondern im Voltsbewußtsein, wurde repräsen­tiert durch den Senat und das Volk von Rom  ( senatus populusque romanus): über Krieg und Frieden beschloß der Senat, er wählte die Consuln, deren Namen von dem Worte Con­filium= der Rat, herkommt, und wenn Staat und Volk Gefahren drohten, so verkündete der Senat: die Consuln mögen aufpassen, daß die gemeinsame Sache, die Republik  , keinen Scha­den nehme, Cavent Consules... Unter diesem traditionell begründeten, im Volf verankerten System hat das alte römische Reich seine höchste Blüte und Weltgeltung erreicht. Mit der Ver­nichtung dieses Systems durch die Diftatur be­gann der Untergang.

verlangte er, daß keiner mehr als 500 Joch Landes besitzen dürfe. Die Folge? Er wurde nebst seinem Bruder ermordet. Das war ein

Anfang. Ein Anfang vom Ende.

Wie lange noch, Catilina?

"

,, Quo usque tandem, Catilina  , abutere patientia nostra?" Wie lange willst du noch unsere Geduld mißbrauchen, Catilina  , schrie

Cicero   dem Führer der Linken entgegen, als der sich anno 63 vor Christi Geburt um das Amt des Konsuls bewarb, weil er versuchen wollte, die Dinge auf legalem Wege zu bessern. Er selbst wurde an Stelle Catilinas Konsul, er selbst veranlaßte allen Gefeßen entgegen den vor dem Gespenst der Revolution zitternden Senat durch seine berühmt gewordenen, von ihm später in Buchform herausgegebenen Reden, Catilina  ohne ordentliches Verfahren zu ächten, jagte den Verfolgten so der Gewalt in die Arme. Ein raffinierter Politiker zwingt dem Gegner das Gesetz des Handelns auf, verführt ihn vorzeitig zur verzweifelten Revolte, läßt diese Schlacht bei Bistoja niederschlagen und wirft sich als Retter des Vaterlandes in die Brust. So geschehen vor 2000 Jahren.

Und mit Riesenschritten

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in der

in den Abgrund

Immer in der Geschichte der gesellschaft­lichen Umwälzungen sind es Männer der herr­schenden Schichten gewesen, die sich, sozial ent­gleist oder innerlich überzeugt, an die Spitze der um ihren Aufstieg kämpfenden Klassen stell­ten. Das ist in der neueren Geschichte so, das war im Mittelalter so, als rebellierende Ritter die Bauern in den Kampf führten, und das hatte auch im Altertum seine Richtigkeit. Lucius Sergius Catilina   war ein Patrizier. Im Gegensatz geraten zu den Seinen, getrieben von Ehrgeiz sowohl wie von richtigen Erkenntnissen, stellte er sich an die Spitze der Enterbten. Hun­dert Jahre nach der Geburt des Grachus, der den Tatbestand formuliert hatte, Tag er er­schlagen inmitten seiner zu schwachen revolu­tionären Radres: an seinen Namen knüpft sich Als Cicero   seine Senatsreden wider Catis der römische Sklavenaufstand, die Verschwö- lina hielt, Tag der eben geborene Cajus Octas rung" gegen den von Imperialismus und vius in den Windeln und schrie. Seine Eltern Kastengeist angekränkelten Staat. Weil der waren keine Patrizier, fleine Leute aus dem allen Mahnungen zum Trok, allem Eifern der Volt, er selbst ein schivächlicher Knabe, der krän ehrlich besorgten republikanischen Demokraten felnd Heranwuchs, den Ausdruck der ewigen entgegen, allen Warnungen der Weitsichtigen Minderwertigkeitskomplere nie aus dem Gesicht zuwider, den eigensüchtigen Ratschlägen der verlor, nichts lernte und doch den zähesten Reichen folgte, die immer zynischer die Stim- Willen hatte zum Erfolg. Er allein hätte ihn men des besiglosen Volkes fauften, und in dem nie geschafft. Glänzend lernte er, andere für ehrsüchtigen und eitlen Rechtsantvalt Marcus sich zu gebrauchen, Meister der Bearbeitung der Tullius Cicero   den politisch gerissenen Partei- Volksmeinung aus dem Verborgenen, ist er spä führer hatten, weil der Staat seine eigenen Tra- ter nur zur Macht gelangt, weil er sich bezahlte ditionen immer offensichtlicher verleugnete, trieb und mit tausend Vorteilen verlockte, verhette er Wasser auf die Mühlen der Extremisten, pro- und fanatisierte Hilfsgarden schuf. Nicht einmal, vozierte er gleichsam den politischen Radikalis- daß er am Rockzipfel des eigenen Onkels, des mus, trieb er schließlich die Partei der Unter- großen Schlachtengottes der untergehenden drückten in die Illegalität und den( ungenügend Republik Gajus Julius Cäsar, der ihn adop vorbereiteten und aussichtslosen) Aufstand. tierte, in die Macht schlich, hätte ihm geholfen: die Intrige regierte, die Korruption, und schließ Tich das Messer. Der Onkel wird, als er das Gesicht des Diktators enthüllt, von Brutus und Cassius ermordet: der Neffe mordet selbst. Der erste Kaiser Roms watet durch ein Blutmeer auf den Thron: 130 Mitglieder des Senats, alle, die noch eines demokratischen Funkens verdächtig waren, 2000 Bürger von Rom   werden mit einem Die letzte Frucht löst sich gereift vom Baum Federstrich geächtet und niedergemacht. Darunter und fällt in's taugetränkte Gras.

Herbstbeginn

Die Dinge schwebten auch damals nicht im Tuftleeren Raume der Ideologien und Theorien, sondern sie erhoben sich und stürzten auf dem Fundament der ökonomischen Tatsachen. Das Stimmrecht war verbunden mit der Wehr­pflicht und resultierte aus dem Bürgerrecht, das ein Bodenrecht war. Der Bauer, der den Pflug führte, ergriff das Schwert, wenn der heimische Boden bedroht war. Er auch hatte das Wahl­recht: die urewigen Gesetze dieses Gewohnheits­zustandes haben sich bis auf den heutigen Tag dort fortgesetzt, wo alte demokratische Traditio­nen wach sind. Der Schweizer   Bürger, der sein Gewehr im Hause hat und morgen wieder die Uniform anzieht, beweist es. Muß aber der Bauer den Pflug vernachlässigen, weil er das Schwert nicht abgürten kann, so muß er ent­weder das Land oder die Kriegführung anderen überantworten: mit den römischen Eroberungs­friegen begann sich das herkömmliche Verhält nis zu ändern und eine neue Klasse von Men­schen trat auf den Plan, die Sklaven, die man immer mehr zur Arbeit heranzog, und die Sol­daten, die nicht aus Staatspflicht, sondern gegen Besoldung fämpften. Der 100 Jahre vor Augustus   geborene Tiberius Grachus, bekann tester Vorkämpfer römischer Humanität und Wohin fragst du? Demokratie, erklärte: Die Tiere Italiens   Die einen nennen's Gott. Ich sage: zu mir aben jedes sein Lager und seine Höhle. Die Leute aber, die für unser Land kämpfen und bluten, haben nichts als Licht und Luft. Ohne Haus und Land irren sie mit Weib und Kind umber. Von so vielen Römern hat nicht einer einen väterlichen Altar. Für fremde Schwel­gerei, für fremden Reichtum kämpfen und ster­ben sie." Der dies sprach, ging in die Politik und versuchte Gesetze zu bewirken, die den be­flagten Zustand abändern sollten. Zum Beispiel

Noch einmal steigt vom klaren Horizont der Sonne belles Funkensprühen zum Mittag warm empor.

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und dann beginnt ein Wandern endlos langes Wandern.

selbst.

Die Nächte wachsen lang hinaus, und abends schon beginnt ein hartes Frieren, das uns allein im kalten Raume läßt. Wer nicht Geduld zum großen Warten hat, der stirbt an diesen Elendstagen. Nur der, des Aug' vor nichts zurückgeschreckt, widr wachsen über sich hinaus.

Walter Pors ch.

jener Cicero, den er, dankbar für seine Vors arbeit, hatte retten wollen, den aber nun die eigenen Trabanten nicht leben lassen wollten: es erfüllte sich an dem allzu Schlauen das immerwährende Gesetz von Ursache und Wirs fung. Bis auf den heutigen Tag verfallen, die mit der Diktatur kompromisseln, seiner Uner­bittlichkeit.

Die Entscheidung traf minmehr ein Mann. Cajus Octavius, geboren am 23. Sep­tember 63 v. Chr., ward als Augustus Begrün­der eines anderen römischen Reiches, es war nach dem römischen Königtum( bis 510 v. Chr.). nach der römischen Republik( bis zur Erklärung des Octavian   zum Kaiser 29 v. Chr.) das dritte Reich. Und die Geschichte der römischen Kaiser