BUNTE WELT

Nr. 48

Fritz Rosenfeld:

Unterhaltungsbeilage

Der Freier vor dem Tor

Personen:

Eine dramatische Legende

Tür meines Hauses und rührt sich nicht vom

Omar Ibn Hussein, ein armer Melo- Fleck. Ich muß über ihn flettern, wenn ich mein

nenhändler.

Abdullah Ibn Ali, ein reicher Kauf­

mann.

Der Nabi.

( Von einem fernen Minarett Klingt gedämpft die Stimme des Muezzins, der zum Gebet ruft.)

Sprecher: Die Stunde des Gerichte hat begonnen. Allah   segne die Richter mit Weisheit und Geduld, auf daß sie nicht mit Strenge richten, sondern mit Güte, nicht mit Haß, sondern mit Milde, nicht nach dem Ge­bot der Rache, sondern nach dem Gebot des Mitleid3. Wem Unrecht widerfahren ist, der trete vor und flage! Wem ein Schaden geschah

Haus verlasse, und stolpere im Dunkeln über ihn, wenn ich abends heimkehre.

Der Kadi: Und warum liegt Mirza ibn Omar drei Tage vor der Schwvelle deines Hauses? Weißt du das?

Abdullah: Und ob ich es weiß, hoch weiser Richter, ich weiß es nur zu gut. Mirza, der Lump, will Djamileh, meine Tochter, zur Frau haben.

Der Kadi: Und du willst ihm Djamileh, deine Tochter, nicht zur Frau geben?

Abdullah: Allahs Weisheit spricht aus deinem Munde, Richter. Wie kann ich, Ab­dullah ibn Ali, der reichste Kaufmann in der Stadt, meine Tochter Djamileh, die zart ist wie wie eine Lilie am Fluß, einem Strauchbieb die Morgenröte, sonft wie ein Reh und lieblich geben, der keinen Fußbreit Boden besitzt, dessen Herden aus einem einzigen, dreibeinigen Lamm bestehen, der auf seinem Leib mur Hadern trägt, weil er fein Geld für Kleider hat, dessen ein­Abdullah: Friede sei mit dir, hochziges Gut seine Frechheit, seine Unverschämt weiser Richter!

durch die Schuld eines anderen, trete vor und

flage! Wer bestohlen wurde oder übervorteilt, in seiner Ehre geträuft oder in seiner Würde

verlebt, trete vor und flage!

Der Kadi: Friede mit dir! Wer bist du? Abdullah: Abdullah ibn Ali bin ich, Kaufmann in dieser Stadt. Meine Schiffe schwimmen auf allen Meeren, meine Karawanen ziehen durch alle Wüsten. Mein Lager birgt Teppiche und Edelsteine, Gewürze, Gefäße aus getriebenem Gold

Der Kadi: Wen flagst du an, Abdullah ibn Ali?

Abdullah: Einen Dieb klage ich an, einen elenden Dieb, der nicht verdient, daß ihn Allahs   Sonne bescheint.

Der Kadi: Wie heißt dieser Dieb, und was hat er gestohlen?

Abdullah: Vorerst eine Frage. Das Geses bestimmt, daß einem Dieb, der auf frischer Tat ertappt wird, der Henker die rechte Hand abschlägt?

Der Kadi: So bestimmt es das Gesek. Abdullah: Ein weises Gesez, Hochedler

Richter.

Der Kadi: Das Gesetz bestimmt aber weiter, daß das Gewicht einer Menschenhand in Silber als Strafe zu entrichten hat, wer einen anderen ungerecht eines Diebstahls be­schuldigt.

Abdullah: Ungerecht? Omar, der Lump, ist schuldig.

heit ist? Sag selbst, hochweiser Richter, taugt so ein Nichtзnuk, so ein Lümmel, so ein bar­füßiger Bettelgeselle dazu, der Schwiegersohn Abdullah ibn Alis zu werden?

Der Kadi: Und glaubt Mirza, daß er deine Tochter gewinnen wird, wenn er sich vor die Schwelle deines Hauses legt?

Abdullah: Ein Erpresser ist er, ein Räuber. Er sagt, er habe beim Barte des Pro­pheten geschworen, nicht wieder aufzustehen, ehe ich ihm Djamileh zur Frau gebe! Er nimmt feine Speise zu sich und feinen Trant, er gest nicht in die Moschee, wenn der Muezzin zum Gebet ruft, er hat wohl in seinem Born seine Seele dem Satan verschrieben. Wenn er nun Hungers stirbt, fällt die Schuld an seinem Tode auf mich!

Der Kadi: Mirza ibn Omar liebt wohl deine Tochter sehr?

1937

Abdullah: Es gibt soviele Gefeße. hochweiser Richter, welcher Mensch findet in seinem kurzen Leben Zeit, sie alle zu befolgen? Der Kadi: Und was fann Omar ibn Hussein dafür, daß die alte Amme auf deine Tochter nicht besser achtgegeben hat?

Abdullah: Was er dafür tann? Hat Allah   deine Augen mit Schleiern verhängt, hochweiser Richter, und deine Ohren mit Watte verstopft? Was Omar, der Lümme!, dafür fann? Steht nicht geschrieben, daß der Sohn die Befehle des Vaters zu befolgen habe? Wer fann diesem Frechling, diesem Mirza, gebieten, meine Schwelle zu verlassen, wenn nicht Omar, fein Vater? Aber der alte Hallunke hat gewiß den Jungen dazu angestiftet, sie sind beide im Bunde, um mich zu berauben.

men, um Mirza von deiner Schivelle zu ents fernen?

Der Kadi: Und was hast du unternom­

Abdullah: Unternommen? Am ersten Tag, als mir gemeldet wurde, daß er dort liegt, rief ich meine Diener und befahl ihnen. Mirza mit Gewalt fortzuschaffen. Aber der Taugenichts strampelte mit den Füßen, als sie ihn ergreifen wollten, er stemmte sich gegen sie und zerfetzte ihre Kleider, er schrie so jämmers lich, daß die Leute zusammenliefen. Er ers zählte allen, warum er hier liege, und die Menschen lachten, fie lachten mich aus, so laut lachten sie, daß ich wütend wurde und selbst versuchte, den Lumpen von der Schwelle zu vertreiben. Aber ehe mein Fuß den schmußigen Leib dieses Hundes berührte, schnitt er eine Grimasse und brüllte mir entgegen: Und ich bekomme deine Tochter doch zur Fraul Und ich bekomme sie doch! Hochweiser Richter, ich bin ein geduldiger Mensch, aber das Blut fochte in meinen Adern, als ich die Gaffer ringsum sah, die sich vor Gelächter die Seiten hielten, diese feisten Nichtstuer, die auf den Straßen herumlungern, um sich am Mißgeschick ilrer Nebenmenschen zu erfreuen. Erlaubt der Bros phet solches Tun überhaupt?

Abdullah: Liebt! Liebt! Jeder Tas schendieb aus dem Bazar kann kommen und Der Kadi: Das Gesetz des Propheten sagen: Ich liebe deine Tochter, gib sie mir zur gebietet Rücksicht und Verstehen. Aber in den Frau. Muß ich sie ihm deshalb geken? Menschen lebt der Trieb der Schadenfreude. Der Kadi: Und Djamileh, deine Wie willst du ihn tilgen, Abdullah? Tochter? Abdullah: Ich? Tilgen? Lazt mich Abdullah: Djamileh? Sie ist noch ein weitererzählen. Am zweiten Tage ging ich flüs Kind. Der Laffe hat Gift in ihr Ohr geträu- ger zu Werte. Ich wußte, der Kerl har lange felt. Sie ist unerfahren und glaubt jedes Wort, nichts gegessen. Die Sonne brennt zwei Tage das er ihr vorlügt. Ich habe ihr verboten, auf auf seinen staubigen Körper, er muß vor Durst die Straße zu gehen, ich bin ein frommer halbtot sein. Also ließ ich einen Tisch vor das Mann, hochweiser Richter, aber wo sind die Haus tragen und Speisen bringen. Gebratenes Zeiten, in denen das Kind noch dem Vater ge- Hammelfleisch mit Reis, in Fett gefocht, Mea Horchte, wie das Gesez es vorschreibt? Fat.ne, lonen, Datteln, Feigen, Buderwerk und Wein. die alte Amme, hat ihr dabei geholfen, mich. Ich hielt ihm von allem eine volle Schüssel ihren Water, zu hintergehen. Als ich davon ec- unter die Nase, dann setzte ich mich an den Tisch fuhr, habe ich Fatme berjagt. Mag fie verhun- und begann zu essen. Gufen Appe.it! rief der gern und verdursten, die alte Vettel. Ich bin Schurke, und: ,, Uebernehmt euch nicht, Schivies Der Kadi: Und was hat dir Omor ihn ein ehrenhafter Mann und beachte die Gesetze. gerpapa, Ihr habt einen schwachen Magen!" Hussein Böses zugefügt, daß du ihm so zürnst? Der Kadi: Ich begreife deinen Born. Ich tat, als hätte ich diese Worte nicht gehö: t Abdullah: Böses zugefügt? Seit drei Abdullah. Aber das Gesetz befiehit Liebe gegen und sagte friedfertig: Bon all diesen guten Dins Tagen liegt sein Sohn Mirza, der Hallunke, den Nebenmenschen, selbst wenn dieser gefehlt gen kannst du haben, wenn du aufstehst und der Landstreicher, der Straßenbettler, vor der hat.

Der Kadi: Bring deine Klage der Reihe nach vor, wie es sich geziemt. Erst den Namen des Beschuldigten, dann die Tat, deren du ihn bezichtigit.

Abdullah: Der Reihe nach? Schön. weiser Richter. Ich klage Omar ibn Hussein an, den Melonenhändler, den Habenichts, den Tagedieb, den Hungerleider.

I fortgehst. Nichts anderes verlange ich, ais da