endlich ans Licht der Sonnen. Der Graf von Paris  , ein Enkel des Bürgerfönigs" Louis Philipp, theilt in einem, Mitte des vorigen Jahres geschriebenen Brief mit, Graf Bis­marck habe den Verkauf Luxemburgs an Frankreich   nicht hin­dern wollen; und von London   aus wird der Wiener   ,, Neuen Fr. Presse" geschrieben, der Verkauf sei nur an den Skrupeln des Königs von Preußen gescheitert. Dies wird auch von anderer Seite bestätigt. Hoffentlich ist die Zeit nicht fern, wo die ganze Wahrheit über den Tag von Biarrig" aufgedekt wird, den Jacoby vor 2 Jahren dem, Tag von Olmüß" an die Seite stellte.

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In Bayern   haben die Wahlen zum Zollparlament" stattgehabt, und zu einer kolossalen Niederlage der national liberalen Partei und des, mit der preußischen Regierung unter Einer Decke steckenden Ministeriums geführt. So sehr wir uns darüber freuen, daß die Feinde der Demokratie geschlagen worden sind, so sehr müssen wir es bedauern, daß es nicht die, in Bayern   leider schlecht organisirte Demokratie war, welche den Sieg erfochten hat.

In Baden und Hessen   ist die Wahlbewegung im voll­sten Zug, und wir dürfen auf ein günstiges Resultat hoffen. In dem ersteren Land erwirbt sich namentlich der Veteran Venedey durch sein tapferes Vorgehn gegen die Gothaer Clique ein hohes Verdienst um die Sache des deutschen   Volks.

In Würtemberg ist das Wahlschlachtfeld den Gotha­ern und Conservativen überlassen, da die Volkspartei an ihrem früheren Beschluß festhalten, und sich an den Wahlen nicht betheiligen will. Trotzdem wird die ,, preußenfreundliche" Bartei, sichern Berichten nach, auch dort nicht die Mehrheit er­langen. Alles zusammengefaßt, läßt sich schon jeßt mit Be stimmtheit sagen, daß Südwestdeutschland   überwiegend ent­schiedene Gegner des Anschlusses au Preußen" nach Berlin  senden wird, und daß also die politischen Zwecke des Zoll parlaments" durch die gesunde Volfestimmung vereitelt worden find.

Man schreibt uns aus Thüringen  : Was hier zu Lande die Politik jetzt einigermaßen in den Hintergrund drängt, sind die Nothstandsverhältnisse. Alle Zeitungen brin­gen jetzt täglich bogenlange Berichte über das Elend in Ost preußen. Wir wollen zugeben, daß es wirklich so ist, wie die Zeitungen melden, wir wollen annehmen, daß nichts übertrie ben ist, und es mag ein solcher Zustand in einer Provinz, die sonst die Kornkammer für einen großen Theil Europas  ist, befremdlich*) erscheinen; aber noch befremdlicher ist, daß ein so großes, reiches Königreich dem Nothstand einer einzigen Provinz nicht abhilft und offene Bettelbriefe in die Welt hin­aus gehen läßt. Ein Staat, der Geld hat, ungerechte Grobe­rungskriege zu führen, der einen solchen Zuwachs an Land und Leuten erhalten, der so viele Millionen Kriegscontribu­tionen erpreßt hat, der sollte auch für die Hungrigen seines Landes Rath schaffen.

Wir Bewohner der Werra zwischen Thüringer Wald   und Rhöngebirg leben in einer notorisch armen Gegend, nur in besonders günstigen Jahren wird Getreide über Bedarf gebaut, meistentheils reichen wir mit unsern Vorräthen nicht aus und haben Zufuhr nöthig. Auf den Höhen des Thüringer   Waldes und der hohen Rhön   müssen Jahr aus Jahr ein alle Be­dürfnisse gegen baar Geld gekauft werden und der Erwerb ist daselbst, wie Jedermann weiß, recht sehr knapp. Wir haben hier schon viele Theurungsjahre überstanden, welche eben solche Scenen aufzuweisen hatten, wie sie jetzt aus Ostpreußen   be­

*) Nicht, wenn man die Geschichte und die Verhältnisse der Pro­ving fennt. A. d. R.

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richtet werden. Ich erinnere nur an die Jahre 1843, 47, 52, 55-57, 60 und 67. Wir in Thüringen   haben keine reichen Fürstenhäuser, keinen Staatsschaz, keine Landesbanken, in denen Millionen aufgehäuft liegen, wie in der preußischen. Aber wir haben uns stets selbst geholfen, Communen und Privatwohlthätigkeits- Vereine haben die Aufgabe gehabt, der Noth zu steuern, und haben diese Aufgabe fast überall gelöst. Höchstens ist aus Staatsmitteln hier und da den bedürftigen Gemeinden unter die Arme gegriffen worden, keineswegs aber haben wir uns auswärtiger Unterstüßungen zu erfreuen gehabt.

Auch in der hiesigen Gegend waren in den letzten 3 Jahren die Erndten nicht reichlich. Bereits im vorigen Jahre hat die hiesige Gegend größtentheils von auswärtigen Zufuh­ren gelebt. Die letzte Erndte war aber mit Ausnahme von Kartoffeln und Obst ganz erbärmlich. Mit unsern Getreide vorräthen sind wir bereits ziemlich zu Rande. Die Kartof feln werden noch ausreichen bis zur Seßzeit, dann aber sehen wir der drückendsten Noth entgegegen. Dabei Verdienstlosigkeit überall, da Handel und Verkehr darnieder liegen. Alles Fol gen des ruhmvollen Krieges von 1866."

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Desterreich fährt fort sein Haus zu bestellen, um nicht durch die Ereignisse überrascht zu werden. Obgleich noch viel, viel zu thun ist, die Conkordatsfrage vor Allem rückt seit Wochen nicht vom Fleck, und die Aufschlüsse, welche das Roth­buch über dieselbe giebt, sind keineswegs zufriedenstellend so läßt sich doch nicht läugnen, daß Desterreich heute weit mäch tiger dasteht, als vor dem legten Kriege. Wie vollständig die Regierung auf das Volk rechnen kann, das zeigen die jüng sten Arbeiterversammlungen in Wien  ; und daß sie auf die Russisch- Preußischen Intriguen in den Donauländern ein aufmerksames Auge hat, ersehen wir aus den guten Beziehun gen, welche sie mit den Polen   unterhält.-

In der Türkei   wird eine polnische Legion unter Langiewig organisirt. Die Kabinette von Berlin   und Peters burg werden diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.-

Die Französischen   Kammern beschäftigen sich fort während mit dem Preßgefeß, das man mit Recht ein., Gese gegen die Presse" genannt hat. Auf die Einzelheiten der Debatten gehen wir nicht ein; die Preßfreiheit ist eine jener Fragen, über die fich nur noch Gemeinpläße sagen lassen. Sie muß erkämpft werden.

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Was die Stimmung in Frankreich   anbetrifft, so ver weisen wir auf das Republikanische Manifest", welches in dieser Nummer abgedruckt ist. Zuerst fam uns allerdings ein Argwohn, das Manifest könne das Werk von Agents Provo cateurs) sein, allein ein Blick auf die Lage Frankreichs   schließt jeden derartigen Gedanken aus. Es ist so viel Zündstoff vorhanden, daß die kaiserliche Regierung wahnsinnig sein müßte, wollte sie mit dem Feuer spielen. Beiläufig würden wir das Aktenstück vielleicht aus preßpolizeilichen Rücksichten zurückgelegt haben, wenn es nicht schon von einem, der Preus ßischen Regierung nahstehenden Blatt, der ,, Kölnischen Zeitung  " veröffentlicht worden wäre. In Berlin   ist man nämlich so weit gekommen, die Möglichkeit einer Französischen   Revolution mit sichtlicher Genugthuung zu betrachten, nicht erwägend daß es zwischen Frankreich   und Preußen keine Brandmauer giebt.-

Das Land", sagen die Wähler Genuas  , in einer Adreſſe an die Italienische Kammer ,,, das Land ist müde des un *) Geheime Polizeiagenten, welche die Gegner der Regierung zu un bedachten, verfrühten Unternehmungen, Verschwörungen, Straßenkampf u. s. w. zu reizen haben, und darum eine sehr heftige Sprache gegen ihre Brodherrn führen müssen.