Deutsche   Stimmen Beilage sur..Deutschien Freifieit" Ereignisse und Geschichten

Freitag, den 17. November 1933

Ich verbiete Ihnen".

Jack Bilbo   wehrt sich mit seinen ,, Hauskätzchen" gegen Nazis und schreibt an seinen Becliner Verleger

Jack Bilbo   ist bekannt geworden als Autor interessanter Bücher, die in die Dunkelheiten der Großstädte in aller Welt mit scharfer Beobachtungsgabe hineinleuchten. Zwei seiner Werke: ,, Ein Mensch wird Verbrecher", das Leben und Schicksal Al Capones nachzeichnet, und, Chikago Shanghai" sind in dem bekannten Universitas- Verlag in Berlin   erschienen.

Dieser Jack Bilbo   schickt uns aus Barcelona   folgenden Brief:

Jack Bilbo

Fort Bill

An die

Barcelona  - Sitges  , den 9. November 1933 Spanien  

Chefredaktion der Tageszeitung ,, Deutsche Freiheit"

Saarbrücken 3 Schützenstraße 5

Sehr geehrte Chefredaktion! Anbei erlaube ich mir, Ihnen die Copie meines Briefes an meinen deutschen Verleger zu übersenden. Dadurch, daß meine Bücher in Deutschland   nicht verboten wurden, könnte man zu der Ansicht gelangen, daß ich ein Faschist sei. Eine größere Beleidigung, zu denken, daß ich zu ' diesen Barbaren gehöre, kann man mir nicht antun. Ich bin nicht nur Jude, sondern habe mich jahrelang als aktiver Bekämpfer des Faschismus betätigt. Erst neulich waren hier einige Nazilümmels aus Barcelona  , um mit mir eine alte Rechnung aus Deutschland   zu begleichen; aber als sie mich mit meinem Hauskätzchen Raza" sahen, zogen sie es vor, die Naturschönheiten von Sitges   wo­anders zu bewundern. Ich bitte Sie, meinen Brief an meinen deutschen Verlag zu veröffentlichen, damit irgend­welche Irrtümer über meine politische Einstellung, trot­dem ich keiner Partei angehöre, ausgeschlossen werden.

Anbei sende ich Ihnen ein Photo von mir und meinen Tieren, damit Sie sehen können, warum ich als alleiniger hier ansässiger Antifaschist unbehelligt bleibe.

In der Hoffnung, daß Sie recht viel Erfolg mit Ihrer tapferen Zeitung haben, zeichne ich mit bestem Gruß gez. Jack Bilbo  .

Wir lesen diesen Brief mit einiger Genugtuung, aber auch mit einigem Erstaunen. Denn wir wußten nicht, was der wackere Jack Bilbo   mit seinen Hauskätchen ,, Raza" meinte. Da fiel unser Blick auf die mitgeschickte Fotografie, und alles wurde klar. Auf ihm spielt Jack Bilbo  , ein kraft­strogender, muskelbepackter junger Hühne vom ersten Bataillon des kriegerischen Stammes Maccabi, mit zwei mächtigen Doggen und einer stattlichen Löwin, die

den Blick gehorsam ihrem Herrn zuwendet. Begreiflich, daß die Nazi- Herrschaften sich sehr schnell verabschiedeten. Aber nun der Brief an seinen Verleger: Jack Bilbo  

An die

Barcelona  , den 9. November 1933

Universitas Deutsche Verlags- Aktiengesellschaft Berlin   W. Tauentienstraße 5

Sehr geehrte Herren! Soeben erfahre ich von einem hier eingetroffenen Freunde, daß zu meinem größten Erstaunen meine Bücher ,, Ein Mensch wird Verbrecher" und Chikago Shang­hai" nicht verboten sind. Sogar mit großem Erfolg weiter zum Verkauf gelangen.

Sie wissen ganz genau, daß ich weder Sozialdemokrat noch Kommunist bin, aber als ein Freund von Freiheit und Fortschritt keinen Wert darauf lege, in einem Lande, das auf einer so niedrigen Kulturstufe steht wie Hitler­ Deutschland  , verlegt zu werden.

Sie wissen ganz genau, daß ich ein aktiver Bekämpfer des Faschismus bin, nicht nur als Jude, sondern auch als Mensch, der nicht intelligent genug ist einzusehen, daß man sich auf dem Felde des Kriegsindustriekapitals die Knochen zusammenschießen lassen muß.

Es ist eine besondere Charakterlosigkeit von Ihnen, meine Bücher weiter zu verlegen, an Menschen zu ver­kaufen, für die ich nur die tiefste Verachtung übrig habe. Eine Charakterlosigkeit, die ich nicht mitmache, und ich verbiete Ihnen hiermit ein für allemal meine Werke zu drucken oder zu vertreiben.

Hochachtungsvoll gez. Jack Bilbo  .

PS. Eine Copie dieses Briefes geht an eine anti­faschistische Zeitung, um Sie zu zwingen, mein Verbot zu befolgen.

Einschreiben.

Also Jack Bilbo  . Vielleicht ist er primitiver als jene deutschen Dichter und Schriftsteller, die trot anti­faschisticher Gesinnung nie den Mut hätten, einen solchen Brief zu schreiben. Vielleicht ist er nicht so subtil in der Stilgestaltung, nicht so psychologisch- einfühlend; vielleicht gehört er nicht in die Reihe derjenigen, die jeden Augen­blick mit ihrer Muse im Bunde sind.

Aber er hat Zivilkourage. Nicht nur vor den Tieren, son­dern auch vor den Menschen. Sogar vor den Tantiemen.

Göbbels   segnet die Reichskultur

Das geistig- künstlerische Hakenkreuzmonopol wird stabilisiect

Mit einer Rede, die schillernd, geschickt und verlogen war, Der Schauspieler muß SA.- Mann sein

hat Dr. Göbbels   am Mittwoch vor den Erlesenen des ,, dritten Reichs" in Berlin   die Reichskulturkammer  " geweiht. Wir werden auf die Rede und den Sinn dieser Organisation, die das gesamte geistig- künstlerische Leben des deutschen Volkes unter dem Hakenkreuz zwangsweise monopolisiert, noch ein­gehend zurückkommen. Heute werden vor allem die Namen der für die ,, Unterkammern" Erkorenen interessieren:

Göbbels   sagte: Kraft Gesetzes übernehme ich selbst die Führung der Reichskulturkammer   insgesamt.

Kraft der mir im Gesetz verliehenen Vollmachten ernenne ich zum Vizepräsidenten der Reichskulturkammer  : Staats­sekretär Walter Funk  .

Für die Reichsmusikkammer  : zum Präsidenten General­Musikdirektor Dr. Richard Strauß  . Zu Mitgliedern des Präsi­dialrates: General- Musikdirektor Staatsrat Dr. Wilhelm Furtwängler  , Prof. Dr. Paul Graener  , Präsident der Akade­mie für Musik, Prof. Dr. Frit Stein, Prof. Gustav Havemann  , geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Reichskartells der Musiker, Heinz Ihlert  .

Für die Reichskammer der bildenden Künste: zum Präsi­denten: Prof. Eugen Hönig  . Zu Mitgliedern des Präsidial­rates Prof. Franz Lenk  , Prof. Paul Ludwig Troost  , Prof. August Krauß, Direktor Walter Hoffmann, Min.- Rat Otto v. Keudell, Hans Weidemann  .

Für die Reichstheaterkammer: zum Präsidenten: Präsident der Bühnengenossenschaft, Min.- Rat Otto Laubinger  . Zu Mitgliedern des Präsidialrates: Werner Krauß  , Kammer­sänger Wilhelm Rode  , Reichsdramaturg   Dr. Heiner Schlösser, geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins  , Dr. Otto Leers  , Direktor Heinz Hilpert  .

Für die Reichsschrifttumkammer: zum Präsidenten: Hans Friedrich Blun ck. Zu Mitgliedern des Präsidialrates: Dr. Hans Grimm  , Präsident der Dichterakademie Hans Johst  , Verleger Dr. Friedrich Oldenburg, Buchhändler Theodor Fritsch  , Dr. Heinrich Wismann.

Für die Reichspressekammer: zum Präsidenten: Verlags­direktor Max Amann  . Zu Mitgliedern des Präsidialrates:

In der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger  

Im Namen der Reichsobmännerkonferenz der Genossen­ schaft deutscher Bühnenangehöriger   war im Sitzungssaal des Freußischen Landtags eine Versammlung der Berliner   Schau­spieler, die einen außerordentlich starken Besuch zu ver­zeichnen hatte. Als Ehrengäste wurden Gerhart Hauptmann  , Werner Krauß   und Arthur Krausneck empfangen.

Der Präsident der Bühnengenossenschaft, Ministerialrat Otto Laubinger  , umriẞ in einem längeren Vortrag die Stel­lung der deutschen Schauspielerschaft im neuen Deutschland  . Im ständischen Aufbau hätten auch die deutschen Schau­spieler ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie sollten die Träger des deutschen   Nationaltheaters werden. Der Redner schilderte die Verdienste der Ehrenmitglieder der Bühnengenossen­schaft Arthur Kraußneck   und Gerhart Hauptmann  . Gerhart Hauptmann  , der morgen seinen 71. Geburtstag feiert, möge schon heute die herzlichen Glückwünsche der deutschen  

Schauspielerschaft entgegennehmen.

Helden!

"

Hitler   schreit: Ich bin, wir sind heroisch! Heldentum hat uns zum Sieg geführt! Und die Hammelherde ist gerührt, Und die Wissenden

die schweigen stoisch

Heldentum so hat man uns gelehrt Ist der ritterliche Mut der Freien, Doch bei Hitler, mag er noch so schreien, Ist die Sache grade umgekehrt.

Denn er kämpft mit Maul und Bajonetter Gegen Freie, die jest wehrlos sind, Um sie bis zum neugebornen Kind An den Pfahl der Tyrannei zu ketten. Heldentum so hat man uns gelehrt- 1st der Mut zur Wahrheit und zur Treue, Gegenteil von Advokatenschläue. Doch Herr Hitler   macht es umgekehrt.

Keiner hat wie er so frech gelogen, Je so teuflisch mit Betrug regiert, Keiner hat die Wahrheit so beschmiert, So mit Wollust in den Dreck gezogen.

Adolf Hitler   hat zum Kampf geblasen. Gegen nichts gewann er eine Wahl! Gegen nichts spielt er den Mann von Stahl! Heil! Das ist der Heldenmut der Hasen.

Dennoch! Aus dem Nichts sind plöglich schweigend Drei Millionen Helden aufgetaucht, Furchtlos vor der Wut, die sie umfaucht, Uns den schmalen Weg ins Freie zeigend.

Einmal wird auch dieser Wahnsinn schweigen, Und die Welt wird richten, frei und klar: Hitler   war der roheste Barbar

Und der Feigste unter allen Feigen!

Liberator.

Wenn mancher meint"...

Fleißige braune Waschfrauen

Der badische Ministerpräsident richtet eine ,, Ermahnung an sein Volk, die zwischen den Zeilen mehr verrät, als im Wortlaut gesagt wird.

,, Wenn mancher meint," so führt der Ministerpräsident aus ,,, Hitler   ist uns schon recht, aber wenn nur der Zellen­leiter X. und der Blockwart Y. und der Obmann Sowieso oder sonst irgend ein Parteigenosse nicht wäre, so müssen wir das ablehnen, denn wir lassen uns nicht mit Heiligen Maßstäben messen." Er, der Ministerpräsident, sage es offen und frei, daß unter den Karlsruher   Parteigenossen sich keiner befinde, der Hitler auch nur im entferntesten das Wasser reichen könne. Die Quelle sei immer klar und rein. Wenn sie aber erst zum Strom geworden sei, schwimme auch mancher Dreck mit. Maßgebend sei ledig lich, ob einer ein guter Deutscher sei und seine Pflicht er. fülle. So mancher Klatsch über Führer und Organisationen sei Unsinn. Fährt man durchs Land mit dem Auto, heißt es gleich: ,, Nun ja, der kann sichs jetzt leisten!" Geht man zu Fuß, ists auch nicht recht, dann heißt es: ,, Muß der aber Zeit haben!" Iẞt man für 1,50 RM., wird gesagt: ,, Der kann sichs leisten!" Iẞt man für 80 Pfennig, dann heißt es gleich: Der könnte die Wirtschaft aber auch besser ankurbeln helfen!" Geht man mit seiner Frau aus, heißt es: Früher haben sie sich nirgends sehen lassen!" Läẞt man die Frau zu Hause, gleich wird geklatscht: ,, Da muß was los sein, der hat noch was nebenbei!" Wer nicht nur mit der Zunge, sondern auch mit dem Herzen Natio­nalsozialist ist, beteiligt sich nicht nur an solchem Klatsch nicht, sondern tritt ihm entgegen, wo immer er ihn trifft.

Diese Geschichten kommen einem recht bekannt vor. Solchen Klatsch zu verbreiten, gehörte in der Aera der Re publik zu den beliebtesten Schleuderwaffen, mit denen die heutigen Machthaber ihre Gegner bedachten. Jetzt wird es ihnen vergolten und zwar von den eigenen Getreuen am Biertisch, am Waschbrett und im SA.- Bataillon.

Dann erläuterte der Referent die Stellung der Schau- ,, Wir treten zum Beten"

spielerschaft und der Theaterkammer in der Reichskultur­ kammer  . Selbstverständliche Voraussetzung für einen deut. schen Schauspieler sei, daß er sich rückhaltlos für die natio­nale Sache einsetze. Er müsse nicht nur SA.- Mann auf der Bühne, sondern auch SA.- Mann im Leben sein.

Weiter wandte sich der Redner gegen die frühere Art, Aufführungen und Theaterstücke zu kritisieren. Der Kritiker habe sich als Mitverantwortlicher zu fühlen, seine Arbeit habe Sinn, wenn er dem Schauspieler helfe, seine Leistung zu steigern.

Der Schauspieler Eugen Rex   dankte dem Präsidenten für seine unermüdliche Arbeit für die deutsche   Schauspieler­schaft. Zum Abschluß der Versammlung wurden drei Tele­gramme, an den Reichskanzler Adolf Hitler  , Reichsminister Dr. Göbbels   und Ministerpräsident Göring  , abgesandt, in denen der Dank für die gesetzgeberischen Maßnahmen und das Gelöbnis treuer Gefolgschaft zum Ausdruck kam...

Reichspressechef der NSDAP  . Dr. Otto Dietrich  , Verleger Deutscher   allgemeiner Eintopf

Willi Bischoff  , Geh.- Rat Prof. Dr. Walter Heide, Min.- Rat Dr. Jahncke.

Für die Reichsrundfunkkammer: zum Präsidenten: Min.­Rat Horst Dreßler  . Zu Mitgliedern des Präsidialrates: Dir. Eugen Hadamowski  , Intendant Walter Beumelburg, Inten­dant Dr. Heinrich Glasmeier  , Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knust.

Für die Reichsfilmkammer: zum Präsidenten: Rechtsan­walt Dr. Frig Scheuermann. Zu Mitgliedern des Präsidial. rates: Theod. Loos, Führer der Reichsfachschaft Film Karl Auen  , Dir. Dr. Franz Bölity, Rechtsanwalt Dr. Walter Flugge, Min.- Rat Dr. Botho Mülert, Oberreg.- Rat Arnold Raether  .

Ob Du mit Deinem lieben Weibe

Zu Haus am Sonntagmittag iẞt, Ob Du in einer kleinen Kneipe, Ob im Hotel zu Gaste bist, Ganz gleich es gilt in jedem Falle ( Ob Glatze oder Bubikopf)

Die gleiche Losung für uns alle: Ein Volk, ein Mittagstisch, ein Topf! Denn was der Eintopf nicht allein schafft, Das schafft die Eintopf- Volksgemeinschaft. ( Deutsche Allgemeine Zeitung", 5. November.)

Da hat jahrzehntelang ein ahnungsloses Arierpublikum das Niederländische Dankgebet gesungen: Wir treten zum Beten vor Gott  , den Gerechten  ..." Auf keiner Siegesfeier durfte dieser Schlußgesang fehlen, namentlich jetzt, wo alle Tage Siegesfeier ist.

Was aber stellt sich heraus? Jüdische Verse hat man in aller Ahnungslosigkeit geschmettert! Das kommt daher: Das ,, Niederländische Dankgebet" des holländischen Dichters Valerius wurde vor zirka 50 Jahren auf Veranlassung des Wiener   Komponisten und Chordirigenten Kremser ver deutscht. Uebersetzer war der damals bekannte Librettist Josef Wey, wie schon der Name verrät: ein Jude, der auch populäre Texte zu Straußschen Walzern schrieb Nach dessen Worten ist man also ,, zum Beten getreten", offenbar vor Jehova statt vor Gott   den Gerechten  ! ,, Gott, der Ge­rechte!"

Schweizerische Antwort

,, Was Du nicht willst..."

Unter den paar Dutzend Tageszeitungen und Zeitschriften im Lesesaal der Studentenschaft Basels   waren bis vor kurzem auch die folgenden deutschen   Blätter aufgelegt:, Frankfurter Zeitung  "," Deutsche Allgemeine Zeitung"," Völkischer Be obachter", Berliner Illustrirte Zeitung  ", Leipziger Illu strierte". Heute ziert folgendes Plakat die leere Stelle, wo sie ausgehängt waren: Es werden keine reichsdeutschen Zeitungen und Zeitschriften mehr ausgehängt, solange schweizerische Zeitungen in Deutschland   verboten sind."