Diestag, den 27. März 1934
Ja, Stich und Hieb"...
Blutduest, Roheit, Antisemitismus
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Was die erwachsenen SA. - Leute tun, weiß man so ungefähr. Sie exerzieren, kommandieren, terrorisieren Mißliebige und jubilieren an allen nationalsozialistischen Fest- und Gedenktagen, deren es in Deutschland jährlich ungefähr 370 gibt. Von den jüngeren und jüngsten Jahrgängen der braunen Armee, von den Hitlerjungen, erfährt man zwar, daß sie vor lauter ,, Dienst" nicht zu den Schularbeiten kommen
und daß die Mütter sich bitter über ihre Schnoddrigkeit und Roheit beklagen, aber sonst kümmert sich die Welt wenig um diese uniformierten Kinder. Sie sind ja noch klein, sie richten noch keine Menschenchlächtereien an, mißhandeln noch keine Wehrlosen( nur gelegentlich jüdische Klassenkameraden), auch sind sie noch nicht zu den ausgebildeten, kriegstüchtigen Soldaten des nationalsozialistischen Heeres zu zählen. Das alles kommt erst später. So vergißt sich's leicht, daß der Kinderdrill durchaus zur deutschen Aufrüstung gehört, vielleicht ihr gefährlichster Teil ist.
Vor uns liegt ein Hitlerjugend- Liederbuch, das den Zehn- und Zwölfjährigen von ihren erwachsenen Anführern immer wieder warm empfohlen wird. Es trägt offiziellen Charakter, denn es ist im gleichen Verlage ,, für nationalsozialistische Volksliteratur" erschienen, in dem Hitler seine Reden veröffentlichte, in dem Biografien von Göbbels , Göring , Schirach, Frick und anderen Häuptlingen
herauskamen.
Was singt der Nachwuchs des dritten Reiches"? Oder zunächst einmal: was singt er nicht? Die heiteren Volks-, Spiel- und Kinderlieder sind verschwunden. Unter den achtundvierzig Liedern des Heftes findet sich nicht ein einziges davon, nicht ein einziges, das harmlos- fröhlich wäre, nicht ein einziges, in dem nicht ge mordet, geraubt, gekämpft würde.
Neustadt a. d. H. Der dreizehnjährige Sohn des Oberingenieurs Luchterhand be= suchte am Dienstag seinen Spielkameraden, den vierzehnjährigen Hein Pieper in deffen elterlicher Wohnung. Der junge Luchterhand zeigte ihn dabei eine Mauserpistole, die er mitgebracht hatte. Die Knaben stritten sich in spielerischer Art um den Besiß der Waffe, als fich plöglich 2 Schüsse löften, von denen einer ben jungen Pieper ins Herz traf. Auf dem Wege zum Krankenhaus starb der Knabe. Luchterhand flüchtete nach Gimmeldingen , wo er später in der Talmühle aufgefunden wurde. Die Mutter des getöteten Knaben befindet sich zur Zeit im Krankenhaus, wo sie einer Geburt entgegensieht.
On Treue feft
aus
Die weitaus meisten Texte, die von den Kindern wendig gelernt und gesungen werden, sind unglaublich verlogen und verkitscht. Und zwar gibt es dreierlei Kitsch: den blutigen, den romantischen und den sentimentalen. Am be-. liebtesten ist natürlich der erste; Krieg, Bürgerkrieg, Antisemitismus. So sieht das aus:
Einst wird noch der Erdball erbeben, erzittern das Menschengeschlecht, wenn sich die Germanen erheben zum Kampf für Freiheit und Recht... Wenn wir zum Sturme gehen, mit mutgeschwellter Brust, muß alles in Scherben gehen, bei unsrer Kampfeslust... Wer will mit uns zum Kampfe ziehn, wenn Hitler kommandiert? Ja, da heißt es brav marschieren, der Hitler soll uns führen. Legt an! Gebt Feuer! Und ladet schnell, weich keiner von der Stell!... Und wenn die Handgranate kracht, das Herz im Leibe lacht.
Ich habe Lust im weiten Feld zu streiten mit dem Feind, wohl als ein tapferer Kriegsheld, der's treu und redlich
meint.
und die Hitlerjugend marschiert. Hier wird nicht gefackelt, hier gibt es Dampf, und was wir wollen ist Freiheitskampf nach blutiger Melodie.
Die Volksgemeinschaft wird auf besondere Art gepflegt: Auf dem Wedding und in Moabit , in Lichtenberg und in Neukölln, da weht ein Wind, der verteufelt zieht, da hörst du im Dunkeln e gelln, da lauert der Mord und die finstre Gier....
Wedding , Moabit , Lichtenberg , Neukölln sind Arbeiter viertel. Antisemitismus versteht sich von selbst:
Wer ist eure Hoffnung bei Tag und bei Nacht, wer schützt euch vor Judas Scharen?...
Viele Jahre zogen dahin, geknechtet das Volk und betrogen; Verräter und Juden hatten Gewinn, sie fordern
deutsche Jugenderziehung von heute
Opfer Legionen.... Deutschland erwache! Juda den Tod! Volk ans Gewehr!
Nach Berlin da wollen wir hinein, der Jude soll unsre Kräfte spüren. Am Wege wilde Rosen blühn, wenn die HJ. zieht nach Berlin ....
Diese Verbindung von Blutdurst und wilden Rosen, von Gummiknüppel und Sentimentalität macht dem deutschen Volke so leicht keines nach. Die Lieder mit Gefühl" sind überhaupt die schlimmsten. Wenn man sie liest, weht einen die ganze schamlose Verlogenheit an, die miẞtönende Sentimentalität, zu der diese Jugend nebenbei erzogen wird: Als die goldne Abendsonne sandte ihren letzten Schein, zog ein Regiment von Hitler in ein kleines Städtchen ein.... Und der Mutter in der Ferne sandten sie den letzten Gruß, daß ihr Sohn mit Stolz gefallen, durch das Herz ging ihm der Schuß....
Es zog ein Hitlermann hinaus, er ließ sein Mütterlein zu Haus. Und als die Trennungsstunde kam, er traurig von ihr Abschied nahm. Sie aber leise zu ihm spricht: ,, Hitlergardist, tu deine Pflicht!"
Sich in romantischen Träumen zu wiegen, ist das Vorrecht jeder Jugend. Interessant ist nur, welche Art ,, Romantik" sich die Hitlerjugend aussucht. Kriegs-, Landsknechts- und allen
falls noch Seeräuberromantik. Damit ist das Repertoire erschöpft.
Voran der Trommelbube, er schlägt die Trommel gut, der Knab weiß nichts von Liebe, weiß nicht wie Scheiden tut. Trum trum. Er rommelte schon manchen in Blut und in sein Grab, und dennoch liebt ein jeder den frohen Trommelknab, Trum trum.
Deutsche Jugend
von heute
Bild und Text sind der„ Fräns kischen Tageszeitung" vom 1. März entnommen. Wir fügen noch folgende Meldungen der schlesischen Presse, die gleichfalls alle aus dem März stammen, hinzu:
Der neunjährige Schüler Sparmann aus Gogischdorf, der sich beim Hantieren mit dem Revolver seines Vaters eine Kugel durch die Brust gejagt hatte, ist im Gloggauer Stadtkrankenhaus seinen Verletzungen er. legen.
Dem sechsjährigen Sohn des Landwirts Alfred Hentschel in Görlits ge. riet der geladene Revolver des bei Hentschel in Dienst stehenden Knechtes in die Hand. Ein Schuß löste sich und traf sein vierjähriges Schwesterchen in den Oberschenkel.
Am Montag gegen 16.30 erschoẞ sich in der elterlichen Wohnung in Ober- Waldenburg ein sieben Jahre
Warum man Geld verdienen muß, Arbeit ist der größte Genuß,
um sich das Leben zu leisten, das wissen von Vielen die Meisten.
Obgleich man nichts zum Leben hat, man hat zu leben, bereit zu sein, dem Tode sich zu geben, weil dieses Leben nur den Sinn hat, daß unser Führer den Gewinn hat.
Warum man immer weiter leben muß, Krieg ist der noch größere Genuß, damit sich nichts von selbst erledige, das wissen von Vielen nur Wenige.
Obgleich man nichts zum Leben hat, man hat zu leben, bereit zu sein, dem Tode sich zu geben, weil dieses Leben nur den Sinn hat, daß unser Führer den Gewinn hat.
Wie lange Du und ich marschieren müssen? Bis Dir und allen die Geduld gerissen,
der Spuk verfliegt und wieder Klarheit ist, SA. , SS, bis ihr die Wahrheit wißt: Obgleich wir nichts zum Leben haben, wir haben zu leben, bereit zu sein, dem Tode sich zu geben, weil dieses Leben nur den Sinn hat, daß unser Führer den Gewinn hat.
Ein Brauner gegen braun Der widerspenstige Sängerführer
Fanta.
Was geht im Deutschen Sängerbund vor? Der Präsident der Reichsmusikkammer erläßt es ist Richard Strauß folgende Anordnung:
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,, Der Deutsche Sängerbund e. V. Berlin W 35, Potsdamer Straße 123, hat es in Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen abgelehnt, die Mitgliedschaft bei dem zuständigen Fachverband der Reichsmusikkammer zu erwerben. Die nötigen Maßnahmen gegen den Deutschen Sängerbund sind in die Wege geleitet.
Auf Grund des§ 25 der Ersten Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1. November 1933( RGBl. I S. 797) untersage ich hiermit bis auf weiteres allen Dirigenten, Chormeistern und Personen mit ähnlichem Tätigkeitsbereich. die selbst im Deutschen Sängerbund an der Verbreitung musikalischen Kulturgutes mitwirken, die weitere Tätigkeit mit dem Deutschen Sängerbund . Eine Zuwiderhandlung gegen diese Anordnung muß als Unzuverlässigkeit im Sinne des§ 10 der Ersten Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz angesehen werden und hat den Ausschluß aus dem Fachverband und damit das Verbot der weiteren Berufsausübung zur Folge."
Ueber die Vorgänge, die zu dieser Anordnung" führten, wird in der gleichgeschalteten Presse bisher nicht berichtet. Aus informierten Kreisen verlautet jedoch, daß der Bundesführer des Deutschen Sängerbundes , Brauner, sich bisher der Gleichschaltung widersetzt hat. Er hatte die Durchführung des ,, Führersystems" im Sängerbund nicht nur bekämpft, sondern grundsätzlich abgelehnt. Auf Grund dieser neuen Anordnung des Präsidenten der Reichsmusikkammer mußte Brauner erklären, daß er auf dem außerordentlichen deutschen Sängertag am 22. April in Eisenach sein Amt niederlege. Gleichzeitig melden gleichgeschaltete Blätter, daß dieser Sängertag sich mit der ,, Neufassung der Satzungen und der Umstellung auf das Führerprinzip" befassen soll.
Brauner, der sich in männlicher Kühnheit dem Diktat der Gleichschalter zu widersetzen wagte, muß also willfährigeren Kreaturen Platz machen. Für aufrechte Männer ist im deutschen Sängerbund kein Platz mehr.
alter Knabe beim Spielen mit einer Die braune Termite
6- Millimeter- Pistole.
Und der Kaufmann erzittert vor Angst und vor Weh, dem Matrosen entsinket der Mut, wenn da steigt am schwankenden Mast empor unsre Fahne so rot wie Blut. Tiralala... hoch lebe das brausende Meer, es lebe die Seeräuberei.
Ja Stich und Hieb und ein Lieb muß ein Landsknecht haben.... Ja, dies und das Suff und Fraẞ muß ein Landsknecht haben.
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Auch viele schlecht umgedichtete Arbeiterlieder finden sich. Hier nur ein besonders bezeichnendes Beispiel: ,, Wann wir schreiten Seit an Seit'...." Das sangen rote Falken und Jungsozialisten auf ihren Wanderfahrten, in ihren Zeltlagern. Seither hat sich das Lied blutig gewandelt. Die sozialistische Jugend sang: ,, Birkengrün und Saatengrün, wie mit bittender Gebärde, daß der Mensch ihr Eigen werde, hält die alte Mutter Erde ihm die vollen Hände hin..." Die Hitler* Jugend singt:
Unsere Herzen sind aus Stahl, unser Wille ist aus Eisen, wo es gilt, den Mann zu weisen, wie die rost 'gen Klingen gleißen bei dem ersten Morgenstrahl.
Die sozialistische Jugend sang zum Schluß: ,, Mit uns zieht die neue Zeit." Die Hitler- Jugend singt:„ Mit uns zieht das ., dritte Reich"," denn daß es keine neue Zeit ist, die da zieht, spüren wohl sogar die braunen Versschmiede!
In dem schmalen Liederheft sind alle Bestandteile beisammen, aus denen die Erzieher ,, im nationalen Geiste" ihre Landsknechte brauen: Blutdurst, Roheit, billige Sentimentalität, Antisemitismus. Die kleinen Jungen werden heranwachsen und werden ihren Traum von der krachenden Handgranate, die das Herz im Leibe lachen macht, verwirklichen wollen. Heute singen sie, morgen morden sie. Ein einziges dünnes Hitler- Jugend- Buch könnte der Welt begreiflich machen, was alle Nichtangriffspakte mit Deutschland wert sind. Aber die Welt wird nicht begreifen!
C
Vor einer erlesenen Korona von Größen der National sozialistischen Partei hält jüngst ein Privatdozent der Zoologie einen Vortrag über Tierleben in den Tropen. Dabei kommt er auch auf die Termite zu sprechen, jenes rätselhafte Insekt, das gleich den Ameisen große Staaten bildet und dabei ein verborgenes, unterirdisches Dasein führt. Die Nahrung der Termiten, so erzählt der Vortragende, bildet in erster Linie Zellulose, weswegen alle hölzernen Gegenstände von ihnen befallen werden. Dabei spielt deren Größe keine Rolle. Ein hölzernes Wohngebäude fällt den Legionen der nagenden Insekten ebenso in kürzester Zeit zum Opfer wie ein hölzernes Schiffsdeck oder eine. Holzbrücke. Da nun aber die Termite absolut kein Tageslicht verträgt, so höhlt sie alle Gegenstände nur von innen aus und läßt ihre Oberfläche unberührt:
,, Ein von Termiten befallendes Haus," so erzählt der Vortragende ,,, macht von außen einen absolut soliden Eindruck. Sein Bewohner, der ein paar Tage verreist war, betritt es, ohne eine Veränderung wahrzunehmen. Er will sich auf einen Stuhl setzen, der Tisch zerfällt zu Staub. Er lehnt gegen die Wand im nächsten Augenblick klafft ein Loch nach außen. Alles, was nach außen solid und stabil aussieht, ist eine le ere, millimeterdünne Hülle, während von innen das legte Körnlein Substanz weggepugtist."
,, Merkwürdig," flüstert an dieser Stelle Dr. Hjalmar Schacht seinem Nachbarn Göbbels ins Ohr ,,, er erzählt genau, wie ich das mit unserer Währung gemacht habe..." Mucki.
Umlernen
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umfärben
Im Fränkischen Kurier" bietet ein konjunkturtüchtiger Zeitgenosse seine Dienste an:
Umfärben von Stahlhelm- Uniformen preiswert und erstklassig bei Färberei Arnold, Wäscherei Scholl. Die letten Hugenbergianer werden in die braune Mohrenwäsche gegeben! Wenn sie von Arnold und Scholl zurückkommen, haben sie das„, Heil Hitler" aus dem ff gelernt.
Parole: Umlernen und umfärben!