Pariser   Berichte

Pariser Straßenkalender

In den schönen Pariser   Parks beginnen jetzt im Frühling wieder die öffentlichen Konzerte. Am Ostermontagnachmittag war öffentliches Konzert im Garten der Tuilerien.

Die Baumblüte bei Paris   hat begonnen. Auf der Strecke nach St. Germain   bemerkt man blühende Pfirsich- und Apfel.

bäume.

Beim großen Preis der Republik in Auteuil  , den Kalley aut Jean Victor mit 24,50 für Sieg gewann, ein wenig von dem freilaufenden Bellone II behindert, gab es die große elegante Modenschau, in Anwesenheit vom Präsidenten der Republik und von Madame Lebrun. Der neue Pariser   Polizeipräsident Langeron nahm an dem Rennen teil. Am Ostermontag bei der Wiedereröffnung von Longchamps regnete es stellenweise, als Rothschilds   Reine Isaure 17 Punkte und Rodosto 79,50

brachte.

Im französischen   Radsport berührte es schmerzlich, daß dem Franzosen Roger Lapébie der sichere Sieg in der 250­Kilometer- Fahrt Paris- Roubaix   dadurch entrissen wurde, daß der stärkste Fahrer 8 Kilometer vor dem Ziel sein Rad gegen das eines Touristen tauschen mußte. So wurde der Bel­

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Esperanto- Tagung in Paris  

An den beiden Ostertagen fand in Paris   im Palais de la Mutualité der 14. Kongreß der Arbeiter- Esperantisten statt, auf dem ausschließlich Esperanto gesprochen wurde.

Musik- Schau

Das diesjährige Fest der Internationalen Gesell. schaft für Neue Musik findet vom 2. bis 7. April in Florenz   statt. Im Gegensatz zu früheren Festen sind dieses Mal in der Hauptsache Kompositionen bereits anerkannter moderner Musiker in das Programm aufgenommen worden. Besonders dürfte interessieren, daß auch einige Fragmente aus Alban Bergs   ,, Wozzeck  " aufgeführt werden. Diese Oper wird bekanntlich seit einem Jahre an keinem deutschen Theater mehr gegeben.

gier Gaston Rebry zum Sieger erklärt. Der in Paris   sehr be- BRIEFKASTEN

liebte Elsässer Speicher enttäuschte diesmal seine Freunde ein wenig. In Paris   bei der Abfahrt waren es 120 Teilnehmer, in Amiens   noch 80, in Arras   noch 50.

An der Riviera wurde die internationale elegante Welt, während der berühmte Große Preis von Monaco   gefahren und von Guy Moll in 3, 31. 31% vor dem Monagassen Chiron ge­wonnen wurde, dadurch überrascht, daß die Trambahnen und Autobusse von Nice streikten. Dieser Streik, der angesichts des großen Festes der französischen   Provinzen begann, hat seine Ursache darin, daß die Verkehrsgesellschaft die Ein­stellung einer Reihe von Hilfsschaffnern verweigerte, die schon seit Monaten Bienst tun.

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Die Stad Paris   war vor die Aufgabe gestellt, etwas Erde zur Anpflanzung eines Baums der lateinischen Rasse nach Südamerika   zu schicken. Nach einiger Ueberlegung wurde diese Erde nicht vo. der Ile de France   oder den Champs Ely­ sées  , sondern vom Platz der Bastille genommen, aus dem wahren Herzen von Frankreich  .

Tod des Legionärs Schwartz

Aus Kolmar   wird gemeldet, daß der bekannte Fremden­legionär Schwartz in Sainte- Marie- aux- Mines   gestorben ist. Schwartz hatte vor dem Kriege fünf Jahre lang in der Frem­denlegion gedient, dann besuchte er seine alten Eltern im Elsaß  , wurde aber von der kaiserlichen Polizei ergriffen und in Rastatt   ins deutsche Heer gesteckt. Der deutsche Kom­paniechef beantragte damals, daß Schwarts die Madagascar­und Tonkin- Medaille, die er in der Fremdenlegion erworben hatte, trager durfte, und Wilhelm II.   genehmigte diese Bitte, so daß Schwartz als eine Abnormität, nämlich als elsässischer Soldat mit deutscher Uniform und französischen   Auszeich­nungen herumlief.

Drei von der Unterwelt

Die Verhaftung einiger hundertprozentiger Gangsters in der Prince- Affäre wird von der Pariser Presse als Theater­coup aufgenommen. Die Galgenvögelgesichter dieser Herren, die nach einem Verhör dritten Grades, Dauer 24 Stunden, von der Sureté verhaftet worden, werden mit viel Neugier von den Parisern betrachtet.

Der seltsame Baron de Lussat, Buchmacher ,,, Drogen". spezialist, Frolics- Zutreiber, das ist in der Tat eine wunder­bare Pflanze unter dem Etoile, in dessen Nähe er seit ge­raumer Zeit sehr gentlemanmäßig in einem großen Hotel wohnte. Sein Wagen ist beschlagnahmt und wird également bestaunt. Auch ,, Ventura", der mit dem Baron" zusam­men hochging, ist eine große Marke. Er ist ein Korse und wird als Mädchen- und Kokshändler der ,, berühmteste Mann von Marseille  " genannt. In Marseille   verhaftete man mittler­weile Spirito, den grand Lidro". Man sucht also die Täter jetzt in Unterwelt-, statt in anderen sozusagen mehr welt­anschaulich interessierten Kreisen. Wollen sehen, ob die Spur die richtige ist.

Bonnaures Heimkehr nach Paris  

Die Heimkehr Bonnaures, des Stavisky- Freundes, Buda­ pest  - Reisenden und Abgeordneten des 3. Pariser   Bezirks, war in Paris   durch die Zeitungen bekannt geworden und hat erheblich die Gemüter bewegt. Bonnaure gehört nämlich zu den Leuten, an denen der ,, Mann auf der Straße" gerne sein Mütchen kühlen will. Indessen kommt es kaum dazu, ein ganz erheblicher Ordnungsdienst ist eingesetzt, und die An­kunft vollzog sich unter erheblichen Absperrungen, worauf Bonnaure zu den anderen Stavisky- Prominenten in die Santé gebracht wurde.

Hitler  

liefert ein Mark- Bild an einen Franzosen aus

Aus sicherer Quelle erfahren wir, daß die Hitler  - Regierung vor einiger Zeit ein Marx- Bild an den französischen   Abge­ordneten Longuet ausgeliefert hat. Und das ging so zu:

Der Abgeordnete Longuet, Pariser   Abgeordneter und zweiter Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses der Kam­mer, ist bekanntlich der Enkelsohn von Karl Marx  . Be­unruhigt wegen des Schicksals des Karl- Marx- Hauses   in Trier  und besonders wegen einiger Bilder der Familie von West­ falen   hatte er sich durch Vermittlung des Kammerpräsi­denten und der Botschaft an das deutsche Kanzleramt ge­wandt. Hitler   gab darauf die Auskunft, das Geburtshaus von Marx   sei unbeschädigt. Zugleich schickte die Hitler  - Regierung ein Bild von Jenny von Westfalen, der Gemahlin von Karl Marx  , an deren Enkel im französischen   Parlament.

Das Bild hängt jetzt im Pariser   Büro des Abgeordneten, in der avenue Victoria, in der Nähe des Pariser Rathauses. Es ist ein Brustbild einer schönen etwa dreißigjährigen Frau im grünen ausgeschnittenen Kleide mit Puffen, auf dem ganz schwarzen gescheitelten Haar erhebt sich ein Chignon. Diese diplomatische Marx- Intervention gegen Hitler   ist nicht ohne Reiz. Baptist.

I

Dr. Schorn. Sie schreiben in einem Zeitauffaz der Landes­zeitung" in Saarbrücken  : Je weniger inneres Gewicht ein Mensch mit sich trägt, je leichter er innerlich wiegt, um so hemmungsloser vermag er nach draußen ins Leere hinaus zu bauen. Und so find wir denn dahin gediehen, daß alle Rang- und Wertordnung verkehrt wurde; daß, was zu fliegen berufen wäre, am Boden friechen muß, und was dem Gesetz der Schwere, der Tiefe verhaftet ist, zu schweben und auf der Menschheit Höhe  " zu wandeln scheint."- Sie haben die Rangordnung des dritten Reiches" voll begriffen!

Die Saarbrüder Zeitung" widmet, vielleicht aus schlechtem Ge­mijjen, einen langen Abschnitt ihres im ganzen ein wenig refignierten Osteraufsatzes den deutschen Emigranten im Saar­gebiet, die sie mit dem Schicksal früherer Emigrationen vergleicht, freilich ohne die richtigen historischen Folgerungen zu ziehen. Der Verfasser hätte sonst anführen müssen, wie oft, beinahe mit Regel­mäßigkeit, die Emigranten als Sieger zurückkehrten. In dem Auf­say wird das sein Vaterland suchende Wort eines französischen   Emi­granten zitiert und dazu gesagt: Das ist 1852, nach dem Staats­streich Napoleons III   geschrieben, es ist das Schema dessen, was uns gerade hier im Saargebiet aus Emigrantenblättern sehr bekannt ist. So wenig unterscheidet sich die deutsche Emigration von ihren Vorläufern!"

1852! Achtzehn Jahre später führte der französische   Abenteurer mit seinem Kronprinzen Zulu just bei Saarbrücken   dem betrogenen französischen   Volke seinen lezten Sieg" vor, schickte die letzten schwindelhaften Siegesmeldungen in die Welt, erlebte vier Wochen später sein Sedan, und in Paris   triumphierte die Republik  . Wir heffen, es ohne Sedan   zu schaffen. Das geschichtliche Tempo ist viel rascher als vor achtzig Jahren. Wille und Glaube der Emigranten, ihr Vaterland von gefährlichen Abenteurern zu befreien, ist der­selbe. So wenig unterscheidet sich die deutsche Emigration von ihren Vorläufern."

H. L., London  . Ueberläufertum auch von ehemals führen­den Freunden darf man nie zu tragisch nehmen. Tropki hat in jeiner berühmten Autobiographie als Emigrant über Deserteure in Rußland   geschrieben: Einige von ihnen werden schwankend, treten zurück, beugen sich vor dem Gegner. Die einen, weil sie moralisch verbraucht sind; die inderen, weil sie selbständig keinen Ausweg aus dem Labyrinth der Verhältnisse finden können; die dritten unter dem Drud materieller Represalien. Ich habe bereits zweimal eine solche Massenfahnen­flucht erlebt: nach dem Zusammenbruch der Revolution von 1905 und zu Beginn des Weltkrieges. Ich kenne also aus der Lebens­erfahrung solche Fluten und Ebben nur zu gut. Sie unterliegen einer Gesezmäßigkeit. Durch nackte Ungeduld kann man ihren Wechsel nicht beschleunigen. Ich bin nicht gewohnt, historische Ver­spektiven unter dem Gefichtswinkel des persönlichen Schicksals zu betrachten. Die Gesezmäßigkeit der Ereignisse zu erkennen und in

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dieser Gesetzmäßigkeit seinen Platz finden, ist die erste Pflicht des Revolutionärs. Das ist auch die höchste persönliche Befriedigung, die ein Mensch finden kann, der seine Aufgaben nicht an den Tag bindet." Uns scheinen diese klassischen Gedanken und Formulierungen eines großen Revolutionärs alles zu enthalten, was zu den jetzigen und den für die Zukunft noch zu erwartenden Fällen gesagt werden kann.

Brannhemd".

Sie irren: die Erfindung des politischen" Hemdes ist weder das Verdienst Adolf Hitlers   noch seines Propa­gandaministers Göbbels  . Wie alles in der braunen Bewegung, ist auch diese Idee gestohlen. Der erste, der das Hemd als Bekleidung für politische Zwecke einführte, war Garibaldi, der vor fast 100 Die Jahren in Italien   die Brigade der Rothemden" gründete. Meldung aus Berlin  , daß Göring   beabsichtige, außer dem Braun­hemd auch noch ein Oberbraunhemd" einzuführen, ist bisher nicht bestätigt worden.

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M. M., Barcelona  . Brief mit Geldinhalt erhalten. Danke. Deutsche Lehrerin in Urlaub. Ihre Mitteilung, daß wohl die Hitleruniform, nicht aber Abzeichen fonfessioneller Vereine in den Schulen getragen werden dürfen, ist recht bemerkenswert. Die Lehrpersonen fürchten sich, wie Sie uns schreiben, vor Denunzia tionen durch ihre Schüler. Da werden ja schöne Früchtchen erzogen werden.

A. J. Ueber das sogenannte Landjahr der Schulentlassenen hat die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung" Richtlinien ausgearbeitet, in denen über den 3wed der neuen Einrichtung folgendes gesagt wird: Es werden im wesentlichen die Kinder aus den Groß­städten und industriereichen Bezirken in das Landjahr kommen, darunter namentlich solche Kinder, die nachweisbar in der Ver gangenheit einseitig marristisch beeinflußt worden sind, wie das ins­besandere in den weltlichen Schulen geschah. Hier könnte das Land­jahr eine nationale Erziehung nachholen." Wenn mann sich nur nicht täuscht!

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Colonienfis. Sie behaupten, daß Mittel aus Industriekassen in die monarchistischen Organisationen fließen. Im Vordergrund steht dabei Otto Wolff, der von den Nationalsozialisten besonders der oppositionellen Einstellung bezichtigt wird. Dies entbehrt nicht einer gewissen Pifanterie, da Otto Wolff zu Papens Zeiten für Schleicher, zu Schleichers Zeiten für die NSDAP  . eintrat und bereits die ver­schiedensten Lager subventioniert hat. Otto Wolff muß sich jetzt einen nationalsozialistischen Kommissar gefallen lassen, der sogar kürzlich nach Holland   fuhr, um sich dort Einblick in die Bücher der hollän dischen, mit dem Wolff- Konzern in Verbindung stehenden Unter­nehmungen zu verschaffen, doch mußte er unverrichteter Sache wieder abziehen."

Otto Wolff ist ein vielseitig gebildeter Herr. Er kennt wohl auch das Wort Jmmermanns: Die Ahnung ist des Herzens Licht  ". Kaufmann in Prag  . Ihrem Brief entnehmen wir:" Bei einem Stand der Prager   Messe werden die alten Hüte berühmter Männer gezeigt, darunter die Hüte von Cech, Neruda, Masaryk  , Studenten­mügen aus dem Jahre 1848, die Uniform des ermordeten öster­reichischen Thronfolgers usw."- Könnte man nicht einen ähnlichen Stand auf der Leipziger   Messer einrichten? Die Kleidungsstücke der von den Borkämpfern des dritten Reichs" gefillten Staatsmänner und Gelehrten? Von Kurt Eisner   bis Theodor Lessing  ? Mit Weihe sprüchen von Göbbels   und Hitler  . Das würde vielleicht der Leipziger Messe wieder helfen!"

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W. N., Merzig  . Sie haben richtig gehört. Die Nazis fingen die aus dem Russischen   stammende Revolutionsmelodie Brüder, zur Sonne, zur Freiheit...". Der unterschobene Text beginnt: Brüder in Zechen und Gruben, Brüder hinter dem Pflug." Die Bande stiehlt eben alles, buchstäblich nach Noten! Gewerkschaftskassen und Melo­dien! Nichts ist sicher. Auch das von einem Margisten gedichtete, aus der sozialistischen   Jugendbewegung hervorgegangene Lied Wenn wir schreiten Seit' an Seite..." haben die Nazis übernommen". zu eigenem Geistesgut langt es eben nicht.

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