Deutsche Stimmen Bellage zur Deutschen Freiheit"

Karl Leuthner  

Gefangener des Dollfuß

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Zeitungsnotiz: Der Wiener   Nationalrat Karl Leuthner   hat einen Selbstmordversuch unternommen. Er versuchte, sich die Pulsadern mit seinen Augengläsern aufzuschneiden... Ueber Karl Leuthner   lesen wir im Aufruf", Zeit­schrift für Menschenrechte:

Ein liberalistisches Vorurteil, mit dem die Diktatoren in Europa   längst aufgeräumt haben, ist die Meinung, man könnte in einem geregelten Staatswesen nur wegen Vergehen oder Verbrechen in Haft gehalten werden, die die verschie­denen Gesetzbücher fein säuberlich aufzählen. Im neuen Oesterreich sitzen hunderte von Menschen in Haft, ohne daß die Behörden oder gar die Häftlinge selbst den Grund wissen. Wenn wir nun von einem dieser Häftlinge besonders sprechen wollen, dann geschieht das nicht etwa, um ihn aus der Schar seiner Leidensgefährten herauszuheben, sondern, um an dem einen Fall das Schicksal der ganzen österreichi­schen Intelligenz darzutun.

Wir sprechen von Karl Leuthner  . Karl Leuthner  ist ein alter kranker Mann, der in der österreichischen Politik seit langem keine Rolle mehr spielte. Wenn er nun seit Wochen in einem Gefängnis gehalten wird, dann kann das nicht für irgendwelche Handlungen aus der letzten Zeit ge­schehen, sondern für Handlungen und eine Haltung, die jetzt bereits der Geschichte angehört. Leuthner war bereits vor dem Krieg ein offener Gegner der Dynastie und des so­genannten Großösterreichertums; seine Kritik, namentlich in den Delegationen, war den Machthabern ebenso unangenehm wie seine großen Reden gegen den Krieg, die er während des Völkermordens in der Geheimsitzung des alten Reichs­rates gehalten hatte. Nach dem Krieg war Leuthner im Kampf um den Mieterschutz in vorderster Reihe. Aber auch das liegt viele Jahre zurück. Man begreift, daß dieser alte kranke Mann vom Haß zweier Klassenschichten getroffen wird, die im heutigen Oesterreich eine große Rolle spielen: der Monarchismus haßt in Karl Leuthner   einen seiner gefähr lichsten Gegner und die Hausherren vergessen es ihm nicht,

Mittwoch, den 11. April 1934

daß er der Masse der österreichischen Bevölkerung den Mie terschutz erhalten hat.

Wenn also Leuthner im Gefängnis siten muß, dann für Handlungen, die zu den Zeiten, da sie begangen wurden, nicht strafbar waren und die, wie gesagt, der Geschichte an­gehören. Leuthner ist mehr als nur ein Politiker; dieser Mann, voll von Widersprüchen, ist einer der geistreichsten und elegantesten Schriftsteller, die es in Oesterreich   gibt. Er ist nie ein Mann der Parteischablone gewesen, er hat, obwohl durch und durch Sozialdemokrat, niemals die materialistische Geschichtsauffassung anerkannt, und sein Buch Der russi sche Volksimperialismus" hat mit Recht viel Widerspruch gefunden; aber alles, was dieser Mann je formulierte, schillerte

Ereignisse und Geschichten

Menschheitsklage

Es geht ein tiefes Stöhnen durch die Lande Zum Bruder hin, der mit der Seele hört. Wir stehen wieder vor dem Riesenbrande, Der schon so oft das Glück der Welt zerstört. Die Zeit ist voll von angsterfüllten Fragen Und von der Not, die Menschenhirn erzeugt. Die Finsternis liegt schwer auf unsren Tagen, Durch die wir tasten, spähend und gebeugt. So hat die Qual von vielen tausend Jahren Die Menschheit immer nur im Kreis geführt. Noch heute schreit die Wildheit der Barbaren  .

Aus jeder Tat, die unser Leiden schürt. Wir stehen dort, wo unsre Ahnen waren, Und kein Geschlecht hat Gottes Saum berührt.

in den tausend Lichtern eines blendenden Geistes. Seine Auf- Die lebendige Büchergilde

säge über Tolstoj   und zuletzt über Turgenjew   bewiesen, daß es wenige Menschen im deutschen Sprachgebiet gibt, die so­viel von der alten russischen Geistesgeschichte verstehen wie Karl Leuthner  . Seine großen Aufsätze in der Literaturbei­lage der Arbeiter- Zeitung  " werden bestehen bleiben, wenn von den heutigen Machthabern nur im kleingedruckten Teil historischer Werke die Rede sein wird. Seine Abhandlungen über Montaigne, über Moses Mendelssohn   und Wieland und viele andere Essays wollten immer wieder, von allen Seiten her, den Nachweis führen, daß auf die Dauer die Gewalt den Geist zu besiegen, nicht imstande sei. Nun wird das Ex­periment an Karl Leuthner   selbst durchgeführt.

Wenn es noch so etwas gibt unter deutschen Schriftstellern und Dichtern wie Zusammengehörigkeitsgefühl und Ehr gefühl, dann müssen sie alle aufschreien über das, was dem Schriftsteller Karl Leuthner   in Wien   angetan wird, über das, was die Gewalt von Analphabeten einem reinen, freien und kühnen Geist anzutun versucht. Man redet noch immer von einer Zusammengehörigkeit der Intellektuellen über alle Grenzen hinweg; hier bietet sich ein Beispiel, diese Zu­sammengehörigkeit zu beweisen. Wer für Karl Leuthner  eintritt, der tritt für den Geist gegen die Gewalt ein, der hilft mit Karl Leuthner   Hunderte von Unschuldigen befreien.

Waffen, die nicht düstern...

Konrad Weiß spricht am Deutschen Rundfunk

In einer seiner A propos- Glocken schreibt Salander in der Basler ,, National- Zeitung":

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Der Münchner   Reichssender brachte am Ostermontag als Ursendung" was nach meinen spärlichen Kenntnissen der neudeutschen Mundart vermutlich etwa soviel wie erst­malige Darbietung bedeutet ein Osterspiel des Dichters Konrad Weiß  , Das kaiserliche Liebesgespräch". Der Völ­kische Beobachter" hatte dazu eine vierspaltige Einführung erscheinen lassen, in der auf die elementare Sprachgewalt" der einem Meister Eckehart   am ehesten verwandten" Dich­tung nachdrücklich hingewiesen wurde: Die Bewegtheit dieser Sprache ist so innerst. daß sie unmittelbar ins Gefühl geht und im Herzen Wurzel schlägt."

Ich muß beschämt gestehen, daß mir die Bewegtheit der Sprache des Herrn Weiß zwar unmittelbar ins Gefühl ge­gangen ist, aber in meinem Herzen nicht Wurzel geschlagen hat. Vielleicht gelingt das Lettere aber bei meinen geneigten Lesern.

Das Kaiserliche Liebesgespräch" ist nicht etwa, wie viel­leicht der eine oder der andere lockeren Literaturgattungen zugewandte Leser mag gehofft haben, ein erotischer Dialog zwischen allerhöchsten Herrschaften, so eine Art Dekamerone oder Lucian aus Hofkreisen. Es handelt sich bei diesem Liebesgespräch nicht um loses Getändel, sondern offenbar um nichts Geringeres als eine religiös- geschichtsphilosophische Besinnung über die kämpferische Wesensart des deutschen Volkes und Schicksals.

Und das Kaiserpaar, das sich liebenderweise über dieses ernste Thema unterhält, ist nicht etwa Wilhelm und Hermine, sondern uns Baslern viel näher vertraut, ja sogar in steiner­ner Gestalt mitten unter uns anwesend, nämlich: der gute Kaiser Heinrich und seine Kunigunde  , deren wir am Kaiser Heinrichstage gedenken, gewissermaßen unsere Stadtheiligen. Wir könnten uns also ganz gut vorstellen, daß das Gespräch

Der Purimmord

Ritualmordhetze mit Pornographie

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Julius Streicher  , Gauleiter Frankens und Freund des Reichskanzlers Hitler  , also einer der repräsentativsten Per­sönlichkeiten des dritten Reiches", sett den Lesern des von ihm in Nürnberg   herausgegebenen Stürmer" eine Charak­teristik des Purim- Festes vor, in der erzählt wird, wie die geile Esther  " den großen Haman" beseitigte und eine ..Nacht der langen Messer" zur Niedermegelung aller Juden­gegner veranstaltete. Es heißt dann:

Der nächste Tag war ein Freudentag. Die Juden fraßen, soffen und hurten und feierten den gelungenen Massenmord. Die Juden feiern das Purimfest in der ganzen Welt. Und sie werden auch in diesem, wie in jedem Jahre wirkliche Menschenopfer suchen und finden. Denn das sei hier gesagt: Der Nichtjude, der da glaubt, die Juden würden an diesem Tage nur symbolisch handeln, ist lächerlich naiv. Es gibt Juden, die schlachten heute noch ihre Opfer genau so ab, wie dies ihre Vorfahren in der Purimnacht taten. Mancher geheimnisvolle Mord, der nicht aufgedeckt werden konnte, ist nichts anderes als ein Opfermord für das Purimfest. Im März des Jahres 1929( zur Zeit des Purimfestes) wurde in Gladbeck   der Primaner Helmut Daube, ein prächtiger blou­

des hohen Paars unten am Portal oder oben bei den Türmen unseres Münsters vor sich gehe.

Was Heinrich und Kunigunde   sich zuflüstern, betrifft wie gesagt die ewige Bereitschaft des deutschen Volkes zum Kampf, einen Gegenstand also, über den sich schon viele

Ein neuer Schweizerroman

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Horatio.

Die Büchergilde Gutenberg Zürich  , Morgartenstraße 13, bringt unter ihren Neuerscheinungen einen neuen Roman des weit über die Schweizergrenze hinaus bekannten Schriftstel­lers Charlot Strasser  : Geschmeiß um die Blend­laterne". Der Roman sett ums Jahr 1918 in einem Lite­ratencafé ein. Intellektuelle, zum Teil Fahnenflüchtige, zum Teil nicht in den Krieg einrückende, Refraktäre, aber auch zu Kulturpropagandazwecken von den verschiedenen Regie­rungen ins neutrale Ausland delegierte, sozial zusammen­hanglose Menschen ahnen nicht, wie sehr sie ihre eigene Be­deutung in Hinsicht auf das wirkliche und das Weltgeschehen aufbauschen. Sie wissen nicht, wie unwesentlich sie sind mit ihrem literarischen Treiben in der ungeheuren Sturmflut der Kriegsereignisse, die ihre Wellen auch ins neutrale Land hin­einschlägt. Sie merken zum Teil nicht, wie sehr sie die Pup­pen geheimer Gewalten sind; zum Teil aber lassen sie sich wissentlich von dieser Abenteuerlichkeit der Kriegsverhält­nisse mitwirbeln. Sie helfen verbrecherisch die Macht der herrschenden Gesellschaft unterwühlen und sind Nachbarn ihrer andern Werkzeuge, der Schieber, Schmuggler, Agents provocateurs   und Spione. Menschen reichen sich zu Ver­brechen am einzelnen und der Gemeinschaft die Hand. Sie sind Kreaturen, die sich niemals eingestehen würden, daß sie zu solchen Taten fähig waren und die angesichts der Kata­strophe zwar erschüttert dastehen, aber weiter so einsichtslos und darum gemeingefährlich bleiben, wie sie es immer ge­wesen sind. Wirtschaftliche und politische Untergründe in unserer bürgerlichen und kleinbürgerlichen Welt bilden eine Hefe, auf der das Böse wundervoll gedeiht. Strömungen und Schichtungen unseres Landes",., unserer Stadt" greifen hin­aus in das internationale Geflecht zerstörter, verfaulter Zu­sammenhänge und Beziehungen, die so noch von keinem Schweizer   dargestellt wurden.

Leute Gedanken gemacht haben, und der hier offenbar als Ein Reich ein Volk eine Sprache

Schicksalsendung und Tugend verstanden wird.

,, Wachet, Waffen, die nicht düstern, Reine Waffen schlafen nicht."

Das steht wörtlich so da. Wenn jemand gerne wissen möchte, was das bedeutet: die nicht düstern", so muß ich ihm antworten, daß ich es auch nicht weiß.

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Von der in Fülle und von Herzensdrang überquellenden, schweren, einmaligen Sprache", die der Völkische Be­obachter" dem Dichter nachrühmt, geben vielleicht die folgen­den Verse das anschaulichste Bild:

,, Ein Volk um Volk wie um ein Kleinod kämpfend, Weil es das Gleichste hat wie ohne Gleichen Und alles Gleiche unvergleichlich will Und will ein legtes Pfand, und so sein Schicksal, Kämpft es im deutschen Herzen ab sich blutig.. Du bist mein Volk, das keiner ausgelitten...

Du überholend Sinn und Tun im Sinne, Du bringst der Welt das neue Maß des Krist!"

So weit die deutsche   Zunge klingt soll alles unter der SA.- Müge des dritten Reichs" vereinigt werden. Die deutsche  Zunge klingt" jedoch so verschiedenartig, daß die einzelnen deutschen   Stämme sehr häufig ihren Klang nicht zu deuten. wissen. Ein Münchener knüpfte im Hofbräu mit einem neben ihm sigenden bebrillten jungen Mann ein Gespräch an. Da der Bayer den Gesprächspartner nicht gut verstehen konnte, fragte er ihn, was für ein Landsmann er sei: Ick bin Ber­ lina  !" Entsetzt schlug der Münchener die Hände über dem Kopf zusammen mit dem Schreckensruf: Jessas, so jung und scho a Preiß!"...

Ein Geschäftsreisender aus Hannover   erhielt von seiner Firma den Auftrag, ländliche Kunden in Mecklenburg   zu bearbeiten. Er mußte in Schwerin   einen Begleiter mieten, da er zwar perfekt französisch und englisch   sprach aber das Mecklenburger Platt nicht verstand...

Auf einer Wintersport- Veranstaltung in Mürzzuschlag   bei Wien  , die aus vielen Ländern gut beschickt war, hatte man für eine genügende Zahl Dolmetscher in allen möglichen Sprachen Vorsorge getroffen. Dennoch klingelte der Inhaber eines Geschäftes das Festbüro an und bat dringend um einen Dolmetscher mit den Worten: Es is aner do, den versteht kaner, mar was net, wos er redt." Als ein Funktionär des Festausschusses mit einem Dolmetscher, der vier Sprachen beherrschte, in das betreffende Geschäft kam, stellte es sich heraus, daß der Fremdling mit der unbekannten Sprache ein biederer Sachse war.... ein Volk eine Sprache!

,, Schwer" ist diese Sprache schon und hoffentlich auch ,, einmalig". Aber was der Dichter eigentlich sich selbst dabei gedacht hat, ist mir nicht ganz klar geworden. Nur ein auch vom ,, Völkischen Beobachter" durch Sperrdruck hervorgeho­bener Vers ist ohne weiteres verständlich: Der legte Gottesdienst kommt nach der Schlacht..." beherrschte, Das wird also auf eine größere Bestattungsfeierlichkeit hinauslaufen.

,, Von großen Dingen muß man groß reden, oder schwei­gen", sagt der Einführungsaufsatz. Herrn Konrad Weiß ist das Lettere zu empfehlen.

der Junge, durch Schächtschnitt getötet. Seine Leiche fand man vor dem Hause seiner Eltern,

Und im März des Jahres 1932( ebenfalls zur Zeit des Purimfestes) wurde die Dienstmagd Kaspar in Paderborn  durch die Juden Meyer( Vater und Sohn) ebenfalls ge­schächtet und in kleine pfundgroße Fleischstücke zer­schnitten. Beide Morde waren Purimfest- Opfermorde. Und Tausende und aber Tausende von Morden könnte man diesen anfügen.

Und wir wissen, der eine große Purimmord, nach dem das

ganze Weltjudentum lechzt, ist der Mord an dem Führer und

an seinen Kampfgenossen, Die Juden werden sich täuschen. Die große Weltenwende ist gekommen. Die Weltenwende, in der nicht mehr der Jude, sondern der Arier siegen wird. Dieser Sieg aber, das wissen wir und das ahnt Alljuda: dieser Sieg bedeutet des jüdischen Weltfeindes Untergang."

west

Alles muß den Völkern frommen Druck und Elend und Verrat; laßt sie nicht zum Worte kommen gut, so kommen sie zur Tat.

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Ein Reich

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Voraussetzung ist... Parteibuch- Intendant gesucht

Ein Inserat im braunen Blätterwald:

,, Die Stelle des Intendanten des deutschen Volkstheaters ( Stadttheater) Erfurt   soll für die Spielzeit 1934-35 neu besett werden. Bewerbungen mit Lebenslauf, Material und An­stellungsforderung nur schriftlich erbeten. Voraussetzung ist nationalsozialistisches Bekenntnis...

Oberbürgermeister Erfurt  ( Rathaus)." Fotografien, möglichst im Braunhemd und mit gesinnur tüchtig erhobener Hand, erwünscht, Talent Nebensache

Fedem Deutschen   ein Hund Die Lösung eines Rassenproblems

Auf einer Tagung der Hundezüchter in Magdeburg   erklärte der Redner, daß die deutsche   Regierung die Förderung der Rassenhundezucht als ein äußerst wichtiges Gebot ansehe. Man müsse von jedem Deutschen   verlangen, daß er sich einen Hund halte!

Es wird die Hungernden und Ausgesteuerten freuen, daß man ihnen so markig ins Gewissen redet! nat

Mit 8,50 Mark Wohlfahrtsunterstügung in der Woche und einem Rassehund an der Leine ist man ja wohl end­gültig ins Paradies des dritten Reiches" eingezogen!