Den

Fretheil

Nr. 221 2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Sonntag Montag, 23./24. Sept. Chefredakteur: M. Braun

Ein amtlicher deutscher  Greuelbericht

Seite 4

Massenelend und Börsentänze

Wachsende Teuerung und steigende Aktien

Der drohende Einmarsch Die Rüstungen für den Putsch an der Saar  

Die nachstehende amtliche Kundgebung der Regierungs: Kommission des Saargebietes verdient gerade auch außer halb des Saarlandes stärkste Beachtung.

Die Regierungskommission bringt ans dem Briefe eines führenden Nationalsozialisten den Beweis, daß der frühere Landesführer der sogenannten deutschen Front", Herr Spa niol, mit dem Einmarsch eines Heeres von 15 000 jaarlän: dischen Arbeitsdienstlern aus dem Reiche in das Saargebiet droht. Herr Spaniol fündigt an, dann mit seinen Gegnern abrechnen zu wollen. Das betrifft nicht nur die Marristen, fondern auch die Katholiken außerhalb und innerhalb der ,, deutschen Front".

Es wird vergeblich sein, diesen Ausspruch des Herrn Spa: niol zu bagatellifieren. Spaniol ist nicht nur preußischer Staatsrat, sondern auch von dem Herrn Reichskanzler per: sönlich mit der Führung der Saarpropaganda im ganzen Reich beauftragt. Er ist also neben dem Saarkommissar Bürckel der führende Mann für Saarfragen im Reich.

Der Ausspruch Spaniols zeigt, warum die saarländischen Arbeitsdienstler im Werfen von Handgranaten und anderen militärischen Uebungen ausgebildet werden.

Amiliche Kundgebung!

Schreiben der Regierungskommission des Saargebietes vom 8. 9. 1934 an den Völkerbundsrat, betreffend die Eingabe der Deutschen Front vom 5. September 1934. Herr Generalsekretär!

Ich beehre mich, Ihnen in der Anlage eine neue, an den Völker­bundsrat gerichtete Eingabe der Deutschen Front" vom 5. Septem ber 1934 zu übermitteln.

Die Regierungsfommigion hält es nach den zahlreichen Berichten, die sie bereits an den Rat gerichtet hat, für überflügig, im einzelnen cuf jede der in dieser Eingabe enthaltenen Beschwerden zurück­zukommen. Sie begnügt sich mit der Feststellung, daß die gelegent­lich der letzten Durchsuchungen beschlagnahmten Schriftstücke feiner­lei Unterbrechung in der Leitung des Freiwilligen Arbeitsdienstes unter der Geschäftsführung der National- Sozialistischen Deutschen  Arbeiterpartei( N. S. D. A. P.  ) und derjenigen der Deutschen Front" nachweisen.

Zur Illuſtrierung der Rolle, welche der Freiwillige Arbeitsdienst von Saarländern im Reich im Geiste desjenigen zu spielen bestimmt war, der diesen Dienst in Zusammenarbeit mit den zuständigen deut­ schen   Behörden gegründet hat Bericht vom 17. August 1934 beehrt sich die Regierungskommission, in Abschrift und Ueber. sehung ein beschlaguahmtes Schreiben neueren Datums zu über­reichen, das von dem Landesgeschäftsführer der Deutschen Front" an den Landesführer dieser Organisation gerichtet ist. Obwohl aus diesem Schreiben geschlopen werden kann, daß die Deutsche Front" in ihrer jetzigen Form die Absicht des Herrn Spaniol miß­billigt, der sich brüstet, entschlossen zu sein, an der Spitze seiner im F. A. D. lebenden Arbeitslosen in das Saargebiet einznmarschieren", so zwingt die Tatsache allein, daß der Gründer dieses Arbeits­dienstes, der den Titel eines preußischen Staatsrates weiter trägt, sich derart äußern fonnte, die Regierungskomminion zu höchst er Wachsamkeit. Aber die faum verschleierten Drohungen, welche der verantwortliche Landesgeschäftsführer der Deutschen Front" sich nicht schente, unterm 9. Juli 1934 auszusprechen, geben den­jenigen des Herrn Spaniol an Ernst nichts nach.

Die Regierungskomminion behält sich vor, dem Rat späterhin einen umfassenden Bericht über die Tätigkeit der Deutschen Front" zu erstatten.

Die Mitglieder der Regierungsfommission, mit Ausnahme des. Präsidenten, möchten nochmals darauf hinweisen, daß die Berichte, die im Namen der Regierungskommision an den Bölkerbundsrat gerichtet werden, in gemeinsamer Sigung beschlossen sind und in­folgedessen die Kommission in ihrer Gesamtheit verantwortlich ver­pflichten.

Genehmigen Sie usw....

aez G. G. Anor. An den Herrn Generalsekretär des Völkerbundes, Genf  .

Abschrift!

Peter Schaub  .

3. 3. Ahlbeck  , den 9. 7. 34. Bismarckstraße 5. Herrn Jakob Pirro  , Landesleiter der Deutschen   Front, Saargebiet,

Saarbrüden 6.

Berter Pg. Pirro! Bezugnehmend auf Ihre telefonische Unterredung bin ich selbst­verständlich bereit, die Ihnen als Landesführer mitgeteilte Aeuße­rung des Herrn Staatsrat Spaniol, schriftlich zu bestätigen. Mein Mitarbeiter Pg. Spindler hat grundsätzlich recht, wenn er betont, daß man von Bemerkungen, die man in privaten Kreisen erfährt, nichts verlauten lassen soll. Ich bin eben außer dem Bank­vorstand auch noch Landesgeschäftsführer der. N. S. D. A. P.   bzw. deutschen   Front. Als solcher trage ich eben auch eine besondere Ver= antwortung und fühlte ich mich einfach verpflichtet, Ihnen als Lan­desleiter, derartiges mitzuteilen. Wenn man wie ich, acht Monate als ehrenamtlich tätigen Landesgeschäftsführer der N. S. D. A. P.  mit Herrn Spaniol und seinen Mitarbeitern sujammen war, darf man sich auch ein Urteil erlauben. Ich fühle mich einfach ver­pflichtet, zu verhindern, daß solchen jungen Menschen, denen jegliche Lebenserfahrung fehlt, vielleicht erneut eine solche Machtfülle über­tragen wird. Man braucht sich doch nur die gewesenen Männer um Herrn Spaniol genauer anzusehen, um zu begreifen, daß es als

Berlin  , 22. Sept. Die Hamsterkäufe, die sich seit Monaten auf Textilien erstrecken, haben seit einigen Wochen auch auf haltbare Lebensmittel übergegriffen. Aus vielen Städten Linsen in zahlreichen Geschäften überhaupt nicht mehr zu des Reichs wird uns zuverlässig gemeldet, daß Erbsen und haben sind, weil sie in Mengen von zehn Pfund und mehr aufgekauft worden sind. Die ärmeren Leute haben das Nach­sehen. Man sagt ihnen in den Geschäften zum Trost, daß vaid neue ware hereinkommen werde; nur sei diese etwa doppelt so teuer wie die frühere.

Die wachsende Sorge in der Bevölkerung sucht man durch statistische Schönfärberei zu zerstreuen, aber es wirkt nicht sehr beruhigend, wenn man nun liest, daß die Brotge. treideernte" nur" um 16,8 Prozent, diejenige von Gerste und Hafer" nur" um 19 Prozent hinter der vor­jährigen zurückbleibe. Im Handelsteil versteckt findet man, daß die Ernte von Wiesenheu um 47 Prozent niedriger liegt als im Vorjahre und die Viehhaltung immer schivieriger wird. Allein bei Kühen ist die Abschlachtungs­ziffer 30 Prozent höher als im Jahre 1933.

Die Schätzung der Kartoffelernte sollte bisher nach Möglichkeit nicht veröffentlicht werden. Jetzt beginnt man der kritischen Stimmung in den Großstädten Rechnung zu tragen und gibt zu, daß die Schäßung mit etwa 1,87 Millio­nen Tonnen gegenüber 3,10 Millionen Tonnen im Vorjahre angesetzt werden muß, daß also ein Defizit dieses wichtigsten deutschen   Nahrungsmittels von 40 Prozent entstanden ist. Noch zerstörender als diese wahrscheinlich viel zu optimisti­schen Schätzungen der Ernte wirkt aber die Preisgestaltung auf die Jufionen,

Die Bevölkerung spürt nämlich, daß der Berliner   Preis für gelbe Kartoffeln Anfang September auf 7 RM. gegen 2,86 RM. pro 100 Kilo im Vorjahre gestiegen ist, und daß beispielsweise der Erbfenpreis in der gleichen Zeit eine Erhöhung von 30,50 RM. auf 60 RM. erfahren hat. Noch auffallender ist die Preissteigerung für Speck( 190 gegen 144 RM.) und für Fleisch, wenn man bedenkt, daß die Abschlachtungen angesichts der Futtermittelnot steigen. Hier liegt der Grund in den ständigen Ankäufen einer be­sonderen Reichsstelle, die erhebliche Fleisch- und Spec­mengen zu konserven usw. verarbeiten läßt. Wäh­rend man sonst immer wieder betont, daß Preissteigerungen vermieden werden müssen, verzichtet man hier auf eine be= sonders günstige Gelegenheit der Preisverbilligung. Nach der Ursache braucht man nicht lange zu suchen, wenn man be­denkt, daß auch diese Anlage von riesigen Konservenlägern in das Gebiet der planwirtschaftlichen Kriegsvorbereitung fällt.

Nach dem Muster der Kriegswirtschaft werden immer neue und kostspieligere Organisationen aufgebaut. Allein die neue Metall- Bewirtschaftungsstelle arbeitet schon jetzt mit einem Personal von mehr als 170 Fachleuten. Bedenkt man, daß es im ganzen 25 solche Bewirtschaftungsstellen gibt, und daß man sich erst im Beginn des Aufbaues befindet, so kann man sich einen Begriff davon machen, in welcher Weise die Bürokratisierung der Wirtschaft fortschreitet.

ein Glück zu bezeichnen ist, daß unser Führer durch seinen Stell­vertreter, Reichsminister Pg. He ß, bzw. alten Kämpfer, Pg. Bürf­tel, für Aenderung in der Saargebietsführung Sorge trug. Grund­sätzlich sei bemerkt, daß mir nichts ferner liegt, als die Person des Herrn Spaniol herabzuwürdigen. Man fann ihn alleine für das Geschehene nicht verantwortlich machen. Es wäre für ihn besser ge= wesen, wenn er als immerhin junger Pg. in seinem jugendlichen Alter nicht so schnell zum Landesführer und Staatsrat aufgerückt wäre. Wenn Pg. Spaniol, wie wir, vier Jahre im Felde an der Front gestanden, dann hätte sein Mitarbeiterstab nicht größtenteils aus jungen Menschen bestanden, denen jegliche Lebenserfahrung und Fingerspißengefühl fehlte. Die Neugründung der Zeitung Saar- Post"( Saarpest) wäre nach meiner persönlichen Ansicht, auch zu vermeiden gewesen. Anstatt die Leute zur schein baren Mitarbeit heranzuziehen damit sie tein Unheil anrichten hat man sie brutal zurüdge= ito Ben. Wenn ich mir so manches Geschehene vor Augen führe, so darf man nur sagen, daß es noch gut abgegangen ist. Die Neu­gründung der deutschen   Front am 1. 3. 34 war von der politischen Warte gesehen, für das Saargebiet ein Glück. Ist die Saarheimat

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Die Rohstoffnot führt zu gewaltigen und kostspieligen wirtschaftlichen Experimenten. Man erzählt in Fach­kreisen, daß die Reichsregierung eine Subvention von 100 Millionen Reichsmark für die Herstellung von Ersatz­Baumwolle nach neuen Verfahren bereitgestellt hat.

Das Zentrum der neuen Industerie soll die Stadt Frank­ furt am Main   werden. Vereinzelt werden schon Posten von Kleidern zum Verkauf gebracht, die aus neuen synthetischen Materialien hergestellt worden sind. Die Stoffe sollen ganz gut aussehen, sich aber sehr rasch abnußen.

Einer der Hauptproduzenten fünstlicher Textilien ist die J.G.- Farben- Industrie.

Nach ihrem neuen Verfahren wird gewöhnlich Buchen: holz zu Fasern verarbeitet, die dann mit geringen Quans titäten reiner Wolle vermischt den Ersatzstoff Wollstra", mit Seide vermischt den Ersatzstoff Silafftra" ergeben. So wird Buchenholz zu Kleidern, Wäsche, Strümpfen, Kra­vatten usw. verarbeitet. Noch phantastischer klingt ein neues Verfahren der Bemberg- A.- G., die aus Kupfer eine Faser herstellt, die unter dem klangvollen Namen Coprama­Rammgarn" zu Kleiderstoffen verarbeitet wird.

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Schließlich gibt es noch die sogenannte Kunst wolle", die aber nicht durch ein chemisches Verfahren, sondern aus der Wiederverarbeitung von Lumpen und Abfällen gewonnen wird. Wie berichtet, wurde gerade erst dieser Tage in einem offiziellen Erlaß das Sammeln von Lumpen und Abfällen der Bevölkerung energisch anbefohlen, wobei merkwürdigerweise ausgerechnet die Luftschutzhauswarte" mit dem ensammeln der Lumpen beauftragt worden sind.

An den Börsen ist ein Taumel für Aftien solcher Indus striewerke, denen für die Ersatz- Produktion die vielen Mil­lionen Subventionen aus Reichsmitteln zufließen sollen. Seit dem 1. Oktober 1933 find gestiegen: Bemberg von 82 auf 145, Glanzftoff von 40 auf 157,50, Aschaffenburger  Zellstoff von 19,15 auf 64,25, Gladbacher Wolle von 151 auf 188, Feldmühle von 54,25 auf 128,75.

So sieht der Kampf des Nationalsozialismus gegen die an­geblich von ihm so gehaßte Börse aus.

Es entwickelt sich eine echt kapitalistische Kriegswirtschaft. Zahllose Existenzen werden zugrunde gerichtet. Die Massen werden auf Hungerrationen gesezt und erhalten schlechte Kleider zu Wucherpreisen. Großverdiener aber werden dies jenigen, die rechtzeitig die Konjunktur wittern, selbst über entsprechende Mittel zur Spekulation verfügen oder aus Reichsmitteln subventioniert werden.

Hitler   bringt Lumpen für die ehrlich arbeitenden Massen und Riesengewinne für die Spekulation, und zuletzt Bankrott für alle. Das ist sein drittes Reich".

treuer Kämpfer vor dem 30. 6. 34 den Mut gefunden hätte, dem Führer oder denen Stellvertreter, das verbrecherische Vorhaben eines Röhm und Genossen, zu melden. Vielleicht deswegen nicht ge= meldet, weil er es im Vertrauen oder unter dem Titel eines Ehren­wortes erfahren hat. In dieser Sache gibt es für mich fein vertrau lich oder ein Ehrenwort, hier gilt nur Pflicht, Treue und unbe­dingter Gehorsam.

..Nichts für die Person, alles nur für unser Deutschland  ."

" Heil Hitler  "

gez. P. Sch aus, Landesgeschäftsführer. Die Uebereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift wird be­glaubigt. Saarbrücken  , den 24. August 1934.

Der Polizeipräsident: gez. Mather n.

erft über die Klippe des 13. 1. 33, dann können wir unser Schifal Die internationale Polizei

ruhig in die Hand des Mannes legen, der erst am 30. 6. 34 mit seinen wahren und echten Mitkämpfern erneut bewiesen hat, wer er ist Innerhalb 48 Stunden wird der Führer manchen Sput aus getrieben haben. Unser Pg. Dr. Reise I hat in feinen Ausfüh rungen richtig betont, daß die Sache über die Person zu stellen ist. Auf Grund der besonderen Verhältnisse des Saargebietes. sind eben besondere Maßnahmen erforderlich, die eben nur von Personen ver­anlaßt werden können, die erstens afte nationalsozialistische Kämpfer und zweitens lebenserfahrene Männer sind. Wenn also ein Mann in der Stellung des Herrn Spaniol im Kreise lebens­erfahrener, alter Frontsoldaten allen Ernstes erzählt, daß, wenn das Saargebiet durch die heutige Führung verloren ginge, würde er an der Spize seiner-? im F. A. D. lebenden 17 000 Arbeits­losen, in das Saargebiet einmarschieren, um dasselbe in einen Trümmerhaufen zu verwandeln, dann erübrigt sich ein Kommentar hierzu. Nimmt man noch den Ausspruch hinzu: Dann wird aus einem Spaniol ein Nero", dürfte der Sprecher be­wiesen haben, daß er noch lange nicht reif ist, die Geschicke eines ganzen Landesteils zu leiten. Lediglich das Gefühl des Soldaten der braunen Armee, daß das Allgemeinwohl unbedingt über die Person zu stellen ist, bzw. mein Verantwortungsgefühl als Landes­geschäftsführer haben mich bewogen, Ihnen Vorstehendes mitzu­teilen. Wo wäre der Führer geblieben, wenn nicht wenigftens ein

Aus Südtirol  ?

Paris  , 22. Sept. Wie von zuverlässiger Stelle mitgeteilt wird, sollen 2000 deutsch sprechende italienische Polizisten die Sonderpolizei im Saargebiet stellen. Man ist, wie weiter verlautet, darüber einig geworden, daß diese Polizisten, die besonders in der Gegend von Triest   und Südtirol   angeworben werden sollen, sich für die an sie gestellten Anforderungen am besten eignen, weil sie erstens deutsch   sprechen und zweitens neutral seien. Dadurch seien die vom Saarkommissar Knox gestellten Wünsche in jeder Hinsicht erfüllt. Mussolini   soll nicht nur seine aus­drückliche Zustimmung zu diesem Plan gegeben haben, sondern der dahingehende Vorschlag sei vom Duce selbst ausgegangen. Fast alle übrigen in Frage kommenden Mächte hatten sich geweigert, die Sonderpolizei für das Saar­gebiet zu stellen,