JANUAR

FürDEUTSCHLAND gegen HITLER  

Zur Vertagung der Saarirage in Genf  

Paris  , 19. November.

( Von unserem Korrespondenten)

Die hiesigen Blätter verzeichnen ohne besondere Aufregung die Tatsache, daß die Saarfrage erst am Ende der Woche in Genf   zur Verhandlung kommen soll, weil die Dreier-, Eommission in Rom   ihre Arbeiten nicht rechtzeitig abschließen fonnte. Viel größer ist hier die Sorge, daß es vor dem Völ­ferbund zu Auseinandersetzungen über die von Jugoslawien  

der schon nicht mehr zur Zahl der Lebenden gehöre, dann müsse man erwidern, daß im Jahre 1914 der Fall eingetreten sei, den man in den Schiedsgerichtsverträgen vorgesehen habe, über die Wilhelm II.   im Jahre 1898 geschrieben habe: Was die Haager Protokolle anbetrifft, so p.... ich darauf!" So und vielleicht weniger grob mag Hitler   seine Verträge auslegen.

angekündigte Eingabe wegen des Marseiller   Attentats fom Delegationen nach Geni

men könnte. Lucien Bourgues äußert sich dazu im Petit­Parisien":

,, Wenn die Saarfrage und die Terroristenverschwörung gleichzeitig in Genf   behandelt würden, so könnte sich daraus nur eine beflagenswerte Verwirrung ergeben. Jede diefer Fragen ist bedeutungsvoll und ernst genug, um von den dazu berufenen Geistern getrennt behandelt zu werden."

Je jedem Falle, meint Gabriel Peri   in der kommunistischen Sumanite", müsse sich der Völkerbundsrat mit den Be­schwerden wegen der Fälschung der Abstimmungslisten im Saargebiet befassen. Die schlimmste Politif, so heißt es in der Humanite", würde darin bestehen, die chauvinistischen Leidenschaften in Frankreich   übermäßig zu erregen, einen neuen Ruhrfrieg zu organisieren und sich um den Wahl­schwindel der Braunhemden nicht zu fümmern.

11m Hitlers   Unglaubwürdigkeit zu unterstreichen be= schwört Jacques Bainville   in der Action Francaise", so möchte man sagen, den Schatten Wilhelms II. herauf. Er erklärt: Wenn man sich frage, wozu es diene, an die Schändlichkeit eines Mannes zu erinnern,

Die Internationale   Untersuchungskommission über den nationalsozialistischen Terror an der Saar wird in der be vorstehenden Völkerbundstagung zwei Delegationen nach Genf   entienden.

Die erste Delegation, der Lord Listowel und der ehemalige ungarische Ministerpräsident Graf Karolyi   angehören, wird dem Völkerbundsrat eine neue Denkschrift der Unter­suchungskommission überreichen, der ein umfangreiches und aufsehenerregendes Material über die Frage der Wahllisten beigefügt ist.

Die zweite Delegation setzt sich aus Mitgliedern derjeni­gen Gemeinden des Saargebietes zusammen, die am schwer­ſten unter dem Terror der deutschen Front" zu leiden haben und in denen die zahlreichsten Listenfälschungen vor­gekommen sind. Diese Delegation soll den lebendigen Be­

Der Fall Regler

Ein Protest

Vor kurzem wurde bekanntlich 28 deutschen   Staatsange­hörigen durch Erlaß der Reichsregierung die deutschen   Bür­gerrechte aberkannt.

Unter ihnen befand sich auch der saarländische Schrift­steller Gustav Regler  , dem zum Vorwurf gemacht wird, daß er einen Aufruf zugunsten des Status quo unterschrie­ben hat.

Wie die Internationale Saar- Untersuchungsfommission ( Marley- Kommission) erfährt, hat Gustav Regler   eine ener gische Beschwerde an den Präsidenten der Regierungskom mission, Knox, gerichtet von dem auch die Beschwerde an die Abstimmungsfommission weitergeleitet wurde.

Die Maßnahme der Reichsregierung gegen den Schrift­steller Gustav Regler   stellt zweifellos eine Einmischung in den Abstimmungsfampf und einen Einschüchterungsversuch dar, der allen Anhängern des Status quo ein Beispiel geben soll, was ihnen bevorsteht, wenn die deutsche Regierung die Macht an der Saar   erreichen sollte.

Es ist damit zu rechnen, daß dieser Fall noch Folgen haben wird, und es wird von größtem Interesse jein, zu erfahren, ob und welche Schritte der Völkerbundsrat gegen diefen offensichtlichen Beeinflussungsversuch der Reichsregie­rung unternehmen wird.

weis für die schweren Anklagen darstellen, die der Marlen Höchste Unsicherheit

Untersuchungsausschuß in seinen beiden ersten Denkschriften an den Völkerbundsrat gegen den von der deutschen   Front" ausgeübten Terror erhoben hat.

Sozialrenten auch im Status quo gesichert

Man versuche, gerade die Sozialrentner für den Status quo zu gewinnen und behaupte dabei, die Heidel berger Abrede über die Sozialversicherungsbeiträge müsse vom Reich auch beim Status quo eingehalten werden. Dazu sei zu bemerken, daß niemand das Reich zur Zahlung zwingen fann, denn die Abmachung von Heidelberg   sei vom Reich vollkommen freiwillig getroffen worden. Auch der Völkerbund könne Deutschland   nicht zwingen, und Frankreich   werde keinen Krieg anfangen, um den Sozial­rentnern an der Saar   zu Renten zu verhelfen."

Diese Worte sprach vor einiger Zeit auf einer Revier­conferenz des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter der Höchling Agent Peter Riefer. Sie sind typisch für die Art und Weise, wie die braunen Zuchthaus- ,, Sozialisten" die Sozialrentner betrügen und sie für das Hitler- Paradies zu gewinnen versuchen, indem sie ihnen vortäuschen, Status quo bebente Verlust der Rentenzahlungen. Es ist wirklich schon geradezu langweilig, dieser Rüge zu widersprechen, aber da es noch genügend Dumme gibt, die den Greuelmärchen der Röchling  , Bürdel, Kiefer usw. glauben, so wollen wir noch einmal auf die Sicherung der Interessen der Sozialrentner unter Status quo eingehen.

Wir wollen doch die Sache ganz ehrlich betrachten: es ist befannt, daß Hitlerdeutschland immerfort den Versailler Ver­trag als ein Diftat" bezeichnet, das man zu erfüllen nicht bereit sei, eben weil es sich um ein Diktat" handle, also um eine erzwungene und feineswegs eine freimil lige Unterschrift. Sier, bei der se delberger Abrede, handelt es sich nun nicht um ein Diktat, sondern um eine freiwillige Abmachung, wie dies Herr Kiefer ja ausdrücklich bestätigt. Wenn nun im ersten Falle das Argument geltend gemacht wird, daß man erzwungene Abmachungen, also ein Diftat" feinesfalls zu halten gesonnen sei, eben weil man sie nicht freiwillig getroffen habe, und wenn man jetzt in diesem Falle andererseits erklärt, daß man diese freiwilligen" Ab­machungen nicht zu halten bereit sei, eben weil sie, frei­willige" sind, so afft hier ein unlösbarer Widerspruch.

Der faarländische Bergmann möge fich diese Worte be sonders sorgfältig merken, denn, wenn Herr Kiefer jagt, daß niemand Dentichland zwingen fönne, diese freiwilligen Abmachungen zu halten, welchen Wert haben dann über: haupt irgendwelche Abmachungen?

Die einen lehnt man ab, weil sie erzwungen" sind, die anderen braucht man nicht zu erfüllen, weil sie..freiwillige" find. Was ist denn da noch von all den sonstigen Ver­sprechungen, die Herr Kiefer im Namen des dritten Reiches" so freigebia für den Fall der Rücaliederung gemacht hat, zu halten?! Was ist zu halten insbesondere von den feierlichen Verpflichtungen, im Falle der Rückgliederung für die jaar­ländische Bergarbeiterschaft Brot und Arbeit zu sichern und desaleichen für die übrige arbeitende Bevölkerung? Was ist zu halten von der Erklärung, daß die Saargruben unter allen Umständen im Staatshefit bleiben sollen, daß man nicht nur den vorhandenen Betrieb nicht einschränken son­dern im Gegenteil fogar, wie Herr Reichsminister Dr. Goebbels   in Zweibrücken   erklärte, noch weitere neue Schächte

Ein Brief

,, Nichts Gescheites anzuziehen"

Wir veröffentlichen nachstehend den Wortlaut eines Brie­fes, der von einem in Deutschland   lebenden abstimmungs= berechtigten Saarländer   stammt: Gestern, liebe Kameraden, den 5. November 1934, hatte der hiesige Saarverein seine letzte Kundgebung mit Umzug vor der Saarabstimmung ab­gehalten. Die Kundgebung war eine große Pleite. Zu aller Erstaunen waren von über 300 abstimmungsberechtigten Saarländern faum 10 Personen erschienen. Trotzdem ihnen doch alles so bequem gemacht ist als möglich. So gehen gegen­wärtig die Obmänner des Saarvereins mit Liſten durch und fragen die Abstimmungsberechtigten was sie alles brauchen. um zur Abstimmung zu fahren.( Das deshalb, da zahlreiche Personen erklärt haben, sie hätten nichts Gescheites zum An­ziehen, um zur Saarabstimmung zu fahren. Bei den meisten, wo die Obmänner des Saarvereins vorstellig wurden, bean­

abteufen will? Was ist weiter zu halten von all den schönen Versprechungen und angeblichen Abmachungen über die Ver­pilichtung zur Abnahme saarländischer Kohlen oder saarlän­discher Hüttenerzeugnisse und Fertigfabrikate? Was ist end­lich zu halten von den wunderschönen angeblich vorgesehenen Verpflichtungen bezüglich der Ferngasversorgung? All das find ja auch nur freiwillige Verpflichtungen", und Herr Kiefer erflärt ja ausdrücklich, daß niemand das Reich zwingen fönne, solche freiwillig übernommene Auflagen zu erfüllen.

Wenn der Saarbergmann, wie überhaupt der jaarländische Arbeiter, und nicht nur er, sondern weiterhin auch jeder andere Saarländer   sich diese Dinge ernst durch den Kopf gehen läßt, dann wird er sich doch noch sehr überlegen müssen, ob und wie weit er all diesen wunderschönen Bers sicherungen für den Fall seiner Stimmabgabe für die Rück: gliederung Gewicht beilegen fann.

Wenn weiterhin Herr Kiefer betont, daß auch der Völkerbund Deutschland   nicht zwingen fönne, und, wenn er fernerhin sagt, daß Frankreich   sicherlich feinen Krieg anfangen werde, um den jaarländischen Rentnern zu helfen, so ist das ein 3ynismus, der wirklich nicht mehr überboten werden kann. Zunächst einmal sei ganz nüchtern festgestellt, daß es immer noch Mittel genug gibt, um die Er: füllung übernommener Berpflichtungen für den Fall, daß die Abstimmung für den Status quo ausfällt, zu sichern. Es braucht dabei ja nur darauf hingewiefen zu werden, daß ein gewiffes Gegenfeitigkeitsverhältnis zwischen Deutschland   und den Nachbarstaaten für alle Sozialrentner besteht, und daß anderenfalls die deutschen   Sozialrentner ebenfalls darunter leiden müßten, und Deutschland   für sie dann weit mehr auf­wenden müßte, als die Erfüllung der Heidelberger   Abrede ousmacht. Gewiß, Frankreich   wird dafür keinen Krieg anfangen. Das französische   Volk hat wirklich kein Verlangen nach neuen Rämpfen, und wenn jemand mit Krieg droht, so ist es ja höchstens die andere Seite; hat doch Herr Pirro neulich noch in einer Versammlung ganz offen erflärt, wenn der Status quo durchfäme. gäbe es Krieg und die Saarländer  , in deren Adern urdeutsches Blut brauit, könnten dabei nicht neutral bleiben". Indessen wollen wir

uns durch solche Drohungen ebenso wenig schreden laffen, wie wir uns durch die Versicherung des Herrn Kiefer, daß Frank­ reich   feinen Krieg anfangen wird, um den Saarländern, die von Deutschland   gemäß freiwilliger Abmachungen zu zahlen­ven Renten zu sichern, beeinflussen lassen wollen. Es gibt Mittel, die Einhaltung der deutschen   Versprechungen zu er­zwingen.

Stellen wir ruhig und gelassen feit, daß nach wie vor im Falle des Status quo, da in den maßgebenden Verhältnissen feine Aenderung eintritt, die Seidelberger Abrede meiterailt, und daß jeder ehrenhafte und unvoreingenommene Betrachter der Dinge feststellen muß. daß Deutschland   die von ihm nicht durch ein Tiftat erzwungene, sondern freiwillia ge= gebene Unterschrift nicht verleugnen kann, falls es über­haupt darauf Wert legt, daß von ihm getroffene Abmachunäen und Versprechungen irgendwie noch Glauben finden sollen. J. K.

tragten dieselben volle Einkleidung, um fahren zu können.) Da ich meine Eaarheimat liebe und nicht wünsche, daß es der Saarbevölkerung genau so ergehen soll wie uns, denn Deutschland   ist jetzt ein einziges Zuchthaus, darum werde ich und viele meiner Landsleute für den Status quo stimmen."

,, Die Saar   und der Frieden"

Das Initiativkomitee für den Kampf um den Frieden veranstaltet große geschlossene Kundgebungen mit dem Thema: Die Saar   und der Frieden". Redner: Schriftsteller Dr. Völklein, Dr. Ing. Eberbach und eine Reihe weiterer Persönlichkeiten. Die Versammlungen sinden statt: In Neunkirchen  , Montag, den 19. Novem= ber, 20 Uhr. In Saarbrüden, Donnerstag, den 22. November, 19 Uhr. In beiden Städten im Saalban. Alle Friedensfreunde und Eriegsgegnerische Organisationen find zur Mitwirkung eingeladen,

Will die ,, deutsche Front" französische Truppen? Die Presse der deutschen Front" schreibt zwar heftig gegen das Recht des Präsidenten Knox, im Falle ernster Unruhen französische   Truppen zu Polizeidiensten ins Saargebiet zu rufen, aber sie gibt sich zur gleichen Zeit die erdenklichste Mühe, nachzuweisen, daß die schauerlichsten Vorbereitungen für den Bürgerfrieg getroffen werden.

Wir reden gar nicht davon, daß nach den Berichten und Bildern der gleichgeschalteten Presse Häuser von den Kom­munisten mit dem Aufruf versehen werden: Auf zum Straßenfam pf!" Viel schlimmer geht es in den Ge­heimsizungen der Generalstäbe der Einheitsfront zu. Vor einigen Tagen erst hat man erfahren, daß Mar Braun und Frizz Psordt die Ueberfallwagen der Polizei mit Petroleum begießen und dann mit Zigarettenstummeln in Brand steden wollen. Die ahnungslosen Mannschaften, die diesent verbrecherischen Treiben harmlos zusehen würden, müßten natürlich elendiglich verbrennen, und man fönnte dann ihren Angehörigen nicht einmal die Asche zusenden, wie es das dritte Reich" pietätvoll per Postpaket mit der Asche der Katholikenführer nach dem 30. Juni getan hat.

Ein neuer, glücklicherweise in die Hände der deutschen Front" gefallener Schlachtplan der Einheitsfront ist noch viel graufiger. Obwohl die Einheitsfront, wie man hinreichend weiß, mit den modernsten Kriegswaffen einschließlich Panzer­freuzern und U- Booten auf der Saar   ausgerüstet ist, tehrt sie aus lauter Sadismus zu den Kampfmethoden des finstersten Mittelalters zurück und schult ihre Mitglieder, zumal die Frauen, darin, siedendes Wasser, Del und Bech auf die Deutschfrontler herabzugießen. Als Signal für den Auf­stand sollen rote Fahnen auf die Schornsteine der Fabriken gesetzt werden. Damit sie nimeand herunterholen fann, wet­den die Schornsteine Heimtüdisch mit Sandgranaten und Höllenmaschinen versehen. Und das alles unter den Augen der Polizei, die unter dem Terror der Emigranten sämtliche Augen zudrüden muß.

So liest man es in der gleichgeschalteten Presse, und ausdrücklich wird Herr Knox auf diese mittelalterlichen Kriegsrufe" aufmerksam gemacht.

Das alles fann doch nur eins bedeuten: Die deutsche Front" will Herrn Knor flar machen, daß es höchste Zeit ist für den Einmarsch französischer Polizeitruppen.

Saar  - Sondernummer Von ,, Unsere Zeit"

Das Novemberheft von Unsere 3eit" ist soeben unter dem Titel Der Saarfampf vor der Entscheidung" erschienen. Das Heft enthält eine Reihe von interessanten Artikeln in denen alle Seiten des Saarproblems erschöpfend und in­teressant behandelt werden.

Butschpläne der deutschen Front"? Resultate der Einheitsfront

Die Katholiken und der Status quo Wird der Saarfampf zum Kriege führen? und andere Themen werden in Beiträgen von Friz Pfordt, May Braun, Bertold Brecht  , W. Bertram, Ernst Bayer  , Bruno von Salomon  , Kurt Sauerland, Kurt Stern   u. a. untersucht. Des weiteren enthält diese besonders wichtige Nummer neben einem Artikel des berühmten englischen Schriftstellers John Strachey   eine gründlich fundierte An­flage gegen den weißen Terror in Spanien   in dem Beitrag Helden und Henker in Asturien  ", von Bruno Frei

Zeitungsverbote

Das Pariser Tageblatt  " brachte jüngst eine Mel­dung über Mordpläne gegen den Präsidenten nor und den englischen Polizeichef Hemsley. Eine ähnliche Meldung brachte auch die Wiener Reichs post". Jetzt hat die Re­gierungsfommission das Pariser Tageblatt  " auf die Tauer von zwei Wochen und die Reichspost" bis auf weiteres im Saargebiet verboten. Das Verbot stützt sich auf§ 6 Abi. 1 der Verordnung vom 18. Juni 1923 über Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit im Saargebiet.