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Aftrologischer Aberglaube Heute morgen um elf.

Von Erich Krug.

Unserm so vielgerühmten aufgetlärten Jahr- enthaltenden Auffay wird der Versuch gemacht, hundert blieb es vorbehalten, ein neues Auf- die Abhängigkeit der großen Konjunkturwellen blühen des uralten Aberglaubens der Stern- und anderer Erscheinungen von Planetenton­deuterei zu erleben. Immer wieder werden die stellationen statistisch zu beweisen. So erfährt durch keine exakten wissenschaftlichen Forschun- man z. B., unterstützt durch entsprechende Dia­gen bewiesenen Behauptungen, zwischen be- gramme, daß die langen Wellen der Konjunktur stimmten Gestirnstellungen und Menschenschicksal und die Großkrisen von den Quadraturen des bestünden Zusammenhänge, den Gläubigen ins Uranus   mit Neptun   abhängen, die deutschen  Gedächtnis gehämmert, und von zufällig zu- Konjunkturzyklen von den Quadraturen des treffenden Prophezeiungen, die oftmals bei der Saturn mit Neptun  . Man überlege: Saturn ist deutlich sichtbaren Entwicklung der politischen rund 1300 Millionen Kilometer von der Erde  Lage gar nicht schwer sind, wird ein großes entfernt und Neptun   etwa 4300 Millionen Kilo­Theater gemacht, während die vielen nicht ein- meter. Diese fernen Planeten sollen die Kon treffenden Voraussagen schnell übergangen wer- junktur eines Landes beeinflussen, dessen Gren­den. Die wertvollste Verbündete des Aber- zen doch nur von Menschen gezogen wurden glaubens ist die Vergeßlichkeit der Menschen. und das in Wirklichkeit weiter nichts ist als Aftrologische Organisationen sorgen heutzutage ein winziges Fledchen des Planeten Erde. Es für eine umfangreiche Reflame ihrer Kunst, muß noch bemerkt werden, daß zum engeren während außerdem verschiedene große Tages Vorstande der Deutschen   weltwirtschaftlichen zeitungen höchst überflüssigerweise Berichte von Gesellschaft sehr prominente Leute gehören, wie Aftrologenfongreffen in einer Ausführlichkeit z. B. bedeutende Wirtschaftsführer, Ministerial­bringen, die einer besseren Sache würdig wäre. direktoren, Staatsminister usw., die die astro­Es ist dringend notwendig, daß endlich einmal logische Veröffentlichung in ihrer Zeitschrift berufene Männer der Wissenschaft mit dem fritiklos hinnahmen. Da ist es denn kein Wun­Gewicht ihres Namens und ihres Amtes vom der, daß die Astrologie auch schon in der Politik Standpunkte moderner Forschung aus in Form verschiedentlich eine Rolle gespielt hat. Der fol­bolkstümlicher Veröffentlichungen dazu Stellung gende Fall ist einer von vielen: nehmen, wie es vor einigen Jahren auch gegen­über der umstrittenen Welteislehre geschehen ist.

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Der durch seine populärwissenschaftlichen Bücher und Auffäße verdiente Robert Henseling  hat in der von ihm herausgegebenen, ausge zeichneten Zeitschrift Die Sterne" eine fleine Auslese von Tatsachen veröffentlicht, die der Gegenwart entstammen und mit der Astrologie zusammenhängen. Diese Ereignisse wirken in ihrer sachlichen Schilderung geradezu erschüt­ternd. Nach dem Bericht einer Berliner Zeitung  beging Anfang Juni 1932 der talentvolle junge ostpreußische Lyriker Friz Mallien Selbstmord. Ueber die wahren Gründe dieses Freitodes machte ein Freund des Verstorbenen, der oft preußische Dichter Alfred Bruft, aufschlußreiche Mitteilungen. Nach seinen Angaben ist Mallien Anfang 1932 mit einem geheimwissenschaftlichen Kreise in Berührung gekommen, der seinen Sib in Berlin   hat und fich hauptsächlich mit Astro­logie beschäftigt. Einer dieser Schidfalskünder" stellte dem jungen Manne ein Horoskop und sagte ihm mit Bestimmtheit voraus, daß er in furzer Zeit Selbstmord begehen werde. Alfred Brust   glaubt, daß der junge Dichter infolge feiner eigenartigen seelischen Veranlagung sich dieser Prophezeiung nicht habe entziehen können, daß das vorausgesagte Unglüd in seinem Unter­bewußtsein fortgesetzt weiterwirkte, bis er zuletzt feinem vermeintlichen Schicksal nicht mehr ent­rinnen zu können glaubte und unter der dauern­den Einwirkung dieser Suggestion die Selbst­befinnung verlor. Solche Vorkommnisse fonnten bei seelisch empfindsamen Menschen schon oft nachgewiesen werden. Es ist wahrlich an der Zeit", so heißt es in dem Bericht jener Berliner Zeitung  , diesen Seelenpfuschern ihr meist sehr einträgliches Handwerk zu legen." Der Fall Mallien beweist die Notwendigkeit dieser Forderung.

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In Frankreich   lebt die berühmte Hell­seherin und Sterndenterin" Terfren Leila, der die Fähigkeit nachgerühmt wird, vor Beginn des Franksturzes die kommende Inflation prophezeit zu haben. Diese berufsmäßige Zukunftsdeuterin wurde Anfang vorigen Jahres von dem öster­reichischen Außenminister Dr. Schober und dem Innenminister Winkler nach Wien   geladen. Was sie diesen beiden Herren prophezeit hatte, ging im Jänner 1931 durch eine große Zahl von Beitungen. Nach ihren Deutungen sollte Defter­reich im Laufe eines Jahres einen Diktator bekommen, dessen Machtergreifung ein kleiner Krach mit Deutschland   vorangehen würde. Italien   würde Mitte des Jahres bei einem Konflikt mit Frankreich   sich um Savoyen   ver­größern", während Desterreich als Lohn für seine Neutralität den größten Teil von Süd­ tirol   zurüderhielte. Das Honorar, das diese Dante für ihre Deutungen erhielt, muß ziemlich groß gewesen sein, denn sie stellte dem Doktor Schober noch die österreichische Dittatur in Aus­sicht. Nach dem Tode des Dr. Seipel, so oralelte die moderne Pythia, würde Dr. Schober im Dezember Diktator, und zwar bis an sein Lebensende nach 25 Jahren( Dr. Schober ist im legten Sommer gestorben).

Es ist meistens zwecklos, gegen folche unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit erscheinende Vertreter des Aberglaubens und ihre Anhänger mit Vernunftgründen anzufämpfen. Da bei aller Forschung der modernen Wissenschaft noch viel zu entdeden übrigbleibt, so berufen sich diese Leute auf nichts lieber als auf das alte Shale­speare- Wort: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumen läßt."

Einen außerordentlich geschickten Weg zur Bekämpfung des Unfugs hat vor einiger Zeit eine große amerikanische   Zeitschrift eingeschlagen, Wie tief der Aberglaube der Aftrologie schon die unter anderem ein Astrologie- Preisaus ins Volk gedrungen ist, beweist ein anderer schreiben veröffentlichte. Um festzustellen, wie Fall. Die von der Deutschen   weltwirtschaftlichen viel wirkliche Wissenschaft hinter diesen mystischen Gefellschaft herausgegebene Zeitschrift Welt Lehren stede, wurden viele hohe Breise aus wirtschaft" brachte in ihrem Messesonderheft gesetzt. Der Sterndenter, der drei genaue, bis 1931 einen Artikel, dessen Beachtung besonders in alle Einzelheiten richtige Horoskope ausar­empfohlen wurde und der den Titel trägt: Ron- beitet, foll 1000 Dollar bekommen, und 5000 junktur und fosmischer Rhythmus." In diesem, Dollar derjenige, der drei große Ereignisse vor verschiedene wissenschaftlich unrichtige Angaben aussagt, die auf keinem anderen Wege vorher

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Heute morgen um elf

stand vor dem Fenster

duce

des größten Möbelhauses der Stadt gin junges Baar.

Es träumte

im Anblick der kostbaren Möbel von fünftigem Glüd.

Heute morgen um elf verliezen zwei Menschen gemeinsam das dürftig möblierte Zimmer eines Stundenhotels.

Sie kannten einander nicht und werden sich nie wieder sehen. Heute morgen um elf

stand eine Frau

vor der Tür eines Meggers, überlegend,

ob sie ein Stück Fleisch kaufen könne vom Lohn ihres Mannes, den er gestern gebracht.

Sie ging weiter, ohne zu kaufen. Zwei Freunde gerieten in Streit über den Wert eines Bildes. Der eine sab Kitsch

in dem, was dem anderen Kunst war, und sie waren voll Sorge um den Bestand der Kultur. Heute morgen um elf. Eine Frau schrie in Wehen  und war sehr allein. Sie erwürgte das Kind, das jie geboren;

weil sie nicht wollte, daß es einmal hungern müsse wie sie. Heute morgen um elf. Es war die Stunde, da eine andere Frau,

betreut von zwei Zofen und einem Maffeur, in reiner Milch badete,

um ihren Teint zu erhalten.

Ein Mann brach zufammen und wurde zum Hospital gebracht. Dort starb er.

Niemand weiß, wer er ist. Er wurde feziert heute morgen um elf.

PAONIC

Erich Grifar.

bestimmt werden können. Jedes Ereignis muß genan beschrieben, Dertlichkeit, Ursache und Folgen müssen bis in alle Einzelheiten ange­geben sein. Vorläufig ist nur ein einziges Er gebnis bekannt geworden. Von der Leitung des Preisausschreibens bekam eine berühmte ameri­fanische Astrologin nähere Angaben über eine bekannte Persönlichkeit, ohne daß ihr natürlich gesagt wurde, um wen es sich handelt. Sie erhielt: Genaue Geburtsstunde, Geburtstag, Geburtsort, Jahr der Heirat, Geburt des ältesten Sohnes, Zahl der Kinder und Tod der Gemahlin. Damit hatte die Astrologin die genauen Daten des Exkaisers Wilhelm II.   er­halten. In ihrem Horoskop schilderte sie aber allerlei unzutreffende Ereignisse. So erklärte sie das Jahr 1926 für bedeutungsvoll und ent­scheidend, obschon es Wilhelm II.   nichts Befon­deres gebracht hat. Die dagegen wirklich ver­hängnisvollen und entscheidenden Jahre 1914 und 1918 überging fie vollständig.

So wiederholt sich immer wieder dasselbe Spiel. Bei ernster, fachlicher Prüfung lösen fich all diese mystischen Deutungen in Dunft aufe