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Wohnung und Hausfrau. Von Tony Breitscheid  . Dank der energischen Tätigkeit der verschiedenen Baugcnossen- schaften sind in den letzten Ja!,ren in der Umgebung von Berlin  und anderen großen Städten Wohnsiedlungen entstanden, in denen auch Arbeitersamilien ihr Häuschen haben. Leider kostet trotz der Beihilfen von Gemeinde und Staat der Anteil an einem Reihenhaus doch noch so viel, daß nur besser entlohnte Arbeiter und Beamte sich auf diese Weise eine gesunde und schöne Wohnung sichern können. Da« eigene Haus ist ha» Ideal der meisten Frauen und es wäre nur zu wünschen, daß ihre Sehnsucht erfüllt werden könnte, solange die Kinder noch klein sind, denn für sie bedeutet der Garten am Haus, und sei er noch so winzig, bedeutet die gesunde, Luft und Licht aufnehmende Wohnung eine solche Quelle der Kraft und des Glücks, daß man jeder Arbeiterfamilie den Besitz eines Siedlungs- Hauses wünschen möchte. Mit dem Haus allein ist es freilich nicht getan. Das schönste Haus kann durch unzweckmäßige Einrichtung verdorben, kann statt einer Quelle der Freude zu einer Last und einer Plage der Haus- frau und der Familie werden. Von den verschiedensten Seiten wird die Propaganda für praktische, einfache und schöne Ausstattung der Wohnung unternommen, die Baugenossenschaften selbst möchten manche Reformen durchführen, ober sie scheitern oft genug an dem konservativen Sinn oder an der Gleichgültigkeit der Frauen, die an den alten Traditionen sesthalten und die da» Maß der täglichen Arbeit für etwas so absolut Gegebenes halten, daß es nicht lohnt, Aber Erleichterungen lange nachzudenken. Die Verkürzung der Ar» beitszeit der Hausfrau, die Verminderung der Schritte, die sie im Lause des Tages zu tun hat, von der Küche zu den Zimmern und in der Küche selbst ist aber außerordentlich wichtig, und es kann den Frauen gar nicht oft genug gezeigt werden, wie sie ohne große Kosten ihr Leben reicher gestalten können. Wie aber sollen sie es anfangen? Dos kleine Buch von Bruno Taut,.Di« neue Wohnung"(Berlag Kltnkhardt«. Biermann, Leipzig  ), mit dem Untertitel.Die Frau als Schöpferin" gibt da recht wertvolle Anregungen, wenn wir auch manchen der Tautschen Ideen ablehnend gegenüberstehen mögen. Nehmen wir noch deutsche und Susländische Zeitschristen zu Hilfe, die sich mit Hausbau und tzohnungskultur beschäftigen, so können wir uns schon ein Bild davon machen, was zu tun ist. Verhältnismäßig leicht haben es junge Leute, die ihre Wohnungseinrichtung nach den Raumver- hältnisien des Hauses kaufen können, aber in den meisten Fällen wird mit vorhandenen alten Möbeln zu rechnen sein, und auch da müsien Wege gefunden werden. Hier wäre eine Aufgabe für Tischlergenossenschaften. die den Umbau alter Möbel oder die Ber- Wendung von Teilen alter Möbel in der neuen Wohnung in zweck- entsprechender Weise übernehmen könnten. Voraussetzung gesunden Wohnens und der Bereinfachung der Arbeit ist aber der Entschluß zu rücksichtslosem Aufräumen, und dieser Entschluß wird den meisten von uns sehr schwer fallen. Wir hängen an Gegenständen, die mit Erinnerungen verknüpft sind und können uns nur schwer dazu verstehen, sie zu vernichten, selbst wenn sie im Wege stehen, Staubfänger sind und oft noch dazu recht häßlich wirken. Es muß aber geschehen und zwar in jedem Jahre winde- stens einmal. Ist vom Boden bis zum Keller gründlich gesichtet worden, unbenutzter Kram fortgeworfen, überflüssige Kisten zu Brennholz zerschlagen, anderes oerkaust worden, so ist in sehr vielen Fällen schon Raum gewonnen. Aber immer noch gibt es Schränke, dl« zuviel Platz einnehmen. Sie sollten in einer modernen, nach den Gesichtspunkten der Hygine gebauten Wohnung überflüssig sein. Dort werden die Schränke gleich in die Wand eingebaut, so daß die Wand eine glatte Flach« bildet, während der Schrank doch stets weit in das Zimmer vorstößt und Immer im Weg« ist. Der eingebaute Wandschrank erleichtert das Auswischen der Zimmer. Es sammelt sich kein Staub mehr unter Schränken, man braucht nicht mehr ab- zurücken, man braucht nicht mehr vorsichtig um die Füße herum- tiwischen, damit die Politur nicht beschädigt wird. Eine weiter« rbeitsersparnis ist die Verbannung von Waschkommoden aus dem Schlafzimmer. Waschtische mit fließendem Wasser sind hygienischer und praktischer, weil sie leicht zu säubern sind. Wo es irgend«inzu- richten ist, Sollte der Waschtisch überhaupt im Badezimmer sein, io daß im Schlafzimmer nur die Betten und die nötigsten Möbel zu tehen brauchen. Die meiste Arbeit der Frau spielt sich jedoch in der Küche ab. Auch hier läßt sich schon jetzt vieles vereinfachen. Erstes Gebot ist, möglichst keine Kochtöpfe aus Wandbrettern, keine Deckel und keine Kannen in der Küche frei stehen lassen. Sie gehören in Schränke, die ebenfalls eingebaut werden. Bei der Einrichtung der Küche muh darauf Bedacht genommen werden, daß die Hausfrau bei ihrer täglichen Arbeit nicht überflüssige Schritte zu tun hat. Die Wand- schränk« solllen ebenso wie der Abwaschtifchjur Küche gehören, also bei Umzügen in der Wohnung bleiben. Wie ich hörte, ist das in «lnigen Gegenden in Dänemark   bereits der Fall. Der Abwaschtisch mug rechts vom Geschirrschrant und nicht zu weit von ihm entfernt stehen, damit jeder getrocknete Teller usw. sofort an den richtigen Platz gestellt werden kann. In Amerika   lasten sich vielfach die ein- gebauten Küchenschränke sowohl nach der Küche wie nach dem an- grenzenden Wohn- und Eßzimmer hin öffnen. Dadurch wird mancher Gang zwischen den beiden Zimmern erspart. Die Amerikanerin, die sich mit sehr kleinen Küchen beHelsen muß, hat überhaupt soviel« praktische Einrichtungen durchgesetzt, daß wir mancherlei von ihr lernen können. Das elektrische Plätteisen, das sich ja auch bei uns einbürgert, ist dort eine Selbstverständlichkeit. Das Plättbrett ist io eingerichtet, daß es nach Gebrauch an der Wand hochgeklappt werden kann. Am Abwaschtisch befindet sich oft an der linken Seite noch ein emailliertes Abflußbecken, in dem Kleinigkeiten, z. B. Strümps« gewaschen werden können. Die Küchenherde, die niemals für Kohlen, sondern stets nur für Gas und Clettrizität eingerichtet werden, sind viel praktischer als wir sie haben. Die Dünste, die beim Kochen unvermeidlich entstehen, werden durch eine Art Haube aufgefangen und durch eine Röhre über das Dach ins Frei« geleitet. Der Bra� ofen kann von innen elektrisch beleuchtet werden, man braucht also Fleisch und Gebäck nicht mehr herauszuziehen, um zu prüfen, ob es «ine gute Farbe hat. Das Wichttgste ist aber der Gasflammen- regier. Das ist eine Vorrichtung, die es der Hausfrau ermöglicht, durch einige Handgriffe den Bratofen so«inzustellen, daß er zu einer bestimmten Stunde zu brennen beginnt. Da sich die Hitze ebenfalls in Verbindung mit einem Thermometer selbsttätig reguliert, kann die Frau ruhig fortgehen und das Mittagessen kocht sich-bei einiger Borsicht fast ohne Hilse fertig. Leider haben wir solche Einrichtungen noch nicht. Ich war in einem der ersten Haushaltungsgeschäfte in Berlin  , um zu prüfen, welche Erleichterungen es für die arbeitende Hausfrau bei uns schon gibt. Aber ich fand nichts, weder die sich selbst regulierenden Brat- öfen, noch elektrische Abwaschmaschinen, noch elektrische Wasch- Maschinen für den Hausgebrauch, ja nicht einmal kleine Instrumente, die das Abwaschen erleichtern und die Hände schonen, wie zum Beispiel Tellerabkratzer aus Metall und aus Kautschuk, um die Speiserest« vom Geschirr zu entfernen, Spülbürsten, die mit«lnem Schlauch an die Warmwasserleitung angeschlossen werden, so daß bei dem Reinigen stets klares Wasser über das Geschirr fließt, und was es dergleichen mehr gibt. Man sagte mir, daß man solche Sachen in Deutschland   wahrscheinlich nicht herstelle, well sie von den ameri- kanischen Fabriken durch Patente geschützt seien. Aber warum führt man sie nicht aus Amerika   ein? Sie werden durch den Zoll, der jetzt noch erhöht werden soll, unnötig verteuert, und so sorgt unsere verkehrte Wirtschaftspolitik auch dafür, daß die deutschen   Haus- flauen nicht in dem Maße von Arbeit enttastet werden, wie«s der Fall sein könnte. Die Einrichtungen werden natürlich auch in Amerika  nicht billig sein, durch das dort bestehende Kredit- und Abzahlungs- system ist ober sehr vielen die Möglichkeit gegeben, sich wirtlich gut« und praktische Sachen anzuschaffen. Die deutsche Hausfrauen verlangen noch viel zu wenig nach Hilfsmitteln, die ihre Arbeit erleichtern, meint Taut. Dos mag sein. Ader sie wifien auch gar nicht, was es auf diesem Gebiet be- reits gibt, und die bürgerlichen Frauen rechnen zudem wohl noch Immer damit, daß die menschliche Arbeitskraft verhältnismäßig billig ist. Das wird sich allerdings schon in wenigen Jahren ändern, dann nämlich, wenn wir den Geburtsaussall der Kriegsjahre zu spüren bekommen. Man kann wohl annehmen, daß die Hausange- stellten im allgemeinen mit 14 bis IS Jahren ihre erste Stellung annehmen. Es wird sich also in 4 bis S Jahren ein empfindlicher Mangel an Arbeitskrästen bemerkbar machen, wie ja auch Industrie und Handel schon heute mit dem in einigen Iahren»insetzenden Mangel an jugendlichen Arbettern und Lehrlingen rechnen. Dann wird man sich im bürgerlichen Hausbatt auf andere Methoden ein- stellen. Die Arbeiterfrau sollte aber schon jetzt darauf drängen, daß in jedem neugebauten Haus, fei es Siedlungsbau oder Mietskaserne alle nur erdenklichen Möglichkeiten der Arbeitserfparnis vorgesehen werden. Die geringsügige Verteuerung lohnt sich, weil sie die Ar- bettekraft der Frau erhöht und ihr Zeit und Lebensfreude schafft. Unsere Frauen müssen sich nur darum kümmern, daß bei den Bauten auf ihre Bedürfniste genügend Rücksicht genommen wird. Es ließe sich noch manches sotzen über die Pflege der Wohnung. über neue Wege der Reinigung mittels Staubsaugers, die gleichzeitig der Bekämpfung des überflüssigen Lärms in der Großstadt dienen. Aber das würde zu viel Raum beanspruchen. Hier sollten nur einige Anregungen gegeben und vor allem In den Frauen der Will« geweckt werden, das Leben und die Arbeit praktischer einzurichten, Ballast abzuwerfen, um Freude und Zeit für bester« Aufgaben zu gewinnen.____ Mutter- und Kindersthutz. Die wenigsten Frauen wissen genau über die wichtigen Fraaen des Mutter- und Kinderschutzes Bescheid. Weder kennen sie ihre grundsätzliche Bedeutung für die gesamte Dolksgesundheit und dl« Kämpfe, die die Sozialdemokratie seit Jahrzehnten uni die Lösung dieser Frage führt, noch sind sie über die tatsächlichen Bestimmungen in unserem Gesetz unterrichtet. Um so begrüßenswerter ist es, daß die Genossin Louise S ch r o e d e r, die im Reichstag mehrfach aus diesem Gebiet hervorgetreten ist. eine kleine Schrift verösfentlicht hat, die auf wenigen Seiten alles für die Arbeiterftan Wissenwertes enthält. Jede Frau sollte dieses klein« Heft, das unter dem TitelMutter und Säugling in der Gesetzgebung", im Verlag I. H. W. DIetz Nachf., Berlin  , erschienen, und zum Preise von 40 Pf. erhältlich Ist, zur Hand nehmen und sich klar machen, was es bedeutet, daß all- jährlich 300 000 Mütter Kinder zur Welt bringen, um sie im ersten Lebensjahr wieder zu begraben. Der ganz überwiegende Teil dieser Kinder gehört dem Proletariat an; der Staat wäre durch Bereit- stellung der notwendigen Mittel in der Lage, für diese unglücklichen Mütter und Kinder zu sorgen, er ist auch dazu verpflichtet. Bis zu welchem Grade er das tut, und wo die Mängel im Gesetz sind, darüber gibt die erwähnte Schrift Aufschluß. Jeder, der sie liest, wird sich dem Kamps für eine gerechte Sozialgesetzgebung an- schließen müssen. V. F.