Der Weg nach oben... „Meine Kinder sollen etwas Besseres werden als ich," so denken oder sprechen manche Eltern. Wie dies„Bessere" aber aussieht, und auf welche Weise es am besten erreicht werden kann, davon haben sie meist nur unklare Vorstellun- aen. Sie denken dabei natürlich zuerst an höhere Schul- vtldung und an den Beruf eines Kopfarbeiters, und glauben, Senug für das Wohl ihrer Kinder getan zu haben, wenn sie ir Beides sorgen nach ihren besten Kräften. Sie vergessen aber dabei so mancherlei, was ihnen zu wissen wichtig wäre, und zwar ehe sie ihre Kinder diesem„Besseren" zuführen. Eo mancher proletarische Vater, so manche proletarische Mutter fluchen heute der Stunde, die ihnen diesen Ee- danken eingab, weil der Erfolg, den sie erreichten, so ganz ganz anders aussieht, als sie ihn sich erträumten. Viele dieser Kinder haben nicht nur die Kenntnisse er- langt, die der Mutter vorgeschwebt haben, sie sind nicht nur zu der gehobenen Stellung gelangt, die der Vater für sie er- hofft hat, sondern sie haben auch den D ü n k e l der sogenann- ten„besseren" Kreise sich angeeignet und sehen ihre Eltern, denen sie doch neben ihrem meist eisernen Fleiß ihre Stellung verdanken, als Menschen zweiter Klasse an. S i e s ch ä m e n sich ihrer Herkunft. Ja, und das ist für die Allge- meinheit das Schlimmste: sie werden statt Helfer, Berater, Mitkämpfer ihrer Klassengenossen deren erbittertste Feinde. Sie kämpfen mit allen Waffen des Wissens und der Sattre fiegeir d i e Ideale, für die ihre Eltern immer gekämpft, viel- eicht gehungert, vieles geopfert haben. Sie verachten nicht nur alle diejenigen, die angeblich unter ihnen stehen, sondern kommen auch häusig dazu, ihre eigenen Eltern zu verachten und wegen ihrer Einfachheit und Unbeholfenheit zu verspotten, anstatt ihnen im Alter eine Stütze und eine Hilfe zu sein. Woher kommt das? Es ist eine Folge ihres vielzuvielen Umgangs mit den Mitschülern aus anderen Lebenskreisen in den höheren Schulen. Denn fast alle höheren Schulen sind in Folge der Gesinnung der Lehrer heute Brufftätten nicht nur reaktionärster Borniertheit, sondern auch des dümmsten Snobismus. Die Mitschüler hänseln oder verachten das Ar- beiterkind mit der allen Kindern gemeinsamen Grausamkeit wegen seiner einfachen Kleidung und seiner gesellschaftlichen Unbeholfcnheit, manchmal auch wegen des Standes seines Vaters. Dadurch wird das Arbeiterkind p u tz s ü ch t i g, um nicht von den Kameraden abzustechen, und verleugnet feine Herkunft, weil es sich seiner Eltern schämt. Zuerst kann es die Dummheit und Tragweite dieser Handlungsweise nicht erkennen und tut es aus Schutzbedürfnis. Später erkennt es die Ursachen, die die Kameraden zur Verachtung der Arbeiter- weit zu haben glauben, und lernt, mit diesen gegen seine Klasse zu fühlen. Da es das Arbeiterkind später beim Studium immer schwer hat und sich geldlich durchquälen muß, so kommt der Neid auf die Bessergestellten hinzu. Es macht merkwürdigerweise nicht diejenigen dafür verantwort- sich, welche durch Geldschränken die Bildung von den Arbeiter- kreisen absperren wollen, sondern seine eigenen Eltern, die mehr für ihr Kind hätten tun sollen. Kommen hierzu dann noch Hochschullehrer, die ebenso beschränkt in ihrer Auffassung sind, so ist das Unglück fertig, und wieder ist ein Proletarier- kind seinen Klassengenossen entrissen. Das Wort„Freie Bahn dem Tüchtigen" ist damit gerade auf den Kopf gestellt, denn die Dahn ist nicht frei, sie ist eingeengt durch törichte, ja verbrecherische Vorurteile, die den Aufftrebenden zwingen. entweder zu entsagen oder zu heucheln. Diese Heuchelei aber führt zum Renegatentum. Wie können wir diese Entwicklung verhindern? 1. Müssen sich die proletarischen Eltern zwingen, gerade den Kindern gegenüber, die„etwas Besseres werden sollen, nicht Affenliebe zu zeigen, ihnen nicht allen Willen zu tun, sie nicht von aller Arbeit und Sorge fernzuhalten suchen, sie anhalten, t r o tz der hohen Schule ihre übliche Hausarbeit zu machen, in der Wirtschaft zu helfen, sich die Kleider selbst zu bürsten und die Stiesel selbst zu putzen, ihnen auf der Straße nicht die Pakete abzunehmen usw. usw. 2. Müssen sie den Kindern berechtigten Stolz auf ihre Herkunft beibringen. Sie müssen ihnen frühzeitig erklären, daß Kopf- und Handarbeit lediglich verschiedene Formen sind, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, daß eines so ehrenhaft und wichtig für das Volksganze ist wie das andere, man also nicht den einen oder anderen verachten darf. Der Preisunterschied der Arbeiten aber nur darin liegt, daß wirklich kluge Köpfe eben nicht sehr zahlreich vorhan- den sind. 3. Müssen die Eltern den Kindern klarmachen, daß sie selbst dann stolz auf ihr« Herkunft sein müssen, wenn st« durch
ihre bessere Vorbildung eine Stellung in der Welt erringen, die ihren Eltern verschlossen war, weil sie keine Gelegenheit zum lernen hatten, denn das Holz, aus dem sie geworden find, ist auf gutem Boden gewochsen. 4. Müssen sie ihre Kinder dahin belehren, daß sie ihre bessere Bildung dazu bekommen haben, daß sie ihren schwer bedrängten und unterdrückten Klassengenossen im Kampfe um ihre Existenz und politische Bedeutung Führer und Helfer sein sollen und können. Was aber können wir alle außerdem zur Erreichung dieses Zieles tun, denn die Sache geht die Partei als Ganzes an?— Wir alle müssen uns einsetzen für die weltliche Einheitsschule und in der Uebergangszeit für die Auf- b o u s ch u l e, d. h. die Schule, die sich direkt auf der Ge- meindeschule aufbaut und die Arbeiterkinder bis zur Uni- versität führt. Diese Schule erspart den Kindern das Gefühl der Zurücksetzung und Beschämung durch andere Kinder, wie in der höheren und Mittelschule. Hier können sie ruhig das Ziel ihrer Ausbildung erreichen. Wenn sie diese Schule verlassen, dann ist ihr Charakter soweit gefestigt, um die Dummheit und Hohlheit ihrer Kommilitonen aus dem bürgerlichen Lager zu durchschauen. Und solche jungen Leute beiderlei Geschlechts werden dann ihrer Klasse als Kämpfer und später vielleicht als Führer erhalten bleiben und gute Dienste leisten! E. A. Hermes, Steglitz . �
Männertreu. Wenn Löwenzahn in Staub zerfällt, Dann heißt man's„Männertreu": Ein Hauch— und fort in alle Welt Verfliegt die leichte Spreu. Doch echt« Treu beim echten Mann Und sein beschworne« Wort, Reißt auch des echten Löwen Zahn Nicht von der Wurzel fort. Kory Towska.
Zderabenö. Endlich! Das Ist wohl bei ollen, die hinter Maschinen und Schraubstöcken stehen, der Schluß der langen Gedankenkctte, die sich täglich von neuem aneinanderreiht, wenn die Zeiger der Uhr im Schneckengang die letzte Stunde bewältigen. Das blechern« Getön der Klingel wirkt jetzt lange nicht so abscheulich, wie wenn es— die keifende Stimm« einer Antreibcnn— zum Beginn der Arbeit ruft. Darum wird es jetzt auch schneller— viel schneller gehört, al« bei Arbeitsbeginn. Wie ein Aufatmen geht es durch den Raum. Einen Augenblick lang ist es ganz still.— Die Transmissionen stellen das monoton« Klappern ein— das„Ping-pang" der Hämmer verstummt und das mißtönige Kreischen der Feilen peinigt nicht mehr die Empfindung»- nerven. Doch nur«inen Atemzug lang währt diese plötzlich« Stille.— Denn schon tappen geschästig die Holzpantinen die Gänge auf und ab— Werkzeug fällt Geräuschvoll aus den Tisch — hier und da ertönt ein Zuruf,«in Scherzwort— ein erlöstes Auflachen— ungestüme Hände klirren mit Schlüsseln— fahren ordnend über den Werttisch.--- Alle» geschieht in einer fahrigen, überhosteten Weise— di« unterdrückte Unruh« der letzten Stunde, die krampfhaft niedergehauene Erregung der übermüdeten Nerven entladet sich.— Di« Gedanken sind schon weit fort— auf den Flügeln der Sehnsucht vorangeeilt und sind nun ärgerlich, daß der dumme, schwerfällig« Körper nicht so schnell folgen kann. — Feierabcndl— verschieden wie die Menschen sind auch ihre Gedanken.— Der »ine freut sich schon aus«inen Spaziergang, der andere schwelgt im Vorgenuß eines Konzertes,— dieser steht sich in leichter Kleidung auf dem Sportplattz— jener denkt an Radioempfang und Bastel- arbeit--- der kleine Bucklige bort wartet voll froher Er- Wartung auf den Augenblick, da ihm in seinem Zimmer der Bücher- schrank«ntgegenlacht.-- Jener große, finstere Mann am Amboß , der den ganzen Tag über kaum drei Worte spricht,— fühlt schon in Gedanken um seinen Hol» dl« runden Aermchen seines Kindes,— hat schon im Ohr da« aufjauchzende„Vati!"— und ein Lächeln huscht über sein Gesicht wie ein verirrter Sonnenstrahl.-- Alle, alle— ob sie an Menschen, Tiere oder tot« Dinge Ihr« Sehnsucht gedängl haben— alle sind sie ungeduldig, hinauszu- kommen aus diesen kahlen Räumen, in die sie da» hart« Muß de» Broterwerb» täglich für neun lang« Stunden einpfercht.-- Denn hinter diesen öl- und staubverschmierten Fenstern, hinter den schweren Fabriktoren, vor denen die Vortier» Woche halten, erwartet sie ja strahlenden Auges di«, die allen Freund ist — die Freiheit. — Und der stille Abglanz dieser Freude liegt auf allen Gesichtern, wenn sie in wirrem Strudel aus der endlich geöffneten Fabrik-