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ziehen. Dennoch möchte ich aus praktischer Erfahrung heraus auf einige Mängel der Anstaltsentbindung hinweisen, die unbedingt abzustellen sind, ehe die Anstalt zur wahrhaft idealen Zufluchtsstätte der Frau in ihrer schweren Stunde wird.

Wenn Genossin Ewald behauptet, daß in den Umgangsformen des Personals bereits eine erhebliche Wandlung zum Besseren ein­gesetzt" hätte, so mag dies für die mustergültige Anstalt Westend zutreffen, aber noch längst nicht allgemein. Die Klagen über gleich gültiges, ja rohes Verhalten des Personals gegenüber der Gebärenden, zumal der unehelich Gebärenden, sind nur allzu be­rechtigt. Niemand verlangt Weichlichkeit und Sentimentalität, aber ein Mindestmaß von Einfühlung muß man von einer guten Hebamme verlangen. Gerade heute, wo die ärztliche Wissenschaft wieder zurückgeht auf den Menschen als förperlich- seelische Ganzheit, muß berücksichtigt werden, daß der glückliche Verlauf des Geburtsvor ganges auch start von seelischen Faktoren abhängt. Rauhes oder teilnahmlojes Verhalten der Hebamme fann die Geburt unter Um­ständen um Stunden verlängern und dazu bietet leider die Sicher heit fester Anstellung" vielen die Möglichkeit, die sich in privater Braris viel mehr zusammennehmen würden. Es müßte meines Erachtens nicht nur auf examenmäßig festzustellendes Fachwissen, sondern auch auf die seelische Eignung der Hebamme Wert gelegt werden.

Auch sonst wäre an der Anstaltsentbindung noch manches zu verbessern, so z. B. die Kost, die oftmals nicht den Erfordernissen der Wöchnerin angepaßt ist. An die schwißende Wöchnerin wird selbst an den heißesten Tagen heißes und fettes, schwer verdauliches Essen ausgegeben, welches einerseits nicht ihren Appetit anregt, andererseits die ohnehin im Wochenbett bestehenden Verdauungs­schwierigkeiten vergrößert. Auch im Punkte der Ruhe sind die Anstalten oftmals noch feineswegs vorbildlich. Man hat volles Ber­ständnis dafür, daß bei der großen Menschenanhäufung in der Anstalt es nicht so leise hergehen kann, wie im Privathaushalt, aber jeder unnötige Lärm, wie laufes Türenschlagen, laute Schwestern diskussionen auf den Fluren usw. sollte vermieden werden. Eben­falls ist das Schicksal der Hausschwangeren in manchen Anstalten noch sehr bedauernswert. Bon morgens bis abends müssen diese armen Wesen auf den Beinen sein und sich mit schlechtester Kost begnügen. Man sollte doch endlich einmal einsehen, daß diese Frauen und Mädchen durch ihre angestrengte Arbeit und die Hergabe ihres Körpers zu Lehr- und Untersuchungszwecken sich ihre Entbindung und ihr Wochenbett reichlich verdient haben.

Bum Schluß fei noch auf einen Punkt hingewiesen, der nicht nur allein für Entbindungsanstalten. sondern für öffentliche Kranken­anstalten allgemein gilt, aber gerade bei Frauen von besonderer Bedeutung ist: das eigenartige Vorgeseztenverhältnis des Arztes zum Patienten. Gerade Frauen neigen aus ihrer ganzen sozialen Situation dazu, die tägliche Bisite nicht als Untersuchung und Beratung, sondern als Kontrolle aufzufassen. Die ängstliche Besorgtheit der Pflegerin um peinlichste Ordnung und linealgleiches Geradeliegen" im Belt zur Visite steckt sie an, obgleich doch eine Ordnung, die nur für die bedeutungsvollen" zwei Minuten hergerichtet ist, einfach wertlos ist. Aus Angst und Schüchternheit wagen die Frauen oft nicht, dem im schnellsten Tempo vorbei­sausenden Arzt ihre Leiden mitzuteilen, ihre Beschwerden zu melden. Hinter die Ausstattung mit allen modernen Erfordernissen" möchte ich gleichfalls ein Fragezeichen sehen. Immer noch waltet in manchen Anstalten eine falsch angebrachte Sparsamkeit.

Erst wenn in den oben angedeuteten Punkten eine Besserung erzielt ist, fann die öffentliche Entbindungsanstalt das werden, was sie ihrem Sinne noch sein soll. Dann eist kann der traurige und dem sozialistischen   Gedanken widersprechende Zustand aufhören, daß die Frau ihre zweite Entbindung lieber im Hause abhält, bzw., wenn sie es sich leisten fann, in der Privatklinik, sondern daß sie sich in ihrer schweren Stunde ruhig der Obhut der Allgemeinheit anvertraut. Hedwig Schwarz.

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Empfinden so unnatürlich ist, an den sozialpolitischen Regelungen des Landes, für dessen Maßnahmen man sich nun einmal durch Geburt und Erziehung mit verantwortlich fühlt, plößlich nicht mehr teilhaben zu dürfen.

Weniger widerfinnig erscheint es, daß die Frau die Nationalität des Mannes annehmen muß, wenn sie in dessen Heimatstaat zieht. Aber auch hier verlangt die Freiheit der Persönlichkeit, daß sie selbst darüber bestimmen darf.

Vor dem Krieg war es in allen Ländern nur eine verhältnis. mäßig fleine Gruppe aufgeweckter Frauen, die Selbstbe. stimmung der Ehefrau in nationaler Hinsicht forderten. Es ist nur natürlich, daß die Frauenforderung jetzt in weiteren Kreisen anerkannt wird. Einmal hat die Entwicklung seit der Vorkriegszeit die Selbständigkeit der Frau in jeder Beziehung außerordentlich verstärkt, sodann hat die Hinlentung auf nationale Fragen vielen die Staatszugehörigkeit als bedeutsam erscheinen laffen, die ihr früher gleichgültig gegenüber geftanden haben. So ist nach dem Krieg in mehreren Ländern die Frage schon in neuzeit­lichem Geist geregelt worden. Prinzipiell find zwei Arten von Lösungen gefunden worden. Frankreich   und Dänemark   lassen der Ehefrau ihre Staatsangehörigkeit, so lange sie ihren Wohnsiz im Lande behält, es sei denn, daß sie freiwillig die Nationalität des Ehemannes annimmt. In Amerika   hat man sich, ebenso wie in Belgien  , zur Zulassung doppelter Staats. angehörigteit entschlossen, wodurch aber sehr schreierige Fragen hinsichtlich des für solche Ehen geltenden Familienrechts, der politifchen und anderen staatsbürgerlichen Rechte entstehen. Eine befriedigende Lösung fann tatsächlich nur auf internationaler Grundlage erfolgen. Diese Forderung wird zurzeit von Frauen der verschiedenen Nationalitäten propagiert. Sie wurde u. a. auf dem im Mal in Paris   abgehaltenen Kongreß des Weltbundes für Frauenstimmrecht bearbeitet, dem 42 3weigvereine angehören. Der Fraueneinfluß muß jeßt die rückständigen Staaten davon abbringen, daß fie weiterhin autokratisch über die Staatszugehörigkeit der Ehe­frau bestimmen, weil dies dem Persönlichkeitsgefühl der zu innerer und äußerer Selbständigkeit erwachten Frau widerstrebt. Dr. Hilde Grünbaum- Sa ch s.

Wahlbeteiligung der Frauen.

Der Reichsminister des Inneren hat angeordnet, daß in einigen Reichstagswahlkreisen die Beteiligung an der Reichstagswahl vom 4. Mai 1924 nach Geschlecht und Alter der Wahlbeteiligten ermittelt wird. Die ersten Resultate dieser Statistit wurden fürzlich in Wirtschaft und Statistik" veröffentlicht. Die Erhebung erstreckt sich auf vier Wahlkreise: den Stadtkreis Nürnberg  ( rund 250 000 Wahl­berechtigte), die vorwiegend industrielle Amtshauptmannschaft Borna   i. Sa.( rund 50 000 Wahlberechtigte), den Landkreis Hanau  ( rund 40 000 Wahlberechtigte), dessen Einwohner teils in der Indu­ftrie und teils in der Landwirtschaft arbeiten, und den ländlichen Kreis Lauenburg i. Pommern  ( rund 30 000 Wahlberechtigte).

In diesen verschiedenartigen Gebieten waren also insgesamt etwa 370 000 Personen wahlberechtigt. Davon waren 175 000 ( 47 Proz.) Männer und 195 000( 53 Broz.) Frauen. Das Wahlrecht ausgeübt haben nur rund 315 000 Personen, gleich 84,5 Broz. der Wahlberechtigten. Von den Frauen haben nur 81,5 Proz gewählt, von den Männern dagegen 87,9 Proz. In allen Altersstufen war die Zahl der Frauen, die ihr Wahlrecht ausübten, verhältnismäßig geringer als die der Männer. Interessant ist daß die Altersfurve der Wahlbeteiligung bei den Frauen anders verläuft als bei den Männern. Bei den Männern finden wir die stärkste Beteiligung in der Gruppe der Fünfzig- bis Fünfundfünfzigjährigen. Ziemlich gleichmäßig stieg die Verhältnis zahl der Wähler bis zu dieser Altersgruppe an, um dann in der gleichen regelmäßigen Kurve wieder zu sinken. Bei den Frauen liegt die Zahl der stärksten Wahlbeteiligung ein Jahrzehnt

Staatszugehörigkeit/ Verheiratete Frau früher. Die 40- bis 45jährigen Frauen haben sich zu 85,7 Broz.

Anfang dieses Jahres hat in Frankreich   eine Vorlage über das Staatsbürgerrecht der Französinnen Gefeßestraft erlangt, die auch für die deutsche Frau von Bedeutung ist. In Deutschland   haben die Frauen zwar bereits das Stimmrecht, um das die Französinnen noch fämpfen, aber es gibt noch mandje gefeßliche Bestimmung, die in feiner Weise in Einklang zu bringen ist mit der Auffassung der Frau als vollwertiger Staatsbürgerin. Wenn z. B. eine Deutsche einen Ausländer heiratet, so wird ihr, ohne daß sie Einspruch er­heben kann, die deutsche   Staatsangehörigteit ge­nommen und die des Mannes aufoftropiert, und zwar auch dann, wenn das Ehepaar dauernd in Deutschland   lebt. Daraus ergeben sich unmögliche Situationen. Hat sie bisher noch so lebhaft am politischen Leben teilgenommen- jetzt muß sie schweigen, wenn es gilt, den Reichspräsidenten zu wählen, eine Boltsabstimmung über eine Frage veranstaltet wird, die sie vielleicht noch vorbereiten half. Hatte sie bisher allerhand Ehrenämter inne nun fragt feiner danach, ob sie die freiwillig übernommene, schwierige Bor mundschaft noch so geschickt geführt hat mit dem Ja vor dem Standesbeamten hat sie die Fähigkeiten verloren, ein elternloses deutsches Kind zu bevormunden oder als Schöffin die Motive einer straffällig gewordenen jugendlichen Geschlechtsgencffin zu beurteilen. In der ersten Zeit fann es geschehen, daß man unrechtmäßigerweise seinen Namen unter eine an den Reichstag gerichtete Petition seßt, aus Versehen, well es für das eigene

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an der Wahl beteiligt, die über 70jährigen dagegen nur zu 58,4 Broz. Im mittleren und höheren Alter hielten sich außerordent­lich viele Frauen der Wahl fern.

Die bei fast allen Wahlen festgestellte geringere Wahlbeteiligung der Frauen beruht zum großen Teil darauf, daß vornehmlich die älteren Frauen von ihrem Wahlrecht feinen Gebrauch mehr machen. Ein Blick auf die Altersgruppierung der Bevölkerung zeigt, daß in den höheren Altersklassen die Frauen bei weitem über­wiegen. Wir werden uns deshalb bei fünftigen Wahlagitationen fpeziell an diese Frauen menden müssen. Sollte diese Agitations. arbeit weiter so wenig erfolgreich bleiben wie seither, dann werden wir uns eben trösten müssen mit der Feststellung, daß auch die Männer in den ersten Jahren des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts nur einen recht bescheidenen Gebrauch von ihrem Wahl recht machten. 1871 bis 1884 betrug die durchschnittliche Wahl­beteiligung zwischen 51,0 und 63,4 Proz.

Auf die Dauer hängen die Wahlergebnisse nicht davon ab, daß die alten 70jährigen Frauen von ihrem Wahlrecht feinen Gebrauch zu machen wissen. De Statistik der letzten Reichstagswahl, die zeigt, daß die jüngeren Frauen bei der Ausübung ihres Wahlrechtes nicht allzu sehr hinter der entsprechenden Zahl der Männer zurück­bleiben, läßt deutlich erkennen, daß in 3 utunft voraussichtlich mit einer zunehmenben 3ahl weiblicher Wähler gerechnet werden fann. Arbeiten wir, daß diese Frauenstimmen auch Stimmen für den Sozialismus werden! A. G.