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Engländers Liddle- Hart oder in Hanslian und Bergendorff Der| chemische Krieg". Wie sehen an Hand genauer Berechnungen und hemischer Experimente die Wirkung von Gasangriffen vor Augen. Erfindung und Vervollkommnung der Gafe werden uns gezeigt und auch das wahnsinnige Tempo, in welchem die chemischen Industrien diesseits und jenseits des Ozeans arbeiten, um diese Gafe immer wirksamer, immer furchtbarer zu gestalten. Wie ja befannt ist, sollen bie Gase dazu dienen, den Feind im Hinterland ebenso unwirksam zu machen, wie auf dem eigentlichen Schlachtfelde, das natürlich auch nicht mehr Schlachtfeld im bisherigen Sinne sein wird. Die Kultur- und Produtitonszentren des Feindes kann man mit einigen Taufend Gasbomben vollkommen vernichten. Und da Frauen und Kinder, so stellt Woter fest, am empfänglichsten für die Wirkung der Gase sind, dürften sie auch die ersten Opfer ber Gase sein. Kéri schildert uns sehr eindringlich, wie im kommenden Kriege der den Berufsfoldaten, den wissenschaftlich geschulten Chemiler, Ingenieur und Piloten zur Vorausfehung hat, das eigent liche Heer sehr thin sein wird, während alle übrigen Männer, aber auch Frauen, Greise und Kinder in bisher ungeahntem Maße, troj ihres Aufenthaltes im Hinterland mehr oder weniger Soldaten fein werden. Er gibt uns zu verstehen, wie sehr die Kapitalisten von Marg gelernt haben, da sie nicht mehr wie früher die Werte vernichten( Gebäude, Fabriken, Bahnstationen usw.), die doch wieder zu erfeßen find, fondern die Menschen, die diese Werte fchufen, fowie jedes organische Leben. Ist die geschulte Industriearbeiterarmee eines Landes vernichtet, so ist damit auch der Wiederaufbau des Besiegen zugrunde gerichtet, es ist dem Gegner auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Ganz furz muß hier noch auf die Konsequenzen eingegangen werden, die sich für uns aus dem bisher Gesagten ergeben. Die Internationale der sozialistischen Parteien, wie auch die Internationale ber freien Gewerkschaften betonen immer wieder die Möglichkeit der Kriegsverhütung, wenn das internationale Proletariat sich in den proletarischen Massenorganisationen zufammenfindet. Daraus erwächst für uns als Gegner des tapitalistischen Krieges die Pflicht, diefe Organisationen durch eifriges, unermüdliches Arbeiten und Werben zu stärken, so daß fie widerstandsfähig genug sind, um Kriege zu verhindern. Das Versagen der Internationale 1914 follte uns als warnendes Beispiel vor Augen stehen.
Wir proletarischen Frauen und Mütter müssen in tapferer, treuer Arbeit helfen, daß die internationale Arbeiterklasse die Macht wird, Die fie fein muß, um ihre friegsgegenerischen Aufgaben zu erfüllen. Und diese Arbeit wollen wir leisten! Friedl Geride Wibera.
Frau und Familie in der Türkei .
Wie bekannt, haftet in fremden Ländern der Blick des Reisenden vornehmlich an Aeußerlichkeiten und so tam es, daß gerade die tiefverschleierte Frau des Orients den Europäern so interessant war. Natürlich wirfte diese völlige Bermummung, wenn sie geschickt vorgenommen wurde, außerordentlich geheimnisvoll. Bielfach wurde bie irrige Ansicht verbreitet, die Verschleierung sei ein religiöses Gebot. Sie wurde zwar durch den flam eingeführt, doch hinderte sie die Frau damals nicht daran, im öffentlichen Leben zu stehen, Handel zu freiben, ja, felbft an den Staatsgeschäften lebhaften Anteil zu nehmen. Im Laufe der Jahre wurde das Schleiergebot in den einzelnen islamischen Gegenden sehr verschieden gehandhabt. Auf dem Bande, wo die Frau schmer arbeiten mußte, gab es so gut wie gar feine Verschleierung. Ebenso war bei Dienstboten teine Verschleierung möglich. Schließlich war die Verschleierung zum Borrecht der reichen und der häßlichen Frauen geworden, auch verschieierten lich oft die Negerinnen gerne recht tief, in der Hoffnung für weiße Frauen gehalten zu werden. Auf dem Basar, auf dem Markt lüfteten beim Einkauf und Verkauf für gewöhnlich die Frauen den Schleier, wenn fie einen trugen. Doch fonnte man im Orient, namentlich in der Türtel eine ablehnende Haltung gegen das Schleiergebot beobachten im felben Augenblic, als versucht wurde, europäische Sitten nach der Türkei zu verpflanzen. Als der Weltfrieg ausbrach und die Frauen notgedrungen in das außerhäusliche Berufsleben treten mußten, um die Männer zu ersetzen, fiel ganz automatisch der Schleier. Jetzt ist er in der Türkei durch Militärbefehl verboten.
Desgleichen wurde in der jetzigen Türkei die Bielwelberei durch Militärbefehl aufgehoben. Da foll hier sogleich eingefügt werden, daß die Vielmeiberei in der Türkei in den letzten Jahrzehnten so gut wie überhaupt nicht mehr existierte. Ausnahmen wurden in ben Gegenden gemacht, wo es dem Mann an billigen Arbeitskräften gelegen war. Obwohl die Türkei ein Land war, dessen männliche Bevölkerung dauernd unter den schwersten Kriegsverluften litt, hat fich niemals, außer in Ronftantinopel, ein Frauenüberschuß bemerkbar gemacht. Darauf ist es zurückzuführen, daß, als die Paschallaffe noch fehr faufträftig war, Tscherfeffinnen und Georgierinnen gleich in Waffen eingeführt wurden. Ste waren sehr begehrt, was die geschäftstüchtigen Eltern vorzüglich auszunuzen verstanden, die felber meistens sehr arm, auf diese Art und Weise ihren Töchtern ein nach ihrer eigenen Anficht glänzendes Los verschafften. Dem europäischen Namen nach waren sie Stlavinnen, das arabische Wort„ Dscharije" aber, mit welchem sie bezeichnet wurden, hat diese Bedeutung ganz gewiß nicht. Sie brauchten nicht darben, fie hatten Schmud, schöne Kleider und ein freudvolles Dasein. Nach Armenierinnen und Griechinnen bestand immer wenig Nachfrage, obwohl auch im Leben der jungen Mädchen dieser Völker der zukünftige Mann die einzige Rolle spielte.
Bislang wurde die Brautwerbung so gehandhabt, daß die Verwandten die Ehepartner ausfuchten. Der Brautwerber schickte als Abgesandte feine Mutter, seine Tanten oder feine ältere Schwester ( Abla), die sich für ihn die Zufünftige ansahen. Der Mann sollte die Frau vor der Ehe überhaupt nicht sehen, doch wußte man dieses Gebot zu umgehen. Die Auserwählte ging mit der Schwester oder den Freundinnen zu einer bestimmten Zeit nach irgendeinem Ges schäft oder verabredeten Ort, was dem jungen Mann heimlich mit geteilt wurde, der sich auch dort einfand. Unter irgendeinem Bor. wand schlug dann das junge Mädchen den Schleier zurück, wodurch dem Neugierigen die Gelegenheit geboten wurde, das Gesicht zu be trachten. Diese Schwierigkeiten fielen auf dem Lande fort, wo die Paare meistens offiziell, d. h. bei der Arbeit, Gelegenheit hatten, sich zu fehen. In den vornehmen Familien war die Heirat unter Bettern fehr verbreitet. Die Wahl fiel meistens auf die Jugendgespielin, die der Mann von Kindheit auf tannte. Diese 3n3ucht hat natürlich teine guten Folgen gehabt. Im Gegenteil, sie degenerierte die Ober. schichten des Orients.
Sehr leicht ist den islamischen Bölkern die Ehescheidung gemacht. Sie fonnte bislang durch einen Ausfpruch des Mannes vollzogen werden. Trotzdem wurde von der Chefcheidung, außer in den gebildeten" Schichten, höchst selten Gebrauch gemacht. Der Mann, der seine Frau verstieß, bekam nicht leicht eine zweite Ehegenoffin. Schon bei der Hochzeit muß der Muslim, feinen Vermögensverhältnissen entsprechend, der Frau ein Gelbgeschent machen, dessen Berwaltung ihr zusteht, damit sie auf jeden Fall gedeckt ist. Für gewöhnlich übernimmt der Bater die Verwaltung des fraglichen Betrages, wodurch der Europäer zu der irrigen Annahme fam, daß der Muslim seine Frau als Stlavin faufe. Bei der Chefcheidung büßt felbstredend der Mann dieses Geschenk ein, außerdem muß er für die Rinder zahlen, die bis zu ihrem zwölften Jahre der Mutter gehören. Der Islam räumt der Mutter eine ganz bedeutende Ehrenstellung ein. Die Drientalinnen sind alle sehr, sehr gute Mütter, bie mit einer nahezu närrischen Liebe an ihren Kindern hängen, die fie oft zwei Jahre und länger selbst nähren. Trotzdem läßt die rein förperliche Behandlung der Kinder nach europäischen Auffaffungen oft mehr als alles zu wünschen übrig. An Stelle der Wiege benutt man im Orient die Hängematte, in welcher der arme Säugling gewöhnlich von der ältesten Schwester derart gefchaufelt wird, daß nur eine ganz gefunde Konftitution folche Strapazen überstehen fann. Wie überall ist im Orient die Kindererziehung sehr ver schieden. In Konstantinopel , der ehemaligen Hauptstadt, war die Erziehung sehr weich, in Anatolien dagegen sehr hart. Der reiche Türfe bevorzugt europäische Erzieherinnen, vornehmlich Französinnen. Auf eine solche Erzieherin ist die ganze Familie stolz, man läßt die Kinder gar zu gerne pruntend mit der Erzieherin photographieren, doch ist die soziale Lage dieser Erzieherinnen feineswegs beneidenswert. Erna Büsing
Die afghanische Sklavin.
Wir brachten vor einigen Tagen im Hauptteil die Nachricht, daß eine deutsche Frau, die einen Afghanen geheiratet hatte, nach dessen Tode in Afghanistan als Gtlavin verkauft werden follte.
Die Tatsache, daß eine deutsche Frau, die ihrem afghanischen Ehemann nach Afghanistan gefolgt war, nach dessen Tode als Stlavin verkauft werden sollte, weil sie durch die Heirat afghanische Untertanin geworden war, beleuchtet grell ein internationa les Frauenproblem, dessen Lösung notwendig erscheint. Echon bei Ausbruch des Krieges trat dieses Problem in den Bordergrund, denn damals wurden deutsche Frauen, die ausländische, den damals feindlichen Nationen zugehörige Männer geheiratet hatten, als feindliche Frauen behandelt, obwohl sie oft genug Deutschland noch nie verlassen und ihr neues Heimatland nie gesehen hatten. Da gegen wurden englische und französische Frauen deutscher Männer als Deutsche behandelt, wenn sie vielleicht oft ganz deutschfeindlich gefinnt waren. Entsprechend erging es auch den Frauen der anderen friegführenden Länder. Schon damals war man sich darüber flar, daß der Frau höchftes Unrecht geschehe, wenn sie genötigt fei, die Boltszugehörigteit ihres Mannes anzunehmen. Der Fall der afgha nischen Sklavin zeigt, wohin diese Geseze führen können, denn die junge deutsche Frau, die sich nach dem Tode ihres Mannes mit großer Liebe nach ihrer deutschen Heimat sehnte und hierher zurüc fehren wollte, ist nur badurch dem schrecklichen Lose ausgefekt gewesen, als Stlavin verkauft zu werden, da sie durch die Heirat ihre deutschen Staatsbürgerrechte verlor und Afghanistanin wurde mit allen den Folgen, die die Frau bei halbwilden Bölkern auf fich nehmen muß. Gerade in der heutigen Zeit des Schnellverkehrs, der durch Luftschiff und Flugzeug gefördert wird und die Bölker einander näherbringt, ist es leicht möglich, daß Angehörige erotischer Bölker europäische Frauen heiraten, zumal bet der großen Untenntnis, die allenthalben über die asiatischen Bölfer herrscht, die europäischen Frauen nicht wissen, welche Gefahren sie auf sich nehmen, wenn sie fremde Männer heiraten. Nur eine inter. nationale gefehmäßige Regelung dieser Frage ist imstande, ähnliche finnlose und unwürdige Vorkommnisse zu verhin dern. Es ist nicht einzusehen, warum die Frau die Volkszugehörig. teit des Mannes gegen ihren Willen annehmen muß. Man gebe ihr völlige Entschlußfreiheit. Dann trägt sie allein die Verantwor tung, aber sie fann nicht in eine Lage geraten, die allen unseren Anschauungen von Kultur Hohn spricht. Der Völkerbund möge sich der Sache annehmen und den Frauen der Welt eine Freiheit bringen die notwendig ist.