tein rein medizinisches, sondern ein komplexes Problem sei, das eine Gliederung der Beratung nach medizinischen, juristischen, sozialen und rein menschlichen Gesichtspunkten notwendig mache. Die Herren Medizinmänner wollten durchaus unter sich bleiben, was ihnen auch gelang.
Die soziale Errungenschaft der Ehe- und Segualberatung ringt fich durch Standesvorurteile und Standesinteressen müheselig emport 5. S.
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dort farblos eingefauert in das farblose Gestein. Man nimmt die Rucksäcke auf und steigt aus. Ein paar Schritte und man steht auf einer hohen Brücke. In der Tiefe rauscht, braust, schäumt, wirbelt, tobt die weißlich- grüne Neretwa. Der Sturm beutelt, als wollte er einen hinabreißen in die wilde Lebensader dieses wilden Landes. und man wehrt sich kaum, die Seele ist wie gefangen von Magie. Weißlich das Wasser und weißlich getürmt die zerrissenen Ufer, weißlich das Mauer- und Dächergewirr der schlafenden Stadt und wie schimmernde Finger aufgeredt in die Nachtkulissen der Berge und das Nachtgewölf des Himmels eine Unzahl nadelspizer
Die Säuglingssterblichkeit in Preußen. Minaretts. Fremde, finnbannende Welt! Orient. Schwer hängt
Die Statistische Korrespondenz", das amtliche Publikationsorgan des Preußischen Statistischen Landesamts, gibt eine höchst interessante Uebersicht über die Säuglingssterblichkeit in Preußen von 1901 bis 1923.
Bon 100 Lebendgeborenen starben im ersten Lebensjahr: Zwischen 1901 und 1911..
1912 Dann 1919
1918.
"
1920
ón
1921
1922
1923
16-20 13-17
•
13,14 13,42
13,41
12,91
13,18
Aus dieser Statiftit geht hervor, daß bis 1905 eine schwankende, aber im Mittel stets gleichbleibende Säuglingssterblichkeit vorhanden war, seitdem aber eine taum unterbrochene Sentung festzustellen ist. Auch in den letzten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts hatte die Säuglingssterblichkeit in Preußen nur wenig geschwankt, sie betrug Jahr für Jahr ungefähr 20 Proz., und auch noch das erste Jahrfünft des neuen Jahrhunderts brachte fein Anzeichen einer ausgesprochenen Entwicklungsrichtung. Bon da an aber fallen die Zahlen in einem vorher nicht beobachteten Ausmaße, abgesehen von dem übermäßig heißen Jahre 1911.
Wenn man nach den Gründen für diese auffällige Entwicklung fucht, so wird zu sagen sein, daß wahrscheinlich verschiedene Ur fachen in gleicher Richtung gewirkt haben: einmal die energische Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit durch Aufklärung der Mütter über eine sachgemäße Behandlung der Kinder, die immer weitere Verbreitung der Gitte, zum Zweck der Entbindung eine Kranten- oder Entbindungsanstalt aufzusuchen, und die vermehrte Rückkehr zum Selbststillen, zum anderen aber die ziemlich gleichzeitig eintretende Geburtenabnahme, die mit einer vergrößerten Fürsorge für die Lebenden verbunden war.
Trogdem fann man im Vergleich zu anderen Ländern des gleichen Kulturkreises unsere heutige Säuglingssterblichkeit nicht als niedrig bezeichnen; z. B. hatte Dänemark in den Jahren 1913 bis 1922 eine solche von 7 bis 10 Proz., Schweden von rund 7 Broz., Norwegen 6% bis 5% Broz., England etwa die gleiche wie Dänemark , Frankreich eine unter 10 Proz.
Die Sterblichkeit der männlichen Säuglinge war immer, und zwar stets ungefähr im gleichen Ausmaße, größer als die der weiblichen; in der Nachkriegszeit betrug sie etwas über 14 Proz. gegen rund 12 Proz. der Lebendgeborenen.
Die Sterblichkeit der unehelichen Säuglinge war 1912 und 1913 fast doppelt so hoch wie die der ehelichen; in der Nach triegszeit verschlechterte sich das Verhältnis noch mehr, im Vergleich mit früheren Jahrzehnten ist die Sterblichkeit der unehelichen Säug linge jedoch ebenfalls ganz beträchtlich gesunken.
Die Sexualberatungsstellen des Bundes für Mutterschuß ertellen unentgeltlich Rat und Hilfe bei Eheschwierigkeiten, Sexualstörungen und für Geburtenregelung. Sprechstunden Montags von 7 bis 8 Uhr abends im Gesundheitsamt Am Urban und Donnerstags von 7 bis 8 Uhr abends im Gesundheitsamt An der Schillingsbrüde 2.
Die Frauenpreffe. Das neue Beitungswissen schaftliche Institut der Universität Heidelberg " legt eine Sammlung der gesamten in- und ausländischen Frauen presse an mit besonderer Berücksichtigung der politischen Frauenzeitungen und zeitschriften.
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Dalmatien , Bosnien , Serbien , Herzegowina, Albanien fagenhafte Länder. Nichts weiß der Durchschnittseuropäer von ihnen, als daß sie auf dem Baltan liegen, daß Desterreich sie großenteils einst zu seinem Herrschaftsbereich zählte, daß sie heute zu einem selb ständigen Königreich Jugoslavien zusammengeschlossen sind. Eine Ahnung von sehr fremder Landschaft, von sehr zivilisationsfernen Menschen, von Gefahr und Abenteuer lockt zu einer Fahrt in jene Gegenden.
Und der Spürsinn hat gut geführt. Gemischt gleichsam aus einem Shakespearschen Drama, einer italienischen Romanze und einem Märchen von Tausend und Eine Nacht, so erlebt man dies Land. So erleben wir Mostar .
Mondfezenhelle Sturmnacht. Es heult und reißt an den kaum erleuchteten gebrechlichen Eisenbahnwagen. Man bangt, von dieser schwindelnden Steinhöhe hinabgeschleudert zu werden in das schimmernde Wasser tief unten. Der Zug friecht winzig, endlos durch das gigantische Land. Schließlich ein paar erleuchtete Fenster, dann mehr; ein Stationsgebäude: Mestar. Erbärmliche Hütten, da und
der Mond im Firmament, wie Aladins Wunderlampe....
Und in dieser Stadt sollen noch Frauen sein, die ihr Leben lang den schwarzen Schleier vor feinem fremden Männerauge gelüftet haben. Seltsam, wie seltsam. Hebbels Gygesdrama spukt in dieser Nacht durch den Traum.
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Frühmorgens trete ich auf die Straße. Die verschleierten Frauen laffen mir nicht Rast. Ich muß sie sehen, eine einzige. Ich fann sonst nicht glauben, daß diese unheimliche Sage Wirklichkeit ist. Ich gehe durch die Straßen. Staubweiß südländische Häuser. Türkenmänner in weit gepluderten Hosen, mit buntem Schal um die Landen, den dunkelroten Fez überm fupfernen Angesicht. Meine Esel mit unwahrscheinlich schweren Lasten bepackt. Ein paar orthodore Bosnierinnen in ihrer fleidsamen bunten Tracht. Ich achte kaum darauf: denn ich warte. Jäh stürzt das Auge in erschrecktes Staunen: Dicht vor mir biegt aus einer Seitengasse eine Gestalt mit einem scheuklappenartigen Haubenaufbau ein. Von oben bis unten ein formloser dunkler Sack. Unsicher tastet der Blick, wo Kopf, wo Arme zu suchen seien. Wüßte man nicht aus Erfahrung, daß der Mensch vorwärts geht, man würde irre, was an der Gestalt Border, was Rückseite ist. Das dunkle Gespenst kommt mir entgegen, richtet die Haube auf mich zu. Ein schwarzes Tuch darunter läßt mich erraten, wo das Antlig zu finden wäre. Mich packt das rätselnde Grauen, das uns auch die Larve beim Mummenschanz aufzwingt. Ich grabe mich in das schwarze Tuch ein: Was, was für ein Menschenantlig ist dahinter verborgen?.. Eine Aphrodite oder ein Spaßenschred," schießen mir Hermann Wendels saloppe Männerworte durch den Kopf. Ein müdes Altmuttergesicht? Ein sehnfüchtiges Jungfrauenantlig? Ein böses, ein trauriges, ein frohes, vielleicht jubelndes Angesicht? Nein! Froh können Menschen in so schwarzem Gefängnis nicht aussehen. Bleich gewiß, wie Kellertiere, die niemals Licht bekommen. Sonnenfremd, bewegungsfremd, weltfremd, lebensfremd nur leidwissend. Ja, so müssen diese Gesichter sein. Einmal- später sah ich auf einem Bahnhof eine vornehme ältere Dame mit einem Offizier im Gespräche stehen. Wie mit einem Schlage wußte ich gewiß: Diese Frau ist lange unterm Schleier gegangen: so müssen die Verschleierten aussehen und nur so tönnen sie aussehen.
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Wie sich
Die Mohammedanerin ging vorüber und andere famen. Bornehme mit Mänteln aus feinem Tuch, Arme mit geflicktem, grobem Mantelzeug und ganz Arme, die nur Lumpen um Kopf und Schultern geschlungen hatten. Aber das schwarze Tuch fehlte nirgends. Ich lernte auf Gang und Füße achten. Es ist wohl möglich, daß der türkische Mann eine Feinkunst der Enträtselung aus diesen Symptomen lernt. Einmal ging eine Verschleierte, eine Türkin, mit einer unverschleierten Orthodoxen vorüber. solcher Kontrast wohl im Gespräch zwischen Freundinnen, Nachbarinnen und im Lebensgefühl auswirkt? Bisweilen gleiten feltsame Mischerscheinungen vorüber: Ein junges Ding in furzem, eng anliegendem Kostüm, Seidenstrümpfchen, Stöckelschuhen, aber den schwarzen Schleier vorm Gesicht. Eine Frau fogar, die lächelnd den Schleier lüftet, als sie das forschende Auge meiner Begleiter auf sich gerichtet sieht. Die allermeisten aber wandten sich abweisend weg, sobald sie den prüfenden Männerblick verspürten.
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Auf einmal fühlte ich Glück und Beschämung mischten sich verwirrt wie ich selber sonnenbraun, im leichten, freien Kleide, marschgewohnt und sportgestählt dahinging, rechts einen Wanderfameraden und links einen Wanderkameraden neben mir. Blizzhaft stieg mir der geftrige Tag ins Gedächtnis, wo ich stundenlang im Badeanzug zwischen hundert Männern und Frauen die Südsonne genossen hatte, bald mit den Wellen der Adria um die Wette springend, bald lässig im Sande hingestreckt. Und der Hörsaal huschte durch mein Erinnern, wo wir Student und Studentin bei der Arbeit saßen, und die Anatomie, wo wissenschaftliche Forschung keine Brüderie duldete. Und fröhliche Abende fielen mir ein, wo die Kirmesmufit zum Tanz aufspielte.
... Und hier schlägt ein Bruder seine Schwester in den Nacken, damit sie ohnmächtig zu Boden stürzt, nur weit Soldaten, die in militärischem Auftrag über die Mauer geklettert sind, sie underschleierten Antliges im Garten haben spazieren gehen sehn.
Unausdenkbar grausames Schicksal, als Weib unter diesem Kulturstrich geboren zu sein, doppelt grausam im 20. Jahrhundert, wo in Europa die letzten Fesseln von der Frau abfallen. Nur die Absperrung vom fremden Mann soll bezweckt werden; erreicht wird hier aber die Absperrung von Licht und Luft, von Frische und Gesundheit, pon Freiheit, Freude und geistigem Gut. Die Absperrung vom Leben wird erreicht. Wie lange mag sich diese phantastische barbarische Sitte in den entlegenen Bergwinkeln Jugoflawiens noch halten, nachdem im eigentlichen Mohammedanerland, in der Türkei , fchon Gefängnisstrafe steht auf Verschleierung? Wann mag die letzte Mohammedanerin die letzte Frau auf Erden bes Auge schließen, das nie ein fremder Männerblick erschaut hat? Lilli Mölting.
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