Frauenstimme
Nr.11 45.Jahrgang
Beilage zum Vorwärts
26. Mai 1928
Parteifieg- Frauenfieg!
Das Ergebnis des 20. Mat tam nicht unerwartet, Miß wirtschaft des Bürgerblocks, unermüdliche intensive Klein arbeit, die der Partei geleistet worden ist, mußten ihre Wirkung ausüben. Dennoch haben wir alle wieder frohe Augenblicke der Genugtuung, ein Aufflammen unseres un erschütterlichen Glaubens an den Vormarsch des Sozialismus empfunden, als Wahlkreis um Wahlkreis die Zahlen meldete und es selbst in den dunkelsten Gegenden des Reiches heller geworden war! Wenige Tage vor der Wahl hat einer unserer stärksten Arbeiterdichter, Bruno Schön. lant, den Frauen zugerufen: Unser'n Fahnen sei der Sieg! Rüttelt auf, was bang und lau! Aller Knechtschaft Kampf und Krieg! Kämpft und sieget, Mann und Frau!"
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Nun wir haben gemeinsam getämpft, gemeinsam gesiegt. Ein Beweis dafür, unter vielen, ist auch der erfreulich steigende Anteil der Sozialdemokratischen weiblichen Abgeordneten im im Reichstag, wie Landtag.
fie für eine Arbeiterpartet, die doch die weibliche Gleichberechtigung vertritt, einen ungeheuerlichen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis. Auffallend, aber nicht verwunderlich ist der große Anteil, den gerade unter den Frauen der Lehrberuf in die Parlamente entsendet. Ihm entstammen im Reichstag 12, im Landtag fogar 16 weibliche Abgeordnete. In jeder unseren beiden Fraktionen entstammen 4 Genossinnen dem Lehrberuf, allein 3 der neuen Reichstags
Ein Glückwunsch der Wiener Frauen.
An das
abgeordneten. Bei der Fülle unserer verschiedenartigen Aufgaben werden sie wertvolle Dienste leisten entscheidende Fragen der Er ziehung, der Jugend, der Schule sind in unserem Sinne zu verfechten und zu bearbeiten! Die langjährigen Barlamentarierinnen, die fast vollzählig wieder eingezogen sind, haben sich großenteils Spezialisiert. Strafrecht, Bevölke rungspolitif, Sozialgesetzgebung mit all ihren Unterabteilungen, nament lich den besonderen Fragen der des Mutter- und Kinderschutes, Zoll- und Handelsfragen, Schule und Erziehungswesen, Kulturfragen fanden auch unter den Frauen verständnisvolle Bearbeiterinnen. Nun haben Reichstag wie Landtag wertvollen Zuwachs an Genoffinnen erhalten. Wir nennen für den Reichs tag insbesondere Anna Siem. sen, Universitätsprofeffor in Jena , eine Frau, auf die wir stolz sein dürfen und bei der großes Wissen und Fachfönnen einhergeht mit starter politischer Empfindung, mit feiner Einfühlung in das Wesen des Broletariats eine Gabe, die lei. der nicht allen Gelehrten zueigen ist. Für den Landtag sei vor allem Genoffin Hedwig a chenheim genannt, Regierungsrat im Ministerium des Innern, die namentlich durch ihre rege Tätigkeit für die Arbeiterwohlfahrt allen bestens bekannt ist.
Die Plenarversammlung der weiblichen Vertrauenspersonen der sozialdemokratischen Partei Wiens, die am 21. ds. stattfand, übermittelt Ihnen zu dem Wahlsieg des 20. Mai die herzlichsten Glückwünsche. Wir freuen uns über den Fortschritt, den die SPD.gemacht hat. Hoffentlich gelingt es den Proletariern in den nächsten zehn Jahren die Mehrheit im Deutschen Reichstag zu erringen. Mit diesem Schreiben grüßen Sie, werte Genossinnen, 137 C00 Frauen Wiens, die in der sozialdemokratischen Partei organisiert sind.
Kurz vor der Reichstagsauflösung hatte die große Zusammenfaffung der bürgerlichen Frauenbewegung, der Bund Deut. scher Frauenvereine" eine Aftion unternommen, um bet allen Parteien für eine stärkere Beteiligung der Frauen an den Mandaten einzutreten. Dieser Vorstoß war den bürgerlichen Parteien gegenüber durchaus nüzlich und berechtigt. Go weit es sich um die Sozialdemokratie handelt, hat sich aber erfreulicherweise die Anschauung bewahrheitet, baß hier eine solche Mahnung entbehrlich set, und daß die Partet bereit ist, aus den Forderungen ihres Programms auch die praktische Nutzanwen bung aus eigener Erkenntnis zu ziehen.
Mit besten Parteigrüßen
M. Bock
Vorsitzende des Wiener Frauenkomitees
20 Parlamentarierinnen unter 152 Reichstagsabgeord neten, 19 unter 136 Landtagsabgeordneten der SPD. ge hören den neugewählten Körperschaften an, der Prozentjak ist also gestiegen. Er wird bei anderen Parteien nur in einem einzigen Fall erreicht resp. fogar übertroffen: bei der Landtagsfraktion des Zentrums, die unter 69 Mit gliedern 9 Frauen aufweist, während die Reichstagsfraktion mit 3 Frauen unter 62 Mandaten nicht gerade rühmlich abschneidet.
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Im ganzen ist der Frauenanteil im neuen Reichstag, soweit die zurzeit noch nicht amtlich bekanntgegebenen Resultate richtig sind, bet faft allen Barteien außer der unferen gefallen. Den 20 Sozialdemokratinnen stehen bei fämtlichen übrigen Fraktionen mit 398 Abgeordneten nur 13 Frauen gegenüber!! und zwar 2 unter 73 Deutsch nationalen, 3 unter 62 3 entrumsmitgliedern, 2 von 45 der Deutschen Volkspartei , 2 unter 25 Demokraten, 1 unter 16 Bayerischer Bolts partet, 3 unter 54 Kommunisten. Da diese auch im Bandtag von 56 Mandaten nur 2 Frauen einräumten, zeigen I
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Die Frauen werden es auch diesmal wie bisher im Barlament nicht fehlen lassen an Energie, Fleiß, Ernst und Begeisterung, getragen von dem Bewußtsein, daß unsere Frauenideale fich decken mit denen der Partei. Aber unsere Begeisterung hindert nicht offene Stritit, nicht das Einbefennen der Tatsache, daß selbst bei uns noch manches gebeffert werden kann und muß. Während einzelne Wahlkreise Frauen an erste, andere an ganz sichere Stelle der Liste fehten, während ein Wahlkreis nun schon zum zweiten Male sogar zwei Frauen in den Reichstag , ein anderer zwei in den Landtag entfandt hat, finden wir immer noch Wahlfreise, die unter 4, 5, 6, ja 7 Mandaten feines der Frau gaben. Dies zu überwinden gibt es einen sicheren Wegnun erst recht Arbeit für die Partei. Es gilt den Beweis zu führen wie unentbehrlich unsere Mitarbeit im Barlament, wie auch in der Frauenagitation des Wahlfreises ist. Wir sind ebensosehr Gebende, wie Nehmende, in fruchtbarer Wechselwirkung: die Frauen für die Bartel- die Partei für die Frauen! Adele Schreiber , M. d. R.