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Frauenstimme

Nr.442.3abraang

Beilage zum Vorwärts

13. Februar 1930

Gewerkschaften und Doppelverdiener.

Das unheimliche Anschwellen der Arbeitslosigkeit hat die Frage der Erwerbsarbeit der verheirateten Frauen dringlich gemacht, sie hat der arbeitenden Ehefrau den anrüchigen Namen Doppelverdiener" gegeben, eine Bezeichnung, die eigentlich auf einen Erwerbstätigen mit zwei Einnahme­quellen geprägt worden war. Schon im Namen äußert sich ber Vorwurf, der sich bis zu der Forderung nach gefeß ( ichen Sondermaßnahmen gegen die Arbeit verheirateter Frauen verdichtet hat. Ein charakte ristisches Beispiel, wohin diese verständliche Verbitte rung führen tann, war eine anonyme Zuschrift in einer Diskussion des Abend", die ein Gesetz verlangte, das ein Mindestgesamtverdienst( der Schreiber meinte Höchstgesamt­verdienst!) von vielleicht 200 Mart für finderlose Eheleute beantragt", über das hinaus keine verheiratete Frau durch Arbeit verdienen darf!

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Nun könnten außerordentliche Zeiten außerordentliche Maßnahmen rechtfertigen. Die ungerechte Verteilung der Arbeitspläge: auf der einen Seite Familienväter ohne Brot für ihre Familie auf der anderen Seite verheiratete Frauen, die in manchen Fällen vielleicht nicht lediglich um das allertäglichste Brot arbeiten diese Situation der kapita­ listischen   Wirtschaftslage läßt es denkbar erscheinen, daß ein Mittel zur Linderung der Arbeitslosigkeit darin liegen tönnte, bie von den Ehefrauen besetzten Arbeitspläge freizumachen. Keineswegs fann aber in der Zahl solcher Ehefrauen Arbeitspläße" die Ursache der großen Arbeitslosigkeit gesucht werden. Wer den Zusammenhängen tiefer nachgeht. wird finden, daß die Wirkung auch umgefehrt sein tann: die Statistik der Arbeitsämter beweist, daß gleichzeitig mit dem Anschwellen der Arbeitslosigteit bei ben Männern das Arbeitsangebot ber ver heirateten Frauen ansteigt. Die Entlassung des Familienvaters zwingt die Familienmutter, in die Bresche zu springen. Es scheint noch immer die Auffassung verbreitet, daß Männerlöhne Familienlöhne sind, dagegen Frauenlöhne persönliches Laschengeld für Lurusbedürfnisse".( Warum gestehen die so Denkenden dann den im Hause ihrer nicht arbeitslosen Bäter lebenden Jugendlichen mehr Recht auf einen Arbeitsplatz zu als gerade der Ehefrau?) Die Aus­weisung der verheirateten Frauen aus den Betrieben würde übrigens nicht nur klar gegen die Reichsverfassung verstoßen, sondern auch der sozialistischen   Grundauffassung ins Gesicht schlagen. Die Brüfung der Frage, ob die Ausweisung der Frau" ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit sein könnte, muß von selbst zu einer Untersuchung über die Ursachen der Erwerbsarbelt verheirateter Frauen führen, und ferner zu einer Prüfung der Folgen, die aus solchen Aus­nahmebestimmungen erwachsen würden.

feiner Sigung vom Oktober in Amsterdam   eingehend mit der Frage der Erwerbsarbeit der verheirateten Frau beschäftigt. Der Internationale Gewerkschaftsbund   veröffentlicht nun soeben als seine offizielle Stellungnahme einen zusammen­fassenden Bericht, dessen Inhalt wir nachstehend im Auszug wiedergeben.

Durch welche Gründe werden verheiratete Frauen ver anlaßt, Erwerbsarbeit zu verrichten? Alle eingeholten Gut­achten und Aeußerungen unterstreichen, daß die meisten verheirateten Frauen durch die Not gezwungen werden, Erwerbsarbeit zu verrichten, so daß von einer Doppeleristenz feine Rede sein kann. Diese Gutachten sind in erster Linie von den führenden Frauenreferentinnen der Gewerkschaften der einzelnen Länder erstattet: vor allem von Gertrud Hanna   vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts­ bund  , von Helene Burniaug vom Belgischen Gewerkschafts­bund, Julia Barley, einer Spezialistin des Britischen  Gewerkschaftsbundes, William Green, dem Präsidenten des Amerikanischen Gewerkschaftsbundes, Miß Anderson, einer amerikanischen   Spezialiſtin, endlich vom Frauenbüro der Vereinigten Staaten  . Das Büro für Arbeitsstatistik der USA  . machte mit einer Erhebung an 12 000 Familien die charakteristische Feststellung: In Städten, wo die Durch schnittslöhne der Ehemänner den durchschnittlichen Ausgaben für den Lebensunterhalt gleichkommen, arbeiten 6 Proz. der Ehefrauen. In Städten, wo die Durchschnittslöhne der Ehe­männer zwischen 50 und 150 Dollar unter den durchschnitt­lichen Lebenshaltungskosten stehen, arbeiten 9 Broz. der Ehefrauen, in Städten, wo die Löhne 150 bis 200 Dollar unter den Lebenshaltungskosten stehen, 12 Proz, und in Städten mit 250 bis 300 Dollar unter den durchschnittlichen Unterhaltskosten liegenden Löhnen der Ehemänner sogar 20 Broz. der Ehefrauen. Diese Staffel zeigt klarer als jede Diskussion die wahren Ursachen der Erwerbsarbeit der Ehefrauen.

Der Bericht des JGB. betont ausdrücklich, daß die freien Gewerkschaften stets für das Recht jedes Menschen auf Arbeit, für die Gleichstellqung von Mann und Frau im Wirtschafts­leben, für das Recht jeder Frau, selbst ihren Platz in der Gesellschaft zu bestimmen, eingetreten sind. Ein Verbot der Arbeit der verheirateten Frau würde bireft gegen die Grundsäge der freien Gewerkschaftsbewegung verstoßen. Ein solches Berbot fann sich in den allermeisten Fällen nicht auf Gerechtigkeit stützen, da die meisten Ehefrauen aus Not er­werbstätig sind. Aus den Familienpflichten der verheirateten Frau tann die Gewertschafts­bewegung niemals ein Recht herleiten.[ ie einem Ausnahmegesez zu unterstellen, bas geegn das anerkannte Prinzip der Gleichberechtigung der Frau verstoßen würde. Ein gefeßliches Berbot müßte fo viele Ausnahmen zufassen, daß von dem Gefeß und seiner Die Dringlichkeit dieser Frage geht vor allem die Ge Ansicht nicht viel übrig bliebe: denn es dürfe sich nicht, auf wertschaften an. Wie sollen sie sich in der gegen die Frauen in den Betrieben beschränken, es müßte auf die wärtigen Situation im Hinblick auf die herrschende Arbeits- Heimarbeiterinnen ausgedehnt werben, ferner auf Töchter losigkeit in allen Ländern verhalten? Man soll doch einmal gutgestellter Eltern und schließlich auch auf Männer mit in Partei und Gewerkschaftskreisen den Mut aufbringen, zu solchem Vermögen, daß sie teiner Erwerbsarbeit nachgehen erklären, daß damit die Arbeitslosenfrage nicht zu lösen ist," brauchen. Nach Gertrud Hannas langjährigen sachkundigen schrieb eine Genoffin vor einer Woche in der erwähnten Beobachtungen hat es sich gezeigt, daß gerade die Ehen Diskussion des Abend". Diesen Mut haben die Gewert die besten sind, wo Mann und Frau gleich. fchaften aufgebracht: das Internationale gemertzeitig arbeiten. Ein Verbot der Arbeit der Ehefrauen schaftliche Arbeiterinnentomitee hat sich in fönnte zur Folge haben, daß weniger Ehen geschlossen und

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