Für unsere Kinder55„Was wünschen Sie von mir. mein Herr?Für was Halle» Sie mich eigentlich? Ich bineine feste, ehrbare Natur. In meiner Äindheithabe ich zwar heiße Schicksale durchlebt; dieaber haben mir eine gute Form und Haltunggegeben. Was sind Sie dagegen? Sie treibensich in der weilen Welt herum, ohne feste An stellung und sicheres Auskommen. Sehen Siesich den Schornstein da drüben an, der ausSlein ist und seine hohe Stellung zu behauptenversteht!" Jetzt machte sich die Jalousie, das Kammer fräulein der Fensterscheibe, durch Klappernvernehmlich. Sie war dem Winde nämlichgeneigt und deshalb eisersüchtig auf ihre Herrin.„Übereilen Sie sich nicht. Bester. Sehen Sienicht, daß die Gnädige bereits Runzeln imGesicht hat."Zufällig vernahm die Fensterscheibe dieseWorte. So heftig ärgerte sie sich, daß derHolzrahmen, in dem sie saß, krachte und knarrte.„Wollen Sie wohl schweigen," rief sie er bost aus. Sie ungeschliffenes Ding! Was sindSie ohne mich?— Nichts. Ich bin durch sichtig, das ist die Hauptsache. Das größereAuge des Menschen bin ich, die Scheidewandzwischen zwei Welten, der inneren und deräußeren. Will man die beiden in Verbindungsetzen, stets muß man sich zunächst an michwenden. Wie gesagt: ich stehe hoch über Ihnenund Sie haben mir zu gehorchen und zuschweigen." Damit endete sie. Bald darauf kam derWind wieder, um seinen letzten Antrag zumachen. Er hatte unterwegs einen wunder schönen Blumenstrauß gepflückt; nun huschteer ganz leise und voller Schüchternheit herbei.Aber ach! er stieß zuerst auf die Jalousie, diegerade in der warmen Sonne promenierte.Sie wollte ihn aushalten, er aber stieß siehastig beiseite und machte dann endlich derFensterscheibe seine Aufwartung. Lauter artige,wohlklingende Worte sagte er ihr, die er zuvorauswendig gelernt hatte: daß er sie nun dochseit einigen Tagen kenne; daß er mit ernstenAbsichten käme; daß sie beide überhaupt vor trefflich zusammenpaßten.„Oho, wir passen gar nicht zusammen," riefdie Scheibe, und trübe lief sie an vor heftigemÄrger und Stolz.„Wissen Sie nicht, daß ichmit dem Diamanten verwandt bin, der amköniglichen Hofe verkehrt? Bon Ihrer Familieaber habe ich nie etwas gehört. Mit Wolkentreiben Sie sich herum. Gebildeten Leutenwerfen Sie die Hüte von den Köpfen; währendich meine Grundsätze habe. Ich will nicht.Belästigen Sie mich nicht mehr. Das ist meinletztes Wort."Damit wandte sich die Fensterscheibe einwenig um und sah anderswohin. Der Windaber, der doch nun einmal so stürmisch vonNatur ist, war so erregt, daß er die Angebeteteplötzlich umarmte. Der Tollkopf! So überausfein war sie doch und so empfindlich. Nunschrie sie auf— dann zerbrach sie in tausendStücke, ein Teil von ihr stürzte hinunter inden Schmutz der Straße, ein kleiner Rest bliebnoch im Holzrahmen stecken.„Glück und GlaS,Wie leicht bricht das!"klapperte die Jalousie, schadenfroh und altklug.Aber der Wind kehrte mit gebrochener undverwilderter Seele zurück auf das Schloß. Alsob er die Frllhlingssonne ausblasen wollte,so jagte er durch den Himmel. Dann verkrocher sich einsam und beschämt in den Turm undheulte da jämmerlich über seine unglücklicheLiebe. Schwere Steine stürzten aus den rissigenWänden und das Lumpengesindel von Rabenund Krähen stob kreischend in die Höhe. DickeWolken jagten vorbei, und zischend schlugendie Meereswellen gegen die Felsen.O O oGeselliges Leben der Tiere.Ihr alle kennt wohl den Bären, habt ihnauf dem Jahrmarkts tanzen oder in der Me nagerie im Eisenkäfig wütend hin und hertrotten sehen. Gar manche Fabel erzählt vonseiner Ungeschicklichkeit und Plumpheit.. Er innert ihr euch, wie einmal ein Bär eineFliege von der Stirn eines Einsiedlers ver scheuchen wollte und einen großen Stein nachdiesem warf, so daß er mit der Fliege auchseinen armen Freund tötete? Oder auch wieder Bär so komische Versuche machte, sich denHonig zu holen, den er so gern schleckt? Zudem, was ihm nachgesagt wird, gehört auch,daß er für sich allein lebe, ein ungeselliger,griesgrämig brummender Bursche sei. Trotz dem dürft ihr nicht glauben, daß der Bärvon Natur aller Gesellschaft mit seinesgleichenfeind und ein unverbesserlicher— Brummbärist. In unbewohnten Gegenden, wo die Men schen auf ihn nicht Jagd machen, ist er ingroßen Trupps angetroffen worden. Der Ge lehrte Przewalsky erzählt zum Beispiel, daßer im nördlichen Tibet keinem Hochland Asiens)