58 ssür unsere Kinder aber nicht auf alle. Es gibt Gegenden der Erde, in denen seit Menschengedenken keine tätigen Vulkane mehr bestehen, und doch werden dies» Gegenden nicht selten von heftigen Erd- beben heimgesucht. Wo das der Fall ist, läßt sich also der Zusammenhang mit den vul kanischen Kräften nicht nachweisen. Aus diesem Grunde unterscheidet man vulkanische und tektonische Erdbeben. Die meisten Erdbeben sind vulkanischer Natur, und es ist eine bekannte Tatsache, daß in den Ländern, die tätige Vulkane besitzen, Erdbeben am häusigsten auftreten. Mit dem Ausbruch eines Vulkans sind stets mehr oder minder heftige Erschütterungen der Erdober fläche verbunden. Bei den tektonischen Erd beben dagegen bleiben die Vulkane, auch wenn sie in unmittelbarer Nähe des Bebens liegen, völlig ruhig. Das Erdbeben in Sizilien   scheint tektonischen Ursprungs zu sein, denn der Aetna  verharrt in Untätigkeit. Neuerdings berichten allerdings die Zeitungen, daß der Vulkan Clromboli aus der Sizilien   benachbarten Insel gleichen Namens sein« unheimliche Tätigkeit beginne; auch der Ausbruch des Stromboli ist von starken Erdbeben begleitet. Die Meinungen über die Ursachen der Erd beben werden so lange auseinandergehen, so lange der Zustand des Erdinnern noch völlig unbekannt ist. Nach der einen Meinung ist da? Innere der Erde feurig-flüssig; nach einer anderen ist es stahlhart; eine dritte Ansicht sucht zwischen jenen beiden zu vermitteln und nimmt an, daß das Erdinnere aus Hohlräumen besteht, die zwar von festen Schalen umschlossen sind, in denen aber flüssige Masse eingeschlossen ist. Soviel ist sicher: Die Kräfte, die seit der Abkühlung des Erdballs an dem Gefüge der Erdrinde arbeiteten, sind auch heute noch im Jnnern der Erde tätig, und verändern auch heute noch die Gestalt, die Tektonik ihrer Oberfläche; daher der Name tektonisches Erdbeben. Gewallige Erdmassen, Eisschollen vergleichbar, verschieben sich, es bilden sich ungeheure Risse und Hohlräume, die, wenn sie iu sich zusammenstürzen, furchtbar« Erschütte rungen der Erdoberfläche zur Folge haben können. Ursache» solcher Art scheinen also dem Erdbeben von Südilalien zugrunde zu liegen; scheinen, denn, wie gesagt, eS gibt hervor ragende Forscher, die bei allen Erdbeben vulkanisch« Kräfte als Ursache annehmen. Wie dem aber auch sei: Wir erkenne» an den fürchterlichen Wirkungen die alle Vor- stellung übersteigende riesenhafte Gewalt jener I Kräfte. Wie klein und hilflos erscheint ihnen gegenüber der.Erdbezwinger- Mensch! .Hoffnungslos Weicht der Mensch der GStterstSrkc.- Trotzdem ist gerade bei dem Erdbeben auf Sizilien   die Frage berechtigt: Wie hat daS Unglück diesen ungeheuren Umfang annehmen können? Der Kapitän des russischen Panzers .Makaroff- erzählt: .Wir haben Ruinen gesehen, nichts anderes. Es waren nicht einmal Menschengruppen am Ufer. Ein italienisches Schiff ist in einem Winkel des Hafens gesunken. Die Häuser scheinen noch alle zu stehen. In der Tat ragen jedoch bloß die vertikalen(senkrechten) Mauern empor, überall sind die Dächer und die Böden eingestürzt, und darin bestand die große Kata strophe. Deswegen sind so viele Menschen umgekommen. Man erschauert, wenn man daran denkt, daß bei sechs- und siebenstöckigen Häusern, beim Dach beginnend, Stockwerk für Stockwerk die Decken einstürzten." Aus dieser Mitteilung geht hervor, daß die liederliche Bauart der Häuser sehr viel dazu beigetragen hat, daß das Erdbeben so entsetz liche Wirkungen hatte. Wie überaus wichtig die Bauart der Häuser in Gegenden ist, die von Erdbeben heimgesucht werden, das mußten die Bewohner von Messina   usw. wissen, wenn anders die grausige Geschichte der sizilianischen Erdbeben nicht spurlos an ihnen vorüberge gangen wäre. Es wird viel geredet und ge schrieben von der Trägheit und Stumpfheit ver süditalienischen Bevölkerung. Trägt sie die Schuld daran, daß die Lehren der Erd beben früherer Zeiten und anderswo nicht beachtet worden sind? Sehen wir zu! Jetzt eben, während Tausende hilfsbereiter Hände sich regen, um das entsetzliche Elend zu lindern, erleben wir, daß die Priesterschast, statt das unglückliche Volt darüber aufzutlären, wie es ähnlichen Katastrophen tatträftig begegnen könne, die von Hunger und Not halb wahn sinnigen Bewohner aus die toten Heiligen und das Jenseits vertröstet. Dasselbe Gebaren haben wir gesehen bei dem letzten Ausbruch des Vesuvs. Kein Wunder, daß das ungebildete Volk allmählich in jene tallose Ergebung in ein angeblich unabwendbares Schicksal ver sinkt, die bei toten Heiligenbildern Hilfe sucht. und davon abhält, daß jeder tapser Hand an legt, die Natur kennen zu lernen und die Zu stände zu bessern. Und warum ist das Volk unwissend und ungebildet? Weil die Schul verhältnisse in Italien   trostlos und unwürdig