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Lerchenkrieg.

Bon Ludwig Uhland  .

Für unsere Kinder

Lerchen sind wir, freie Lerchen, Wiegen uns im Sonnenschein, Steigen auf aus grünen Saaten, Tauchen in den Himmel ein." Tausend Lerchen schwebten singend Ob dem weiten, ebnen Ries, Daß ihr heller Ruf die Menschen Nicht im Bause bleiben ließ.

Aus der Burg vom Wallersteine Ritt der Graf mit seinem Sohn, Will für ihn die goldnen Sporen Solen an des Raisers Thron, Freut sich bei dem Lerchenwirbel Schon der reichen Vogelbrut; Doch dem Junter, ihm zur Seite, Süpft das Herz von Rittermut. Aus der Stadt mit grauen Türmen, Aus der Reichsstadt finstrem Tor In dem goldnen Sonntagmorgen Wandelt alt und jung hervor. Und der junge Rottenmeister Führt zum Garten seine Braut, Pflücket ihr das erste Veilchen Bei der Lerche Jubellaut. Diese lieben Lenzestage, Ach, sie waren schnell verblüht, Und die schönen Sommermonde Waren auch so bald verglüht. Lerchen sind wir, freie Lerchen. Nicht mehr lieblich ist es hier; Singen ist uns hier verleidet, Wandern, wandern wollen wir." Abendlich im Herbstesnebel

Ziehn die Bürger aus dem Tor, Breiten, richten still die Garne, Lauschen mit gespanntem Ohr.

Sorch! es rauscht, die Lerchen fommen, Sorch! es rauscht, ein mächt'ger Flug; Waffenklirrend in die Garne Sprengt und stampft ein reis'ger Zug. Ruft der alte Graf vom Rosse: " Silf, Maria, reine Magd! Silf den Bürgerfrevel strafen, Der uns stört die Vogeljagd!"

Ruft der junge Rottenmeister: Schwert vom Leder! Spieß herbei! Lerchen darf ein jeder fangen; Kleine Vögel, die sind frei."

Als der graue Morgen dämmert, Liegt der Junter tot im Feld, Über ihm, aufs Schwert sich stützend, Grimmig, stumm, der greise Beld. Zum erschlagnen Rottenmeister Beugt sich dort sein junges Weib, Mit den aufgelösten Locken Deckt sie seinen blut'gen Leib. Und noch einmal, eh' sie ziehen, Steigen tausend Lerchen an, Flattern in der Morgensonne, Schmettern, wie sie nie getan! Lerchen sind wir, freie Lerchen, Fliegen über Land und Flut; Die uns fangen, würgen wollten, Liegen hier in ihrem Blut."

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Von den Barbaren.

I.

Gesteht es nur, daß euch bei dem Worte Barbaren  " eine Gänsehaut überläuft. Ihr wißt, daß man rohe, grausame Handlungen barbarisch zu nennen pflegt; so meint ihr natürlich, Barbaren   seien rohe Menschen, denen es eine Lust ist, blutige Kriege zu führen und die Mitmenschen entsetzlich zu mißhandeln, zu unterdrücken und auszurauben. Ei, wie bitter unrecht tut ihr damit den armen Bar­baren! Nicht Grausamkeit oder wilder Bluts burst hat ihnen diesen Namen eingetragen. Wir haben ihn von den alten Griechen über­nommen. In ihrer Sprache bedeutet das Wort Barbar soviel wie Fremdling oder Ausländer. Damit wurden alle bezeichnet, die nicht zum Bolte der Griechen gehörten. Der Ausdruck Barbar ist also von Hause aus nicht gleich­bedeutend mit grausamer und roher Mensch. Später allerdings, als die Griechen eine hohe Bildung erlangt hatten, galt in ihren Augen jeder als ungebildet und roh, der nicht von griechischer Herkunft war. Erst im Laufe der Zeiten hat das Wort Barbar seine heutige Bedeutung belommen. Die Gelehrten aber sehen von diesem Sinne ab, wenn sie als Barbarei eine gewisse niedrige Stufe der Ent wicklung bezeichnen, welche die Menschheit durchgemacht hat, und auf welcher manche Völkerschaften noch jetzt stehen.

Wenn man das Wissen der Barbaren mit dem vergleicht, was heute schon bei uns ein Volksschüler weiß, so waren die Barbaren