Für unsere Rinder
sicherlich sehr unwissend. Dagegen wußten sie viel, wenn man ihre Art, sich Nahrung zu verschaffen, fich des wilden Tieres oder des Feindes zu erwehren, ihre Lebensweise mit dem Zustand der Völkerschaften vergleicht, die auf einer meit niedrigeren Stufe stehen, wenngleich sie sich schon weit über das Tier erhoben haben. Wenn ihr mit euren Eltern Altertumsmuseen besucht, dann seht euch recht aufmerksam die alten Waffen an, die anfangs fast nur aus Holz, Stein oder Knochen und erst viel später auch aus Bronze oder Eisen verfertigt worden find. Schon die Form dieser Gegenstände zeigt, daß die Menschen gelernt hatten, sie immer zweckmäßiger zu gestalten. Wieviel mißglückte Versuche, wieviel erfolglose Anstrengungen mag es gekostet haben, ehe der Barbar imstande war, das ungefügige Metall, zumal das harte Eisenerz zu bearbeiten! Von den Blätterschirmen und Höhlen niedrigstehender Borden bis zu den hölzernen und steinernen Wohnungen der Barbaren , welch ein weiter, mühevoller Weg, welch ein Schatz an gesammelten Erfahrungen! Dasselbe fagt ihr euch, wenn ihr die aus Holz, Knochen oder Stein gefertigten, ganz einfachen Werkzeuge der Urzeit und rückständiger Stämme mit denen aus Bronze oder Eisen vergleicht, die ihr bei den Barbaren schon vorfindet. Welch eine Klust zwischen dem Grabstock und der Steinhacke, mit denen zuerst der Boden auf gelockert wurde, und dem glänzenden eisernen Pflug! Lange, lange aufmerksame und liebe volle Beobachtung der Natur hat den Menschen die hohe Kunst des Ackerbaus gelehrt. Die Barbaren brauchten nicht mehr sich mit Wurzeln, Früchten und Knollen zu begnügen, die der Zufall bot, mit Pflanzengaben der Natur, die roh verschlungen, an der Sonne gedörrt, oder auf dem Feuer geröstet werden. Die Getreidekörner zerreiben sie bereits zwischen zwei Steinen zu Mehl, aus dem sie dünnes Brot und allerlei Gerichte bereiten, und sie wissen auch schon auf einer frühen Stufe, daß es bessere Arten zur Aufbewah rung der Lebensmittel gibt, als die Eingrabung in Erblöcher. Sie flechten Körbe aus Schilf, die sie lernen, der besseren Haltbarkeit wegen, mit Ton zu umgeben und im Feuer zu härten. Sie erfahren später, daß diese Gefäße ohne das Geflecht ebenso haltbar und zweckmäßig find wie mit demselben. Mit einem Worte, die Kunst der Töpferei ist den Barbaren befannt und manche benutzen dabei schon die Drehs scheibe. Die Vervollkommnung der Töpferei,
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die euch vielleicht unwichtig erscheint, war für die Entwicklung der Kunst von großer Bes deutung; sie trug auch dazu bei, die Fürsorge für den kommenden Tag zu fördern und zu stärken und dadurch allerhand Erfindungen anzuregen. Einen großen Fortschritt zeigt ebenfalls die Kleidung der Barbaren . Diese schützten und schmückten ihren Körper nicht bloß mit Tierfellen, sondern auch mit selbstgewebten Stoffen, und in ihren Wohnungen gab es bereits selbstgefertigte Matten usw.
Was hat die Menschen vorwärts getrieben von Kenntnis zu Kenntnis, von Erfindung zu Erfindung? Die harte Not! Sie zwang zum Nachdenken, sie machte erfinderisch. Der nagende Hunger spornte die Menschen an, die Art zu schärfen, den Hammer zu verbessern, Pfeil und Bogen zu erfinden, mit dem sie die Tiere besser erlegten, die Wohnungen so zu bauen, daß sie vor Wind und Wetter, vor dem Eindringen wilder Tiere schützten. Den Überschwem mungen, die die mühevolle Frucht der Arbeit, Aussaat und Ernte vernichteten und die Men schen selbst damit dem Hungertod nahe brach ten, lernten sie mit Dämmen begegnen; gegen Dürre wehrten sie sich mit Bewässerungsfanälen. Die Not lehrte die Menschen aus den Tieren, die sie anfangs wahrscheinlich bloß zu ihrem Vergnügen hielten, dauernden Nußen zu ziehen, sie um ihres Fleisches oder ihrer Milch wegen zu züchten.
Was wir bei den Barbaren an Wissen und Fortschritten finden, hatten sie nicht im Handumdrehen erworben. Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende konnten vergehen, ehe an den Werkzeugen und Waffen, ehe in der Lebensweise der Menschen eine merkliche Veränderung sich vollzog. Ihre Waffen und Geräte waren auch nicht etwa an allen Orten zur selben Zeit die gleichen. Zwar haben sich auch die sogenannten Jägervölker mit von Pflanzenkost ernährt, und die Ackerbauvölker beschäftigten sich auch mit Viehzucht, wie umgekehrt die Viehzüchter ihrer feits sich ebenfalls mit Pflanzenbau befaßten, gerade Ackerbau und Viehzucht hängen eng miteinander zusammen. Jedoch zwang die natürliche Beschaffenheit der verschiedenen Gegenden manche Völkerschaften, ihren Lebensunterhalt in der Hauptsache auf eine bestimmte Art zu gewinnen: durch Jagd, Fischfang, Viehzucht, Pflanzenbau. Das wurde natürlich von Wichtigkeit für die Verbesserung der Geräte, deren sie sich besonders bedienten, wie für ihre ganze Lebensweise. Barbaren , die an großen Strömen oder den Küsten des Meeres