Für unsere Kinder103Der Widder und das Schwein,die in den Wald gingen,um für sich zu wohnen.Nordisches Märchen.Es war einmal ein Widder, der stand vordem wohlgefüllten Futtertrog, denn er solltegemästet werden; es ging ihm deshalb vor züglich, und er wurde von all den guten Dingenrund und fett. Und immer wieder kam dieStallmagd, gab ihm noch mehr und sagte:„Friß nur, Widder, du wirst nicht lange mehrhier sein, morgen schlachten wir dich!"„Es ist ein altes Sprichwort, daß man einen' guten Rat aus Frauenmund nicht verachtensoll, und vor dem Tode erhält jeder noch eineHenkersmahlzeit; aber vielleicht komme ich dies mal doch auch noch mit dem Leben davon!"dachte der Widder." Er fraß also tüchtig, und als er wohlgesättigtwar, stieß er die Tür auf und lief davon aufden Nachbarhof; da ging er gleich nach demSchweinestall zu einem Schwein; der Widderwar in der Gegend wohlbekannt, und sie warenimmer einträchtige gute Freunde gewesen.„Guten Tag," sagte der Widder zu demSchwein.„Guten Tag," sagte auch das Schwein.„Weißt du, warum es dir so gut geht, undwarum man dich so sehr füttert und mästet?"fragte der Widder.„Nein, nein," grunzte das Schwein.„Ja ja, viele Köpfe, leere Töpfe, das istwahr. Sie wollen dich schlachten und daynverspeisen."„So so?" sagte das Schwein.„Na, wohlbekomm's."„Wenn es dir recht ist, laufen wir davonin den Wald, bauen uns dort ein Haus undwohnen für uns. Man sitzt immer am bestenauf seiner eigenen Bank," sagte der Widder.Das Schwein war ganz damit einverstanden.„In guter Gesellschaft ist gut sein," sagte es;und dann machten sie sich miteinander ausden Weg.Nachdem sie eine Strecke weit gegangenwaren, begegneten sie einer Gans.„Guten Tag, liebe Leute," sagte die Gans.„Wo wollen die Herrschaften hin, da sie esso eilig haben?"„Guten Tag," antwortete der Widder.„Esist uns daheim zu gut gegangen, deshalb wollenwir in den Wald und für uns wohnen; eignerHerd ist GoldeS wert."„Ja, da wo ich bin, geht es mir eigentlichauch zu gut," sagte die Gans.„Dürfte ich amEnde mit euch gehen? Gute Gesellschaft kürztden Weg."„Mit Worten und schönen Redensarten bautman weder Haus noch Hütte," sagte dasSchwein.„Was wolltest du denn dabei tun?"„Viele Tropfen geben auch einen Bach,"sagte die Gans.„Ich kann Moos heraus zupfen und die Ritzen in den Wänden ver stopfen, damit das Haus dicht und warm wird."Nun ja, dann dürfe sie mitkommen, meintedas Schwein; denn es hatte es gern gut undwarm. Nachdem sie wieder eine Strecke gegangenwaren— die Gans konnte aber nicht so schnellnachkommen—, begegneten sie einem Hasen,der aus dem Walde dahergesprungen kam.„Guten Tag, ihr lieben Leute!" rief der Hase.„Wohin wollt ihr denn heule noch?"„Guten Tag, guten Tag!" sagte der Widder.„Ach, wir haben es daheim zu gut gehabt,deshalb wollen wir in den Wald, uns dortanbauen und für uns wohne». Ost oder West,daheim das best."„Nun, ich Hab ein Heim in jedem Busch,in jedem Busch!" erwiderte der Hase.„Aberim letzten Winter habe ich doch oft gesagt,wenn ich den Sommer erlebe, baue ich mirein Haus; deshalb hätte ich beinahe Lust, micheuch anzuschließen und mir auch ein Haus zu sammenzuzimmern."„Ja, und wenn wir in Not sind, werdenwir dich aufstellen, die Hunde zu verjagen,"sagte das Schwein,„denn beim Bau des Hauseskannst du uns ja nicht helfen."„Die Lust zur Tat stets Arbeit hat," sagteder Hase.„Ich habe Zähne, um Pflöckchen zunagen, und Pfoten, um die Wände zusammen zuschlagen, und kann also den Zimmermannvorstellen..Gutes Werkzeug schafft gute Ar beit/ sagte der Mann, als er dem Pferde miteinem Pfriemen die Haut abzog."Nun ja, dann dürfe er beim Bau des HausesHelsen, das verstehe sich von selbst, erklärtendie anderen.Als sie wieder eine Strecke gegangen waren,begegneten sie einem Hahn.„Guten Tag, guten Tag, ihr lieben Leute!"rief der Hahn.„Wohin wollt ihr denn heute?"„Guten Tag, guten Tag," sagte der Widder.„Es ist uns bisher allzugut gegangen, deshalbwollen wir uns im Walde ein Haus bauenund für uns wohnen; denn was das eigneHauS beschert, ist mehr als alles andre wert."