Für unsere Kinder

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Wilde Tiere Südafrikas  und ihr Schicksal.*

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Als ich drüben in den Hausflur trat, strömte| ersten Veilchen finde, so muß ich denken an mir ein seltsamer Duft entgegen. Auch wun- jenen Frühling meiner Kinderzeit und an den derte ich mich, daß Nanni nicht, wie sonst Strauß, den ich der toten Freundin als letzten immer, die Treppe herabgesprungen fam, um Gruß gebracht habe, ihr, die sterben mußte, mit mir in den Garten zu geben. Statt ihr ehe noch der Frühling sie gegrüßt hatte. Arme Jürgen Brand. fam ihre Mutter; sie war noch bleicher als fleine Nanni! sonst. Als sie meiner ansichtig wurde, schien es mir plöglich, als versagten ihr die Kräfte. Sie sah mich mit starren Augen an; mir wurde ganz ängstlich zumute, so daß ich kein Wort hervorbringen konnte. Dann hörte ich, wie sie heftig zu weinen anfing. Da hielt es mich nicht länger und ich wollte ohne Gruß schleunigst umkehren. Nein, nein!" rief es da hinter mir; saß es einen ungewöhnlichen Reichtum an ,, komm doch näher. Willst du denn Nanni nicht die Veilchen bringen? Komm, ich führe dich zu ihr." Nun ging ich willig mit und freute mich, Nanni wieder zu sehen und bald wieder mit ihr im Garten spielen zu dürfen. Ihre Mutter öffnete eine Zimmertür und schob mich vor sich her.

In der Mitte des Zimmers, inmitten blühen­der Blumen in einem schwarzen Särglein lag meine kleine süße Freundin. Die lieblichen blauen Augen waren geschlossen und die kleinen weißen Händchen waren gefaltet. Zu ihren Häupten und zu ihren Füßen brannten feier liche Kerzen.

Ich begriff nicht sogleich, was das bedeutete. Eine unsagbare Angst schnürte mir fast die Kehle zu. Nannis Mutter nahm meinen Veil­chenstrauß und legte ihn zwischen die falten, blassen Händchen ihres toten Lieblings. Dann sant sie in einen Stuhl und weinte bitterlich. Und da weinte ich auch.

Dann trocknete sie ihre Tränen und führte mich ganz dicht an den Sarg hinan. Als ich mit scheuen Blicken das Unbegreifliche vor mir betrachtete, sagte sie mit bebenden Lippen zu mir: Nun fag Ade zu der armen fleinen Nanni; sie wird nun nie mehr mit dir im Garten spielen."-Aufs neue strömten ihr die Tränen hervor. Dann geleitete sie mich die Treppe hinab, drückte mich noch einmal heftig an sich und ließ mich gehen.

Mein kleiner Kopf tonnte das Schreckliche nicht verstehen. Ich weiß nur, daß mir meine fleine Welt leer und öde erschien. Viel, viel später erzählte mir die Tante, daß ich nach dem plötzlichen Tode der kleinen Freundin oft des Nachts aus dem Schlaf aufgefahren sei und vor mich hingesprochen habe:" Arme

tleine Nanni."

Meinen Veilchenstrauß hat die Tote mit ins Grab genommen. Und wenn ich heute die

Von James Bryce  .

Als Südafrika   zuerst durchforscht wurde, be­

Pflanzen und wilden Tieren; bis vor etwa vierzig oder fünfzig Jahren lenkte hauptsäch­lich die große Zahl, Größe und Schönheit dieser Tiere die Aufmerksamkeit der Europäer auf das Land. Man ahnte wenig davon, welche mineralischen Schäße es enthielt und wieviel Unheil diese noch hervorrufen würden. Weshalb es so reich an Tierarten war, ist eine Frage, die durch die Erforschung der Erdgeschichte vielleicht einmal gelöst wird, da viel von den Verhältnissen in Land und See von früheren Erdzeiträumen abhängt. Wahr­scheinlich haben die großen klimatischen und Höhenunterschiede, die im Süden des afrika­nischen Erdteits vorhanden sind, zur Ent­stehung dieser außerordentlichen Mannigfaltig­feit beigetragen. Auch der Umstand, daß das Land nur von Wilden bewohnt war, die wenig oder gar nichts taten, um irgend eine von der Natur geschaffene Tierart auszurotten, mag hier mancher schwachen Art die Fortdauer ermög­licht haben, während in Asien   und Europa  ebenso schwache den Waffen fortgeschrittener Völker erlagen. Das Land war deshalb das Paradies der Jäger. Außer dem Löwen   und Leoparden gab es viele andere große Kazen­arten, darunter einige von bemerkenswerter Schönheit. Ferner kamen außer dem Elefanten, der in einigen Gegenden sehr häufig war, zwei Arten von Nashörnern sowie das Fluß­pferd und die Giraffe vor. Es gab eine un­glaubliche Menge von Antilopen- man hat darunter so edle Tiere 39 Arten gezählt wie das Glen und Kudu, so schöne wie den Springbock und Klippenspringer und so wilde wie das blaue Gnu. Zwei Arten des Zebra, ferner das Quagga und der Büffel, ebenso ge= waltig wie gefährlich, lebten hier. Wohl nir­

* Aus Bilder aus Südafrika von James Bryce  . Hannover  , Berlag von Gebrüder Jänecke.