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Für unsere Kinder

aus meiner Betrachtung aufstörte. Das Surren wurde lauter und lauter, und als ich aufblickte, sah ich ein großes Luftschiff in eiliger Fahrt herankommen. Bald schwebte es dicht über meinem Haupte, glitt vorüber und entschwand allmählich.

setzen Grashüpfer hinein, oder fangen zwei| Erfüllung gefunden. Noch klangen mir Kellers Gottesanbeterinnen und lassen sie miteinander Worte im Innern nach, als mich leises Surren tämpfen; oder sie reihen rote und schwarze Dschungelnüsse zu einer Halskette auf, oder fie beobachten eine Eidechse, die sich auf einem Stein sonnt, oder schauen einer Schlange zu, die Jagd auf einen Frosch macht. Dann singen sie lange, lange Lieder mit seltsamen, uralten Rehrreimen am Ende, und der eine Tag er­scheint ihnen länger als vielen Menschen ihr ganzes Leben. Vielleicht bauen sie auch aus Lehm ein Schloß mit Menschen, Pferden und Büffeln; in die Hände der Menschen stecken sie Schilfrohre und behaupten, das seien Könige mit ihren Heeren oder Götter, vor denen man niederknien muß. Dann kommt der Abend. Die Kinder rufen, und die Büffel erheben sich schwerfällig einer nach dem andern aus dem zähen Schlamme, wobei ein Geräusch entsteht, als ob Kanonen losgingen. Dann zieht alles in langer Reihe über die graue Ebene den blinkenden Lichtern des Dorfes zu.

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Rudyard Kipling  .

Reisen einst und jetzt.

Hell strahlte die Sonne am tiefblauen Himmel, an dem in der Ferne einige fleine Morgen­wölkchen wie Schwäne auf dem Wasser dahin­glitten. Kein Lufthauch regte sich, und wie ein gewaltiger blitzender Spiegel lag unter mir der waldumkränzte Müggelsee in einer schmalen Fassung von weißem Sand. Hoch über mir zogen Sperber ihre Kreise, stiegen auf und fielen nieder. Das Auge folgt ihren Bahnen und Sehnsucht erfaßt dich, es ihnen gleichzu­tun. Mir kommen die Verse in den Sinn, die vor nun bald siebzig Jahren Gottfried Keller  , der große Schweizer   Dichter, schrieb, als ein anderer Dichter über die Unfrieden bringenden Bahnen und Dampfschiffe geklagt hatte. Diese Verse lauten:

... Und wenn vielleicht in hundert Jahren Ein Luftschiff hoch mit Griechenwein Durchs Morgenrot käm' hergefahren, Wer möchte da nicht Fuhrmann sein?" Es ist ein uralter Wunsch der Menschen, gleich den Adlern durchs Luftmeer eilen zu tönnen. Dieser Wunsch ließ die germanische Sage von Wieland dem Schmied entstehen und die griechische von Dädalus  . Aus Vogelfedern und Wachs formte sich Dädalus   Flügel und segelte auf ihnen durch die Lüfte. Heute ist zur Wahrheit geworden, was früher nur Märchen war, heute hat der Wunsch der Menschen seine

Wie lange noch wird es dauern, und wir fahren mit der Flugmaschine oder dem Luft­schiff unserem Reiseziel zu, das wir heute noch mit der Eisenbahn erreichen müssen. Die dann lebenden Menschen werden uns darob bedauern. wie wir heute unsere Vorfahren, weil sie nur mit der Postkutsche oder zu Pferd und zu Fuße reisen konnten.

Noch zu jener Zeit, als Gottfried Keller   sein Lied vom Luftschiff dichtete, im Jahre 1846, war bei uns der Reiseverkehr vermittels der Postkutsche der fast allein mögliche und übliche. 3Zu den Annehmlichkeiten des irdischen Lebens gehörte das Fahren in einer Postkutsche keines­wegs. Als Goethe um 1767 von seiner Vater­stadt Frankfurt   a. M. nach Leipzig   fuhr, um die Universität dieser Stadt zu beziehen, blieb sein Postwagen mitten in der Nacht auf der Landstraße im Schmutze stecken. Es regnete in Strömen. Die Passagiere mußten helfen, den Wagen wieder frei zu bekommen, wollten sie anders nicht im Freien übernachten. Goethe arbeitete so angestrengt, daß er sich ein Brust­übel zuzog, das ihn erst viele Jahre später ver­ließ. Und siebzig Jahre nachher, im Jahre 1837, beschreibt Heinrich Heine   im Wintermärchen" eine Fahrt in der preußischen Post:

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" Im nächtlichen Walde humpelt dahin Die Chaise. Da kracht es plötzlich Ein Rad ging los; wir halten still, Das ist nicht sehr ergöglich.

Der Postillon steigt ab und eilt Ins Dorf, und ich verweile

Um Mitternacht allein im Wald, Ringsum ertönt Geheule."

Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert und noch bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein befanden sich die wichtigsten Fahrstraßen fast alle in verwahrlostem Zustand und glichen Kirchhöfen für Wagen. Alle Augenblicke be­gegnete man Überresten von Kutschen, Last­wagen usw., die umgetippt oder im Schmuze stecken geblieben und dann von ihren Besitzern verlassen worden waren. Vornehme Leute reisten im eigenen Wagen und ließen nur die Pferde sich von der Post stellen; sie nahmen aber gleich die nötige Zahl von Ersatzrädern